Zum Inhalt springen

Zahnfunde in Israel Moderner Mensch verließ Afrika früher als gedacht

Acht Zähne und ein Unterkiefer: Wissenschaftler haben im Karmelgebirge die ältesten Überreste des Homo sapiens außerhalb Afrikas entdeckt.
Oberkiefer mit acht Zähnen aus der Misliya-Höhle (Israel)

Oberkiefer mit acht Zähnen aus der Misliya-Höhle (Israel)

Foto: DPA/ Israel Hershkovitz/ Tel Aviv University

Der moderne Mensch hat Afrika mindestens 50.000 Jahre früher verlassen als bisher gedacht. Das schließen Forscher aus den bislang ältesten bekannten Überresten eines Homo sapiens außerhalb Afrikas, wie sie im Fachblatt "Science" berichten. Sie fanden in Israel einen Teil eines Oberkiefers und acht Zähne, die etwa 180.000 Jahre alt sind. Der Knochen und die Zähne stammen aus der Misliya-Höhle im Karmelgebirge, etwa zwölf Kilometer südlich der Hafenstadt Haifa.

Der Fundort liegt nur knapp zehn Kilometer entfernt von der Skhul-Höhle; dort waren in den Dreißigerjahren die bisher ältesten bekannten Überreste eines modernen Menschen außerhalb Afrikas entdeckt worden. Sie sind auf ein Alter von 90.000 bis 120.000 Jahren datiert worden. Die Datierung ist jedoch zwanzig Jahre her und deshalb umstritten. Die aktuellen Funde zeigen nun, dass zu dieser Zeit tatsächlich moderne Menschen in der Region lebten.

Nach gängiger Lehrmeinung entstand der Homo sapiens vor rund 300.000 Jahren in Afrika - eine Zahl, die vor allem auf genetischen Hochrechnungen beruht. Die ältesten bisher gesichert dem Homo sapiens zuzuordnenden Fossilfunde sind nur rund 160.000 Jahre alt.

Vor rund 100.000 Jahren soll der Moderne Mensch schließlich Afrika verlassen haben, was durch Funde aus dieser Zeit belegt ist. Die Entdeckung aus Israel zeigt nun aber, dass dies deutlich früher geschehen ist. Das Alter des aktuellen Funds aus der Misliya-Höhle bestimmten die Forscher um Israel Hershkovitz von der Universität in Tel Aviv mit mehreren verschiedenen Datierungsmethoden.

Die U-Series-Datierung eines Zahnstücks ergab ein Alter von nur 70.000 Jahren - dies betrachten die Wissenschaftler als unterste Altersgrenze. Die Methode basiert auf der Messung der natürlichen Radioaktivität von Uran-Isotopen. Drei weitere Analysen mit verschiedenen Methoden und in verschiedenen Laboren ergaben dagegen ein Alter zwischen 177.000 und 194.000 Jahren.

Handelt es sich wirklich um einen modernen Menschen?

Die U-Series-Datierung könnte ein zu niedriges Alter ergeben haben, weil sich Zähne bei der Versteinerung verändern, vermutet Madelaine Böhme von der Universität Tübingen. Eine Datierung zwischen 177.000 und 194.000 Jahren hält die Geowissenschaftlerin für überzeugender, die nicht an der Studie mitgearbeitet hat.

Homininen und Hominiden

Die Zähne und Kieferknochen zeigen sowohl Merkmale vom modernen Menschen als auch von anderen Menschenarten, wie etwa dem Neandertaler. So erscheinen die Schneidezähne und der Eckzahn modern, die Backenzähne jedoch eher archaisch. Insgesamt entsprechen die Merkmale aber eher dem modernen Menschen, glauben die Forscher.

"Die Größe und Form der Proben fallen in die bekannte Variationsbreite später Fossilien des Homo sapiens", sagen auch Chris Stringer und Julia Galway-Witham vom Natural History Museum in London, die nicht an der Studie mitgearbeitet haben.

Auch Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hält die Befunde für überzeugend. Die Untersuchung stütze seine Auffassung, dass Gruppen von Homo sapiens zu unterschiedlichen Zeiten aus Afrika ausgewandert sind.

Die israelischen Forscher rechnen nun mit weiteren Funden. Gen-Analysen legen nahe, dass sich der Moderne Mensch bereits vor mehr als 200.000 Jahren über Afrika hinaus verbreitet hat.

koe/dpa