Autonomes Fahren:"Wir stehen vor einer Revolution"

BMW, die israelische Firma Mobileye und Intel wollen das autonome Fahren nicht nur zur Serienreife bringen, sondern den Standard setzen.

Von Caspar Busse

Die Halle im BMW-Forschungs- und Technologiehaus in Garching nördlich von München ist ganz in weiß ausgekleidet. Es gibt Currywurst, vorne steht ein bronzefarbene BMW, geladen sind am vergangenen Freitag auch viele Mitarbeiter. Man habe bewusst nicht die BMW-Welt für die Veranstaltung gewählt, sondern die Halle in Garching, um ein wenig "disruptiven Flair" zu erzeugen, sagen die BMW-Manager.

Doch sie haben sich keinen guten Tag für die Verkündung ihres "Meilenstein-Projektes" ausgesucht: Am Morgen war bekannt geworden, dass ein autonom navigierender Tesla in Florida verunglückt war, der Fahrer war dabei ums Leben gekommen. "Der Unfall ist traurig", sagt BMW-Chef Harald Krüger, und mahnt zur Vorsicht. Doch von seinem Plan will er sich nicht abbringen lassen.

Zusammen mit dem amerikanischen Chipkonzern Intel und dem israelischen Roboter-Experten Mobileye sollen autonom fahrende Fahrzeuge bis zum Jahr 2021 endlich zur Serienreife gebracht werden. BMW wolle damit "die Nummer eins für autonomes Fahren sein", lautet zumindest die Ansage von Krüger. Mit Blick auf den Tesla-Unfall betonte er aber auch: "Das Ziel ist 2021, aber Sicherheit geht vor." Die kommenden fünf Jahre werde man intensiv nutzen. Schon seit einer Dekade arbeite BMW an autonom fahrenden Fahrzeugen, fügt BMW-Technikvorstand Klaus Fröhlich an. Man mache viele Fortschritte, auch wenn der Weg lang sei.

BMW Group, Intel and Mobileye Team Up to Bring Fully Autonomous Driving to Streets by 2021

Das Fahrzeug berechnet die Straße vor sich: eine Simulation von BWM.

(Foto: oh)

"Wir stehen vor einer Revolution", meint Amnon Shashua. Der 56-jährige Professor aus Israel hat 1999 die Firma Mobileye gegründet. In Jerusalem forschen rund 700 Experten an Robotertechnologie, es gibt weitere Standorte in Düsseldorf, China und New York. Die Firma ist seit 2014 an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq notiert, ist mehr als neun Milliarden Euro wert, bei einem Jahresumsatz von nur 250 Millionen Dollar. Es ist eines dieser besonders erfolgreichen Start-ups aus Israel.

Von Mobileye kommt sozusagen das Herz der neuen Technologie, die Chips und die Software, die die Bilder der Kameras und die Informationen der vielen Sensoren verarbeitet. Seit 2002 arbeiten Mobileye und BMW schon zusammen. Seit 2007 gibt es gemeinsame Produkte. Die Wahl sei auf die Münchner gefallen, weil BMW mehr als andere an die Zukunft und an Innovationen glaube, sagt Shashua. Daheim in Israel fährt er ein BMW-Motorrad und hat gerade schon wieder eine Firma ins Leben gerufen, die mithilfe von Mikrokameras Menschen mit Sehbehinderung helfen will. Die BMW-Kultur passe jedenfalls zu Mobileye, alleine hundert Leute des Start-ups arbeiten für das BMW-Projekt.

Noch zu komplex

Nach dem tödlichen Unfall eines computergesteuerten Tesla-Autos mit einem Lastwagen hat der Softwareentwickler Mobileye erklärt, dass der Autopilot des Tesla-Models nicht auf die Gefahrensituation vorbereitet gewesen sei. Mobileye stattet die Fahrzeuge mit Sicherheitstechnik aus. Der Kommunikationschef der Firma, Dan Galves, sagte der Bild am Sonntag, im Wagen sei lediglich Sicherheitssensorik für Front- und Heckkollisionen verbaut gewesen. "Der Unfall ereignete sich aber an einer Kreuzung. Für Kreuzungsbereiche gibt es noch gar keine praxistaugliche Sensorik", sagte Galves. Die Technik werde diese Erkennungsfunktion frühestens von 2018 an umfassen, die entsprechenden Sicherheitseinstufungen werde es erst Anfang 2020 geben. Der Hersteller Tesla erklärte, das System habe den Lastwagen-Anhänger, unter den das Auto raste, für ein hochhängendes Straßenschild gehalten. Reuters

Die drei ungleichen Partner wollen vollautonomes Fahren nicht nur zur Serienreife bringen. Sie wollen auch einen Standard schaffen, an dem sich andere Hersteller orientieren können. Dabei geht es nicht um sogenanntes teilautonomes Fahren oder das selbständige Einparken von Fahrzeugen. Es geht um mehr: Der Fahrer soll künftig nicht nur die Hände vom Lenkrad nehmen, sondern während des Fahrens auf der Autobahn oder im Großstadtverkehr fernsehen oder schlafen können. Es müsse auch gar kein Fahrer im Auto sitzen, sagt Fröhlich und spricht von einem "neuen Zeitalter der Mobilität". Nach dem Kauf des Kartendienstes Here von Nokia - zusammen mit Audi und Daimler - sei diese Partnerschaft der nächste große Schritt, teilt BMW mit.

Ob die Plattform aber wirklich mal zu einem Standard werden kann, ist offen. Die US-Konzerne Google, Apple, Tesla, aber auch andere großen Autohersteller wie Daimler oder General Motors forschen am autonomen Fahren und entwickeln eigene Konzepte. Wer sich am Ende durchsetzt, ist nicht ausgemacht.

Intel-Chef Brian Krzanich betont in Garching, 90 Prozent aller Unfälle entstünden, weil Menschen am Steuer Fehler machen. Die Kosten von Verkehrsunfällen läge weltweit bei fast 900 Milliarden Dollar im Jahr. Der Chiphersteller soll vor allem die leistungsstarken Prozessoren liefern, die alle Daten in sehr kurzer Zeit verarbeiten und die richtigen Signale an Lenkung, Gas- und Bremspedal geben. Intel hatte zuletzt unter dem starken Rückgang des PC-Geschäftes - lange der Kernbereich - gelitten und sucht jetzt eine Alternative. Alle drei wollen gemeinsam den Erfolg.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: