Israel:Einfach aufregend

Israel: Daimler-Chef Dieter Zetsche kann per Videoschalte aus Israel am SZ-Wirtschaftsgipfel teilnehmen.

Daimler-Chef Dieter Zetsche kann per Videoschalte aus Israel am SZ-Wirtschaftsgipfel teilnehmen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Autoindustrie entdeckt gerade das Land und die vielen Start-ups dort: Daimler-Chef Zetsche schaut sich schon nach Partnern um.

Von Caspar Busse, Berlin

Stau auf den dreispurigen Autobahnen, ein passendes Hintergrundbild für das Gespräch mit dem Daimler-Chef. Dieter Zetsche, 64, ist live aus Israel zugeschaltet an diesem Donnerstag beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. Er steht da, ganz locker im gestreiften Hemd und ohne Krawatte, am Fenster eines Hochhauses, dort, wo Daimler gerade eine Forschungsabteilung etabliert.

Der Vorstandsvorsitzende von Daimler weilt in Israel, trifft dort Forscher, junge Start-ups, prüft Kooperationen, Beteiligungen und auch Übernahmen. "Es ist einfach aufregend, was hier geht", schwärmt er. Die Dichte an jungen Technologie-Firmen sei im Verhältnis zur Bevölkerung hier so hoch wie nirgends. Und da müsse auch Daimler dabei sein, sagt Zetsche.

6000 junge Tech-Firmen gibt es im Land, jede zehnte hat mit Autos zu tun

Israel mit seiner großen Start-up-Szene wird gerade auch für die Autobauer ein immer wichtigerer Standort. Das Land mit nur 8,5 Millionen Einwohnern ist nicht viel größer als Hessen, aber hier werden in einer rasanten Geschwindigkeit immer neue Tech-Unternehmen gegründet, 6000 Start-ups soll es inzwischen geben. Etwa jedes Zehnte davon ist nach Angaben von Zetsche im Automotive-Bereich tätig. "Das ist ein hervorragender Nährboden hier", so der Daimler-Chef.

Viele der Frauen und Männer, die sich mit ihren Ideen selbständig machen, haben früher in der israelischen Armee gearbeitet oder waren an den Universitäten des Landes aktiv. Und sie forschen an den Dingen, die gerade für autonomes Fahren, für Sicherheitssysteme und E-Mobilität so wichtig sind. Die Start-ups sind attraktiv, die Gründer verfügen über teilweise große Kenntnisse und wertvolle Erfahrungen aus Cyber-Labors oder mit militärischen Abwehrsystemen. Das, was früher für die Armee entwickelt wurde, kann heute gut für den Straßenverkehr der Zukunft geeignet sein. Und die Firmen befruchten sich auch gegenseitig, die Netzwerke aus der Militärzeit funktionieren jedenfalls noch gut.

Nur nichts verpassen, denken sich also auch die deutschen Hersteller. Daimler baue gerade ein Truppe auf, erzählt Zetsche, die neuen Leute hätten "sehr interessante Lebensläufe", seien in der digitalen Welt aufgewachsen. Erst im November vergangenen Jahres hatte Daimler ein Technologie-Zentrum in Tel Aviv eröffnet. Dort werde man an den großen Trends Digitalisierung, Sicherheit und Vernetzung forschen, teilte der Konzern damals mit. Das gesamte Forschungs- und Entwicklungsnetz des Stuttgarter Konzerns umfasst 24 Standorte in zwölf Ländern, darunter auch Bangalore in Indien, Peking, Sunnyvale im Silicon Valley oder Berlin. Beschäftigt werden etwa 16 000 Mitarbeiter. Neben der Entwicklung und Erprobung von Pilotprojekten für neue Bedienerkonzepte soll in Tel Aviv auch ein Netzwerk zu lokalen Partnern, Universitäten und anderen Hightech-Unternehmen aufgebaut werden. Geleitet wird das Zentrum in Tel Aviv von Adi Ofek, die gebürtige Israelin arbeitet seit 2000 für Daimler. Und dann haben die Stuttgarter gerade 60 Millionen in das israelische Start-up Store-Dot investiert und eine strategische Partnerschaft gegründet. Dabei geht es um eine Batterietechnologie, mit der man die Fahrzeuge schneller laden kann.

Früher, so berichten Gründer aus Israel, seien nur sehr selten Abgesandte der großen Autohersteller in das Land gekommen. Heute aber gäben sie sich die Klinke in die Hand. Der Grund: Gerade der weltweite Automarkt ist in einem grundlegenden Wandel. Bisher dominierten die großen Hersteller aus Europa, den USA und Japan, sie produzierten Fahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotoren für die Welt. Doch spätestens seit dem Dieselabgas-Skandal, der vor gut zwei Jahren mit einer Mitteilung aus dem VW-Konzern begann, ist nichts mehr wie zuvor. Zum einen wird weltweit an alternativen Antrieben geforscht. China beispielsweise forciert massiv die Elektromobilität und will damit den traditionellen Herstellern den Rang ablaufen. Der amerikanische Hersteller Tesla hat aus E-Autos inzwischen einen Kult gemacht. Die EU-Kommission will auch die europäische Hersteller zu mehr Klimaschutz zwingen. Gleichzeitig wird weltweit am Traum vom fahrerlosen Fahren geforscht.

Für Mobileye zahlte Intel viele Milliarden, das hat für neue Euphorie gesorgt

Für Furore in Israel hatte zuletzt die Firma Mobileye aus Jerusalem gesorgt: Sie arbeitet an Spezialkameras und Fahrerassistenzsystemen, und das mit großem Erfolg; die Technologie wurde anfangs von Tesla eingesetzt, nach einem tödlichen Unfall zog sich Mobileye zurück. Mit dem Münchner Autobauer BMW besteht seit 2016 eine enge Zusammenarbeit. Im Frühjahr gab dann der amerikanische Chipkonzern Intel bekannt, dass er Mobileye übernehmen werde. 15 Milliarden Dollar ist Intel die vergleichsweise kleine Firma wert, es ist zugleich die größte Übernahme im israelischen Hightech-Sektor überhaupt. Der Deal hat für neue Euphorie gesorgt. Jetzt schauen sich erst recht viele Konzerne in Israel um. Wenn Intel so viel Geld ausgibt, dann müsse es noch andere gute Möglichkeiten geben, so das Kalkül.

Die Spielregeln in der Branche ändern sich also gerade. Zetsche kann dem neuen Wettbewerb auch Gutes abgewinnen. Er halte wach und mache noch wacher, sagt er. "Wir müssen schneller werden als je in der Vergangenheit", so der Automanager. Denn die Veränderungen seien groß. Und: "So ganz uninteressant ist der Markt, in dem wir uns bewegen, nicht." Das zeige sich doch auch darin, dass Firmen wie Apple oder Google ins Autogeschäft drängten. Und dass vollautonomes Fahren einmal Wirklichkeit werde, daran zweifelt Zetsche auch nicht. Dabei sind die Umbrüche in der Industrie nicht die einzigen Probleme, mit denen der Daimler-Chef zu kämpfen hat. Die EU-Kommission in Brüssel ermittelt, ob sich die deutschen Autobauer nicht gesetzwidrig abgestimmt haben, es gab bereits Durchsuchungsaktionen. Daimler hatte vorsorglich eine Selbstanzeige gestellt, könnte deshalb vielleicht straffrei ausgehen. Doch der Image-Schaden könnte groß sein.

Eine Einmischung der Politik lehnt Zetsche jedenfalls ab, Verbote von Verbrennungsmotoren seien nicht der richtige Weg, sagte er mit Blick auf die laufenden Sondierungsgespräche in Berlin. "Uns braucht man nicht zum Jagen tragen, wir sind mit größter Geschwindigkeit unterwegs", betonte Zetsche - während hinter ihm die Staus immer länger werden.

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