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DIG_MAG 1_2018_5778

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<strong>DIG</strong><br />

<strong>MAG</strong>AZIN<br />

Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong><br />

Zeitschrift der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />

1948 – <strong>2018</strong><br />

70 Jahre<br />

Israel


Inhalt<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.<br />

Präsident: Hellmut Königshaus<br />

Bundesgeschäftsstelle<br />

Littenstraße 105<br />

10179 Berlin<br />

T 030 / 80907028<br />

info@digev.de<br />

www.digev.de<br />

Registergericht:<br />

Amtsgericht Charlottenburg<br />

Registernummer: VR 4075 B<br />

Redaktion<br />

Daniel Killy, Hellmut Königshaus<br />

(V.i.S.d.P.), Claudia Korenke,<br />

Bärbel Metz, Jürgen Sterzenbach,<br />

Maya Zehden<br />

Konzept und Gestaltung<br />

SINNDESIGN<br />

Unternehmenskommunikation<br />

Hardtblick 5<br />

51429 Bergisch Gladbach<br />

T 02204 / 205443<br />

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Layout und Satz<br />

rheinsatz Hanno Elbert<br />

Bonner Straße 272<br />

50968 Köln<br />

T 0221 / 9348339<br />

email@rheinsatz.de<br />

Titelillustration<br />

Jutta Melsheimer, bildbad.de<br />

Druck und Verarbeitung<br />

Tannhäuser Media GmbH<br />

Büttgenbachstraße 7<br />

40549 Düsseldorf<br />

T 0211 / 5048888<br />

kontakt@tannhaeuser-druck.de<br />

Erscheinungsweise<br />

Halbjährlich. Der Bezugspreis des<br />

<strong>DIG</strong> Magazins ist mit dem Mitgliedsbeitrag<br />

abgegolten. Für namentlich<br />

gekenn zeichnete Artikel sind die<br />

jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />

Bankverbindung<br />

Berliner Sparkasse<br />

IBAN: DE84 1005 0000 1010 0091 99<br />

BIC: BELADEBEXXX<br />

Herausgegeben mit freundlicher<br />

Unterstützung des Auswärtigen<br />

Amtes<br />

Inhalt<br />

Editorial<br />

4 | Hellmut Königshaus<br />

Die Israelis können stolz auf ihr<br />

Land sein<br />

Veranstaltungen<br />

5 | <strong>DIG</strong>-Festival »70 Jahre Israel«<br />

6 | Feiern und Veranstaltungen vor Ort<br />

70 Jahre Israel<br />

8 | Israels Unabhängigkeitserklärung<br />

im Wortlaut<br />

10 | Grisha Alroi-Arloser<br />

Eine Gesellschaft im Werden<br />

15 | Tibor Luckenbach<br />

70 Plakate und ihre Geschichte<br />

18 | Leo Sucharewicz<br />

Meme und östliches Mittelmeer<br />

20 | Oliver Vrankovic<br />

Von Ulm nach Erez Zion – Die Jeckes<br />

Aktuell<br />

22 | Heiko Maas in Jerusalem<br />

22 | Landerechte Kuwait Airways<br />

23 | Duden nimmt Adjektiv<br />

»israelfreundlich« auf<br />

23 | Zahl der <strong>DIG</strong>-Mitglieder wächst<br />

24 | Margreet und Stefan Krikowski<br />

»Ich hatte ein gutes Leben, und jetzt<br />

habe ich nichts«<br />

78 | Gabriel Goldberg<br />

Brief aus Paris<br />

Meinung<br />

26 | Philipp J. Butler, Dr. Hermann Kuhn<br />

Soll Deutschland seine Botschaft<br />

nach Jerusalem verlegen?<br />

Politik<br />

28 | Matthias Küntzel<br />

Atomdeal mit Iran auf der Kippe<br />

30 | Maya Zehden<br />

Israels Stellung bei den Vereinten<br />

Nationen<br />

32 | Alexander Steder<br />

»Es kommt allein auf uns Israelis<br />

und Palästinenser an«<br />

Medien<br />

34 | Dr. Nikoline Hansen<br />

Das Israelbild in den deutschen<br />

Medien<br />

36 | Maya Zehden<br />

Friedliche Palästiner, böse Israelis?<br />

37 | Daniel Killy<br />

Es geht auch um sprachliche<br />

Feinheiten<br />

Sport<br />

38 | Alex Feuerherdt<br />

Klare Kante gegen Antisemitismus<br />

Porträt<br />

40 | Jürgen Sterzenbach<br />

Tamar Morali<br />

42 | Maike Diehl<br />

Johannes Guagnin<br />

Genuss<br />

44 | Claudia Korenke<br />

Geburtstagsdinner für Israel<br />

45 | Jürgen Sterzenbach<br />

Haute Cuisine auf israelisch<br />

2 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Junges Forum<br />

63 | Tibor Luckenbach<br />

Israelpedia – Jahresseminar des<br />

Jungen Forums<br />

64 | Annika Zecher<br />

Neue Ideen, angeregter Austausch<br />

Austausch<br />

65 | Thomas Emons<br />

»So eine Reise hätten wir alleine<br />

nicht machen können«<br />

67 | Pava Raibstein<br />

Beduinische Mädchengruppe aus<br />

Israel zu Besuch in Frankfurt<br />

Kunst<br />

68 | Jürgen Sterzenbach<br />

Orna Ben-Ami macht aus Eisen<br />

Emotionen<br />

70 | Dr. Kerstin Holme<br />

Kunst als Brücke zur Verständigung<br />

Musik<br />

71 | Jochen Miersch<br />

Violinen der Hoffnung in Schloss<br />

Dachau<br />

Bücher<br />

72 | Lynn Holstein<br />

Artisans of Israel<br />

74 | Igal Avidan<br />

Mod Helmy – Wie ein arabischer<br />

Arzt in Berlin Juden vor der<br />

Gestapo rettete<br />

75 | Barbara Bišický-Ehrlich<br />

Sag’, dass es dir gut geht –<br />

Eine jüdische Familienchronik<br />

76 | Dana Ionescu, Samuel Salzborn<br />

Antisemitismus in deutschen<br />

Parteien<br />

77 | Gisela Dachs<br />

Länderbericht Israel<br />

77 | Gisela Dachs<br />

Mein Israel, Szenen eines Landes<br />

Nachrufe<br />

79 | Wolfgang Wende<br />

80 | Waltraut Rubien<br />

81 | Manfred Oelsen<br />

Adressen<br />

85 | Die <strong>DIG</strong> vor Ort<br />

Arbeitsgemeinschaften und Mitgliedsvereine<br />

46 | Augsburg-Schwaben e.V.<br />

Das Israel-Wunder von Mering<br />

47 | Berlin und Brandenburg e.V.<br />

Pioniere der Städtepartnerschaft<br />

48 | Bielefeld<br />

Versöhnungsgeste nach über 60 Jahren<br />

49 | Braunschweig<br />

50 Jahre <strong>DIG</strong> Braunschweig<br />

50 | Bremen/Unterweser e.V.<br />

Dani Goren – Kämpfer für ein starkes Israel<br />

51 | Chemnitz<br />

Musikalischer Jugendaustausch<br />

52 | Duisburg-Mülheim-Oberhausen<br />

Wasser – Israels Beitrag zur Nachhaltigkeit<br />

53 | Düsseldorf<br />

Halb so alt wie Israel<br />

54 | Fankfurt<br />

<strong>DIG</strong> Frankfurt goes: weltweit<br />

55 | Erfurt<br />

Caravan Orchestra – Brücke der Musikkulturen<br />

56 | Freiburg<br />

Von Boykotteuren und Islamisten bis hin zu<br />

muslimischen Israelfreunden<br />

57 | Halle<br />

Solidarität mit dem israelischen Volk<br />

58 | Hamburg<br />

Jeremy Issacharoff zu Gast in Hamburg<br />

59 | Köln<br />

Aktionswochen gegen Antisemitismus<br />

60 | Mainz<br />

Erst Tränen, dann Jubel<br />

61 | Ostfriesland<br />

Flaschenpost nach 26 Jahren angespült<br />

62 | Wiesbaden<br />

Erste Arbeitsgemeinschaft der <strong>DIG</strong><br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 3


Editorial<br />

Die Israelis können stolz auf ihr Land sein<br />

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen<br />

und Freunde Israels,<br />

Israel feiert den 70. Jahrestag seiner Gründung, und wir<br />

feiern mit. Unsere Arbeitsgemeinschaften und Mitgliedsvereine<br />

richten überall im Land öffentliche Veranstaltungen<br />

aus, um über das moderne, lebendige Land zu informieren,<br />

ein Land, das ganz anders, viel schöner ist als es<br />

in den auf Konflikte fokussierten Berichten erscheint. Wir<br />

freuen uns auf viele Besucher, die genauen Termine finden<br />

Sie auf unserer Homepage. Die zentrale Veranstaltung in<br />

der »Station« in Berlin wird am 25. Mai um 11 Uhr eröffnet<br />

und dauert bis Sonntag, 27. Mai. Mehr über das Programm<br />

erfahren Sie auf der nebenstehenden Seite und im Internet<br />

unter www.70-jahre-israel.digev.de<br />

Reisen bildet, und Reisen nach Israel bilden erst recht. Ich<br />

kenne niemanden, der nicht von einem Besuch dort mit<br />

einem anderen, besseren Bild Israels zurückgekommen ist.<br />

Denn es ist eine weitere Erfahrung, die ich immer wieder<br />

mache: je weniger manche Menschen über die Situation<br />

dort und die geschichtlichen Hintergründe wissen, desto<br />

stärker sind Skepsis oder gar Ablehnung gegenüber Israel.<br />

Nach einer neueren Umfrage wünscht sich mehr als ein<br />

Drittel aller Deutschen eine Distanzierung, eine Minderheit<br />

von 13 Prozent sogar eine »deutliche« Distanzierung der<br />

deutschen Politik von Israel. Das hat gewiss auch etwas damit<br />

zu tun, wie Israel in unseren Schulbüchern dargestellt<br />

wird. Und dass in manchen Medien recht einseitig über<br />

den Nahost-Konflikt berichtet wird. Viele Menschen hier<br />

nehmen diese Perspektive gern auf, denn es ist bequem,<br />

vom weichen Sofa in Deutschland über die Sicherheitslage<br />

in und um Israel zu räsonieren.<br />

Diese Stimmungslage bietet auch manchem eine gute Tarnung,<br />

um unter dem Vorwand der »Israelkritik« seinem Antisemitismus<br />

freien Lauf zu lassen. Ein Briefschreiber etwa<br />

warf mir und uns in der <strong>DIG</strong> vor, den Antisemitismus zu<br />

fördern, weil wir zu Israel stehen und eine faire Bewertung<br />

seiner Politik einfordern. Antisemitismus in Form einer<br />

vorgeschobenen Kritik am Antisemitismus, das zumindest<br />

ist neu, der Antisemitismus selbst leider nicht.<br />

Umso mehr freuen wir uns über die Unterstützung, die<br />

wir durch die Politik erfahren. Der Präsident des Deutschen<br />

Bundestages Dr. Wolfgang Schäuble hat die Schirmherrschaft<br />

über unser Israelfestival übernommen und wird die<br />

zentrale Veranstaltung in Berlin am 25. Mai auch persönlich<br />

eröffnen. Und die Äußerungen von Außenminister Maas<br />

vor und bei seinem Antrittsbesuch in Israel waren wohltuend<br />

klar.<br />

Die Israelis können auch stolz auf ihr Land sein. Auf ein<br />

Land, das aus den Ländern der Region herausragt, eine<br />

Demokratie mit funktionierender, auch den Herrschenden<br />

gegenüber unerschrockener Justiz. Auf den jüdischen Staat,<br />

der den Juden in aller Welt eine sichere Heimstatt anbietet,<br />

und dennoch Andersgläubigen so weltoffen entgegentritt.<br />

Und auf ein Land, das sie unter schwierigsten Bedingungen<br />

aufgebaut und entwickelt haben, ein Land, in dem Milch<br />

und Honig fließen, wie es den Juden im zweiten Buch Mose<br />

verheißen war.<br />

Sie mussten dies alles nicht nur erarbeiten, sondern immer<br />

wieder verteidigen und sichern. Vom Tag der Staatsgründung<br />

an wurde Israel attackiert und in seiner Existenz<br />

bedroht. Die Israelis haben diesem enormen Druck standgehalten,<br />

ohne die demokratischen Grundwerte und die<br />

Freiheitsrechte der Menschen einzuschränken. Das sucht<br />

seinesgleichen in der Welt.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude und gute Gespräche auf<br />

unseren Jubiläumsveranstaltungen. Ich werde an einigen<br />

auch selbst teilnehmen und freue mich auf gute Begegnungen.<br />

Hellmut Königshaus<br />

Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />

Hellmut Königshaus<br />

Foto: Frank Ossenbrink<br />

4 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


CELEBRATING INNOVATION<br />

Eintritt frei<br />

<strong>DIG</strong>-Festival »70 Jahre Israel«<br />

vom 25. bis 27. Mai in Berlin<br />

»Station«, Luckenwalder Str. 4 – 6, 10963 Berlin-Schöneberg / nahe U-Bahnhof Gleisdreieck<br />

Öffnungszeiten: 25. Mai ab 11 Uhr, 26. und 27. Mai ab 12 Uhr<br />

Eröffnungsfeier<br />

Freitag, 25. Mai <strong>2018</strong>, 11 Uhr<br />

Begrüßung: <strong>DIG</strong> Präsident Hellmut Königshaus<br />

Grußworte: Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble<br />

und Botschafter des Staates Israel S. E. Jeremy Issacharoff<br />

Musikalische Begleitung: Björn Casapietra<br />

Programm-Highlights<br />

Freitag, 25. Mai<br />

13 Uhr: Podiumsdiskussion zu »70 Jahre Israel« mit Kai Diekmann<br />

(Präsident Freundeskreis Yad VaShem), Sven-Christian Kindler<br />

(MdB), Christian Lange (MdB), u.a. Moderation: Werner Sonne<br />

14 Uhr: Präsentation israelischer Start-ups »Start-up Nation –<br />

About Israel’s economic miracle and how German companies<br />

can benefit from Israeli innovation«<br />

18 bis 20:30 Uhr: Party mit DJ Micar<br />

Samstag, 26. Mai<br />

13 Uhr: Podiumsdiskussion zu »deutsch-israelischen Biografien«<br />

u.a. mit Arye Sharuz-Shalicar (Mitarbeiter von Ministerpräsident<br />

Nethanyahu, Autor von »Ein nasser Hund ist besser als ein<br />

trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli<br />

wurde«)<br />

20 bis 23 Uhr Party mit DJ<br />

Sonntag, 27. Mai<br />

12 Uhr: Vortrag von Professor Monika Schwarz-Friesel<br />

(TU-Berlin): »Israelbezogener Antisemitismus: uralter Hass<br />

in neuem Gewand«<br />

13 Uhr: Podiumsgespräch mit Überlebenden des Holocaust<br />

Geboten wird an allen drei Tagen<br />

ISRAEL FÜR ALLE SINNE<br />

– Ausstellungen<br />

– Diskussionen<br />

– Filme<br />

– Israelische Köstlichkeiten<br />

– Kinderprogramm wie Kinderschminken,<br />

Zauberkünstler, Hüpfburg<br />

– Lesungen<br />

– Live-Schaltungen nach Israel<br />

– Party, Party, Party…<br />

– Stände mit Informationen zu<br />

deutsch-israelischen Kooperationen,<br />

zu Reisen und zu Unbekanntem<br />

über Leben und Menschen in Israel<br />

– Sportevents<br />

– Theater<br />

– Vorträge<br />

– und vieles mehr<br />

Ständig aktualisierte<br />

Programmhinweise unter<br />

www.70-jahre-israel.digev.de<br />

www.facebook.com/<br />

deutsch.israelische.gesellschaft<br />

Gefördert durch<br />

Schirmherrschaft: Bundestagspräsident<br />

Dr. Wolfgang Schäuble


Termine<br />

70 Jahre Israel:<br />

Feiern und Veranstaltungen vor Ort<br />

Aurich<br />

13.5. – 23.9.<strong>2018</strong>, 11 Uhr<br />

Historisches Museum Aurich<br />

Ausstellung ist bis 23.9.<strong>2018</strong> zu besichtigen<br />

Ausstellungseröffnung Marc Chagall,<br />

Bilder zur Bibel – Christa Kraemer<br />

Berlin<br />

Bielefeld<br />

Bremen<br />

4.5.<strong>2018</strong>, 15 – 19 Uhr<br />

Gendarmenmarkt Berlin<br />

25. – 27.5.<strong>2018</strong> jeweils von 12 – 18 Uhr<br />

»Station«, Luckenwalder Str. 4–6,<br />

10963 Berlin-Schöneberg<br />

nahe U-Bahnhof Gleisdreieck<br />

6.12.<strong>2018</strong>, 18 Uhr<br />

VHS, Ravensberger Spinnerei<br />

33602 Bielefeld<br />

23.4.<strong>2018</strong>, 17 Uhr<br />

Kaminsaal im Rathaus<br />

26.4.<strong>2018</strong>, 18 Uhr<br />

Kaminsaal im Rathaus<br />

15.5.<strong>2018</strong>, 20 Uhr<br />

Landeszentrale für politische Bildung<br />

Birkenstraße 20/21, Bremen<br />

17.5.<strong>2018</strong>, 14 – 17 Uhr<br />

Israeltag auf dem Bremer Marktplatz<br />

19.5.<strong>2018</strong>, ab 23 Uhr<br />

»Spedition«, Güterbahnhof Bremen<br />

Israeltag mit Sharon Brauner & Karsten Troyke (Musik),<br />

drei Chören, israelischen Tänzen für alle, 33 Info- und<br />

Essenständen und mehr.<br />

Schirmherr: Regierender Bürgermeister Michael Müller<br />

»70 Jahre Israel«<br />

Festival der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />

Festveranstaltung mit Oberbürgermeister Pit Clausen und<br />

Rogel Rachman von der Botschaft des Staates Israel<br />

Vortrag von Dr. Jenny Hestermann:<br />

»Auf dem Drahtseil. Das Verhältnis deutscher Kanzler zu Israel,<br />

von Adenauer bis Merkel«<br />

»Gegenwart und Zukunft des deutsch-israelischen<br />

Verhältnisses«<br />

»Die vergessenen Flüchtlinge«<br />

Film von Michale Grynszpan, Tel Aviv<br />

mit Einführung von Tilman Tarach<br />

»Bremen gratuliert: 70 Jahre Israel«<br />

Fete zum 70. Geburtstag Israel<br />

30.5. – 2.6.<strong>2018</strong> Zwei Schüler der Leo-Baeck-Schule in Haifa zu Gast in Bremen<br />

5.6.<strong>2018</strong>, 20 Uhr<br />

Galerie K‘<br />

Alexanderstraße 12, Bremen<br />

»70 Posters«, Die Designerinnen Sara Neuman und Henrietta<br />

Singer erzählen die Geschichte des jüdischen Staates in 70<br />

Plakaten<br />

Chemnitz<br />

27.5.<strong>2018</strong>, 17 Uhr<br />

Jüdisches Gemeindezentrum Chemnitz,<br />

Stollberger Straße 28<br />

»70 Jahre Israel – 70 Jahre Geschichte in Liedern«<br />

6 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Termine<br />

Dresden<br />

Düsseldorf<br />

Erfurt<br />

Freiburg<br />

14.5.<strong>2018</strong>, ab 18 Uhr<br />

Jüdische Gemeinde Dresden<br />

17.5.<strong>2018</strong>, 13 – 20 Uhr<br />

Schadowplatz, 40212 Düsseldorf<br />

24.6.<strong>2018</strong>, 19 Uhr<br />

Goethe Museum<br />

Jacobistraße 2, 40211 Düsseldorf<br />

16.5.<strong>2018</strong>, 18 Uhr<br />

Rathaus<br />

17.5.<strong>2018</strong>, 20:30 Uhr<br />

Mensabar<br />

der Universität Freiburg<br />

Rempartstraße 18, 79098 Freiburg<br />

6.6.<strong>2018</strong>, 18:30 Uhr<br />

Winzerhaus St. Georg<br />

Wendlinger Straße 23, 79111 Freiburg<br />

Podiumsdiskussion mit der Wilhelm-Külz-Stiftung und den<br />

Sächsischen Israelfreunden<br />

Israeltag mit Gil Ofarim<br />

Festakt »70 Jahre Israel – 35 Jahre <strong>DIG</strong> Düsseldorf«<br />

»70 Jahre Israel« Gemeinsame Veranstaltung der<br />

<strong>DIG</strong> Erfurt mit der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen<br />

Israelischer Kulturabend zur Feier von<br />

Israels 70. Geburtstag<br />

Deutsch-Israelische Weinprobe<br />

Halle 7.5. – 15.6.<strong>2018</strong><br />

Rathaus der Stadt Halle<br />

Ausstellung »Die Geschichte Israels«<br />

Hamburg<br />

Kassel<br />

Magdeburg<br />

27. Mai <strong>2018</strong>, 15 – 18 Uhr<br />

Joseph-Carlebach-Platz<br />

Hamburg (Grindel)<br />

12.8.<strong>2018</strong>, 15 Uhr<br />

Sara Nußbaum Zentrum<br />

Ludwig-Mond-Straße 127, 34121 Kassel<br />

1.6.<strong>2018</strong>, 15:30 Uhr<br />

Staatskanzlei des Landes<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Hegelstraße 42, 39104 Magdeburg<br />

70 Jahre Israel: Open Air mit Odet Kafri Drums,<br />

Ofrin und Stella’s Morgenstern Folk (Eintritt frei)<br />

Fest mit Live-Musik und israelischen Spezialitäten<br />

Empfang:<br />

70 Jahre Staatsgründung Israel und gelebte Freundschaft<br />

München 17.5.<strong>2018</strong><br />

Odeonsplatz<br />

Israel-Tag mit extra gebrautem deutsch-israelischem<br />

Geburtstagsbier<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 7


70 Jahre Israel<br />

Die Unabhängigkeits erklärung<br />

des Staates Israel im Wortlaut<br />

Im Land Israel entstand das jüdische Volk. Hier prägte sich sein<br />

geistiges, religiöses und politisches Wesen. Hier lebte es frei<br />

und unabhängig, hier schuf es eine nationale und universelle<br />

Kultur und schenkte der Welt das Ewige Buch der Bücher.<br />

Durch Gewalt vertrieben, blieb das jüdische Volk auch in der<br />

Verbannung seiner Heimat in Treue verbunden. Nie wich seine<br />

Hoffnung. Nie verstummte sein Gebet um Heimkehr und Freiheit.<br />

Beseelt von der Kraft der Geschichte und der Überlieferung,<br />

suchten Juden aller Generationen in ihrem alten Lande wieder<br />

Fuß zu fassen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte kamen sie in großen<br />

Scharen. Pioniere, Verteidiger und Einwanderer, die trotz der<br />

Blockade den Weg in das Land unternahmen, erweckten Einöden<br />

zur Blüte, belebten aufs Neue die hebräische Sprache, bauten<br />

Dörfer und Städte und errichteten eine stets wachsende Gemeinschaft<br />

mit eigener Wirtschaft und Kultur, die nach Frieden<br />

strebte, aber sich auch zu schützen wusste, die allen im Lande<br />

die Segnungen des Fortschritts brachte und sich vollkommene<br />

Unabhängigkeit zum Ziel setzte.<br />

Im Jahre 1897 trat der erste Zionistenkongress zusammen. Er<br />

folgte dem Rufe Dr. Theodor Herzls, dem Seher des jüdischen<br />

Staates, und verkündete das Recht des jüdischen Volkes auf<br />

nationale Erneuerung in seinem Lande. Dieses Recht wurde am<br />

2. November 1917 in der Balfour-Deklaration anerkannt und auch<br />

durch das Völkerbundmandat bestätigt, das der historischen<br />

Verbindung des jüdischen Volkes mit dem Lande Israel und<br />

seinem Anspruch auf die Wiedererrichtung seiner nationalen<br />

Heimstätte internationale Geltung verschaffte.<br />

Die Katastrophe, die in unserer Zeit über das jüdische Volk hereinbrach<br />

und in Europa Millionen von Juden vernichtete, bewies<br />

unwiderleglich aufs Neue, dass das Problem der jüdischen Heimatlosigkeit<br />

durch die Wiederherstellung des jüdischen Staates<br />

im Lande Israel gelöst werden muss, in einem Staat, dessen Pforten<br />

jedem Juden offenstehen, und der dem jüdischen Volk den<br />

Rang einer gleichberechtigten Nation in der Völkerfamilie sichert.<br />

Im Zweiten Weltkrieg leistete die hebräische Gemeinschaft im<br />

Lande Israel ihren vollen Beitrag zum Kampfe der frieden- und<br />

freiheitsliebenden Nationen gegen die Achsenmächte. Mit dem<br />

Blute ihrer Soldaten und ihrem Einsatz für den Sieg erwarb<br />

sie das Recht auf Mitwirkung bei der Gründung der Vereinten<br />

Nationen.<br />

Am 29. November 1947 fasste die Vollversammlung der Vereinten<br />

Nationen einen Beschluss, der die Errichtung eines jüdischen<br />

Staates im Lande Israel forderte. Sie rief die Bewohner des<br />

Landes auf, ihrerseits zur Durchführung dieses Beschlusses alle<br />

nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Die damalige Anerkennung<br />

der staatlichen Existenzberechtigung des jüdischen Volkes durch<br />

die Vereinten Nationen ist unwiderruflich.<br />

Gleich allen anderen Völkern, ist es das natürliche Recht des<br />

jüdischen Volkes, seine Geschichte unter eigener Hoheit selbst<br />

zu bestimmen.<br />

Demzufolge haben wir, die Mitglieder des Nationalrates, als<br />

Vertreter der hebräischen Bevölkerung und der zionistischen<br />

Organisation, heute, am letzten Tage des britischen Mandats<br />

über Palästina, uns hier eingefunden und verkünden hiermit<br />

kraft unseres natürlichen und historischen Rechtes und aufgrund<br />

des Beschlusses der Vollversammlung der Vereinten<br />

Nationen die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel<br />

– des Staates Israel.<br />

Wir beschließen, dass vom Augenblick der Beendigung des Mandates,<br />

heute um Mitternacht, dem sechsten Tage des Monats Ijar<br />

des Jahres 5708, dem 15. Mai 1948, bis zur Amtsübernahme durch<br />

verfassungsgemäß zu bestimmende Staatsbehörden, doch nicht<br />

später als bis zum 1. Oktober 1948, der Nationalrat als vorläufiger<br />

Staatsrat und dessen ausführendes Organ, die Volksverwaltung,<br />

als zeitweilige Regierung des jüdischen Staates wirken sollen.<br />

Der Name des Staates lautet Israel.<br />

Die Überlebenden des Holocaust in Europa sowie<br />

Juden anderer Länder scheuten weder Mühsal noch<br />

Gefahren, um nach dem Lande Israel aufzubrechen<br />

und ihr Recht auf ein Dasein in Würde und Freiheit<br />

und ein Leben redlicher Arbeit in der Heimat durchzusetzen.<br />

David Ben-Gurion rief am 14. Mai 1948 (5. Ijar 5708)<br />

den Staat Israel aus. Dazu waren der jüdische Volksrat<br />

und 250 Gäste im alten Kunstmuseum auf dem<br />

Rothschild-Boulevard, der heutigen Independence-<br />

Hall, zusammengekommen. Die Verlesung der<br />

Unabhängigkeitserklärung wurde landesweit im<br />

Radio übertragen.<br />

Fotos: Government Press Office, Israel<br />

8 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


70 Jahre Israel<br />

»Wir reichen allen unseren Nachbarstaaten<br />

und ihren Völkern die Hand zum Frieden<br />

und zu guter Nachbarschaft.«<br />

Der Staat Israel wird der jüdischen<br />

Einwanderung und der Sammlung der<br />

Juden im Exil offenstehen. Er wird sich<br />

der Entwicklung des Landes zum Wohle<br />

aller seiner Bewohner widmen. Er wird<br />

auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im<br />

Sinne der Visionen der Propheten Israels<br />

gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern<br />

ohne Unterschied von Religion, Rasse<br />

und Geschlecht, soziale und politische<br />

Gleichberechtigung verbürgen. Er wird<br />

Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit<br />

der Sprache, Erziehung und Kultur<br />

gewährleisten, die Heiligen Stätten unter<br />

seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen<br />

der Charta der Vereinten Nationen<br />

treu bleiben.<br />

Der Staat Israel wird bereit sein, mit den<br />

Organen und Vertretern der Vereinten<br />

Nationen bei der Durchführung des<br />

Beschlusses vom 29. November 1947<br />

zusammenzuwirken und sich um die<br />

Herstellung der gesamtpalästinensischen<br />

Wirtschaftseinheit bemühen.<br />

Wir wenden uns an die Vereinten Nationen<br />

mit der Bitte, dem jüdischen Volk<br />

beim Aufbau seines Staates Hilfe zu leisten<br />

und den Staat Israel in die Völkerfamilie<br />

aufzunehmen.<br />

Wir wenden uns – selbst inmitten mörderischer<br />

Angriffe, denen wir seit Monaten<br />

ausgesetzt sind – an die in Israel<br />

lebenden Araber mit dem Aufrufe, den<br />

Frieden zu wahren und sich aufgrund<br />

voller bürgerlicher Gleichberechtigung<br />

und entsprechender Vertretung in allen<br />

provisorischen und permanenten Organen<br />

des Staates an seinem Aufbau zu<br />

beteiligen.<br />

Wir reichen allen unseren Nachbarstaaten<br />

und ihren Völkern die Hand zum<br />

Frieden und zu guter Nachbarschaft und<br />

rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen<br />

Hilfe mit dem unabhängigen<br />

hebräischen Volk in seiner Heimat auf.<br />

Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag<br />

bei gemeinsamen Bemühungen um den<br />

Fortschritt des gesamten Nahen Ostens<br />

zu leisten.<br />

Unser Ruf ergeht an das jüdische Volk<br />

in allen Ländern der Diaspora, uns auf<br />

dem Gebiete der Einwanderung und des<br />

Aufbaus zu helfen und uns im Streben<br />

nach der Erfüllung des Traumes von<br />

Generationen – der Erlösung Israels –<br />

beizustehen.<br />

Mit Zuversicht auf den Fels Israels setzen<br />

wir unsere Namen zum Zeugnis unter<br />

diese Erklärung, gegeben in der Sitzung<br />

des provisorischen Staatsrates auf dem<br />

Boden unserer Heimat in der Stadt Tel<br />

Aviv. Heute am Vorabend des Sabbat, dem<br />

5. Ijar 5708, 14. Mai 1948.<br />

Die Unterzeichner<br />

David Ben-Gurion | Jizchak Ben Zwi | Mordechaj Bentov | Daniel Auster<br />

Rabbi Zeev Gold | Peretz Bernstein | Eliyahu Berligne | Abraham Granovski<br />

Jitzchak Gruenbaum | Meir Grabovsky | Zerah Warhaftig | Meir Vilner<br />

Eliyahu Dobkin | Kalman Kahana | Rachel Cohen | Meir David Löwenstein<br />

Herzl Vardi | Jitzhak-Meir Levin | Saadia Kobashi | Nahum Nir | Golda Meir<br />

Zvi Luria | David-Zwi Pinkas | Jehuda Leib Maimon | Zvi Segal | Elieser Kaplan<br />

Mosche Kol | Aharon Zisling | David Remez | Pinchas Rosen<br />

Avraham Katznelson | Benzion Sternberg | Mordechai Shattner | Berl Repetur<br />

Chaim-Mosche Schapira | Mosche Scharet | Bechor-Schalom Schitrit<br />

Original-Dokument der Unabhängigkeitserklärung,<br />

ausgestellt im Israel-Museum, Jerusalem.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 9


Boomtown Tel Aviv: 1909 gegründet, 1950 zu Tel-Aviv Jaffa vereinigt,<br />

ist die Stadt das wirtschaftliche und gesellschaftliche Zentrum Israels.<br />

Im Umkreis der Metropole lebt fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung<br />

des Landes. Insgesamt hat Israel heute 8,7 Millionen Einwohner,<br />

mehr als zehn mal so viele wie bei der Staatsgründung 1948.<br />

Foto: Jürgen Sterzenbach<br />

Eine Gesellschaft im Werden<br />

von Grisha Alroi-Arloser<br />

Ich kenne Israel seit 1968. Damals war ich zwölf und besuchte mit meinem Vater das Land zum<br />

ersten Mal, ein Traum war für ihn wahr geworden. Wir trafen viele seiner Mithäftlinge aus<br />

Sibirien, wo ich zur Welt gekommen war, und ich erfuhr, welch ein Held er gewesen sein musste<br />

und wie sehr sie ihn alle schätzten und liebten. Das war eine ganz neue Erfahrung, denn in<br />

Deutschland, unter Fremden und der Begrenztheit der Sprache, war es immer still um ihn.<br />

Ich erinnere mich an den Duft der Zitrusplantagen am Flughafen,<br />

den Geruch der Falafelstände am wuseligen Tel Aviver<br />

Busbahnhof, die stündlichen Nachrichten am Transistor<br />

(damals für mich noch unverständlich), meinen ersten Besuch<br />

in Yad Vashem und den immensen Eindruck, den eine Gruppe<br />

junger Soldaten, Jungen und Mädchen mit ernsten Gesichtern<br />

auf mich machte. Der Speisezettel unserer Gastgeber in Herzliya<br />

war so mager wie das Angebot im Laden um die Ecke: gelber<br />

Käse, Quark, Hüttenkäse, frische Eier, billiges Brot und jede Menge<br />

Tomaten und Gurken. Mehr gab es nicht. Würstchen, Steak,<br />

Schnitzel, wenn überhaupt, dann Huhn.<br />

In den zehn Jahren darauf kam ich mindestens einmal im Jahr<br />

nach Israel, bis ich dann 1978 einwanderte. 1968 lebten 2,8 Millionen<br />

Menschen in Israel, 10 Jahre später waren es 3,7 Millionen,<br />

ein immer noch kleines Land. Mit dem Regierungswechsel 1977,<br />

der Wirtschaftsliberalisierung 1985, den Osloer Friedenshoffnungen<br />

1992, dem Beginn der Masseneinwanderung aus der<br />

ehemaligen Sowjetunion, dem Mord an Itzchak Rabin 1995, dem<br />

letzten Aufbäumen des Friedenslagers 2000 und den seither<br />

stagnierenden politischen Verhältnissen in einer immer chaotischer<br />

werdenden Nachbarschaft, erlebte ich die Veränderungen<br />

meines Landes und seiner Gesellschaft hautnah.<br />

10 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


70 Jahre Israel<br />

leben, zwar Anspruch auf die Staatsangehörigkeit hätten,<br />

dies aber in der überwältigenden Mehrheit nicht in Anspruch<br />

nehmen und sich mit der Beteiligung an den Kommunalwahlen<br />

zufrieden geben.<br />

Es ist diese Bevölkerung, wegen der die Stadt im Endeffekt<br />

sicher wieder in irgendeiner Art und Weise geteilt werden wird,<br />

in ein jüdisches Westjerusalem, ein palästinensisches Ostjerusalem,<br />

bei einer gemeinsamen Hoheit über die Heiligen Stätten<br />

in der Altstadt. Das wissen im Stillen alle Beteiligten, aber<br />

niemand will es aussprechen. Dieser Sonderstatus war bereits<br />

im UN-Teilungsplan, der Resolution 181 vom 29. November 1947,<br />

vorgesehen – der seitens der jüdischen Führung angenommen,<br />

seitens der arabischen jedoch strikt abgelehnt wurde, was zum<br />

ersten israelisch-arabischen Krieg führte.<br />

Bei den Friedensverhandlungen im Sommer 2000 in Camp David<br />

zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak<br />

und dem PLO-Vorsitzenden Yasser Arafat hatte die israelische<br />

Seite wieder eine ähnliche Teilung in Jerusalem vorgeschlagen,<br />

aber auch diese wurde von palästinensischer Seite abgelehnt.<br />

Im Jahr 2005 lag der Plan nochmals auf dem Tisch, als der<br />

damalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert mit dem<br />

Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud<br />

Abbas Geheimverhandlungen führte, und wieder wurde<br />

der Territorialkompromiss abgelehnt.<br />

Abschied von verknöcherten Konventionen<br />

Der Autor als Zwölfjähriger 1968 in Haifa.<br />

Ein würdiges Geburtstagsgeschenk<br />

Foto: privat<br />

Die kürzliche Entscheidung von US-Präsident Trump, Jerusalem<br />

als Hauptstadt Israels anzuerkennen, ist ein würdiges Geschenk<br />

zum 70. Geburtstag und gebührender Anlass, einen kritischen<br />

Blick in die Geschichte zu werfen, den Ist-Zustand zu beschreiben<br />

und eine Prognose zu wagen. Seine Entscheidung hat im<br />

Grunde keine neuen Fakten geschaffen und wird dementsprechend<br />

an der Gemengelage nichts ändern. Jerusalem ist Israels<br />

Hauptstadt, biblisch, historisch und de facto. Mit der Ausnahme<br />

der Kreuzfahrerzeit diente Jerusalem immer nur unter jüdischer<br />

Souveränität als Hauptstadt, während es in allen anderen Jahrhunderten<br />

trotz seiner religiösen Bedeutung keine politische<br />

Rolle spielte. Römer, Byzantiner, Omajaden, Mamelucken und<br />

Türken, sie alle herrschten in diesem Land, aber wählten Jerusalem<br />

nie als ihre Hauptstadt. Der Name Jerusalem kommt im<br />

Koran nicht ein einziges Mal vor. Die Bedeutung der Stadt für<br />

Christen und Moslems rührt von ihrer fundamentalen Rolle im<br />

Judentum und ihrer Hoffnung, dass der theologische Bedeutungserhalt<br />

der Stadt es Juden leichter machen würde, sich<br />

zum Christentum oder später zum Islam zu bekennen.<br />

Die Knesset, Israels Parlament, steht in Jerusalem, ebenso die<br />

Ministerien, der Oberste Gerichtshof und die Amtssitze des<br />

Präsidenten und des Ministerpräsidenten. Alles übrigens im<br />

Westen der Stadt. Jerusalem ist durch ein 1980 von der Knesset<br />

erlassenes Gesetz zur wiedervereinten Hauptstadt deklariert<br />

worden, wobei die 300 000 Palästinenser, die im Stadtgebiet<br />

Die jetzige Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt<br />

seitens der USA, ohne die zukünftige innerstädtische Grenze<br />

vorwegzunehmen, ändert also an der Situation nicht wirklich<br />

etwas, verabschiedet sich aber von verknöcherten internationalen<br />

Konventionen, die der Region bisher keinen Deut Frieden<br />

gebracht haben. Dass sie von Trump kommt, macht sie deshalb<br />

nicht schlecht, obwohl es mir erheblich besser gefallen hätte,<br />

wenn die Europäer diesen gordischen Knoten zerschlagen<br />

hätten.<br />

Insofern ist auch zu begreifen, dass sich die ausgelösten<br />

Unruhen im Rahmen hielten und nur von außen angestachelt<br />

wurden, sei es aus dem Iran, der Türkei, der Hisbollah im Libanon<br />

oder der Hamas im Gazastreifen – sämtlich beispielhafte<br />

Demokraten und ein jeder wegen seiner eigenen nahöstlichen<br />

Agenda. Es ist wieder die übliche, angespannte Ruhe eingetreten,<br />

das heißt hin und wieder ein Einzelattentäter, sporadischer<br />

Beschuss aus dem Gazastreifen und Solidaritätsdemos im<br />

Gutmenscheneuropa. Dass sich der türkische Präsident Erdogan<br />

zum Beschützer der islamischen Stätten und Sprecher der<br />

muslimischen Welt aufspielt, ist trauriges Bekenntnis zu seinen<br />

nostalgischen Allüren, Atatürk vergessen zu machen und an die<br />

Hochzeit einer ottomanischen Großmacht anzuknüpfen. Die<br />

Israelis reisen dennoch zu Pessach in Massen nach Anatolien.<br />

Europa außenpolitisch nicht existent<br />

Auch die nun wohl formulierte Position des Weißen Hauses,<br />

nicht Israel sei der Grund für die Konflikte im Nahen Osten,<br />

sondern die gescheiterten arabischen Regime, der Terror des<br />

islamischen Fundamentalismus und die nie aufgegebenen<br />

atomaren Aspirationen des Iran, ist eine Binsenwahrheit. Gäbe<br />

es Israel nicht – wäre das Land von einer Größe Hessens bereits<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 11


70 Jahre Israel<br />

US-Präsident Donald Trump bei seinem ersten Staatsbesuch in Israel. Seine Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen und<br />

die amerikanische Botschaft dorthin zu verlegen, wurde in Israel mit großer Genugtuung aufgenommen. Foto: picture alliance/NurPhoto<br />

1948 oder spätestens im Sechs-Tage-Krieg 1967 zerstört worden<br />

– gäbe es auch heute keinen palästinensischen Staat, weil<br />

Syrien, Jordanien und Ägypten sich die britische Mandatsbeute<br />

brüderlich geteilt hätten, wären die Regime dennoch korrupt,<br />

homophob, menschen- und frauenfeindlich geblieben, würde<br />

der Libanon von Syrien nie anerkannt werden und besetzt<br />

bleiben, die Sunniten bekriegten sich mit den Schiiten, die Alawiten<br />

hegten Vernichtungsphantasien allen Andersgläubigen<br />

gegenüber, ein arabischer Frühling würde zum islamistischen<br />

Winter mutieren, Giftgas würde gegen eigene Bevölkerungen<br />

eingesetzt und Libyen hätte den Vorsitz der UN-Menschenrechtskommission.<br />

Die Dinge beim Namen zu nennen mag<br />

nicht politically correct sein, ist aber dennoch notwendig. Und<br />

wieder gilt: es wäre für die Zukunft der Region besser, wenn<br />

der direkte Nachbar, das mittlerweile betroffene Europa, sich zu<br />

Wort und Dienst gemeldet hätte…<br />

Aber Europa ist außenpolitisch nicht wirklich existent, das<br />

haben die Reaktionen auf den trump’schen Vorstoß deutlich<br />

gemacht. Zwischen Brexit und Rechtsruck, schwächelnden<br />

Volkswirtschaften und separatistischen Tendenzen im Süden,<br />

nationalen Ressentiments im Osten und der dämmernden<br />

Einsicht in die Grenzen interkultureller und -religiöser Integration<br />

hat der alte Kontinent sich vorerst aus der internationalen<br />

Politik verabschiedet und überlässt sie – von der reflexhaften<br />

Repetition angestaubter Mantras abgesehen – den Trumps und<br />

Putins unserer Welt. Wenn früher von einer Welt ohne Israel<br />

schwadroniert wurde, macht mittlerweile eine Welt ohne Europa<br />

die Runde. Selten war die Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem<br />

Schwer- und politischem Fliegengewicht größer.<br />

Zwischen Hurrapatriotismus und breiten Protesten<br />

In Israel war man durch die Bank erfreut über die Anerkennung<br />

und deutliche Positionsbeziehung des amerikanischen Präsi-<br />

denten. Dabei entsprach das Gepolter den derzeitigen Gepflogenheiten<br />

im öffentlichen Diskurs: martiales Gehabe, Brusttöne<br />

biblischer Überzeugung und ein verkappter Hurrapatriotismus<br />

mit religiöser Deutungshoheit nehmen immer mehr Raum ein,<br />

um von dem abzulenken, was eigentlich angesagt wäre. Eine<br />

nicht enden wollende Reihe an Korruptionsaffären des Premiers<br />

und seines unmittelbaren Umfelds (einschließlich seiner Frau,<br />

des Fraktionsvorsitzenden, seiner Anwälte und persönlichen<br />

Berater), immer weiter greifende Versuche, den Rechtsstaat<br />

auszuhebeln und den Obersten Gerichtshof zu delegitimieren,<br />

eine ungebremste Siedlungspolitik und Alimentierung der<br />

Orthodoxen, um den Fortbestand der rechts-nationalen Regierung<br />

nicht zu gefährden und das Ausbleiben jedweder regionalpolitischer<br />

Initiativen, um aus der diplomatischen Sackgasse<br />

herauszukommen. Mittlerweile gibt es breite Proteste in der<br />

Bevölkerung, die jeden Samstagabend tausende auf die Straßen<br />

treiben, und es ist davon auszugehen, dass die jetzige Führung<br />

früher oder später die Konsequenzen wird ziehen müssen. Tragisch<br />

ist dabei, dass das bürgerlich-linke Lager sich auf mehrere<br />

Parteien verteilt, wobei keinem der potenziellen Kandidaten für<br />

das Amt des Premierministers in der Bevölkerung zugetraut<br />

wird, die Geschicke des Landes zu lenken.<br />

Dabei ist die geopolitische Situation Israels äußerst brisant. Die<br />

internationale Koalition gegen den IS hat es dem Iran unter<br />

russischem Schutz ermöglicht, eine durchgehende Landverbindung<br />

bis an die Grenze Israels zu schaffen, die zur weiteren<br />

Aufrüstung der Hisbollah im Libanon führt. Die Gefahr, dass<br />

Restbestände der B- und C-Waffen Syriens auf diesem Weg in<br />

den Libanon gelangen, wird im Generalstab sehr ernst genommen.<br />

Der Zerfall Syriens hat die Situation im haschemitischen<br />

Königreich Jordanien nicht nur wegen des Flüchtlingsstroms<br />

entschieden verschärft, was dem König die Aufrechterhaltung<br />

des Friedens mit Israel erschwert. Die Mehrheit der Jordanier<br />

sind Palästinenser und die anti-israelischen Ressentiments<br />

12 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


70 Jahre Israel<br />

»Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt seitens der USA<br />

ändert an der Situation nicht wirklich etwas, verabschiedet<br />

sich aber von verknöcherten internationalen Konventionen,<br />

die der Region bisher keinen Deut Frieden gebracht haben.<br />

Dass sie von Trump kommt, macht sie deshalb nicht schlecht,<br />

obwohl es mir besser gefallen hätte, wenn die Europäer<br />

diesen gordischen Knoten zerschlagen hätten.«<br />

sind enorm und wachsen ständig. Die ägyptische Sinaihalbinsel<br />

ist ein Sammelbecken für islamistische Terrorgruppen,<br />

die sich mit Menschen- und Drogenhandel finanzieren und<br />

nicht nur Touristen und insbesondere Israelis im Visier haben,<br />

sondern die südliche Hafenstadt Eilat. Die ebenfalls vom Iran<br />

finanzierte und aufgerüstete Hamas im Gazastreifen – die in<br />

den vergangenen Tagen wieder israelische Städte und Dörfer<br />

unter Raketenbeschuss nahm – investiert internationale, auch<br />

europäische Hilfsgelder für den Bau von Tunnels, die unterhalb<br />

der Grenze bis in israelische Dörfer reichen, um darüber Israelis<br />

zu entführen und als politisches Faustpfand zu nutzen. Die<br />

vom Iran in den Gazastreifen und in den Südlibanon gelangenden,<br />

modernen Raketen können mittlerweile jede Stadt Israels<br />

erreichen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die<br />

Zivilbevölkerung beim nächsten Waffengang maßgeblich in<br />

Mitleidenschaft gezogen werden wird. Es stellt sich niemand<br />

mehr die Frage ob, sondern nur noch wann …<br />

Wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft<br />

Die israelische Wirtschaft indes bietet ein durchwachsenes<br />

Bild: während die Makroindikatoren durchweg positiv sind –<br />

Wachstum 4 Prozent, Arbeitslosigkeit unter 5 Prozent, Bevölkerungswachstum<br />

knapp 2 Prozent, Haushaltsdefizit 2 Prozent,<br />

Verschuldung 60 Prozent, BIP pro Kopf 40 300 US-Dollar und<br />

damit höher als der EU-Durchschnitt und besser als Frankreich,<br />

Italien und Spanien, Rang eins weltweit bei Venture Capital pro<br />

Kopf und bei Ausgaben für zivile Forschung und Entwicklung als<br />

Anteil des Bruttoinlandsprodukts –, gehört das Land mittlerweile<br />

zu den ungleichheitlichsten Gesellschaften weltweit und<br />

ist beinahe Schlusslicht bei der Einkommensarmut in der OECD.<br />

Die Lebenshaltungskosten, vor allem die Preise für Wohnraum,<br />

sind horrend und führen zu eklatanten Benachteiligungen der<br />

sozialen und geografischen Peripherie. Neben den sagenhaften<br />

Erfolgen in der Hochtechnologie und den atemberaubenden<br />

Startup-Exits im drei- und vierstelligen Millionen-Bereich,<br />

kommt es zu Schließungen von Industrieunternehmen wie<br />

letztlich beim Generika-Riesen, der Ratiopharm-Muttergesellschaft<br />

TEVA. Auch nehmen große Teile der Bevölkerung wie<br />

ultraorthodoxe Juden und muslimische Frauen fast gar nicht<br />

am Arbeitsmarkt teil, was die ohnehin bestehende Tendenz verschärft,<br />

dass die sozioökonomischen Grenzen entlang der ethnischen<br />

und religiösen Grenzen verlaufen. Damit wird das Eis des<br />

gemeinsamen Nenners dieser Gesellschaft gefährlich dünn.<br />

Drei große Transformationen sind notwendig in Israel<br />

Erstens: Der israelische-arabische Konflikt muss beigelegt<br />

werden, um Israel Sicherheit und anerkannte Grenzen eines<br />

jüdischen Staates zu ermöglichen. Damit könnten mittelfristig<br />

die enormen Verteidigungskosten reduziert werden. Allein die<br />

Aufrechterhaltung der Besatzung der Westbank kostet mehr als<br />

der Erziehungs- und Gesundheitsetat zusammen. Das israelische<br />

Kreditranking könnte sich weiter verbessern und ausländische<br />

Investitionen nicht nur in geistiges Eigentum,<br />

sondern in veritable Industrieunternehmen und<br />

Infrastrukturen fördern.<br />

Zweitens: Das Bildungswesen muss runderneuert<br />

werden. Israel ist gesegnet mit hervorragenden<br />

Forschern, Wissenschaftlern, Erfindern, Gründern<br />

und Technologen. Im Zusammenspiel mit Regierung,<br />

Militär und Industrie haben sie ein Startup-<br />

Israel lebt seit 70 Jahren unter ständiger Bedrohung.<br />

Die Terrortunnel der Hamas werden<br />

auch mit zweckentfremdeten europäischen<br />

Hilfsgeldern finanziert.<br />

Foto: picture alliance/AP Photo<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 13


70 Jahre Israel<br />

Nicht nur beim Purim-Fest sind die Israelis so ausgelassen.<br />

Beim »World Happines Report«, den das Netzwerk<br />

für nachhaltige Entwicklung« der Vereinten<br />

Nationen veröffentlicht, hält Israel unter 156 Ländern<br />

seit fünf Jahren den elften Platz – immer vor Deutschland,<br />

das sich <strong>2018</strong> immerhin auf Platz 15 verbesserte.<br />

Foto: picture alliance/ZUMAPRESS<br />

Ökosystem geschaffen, das seinesgleichen sucht. Internationale<br />

Technologie- und Industriekonzerne geben sich auf der Suche<br />

nach dem nächsten Game-Changer mittlerweile in Israel die<br />

Klinke in die Hand. Zuletzt hat Dieter Zetsche das Daimler Entwicklungszentrum<br />

in Israel feierlich eröffnet – und BMW folgt<br />

auf dem Fuß. Aber nur etwa 15 Prozent der Beschäftigten haben<br />

Anteil am Technologieboom der Startup-Nation. Kaum eines<br />

der Startups entwickelt sich zu einem Industrieunternehmen,<br />

fast alle verkaufen ihre Technologien an einen der über 350 im<br />

Land befindlichen multinationalen Konzerne. Es fehlt an guter<br />

Berufsbildung, an entsprechenden Berufsbildern und -zielen.<br />

Drittens: Eine langfristige Investitionspolitik muss entworfen<br />

werden, die sich nicht nur auf Hochtechnologie und Finanzdienstleistungen<br />

stützt –und das nicht nur im Großraum Tel<br />

Aviv. Die verkehrstechnische Anbindung der Peripherie würde<br />

sich positiv auf die Wohnungspreise auswirken und dem<br />

drohenden Verkehrskollaps entgegenhalten. Gemessen an<br />

der Anzahl der Fahrzeuge pro Straßenkilometer ist Israel das<br />

verkehrsdichteste Land der Erde.<br />

Den Frieden nicht nur träumen, sondern wagen<br />

Mit 8,7 Millionen Einwohnern ist Israel mittlerweile so bevölkerungsstark<br />

wie Österreich. Trotzdem empfinden sich Israelis oft<br />

noch als Zwerg, der lauter und schriller sein muss als andere,<br />

um gehört zu werden. Das Land befindet sich in einer gefährlichen<br />

Nachbarschaft, in der man sich keine Fehler erlauben<br />

kann. Dennoch müssen das Land und seine Menschen zurückfinden<br />

zu den Ursprüngen und dem Gründungsethos seiner<br />

Gesellschaft. Verteidigungsbereit sein, aber den Frieden nicht<br />

nur träumen, sondern wagen. Und nie vergessen: Man ist stark,<br />

weil man Recht hat. Man ist nicht im Recht, weil man stark ist.<br />

Ich glaube immer noch, dass die jüdische Sehnsucht, wieder<br />

Staatsvolk zu werden und nicht mehr Spielball anderer zu<br />

bleiben begründet, dass die zionistische Rückkehr ins Land die<br />

notwendige Konsequenz aus Verfolgung, Diskriminierung und<br />

gescheiterter Assimilation war. Das Normalitätsversprechen des<br />

Zionismus indes wurde nur insofern eingelöst, dass hier das Streben<br />

nach Glück ungezügelter und irdischer als in der Diaspora<br />

sein kann, Haute Cuisine und Couture im politischen Wettstreit<br />

mit Kashrut und Streiml stehen und sich atemberaubende<br />

künstliche Intelligenz neben fremdelnder Torheit entwickelt.<br />

Glücklicher als Deutschland<br />

Die hehren Ziele von Frieden und Gerechtigkeit wurden nicht<br />

erreicht, die sozioökonomischen Klüfte werden tiefer, die zentrifugalen<br />

Kräfte in der Gesellschaft größer und führen zu einer<br />

wachsenden Entsolidarisierung. Gleichzeitig ist Israel stärker,<br />

reicher und erfolgreicher denn je und die Menschen hier erreichen<br />

seit fünf Jahren im internationalen Glücks-Ranking unter<br />

156 Ländern den elften Platz, übrigens immer vor Deutschland.<br />

Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Darstellung in sich<br />

widersprüchlich ist. Vielleicht ist gerade das normal in einem<br />

jungen Land mit einem alten Volk, einer Gesellschaft im Werden,<br />

einem sich bedrohlich verwirklichenden Traum. Und weil es<br />

eben mein Land ist, mein kleiner Wahnsinn, mit einer Muttersprache,<br />

die ich von meinem Sohn gelernt habe, wo mich schier<br />

alles aufregt, weil es meins ist, wo die tägliche Adrenalinproduktion<br />

industrielles Ausmaß hat, und wo die Sonne immer scheint.<br />

Grisha Alroi-Arloser kam in Sibirien<br />

zur Welt, wuchs in Deutschland<br />

auf und lebt seit 1978 in Israel.<br />

Er ist Geschäftsführer der<br />

Israelisch-Deutschen Industrieund<br />

Handelskammer (AHK<br />

Israel) und ihrem deutschen<br />

Pendant, der Deutsch-Israelischen<br />

Wirtschaftsvereinigung e.V. (DIW).<br />

Seit 2011 ist er Präsident der Israelisch-<br />

Deutschen Gesellschaft. Für sein langjähriges<br />

Engagement für die deutsch-israelischen Beziehungen wurde<br />

er im vergangenen Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz Erster<br />

Klasse ausgezeichnet.<br />

Foto: privat<br />

14 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


70 Jahre Israel<br />

70 Plakate und ihre Geschichte<br />

Mit ihrem Projekt 70Posters reflektieren Henrietta Singer und Sara Neuman die ersten 70 Jahre<br />

Israels anhand ausgewählter Poster, welche gleichzeitig die Designgeschichte des Landes repräsentieren.<br />

Ein Buch und eine Ausstellung machen ihre Ergebnisse nun allen zugänglich.<br />

Henrietta Singer (links)<br />

und Sara Neuman sammelten<br />

Plakate aus der 70-jährigen<br />

Geschichte Israels.<br />

Die Zusammenstellung der<br />

Poster war eine Sisyphusarbeit,<br />

machte aber auch<br />

viel Spaß.<br />

Foto: Robert Schittko<br />

Eine Vielfalt an Themen und Formaten bietet Israels 70.<br />

Geburtstag – so abwechslungsreich vielfältig wie dieses<br />

kleine vitale Land selbst. Grafikdesign mag dabei ein Feld<br />

sein, das vielen ungewöhnlich erscheint. Dabei ist dies durchaus<br />

naheliegend, war doch die zionistische Erneuerung von<br />

Anfang an auch eine kulturelle und ästhetische, die künstlerisch<br />

visualisiert wurde. Einen besonderen Ein- und Überblick der<br />

Designgeschichte des jüdischen Staates bietet pünktlich zum<br />

Unabhängigkeitstag das Projekt 70Posters. Eine Auswahl an<br />

70 Plakaten präsentiert zwar vor allem die Themen, die Israel<br />

in diesen Jahrzehnten bewegten, aber sie zeigt damit auch die<br />

visuellen Trends und Traditionen in Israel.<br />

Aufwendige Recherche in Israel<br />

Die in Frankfurt lebende Art Direktorin und Designerin<br />

Henrietta Singer hatte bereits 2012 damit begonnen, Poster<br />

israelischer Grafiker zu sammeln und historisch einzuordnen.<br />

Ihre Sammlung umfasst mehr als 600 verschiedene Arbeiten.<br />

Die Idee dazu kam ihr während des Studiums in Jerusalem,<br />

als sie sich mit der Frage beschäftigte, ob Kunst und Design<br />

einen Zugang zur israelischen Geschichte bieten können.<br />

Zusammen mit der Drehbuchautorin Sara Neuman hat sie als<br />

Ergebnis einer aufwendigen, von der Kunst- und Kulturabteilung<br />

der Deutschen Bank freundlich unterstützten Recherche<br />

70 Plakate ausgewählt, die beispielhaft für jeweils ein Jahr seit<br />

der Staatsgründung 1948 stehen. Diese Auswahl erscheint im<br />

April <strong>2018</strong> in Buchform bei dem renommierten Design-Verlag<br />

Hermann Schmidt. Doch 70Posters ist viel mehr als ein Buch. So<br />

sind alle Plakate auch in einer Ausstellung zu sehen sein, die am<br />

2. Mai <strong>2018</strong> in Frankfurt eröffnet wird. Darüber hinaus ließen<br />

Henrietta und Sara alle Interessierten über soziale Medien und<br />

auf Veranstaltungen, zum Beispiel mit dem Jungen Forum der<br />

<strong>DIG</strong>, am vielschichtigen Entstehungsprozess teilhaben, von<br />

Besuchen verschiedener Archive in Israel bis zur schwierigen<br />

Auswahl der 70 Plakate.<br />

Plakate werben für Versöhnung<br />

Mit wie viel Spaß und welch unermüdlicher Leidenschaft beide<br />

sich dem interdisziplinären Projekt widmen, zeigen auch die<br />

Treffen mit den Designern ihrer Fundstücke oder deren Nachfahren,<br />

die neben der Geschichte im Bild auch die Geschichten<br />

ihrer Entstehung vermitteln. So trafen Henrietta und Sara den<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 15


70 Jahre Israel<br />

70Posters<br />

3. – 9. Mai <strong>2018</strong><br />

Ausstellung im Römer<br />

Römerberg 23<br />

60311 Frankfurt/Main<br />

facebook.com/70posters<br />

»Iraner, wir werden euer Land niemals bombardieren.<br />

Wir lieben euch«. Design: Ronny Edry (2012)<br />

Bei ihren Recherchen trafen Henrietta Singer und Sara Neuman<br />

auch den israelischen Designer Ronny Edry.<br />

Bildrecht: Michal Noyman<br />

Designveteranen Eliezer Weishoff in seinem Atelier in Yafo, in<br />

dem er seit den 1950er Jahren arbeitet, oder sprachen mit dem<br />

Tel Aviver Designer Ronny Edry, der 2012 mit seiner Kampagne<br />

»Iranians, we love you« einen Nerv traf. Angesichts zunehmender<br />

internationaler Spannungen infolge des iranischen Atomprogramms<br />

hatte Edry ein Foto von sich und seiner Tochter mit<br />

dem Slogan im Internet gepostet. In der Folge schlossen sich<br />

nicht nur tausende Israelis an, sondern es antworteten auch<br />

hunderte Iraner: »We love Israel«. Dank dieser Initiative konnten<br />

Menschen im ganzen Nahen Osten ihrem Versöhnungswillen<br />

Ausdruck verleihen jenseits der aggressiven Politik des Teheraner<br />

Regimes. Für Sara und Henrietta eine Bestätigung der »power<br />

of posters« und der gesellschaftlichen Relevanz von Design.<br />

Migration, Kultur, Sport oder Gesundheit. Im Buch werden die<br />

Poster durch begleitende Texte aus historischen Erläuterungen<br />

und persönlichen Erinnerungen ergänzt.<br />

So bietet 70Posters eine ganzheitliche Erfahrung, bei der Inhalt<br />

und Form sich gegenseitig beleuchten, und die in der Lage ist,<br />

Menschen Israel und den jeweiligen Zeitgeist näher zu bringen,<br />

seien sie nun primär an Grafik oder historisch interessiert.<br />

Tibor Luckenbach<br />

Fenster in die Vergangenheit und Gegenwart<br />

Für sie geht es in dem Projekt nicht nur um die grafischen<br />

Elemente und die sich verändernden Stile – die Poster stellen<br />

für sie auch »kleine Fenster in die Gegenwart und die Vergangenheit«<br />

dar. Jedes steht für ein jeweils wichtiges Ereignis eines<br />

jeden Jahres. Dabei geht es nicht in erster Linie um Politik, auch<br />

wenn diese ständig durchscheint, sondern um Themen wie<br />

Sara Neuman und Henrietta Singer<br />

70 Jahre Israel in 70 Plakaten<br />

336 Seiten, € 25,–<br />

Verlag Hermann Schmidt,<br />

Frankfurt/Main <strong>2018</strong><br />

ISBN 978-3874399067<br />

16 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


1<br />

2<br />

3<br />

4 5 6<br />

7<br />

8<br />

1 »Tag der Vereidigung auf die Israelische<br />

Armee«, Design: Moshe Raviv-Vorobeichic<br />

(1948); 2 »5. Ijar 5712 | 30.04.1952 – Israels<br />

Unabhängigkeit«, Design: Shamir Brüder<br />

(1952); 3 »Tnuva – Schafskäse von Tnuva,<br />

Sefad-Käse von Tnuva, Joghurt von Tnuva,<br />

aus pasteurisierter Milch«, Design: Otte<br />

Wallish (1963); 4 »Der Jom-Kippur-Krieg«,<br />

Design: Elizer Weishoff (1973); 5 »Wir<br />

sitzen alle im selben Boot«, Design: Paul<br />

Kor (1974); 6 »Stadt der Wunder – 75 Jahre<br />

Gründung der ersten jüdischen Stadt«,<br />

Design: David Tartakover (1984);<br />

7 »Jerusalem«, Design: Yasha Rozov (2000);<br />

8 »Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn<br />

Brüder einträchtig beisammen sind«,<br />

Design: Yoni Lax (2007)<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 17


70 Jahre Israel<br />

W<br />

Jubel über den UN-Teilungsplan vom 29. November 1947, der die Saatsgründung Israels ermöglichte. Fotos: Government Press Office, Israel<br />

Meme und östliches Mittelmeer<br />

»Sie rollten wie Rommel« formulierte der Spiegel 1967 in seinem Artikel über den Sechstage-<br />

Krieg. Seit dieser Lobeshymne auf Israels Soldaten haben sich die Welt, der Spiegel und die<br />

Wahrnehmung des israelisch arabischen Konfliktes geändert. Genauer: sie wurde geändert.<br />

Eine Ausstellung sorgt ab Mai für das überfällige Korrektiv.<br />

Die Niederlage der arabischen Staaten im Sechstage-<br />

Krieg war gleichzeitig eine Niederlage der sowjetischen<br />

Waffen. Israel übergab der NATO ganze Schiffsladungen<br />

modernster russischer Panzer, Flugzeuge und Artillerie. Und verhalf<br />

dem Westen zu einem waffentechnisch qualitativen Schub.<br />

Die Konsequenz konnte man an den Universitäten beobachten:<br />

»Linke« Gruppen, ehedem von Lebensform und Basisdemokratie<br />

im Kibbuz angetan, wurden zu ideologischen Israel-Gegnern.<br />

Zusammen mit arabischen Studentenorganisationen leisteten<br />

sie ganze Arbeit, darunter inflationäre Demonstrationen und<br />

andere Anti-Israel-Aktionen, immer ausreichend finanziert.<br />

Milliarden von Meme<br />

Längst sind Poster, Flugblätter und Lautsprecher ersetzt durch<br />

Facebook, Twitter und Instagram. Längst hat die Propaganda<br />

der PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde ihren beachtlichen<br />

Fleiß durch beachtliches PR-Knowhow ergänzt. Aber<br />

noch etwas hat sich verändert. Heute ist Deutschland überzogen<br />

von einem Netz pro-palästinensischer NGOs, oft unter dem<br />

Mantel von »Wohltätigkeitsorganisationen«. Millionen von<br />

Bundesbürgern sind heute davon überzeugt, dass Israel 1948<br />

gleich nach der Staatsgründung die arabischen Nachbarn überfallen<br />

und die Palästinenser mit der Knute vertrieben hat. Sie<br />

wissen nichts von der Besetzung der Westbank durch Jordanien,<br />

nichts von den Verbrechen des Mufti von Jerusalem und nichts<br />

von Hitlers langem Arm in Palästina. Jahrzehnte einseitiger<br />

Propaganda und Trillionen von Bits und Bytes, darunter die unsägliche<br />

Nakba-Ausstellung, haben bei Medien und Menschen<br />

tiefe Spuren hinterlassen.<br />

Historischer Kraftakt zur Historie<br />

Die Korrektur jahrzehntelanger Propaganda verlangt einen<br />

Kraftakt. Der kommt im Mai mit der Ausstellung 1948. Ein Jahr<br />

umfassender Recherchen von Historikern, Politologen und<br />

Nahost-Experten steht unsichtbar als historischer Qualitätsstandard<br />

hinter der Ausstellung. Sie wird in München und Berlin<br />

eröffnet und ist anschließend bundesweit, in Österreich und<br />

in der Schweiz zu sehen. Aussteller an 40 Orten im gesamten<br />

Bundesgebiet sind bereits registriert, angestrebt sind 100 Orte<br />

in Deutschland, mehr sind willkommen, vor allem von den <strong>DIG</strong><br />

Arbeitsgemeinschaften und aus den Reihen des <strong>DIG</strong> Jugendforums.<br />

Aber kann eine Ausstellung sich wirklich gegen BDS &<br />

Co. stemmen? Erstaunlich genug: Ja, kann sie. 1948 konzentriert<br />

sich auf die neuralgische Epoche bei allen Versuchen, Israel zu<br />

delegitimieren: Die Zeit vor der Staatsgründung, den internationalen<br />

Kontext und die Ereignisse vor Ort. Auf die Besucher<br />

warten spannende, oft unbekannte Fakten. Wer weiß heute<br />

schon, wie viele Beduinen Seite an Seite mit der Haganah gegen<br />

die arabischen Invasionsarmeen kämpften? Oder dass Jerusalem,<br />

Gaza und andere Städte über Jahrhunderte eine christlichjüdische<br />

Mehrheit hatten?<br />

Alle Aussteller erhalten 1948 schlüsselfertig mit detaillierten<br />

Angaben und einer Hotline. Hintergrundinformationen können<br />

angefordert werden unter 1948@dein-ev.net und die Webseite<br />

www.dein-ev.net gibt einen allgemeinen Überblick.<br />

Leo Sucharewicz<br />

18 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


ahrheit<br />

kann man<br />

biegen, teilen, verbergen, in Stücke reißen,<br />

vergewaltigen, schänden, verhindern, begraben,<br />

erschlagen, quälen, verhöhnen, in Scheiben<br />

schneiden und durch Propaganda ersetzen.<br />

Alles schon passiert, alles erleben wir auch heute wieder, alles nicht neu.<br />

Neu ist, die Wahrheit zu zeigen.<br />

Mit der Ausstellung 1948.<br />

Sie zeigt, was damals wirklich passiert ist.<br />

Ab Mai verfügbar in Deutschland,<br />

Österreich und der Schweiz.<br />

Bei Interesse einfach das Info-Kit für Aussteller abrufen per Email an 1948@dein-ev.net.<br />

Demokratie und Information – DEIN e.V.<br />

message@dein-ev.net | www.facebook.com/ausstellung1948 | weitere Infos: www.dein-ev.net<br />

Projektpartner: Deutsch-Israelische Gesellschaft<br />

Gefördert durch den Zentralrat der Juden und Deutschland, Keren Hayesod – Vereinigte Israel <strong>DIG</strong> Aktion, <strong>MAG</strong>AZIN den Landesverband Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> der Jüdischen | 19<br />

Gemeinden von Nordrhein, die Jüdische Gemeinde Düsseldorf und International Christian Embassy Jerusalem – Deutscher Zweig.


70 Jahre Israel<br />

Von Ulm<br />

nach Erez Zion<br />

Die Jeckes – deutsche Mitbegründer<br />

des Staates Israel<br />

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten<br />

flüchteten etwa 40 000 deutsche und kulturdeutsche<br />

Juden nach Palästina. Für die meisten verlief die Umstellung<br />

auf die fremde neue Heimat sehr schwierig. Die<br />

sozialistischen Pioniere aus Osteuropa, die das jüdische<br />

Gemeinwesen in Palästina dominierten, betrachteten die<br />

bürgerlichen Einwanderer aus Mitteleuropa zunächst<br />

mit Argwohn. Dieser Argwohn gegenüber den anfangs<br />

abschätzig als Jeckes bezeichneten deutschsprachigen<br />

Einwanderern wich mit der Zeit der Anerkennung ihres<br />

überproportionalen Beitrags zur wirtschaftlichen, gesellschaftlichen<br />

und kulturellen Entwicklung des jüdischen<br />

Gemeinwesens und des Staates Israel.<br />

Hilda und Richard Strauss emigrierten 1936 nach Palästina.<br />

Aus ihrer 1939 errichteten Molkerei entwickelte sich unter<br />

Mitwirkung ihres Sohn Michael Strauss die Strauss Group,<br />

einer der führenden israelischen Lebensmittelhersteller.<br />

Heute leitet ihre Enkeltochter Ofra Strauss den Konzern.<br />

Foto: Strauss Archive / Wikipedia<br />

Die Ulmer Fabrikantenfamilie Strauss gehörte zu den<br />

15 Prozent deutschsprachiger Einwanderer, die sich in<br />

den 1930er Jahren in landwirtschaftlichen Kolonien<br />

niederließen und damit einen radikalen Berufswechsel und eine<br />

Absage an die Stadt auf sich nahmen.<br />

Michael Strauss wurde 1934 in Ulm als Sohn der Eheleute<br />

Richard und Hilde Strauss geboren, die im Jahr zuvor geheiratet<br />

hatten. Michels Vater hatte Nationalökonomie und Staatswissenschaften<br />

studiert und unter anderem Vorlesungen von<br />

Theodor Heuss besucht. Richard Strauss sollte eigentlich das<br />

familieneigene Hüttenwerk übernehmen. 1936 aber entschloss<br />

sich die Familie zur Flucht nach Palästina, wo sie die Parzelle 471<br />

in Naharijah erwarben.<br />

Naharijah war eine der landsmannschaftlich geschlossenen<br />

Mittelstandsiedlungen, in denen deutsche und kulturdeutsche<br />

Einwanderer ohne landwirtschaftliche Erfahrung einen<br />

radikalen Berufswechsel vollzogen. Richard und Hilde Strauss<br />

begannen mit zwei Kühen eine Milchwirtschaft, der die Gründung<br />

der Strauss Molkerei folgte. Der Unternehmensgründung<br />

ging die Popularität von Hilde Strauss’ Käserezepten voraus.<br />

Das Fachwissen von Richard Strauss und seine Erfahrungen als<br />

Unternehmersohn erwiesen sich als Schlüssel zum Transfer von<br />

Hildes Begabung in ein erfolgreiches Unternehmen. Als Richard<br />

Strauss 1975 starb, übernahm sein Sohn Michael die Firma.<br />

2001 wurde dessen Tochter Ofra Vorsitzende des inzwischen<br />

zweitgrößten Lebensmittelkonzerns in Israel. Übertroffen wird<br />

Strauss nur von Osem, einem ebenfalls von Jeckes gegründeten<br />

Lebensmittelkonzern.<br />

Bedeutender Anteil an der Modernisierung des Landes<br />

Strauss ist ein Beispiel dafür, wie Unternehmer, Banker und<br />

Kaufleute aus Mitteleuropa, die über reichlich Fachwissen um<br />

Handel, Industrie und Geldwirtschaft verfügten, das jüdische<br />

Gemeinwesen in Palästina bedeutend zu modernisieren. Das<br />

Wirtschaftswachstum, für das die Jeckes gesorgt haben, trug<br />

seinen Teil dazu bei, die Araber in Palästina weit zu überflügeln.<br />

1938 befanden sich ein Fünftel der Fabriken im Land in der<br />

Hand von Jeckes.<br />

Stef Wertheimer, der 1937 als Elfjähriger mit seinen Eltern aus<br />

dem südbadischen Kippenheim nach Palästina geflohen war,<br />

gründete 1953 im Hinterhof seines Hauses in Naharija die Firma<br />

Iscar. Die Firma für Metallverarbeitung wurde zu einem der drei<br />

größten privaten israelischen Unternehmen und Weltmarktführer<br />

für Metallverarbeitung.<br />

Die Börse Tel Aviv wurde von Siegfried Saalheimer aus Bamberg<br />

gegründet. In den ersten Jahren wurde dort auf Deutsch gehandelt.<br />

Das Hotelwesen wurde von den Jeckes bedeutend vorangebracht.<br />

In Tel Aviv gingen aus der Pension Käthe die Dan Hotels<br />

hervor. In Naharijah schufen die Jeckes eine Tourismusbranche.<br />

Den bedeutendsten Einfluss gewannen die Jeckes im Einzelhandel,<br />

den sie mit ihrer Erfahrung auf die Höhe der Zeit brachten.<br />

20 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


70 Jahre Israel<br />

Shlomo Lahat (1927 – 2014)<br />

kam als Salo Lindner in<br />

Berlin zur Welt. Seine<br />

Familie floh 1933 vor den<br />

Nazis nach Palästina. Er<br />

gehörte zu den Mitbegründern<br />

des Likud und<br />

war von 1974 bis 1993 Bürgermeister<br />

von Tel Aviv.<br />

Foto: Avi Deror,<br />

Wikimedia Commons<br />

Stef Wertheimer, geboren 1926 in Kippenheim bei Lahr, ist<br />

einer der bedeutendsten Industriellen Israels. Er war Mitglied<br />

der Knesset und betreibt mehrere Industrieparks. Einer davon<br />

befindet sich in Tefen, wo auch das Jeckes Museum untergebracht<br />

ist, das die Geschichte der deutschen Einwanderer nach<br />

Israel darstellt. Stef Wertheimer hat stets enge Beziehungen mit<br />

Deutschland unterhalten und wurde mit der Buber-Rosenzweig-<br />

Medaille und dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.<br />

Letzteres wurde ihm 2012 vom damaligen Bundespräsidenten<br />

Joachim Gauck verliehen.<br />

Foto: Wolfgang Kumm / dpa<br />

Salman Schocken<br />

(1877 – 1959) war erfolgreicher<br />

deutscher Kaufhausund<br />

Verlagsgründer, bevor<br />

er 1934 nach Palästina auswanderte.<br />

Durch den Kauf<br />

der Tageszeitung Ha’aretz<br />

begründete er die heutige<br />

Haaretz-Mediengruppe.<br />

Foto: Alfred Bernheim /<br />

Wikimedia Commons<br />

Die Einwanderer aus Mitteleuropa standen nicht nur als Unternehmer,<br />

Industrielle, Facharbeiter und Dienstleister hinter der<br />

ökonomischen Entwicklung des Yishuv, sondern auch als Konsumenten.<br />

Die von den Jeckes angeschobene Entwicklung des<br />

Geschäftslebens führt zu einer Erhöhung des Lebensstandards<br />

und zur Entstehung neuer Berufszweige wie Produktgestaltung<br />

und Werbung.<br />

Der Kaufmann, Zionist und Verleger Salman Schocken, der 1934<br />

aus Deutschland nach Palästina ausgewandert war, gründete<br />

ein Institut für die Erforschung der hebräischen Poesie und<br />

wurde zum ersten Verleger des bedeutenden Schriftstellers<br />

S.Y. Agnon. Er kaufte die Zeitung Haaretz, gründete die Haaretz<br />

Gruppe und 1939 ein Verlagshaus in Tel Aviv. Sein Sohn Gershon<br />

war von 1939 bis 1990 Chefredakteur von Haaretz. Der erste<br />

Chefredakteur der Tageszeitungen Yedioth und Ma’ariv war<br />

Ezriel Carlebach aus Leipzig.<br />

»Wenn wir doch nur 200 000 zusätzliche Jeckes<br />

ins Land bekämen!«<br />

Die vielen Beamte, Anwälte und Richter, die aus Deutschland ins<br />

Land kamen, wurden nach der Staatsgründung gebraucht, um<br />

den Staatsapparat und das Rechtswesen aufzubauen. Simon<br />

Moses aus Lautenberg wurde erster Staatskontrolleur, Moshe<br />

Smoira aus Königsberg Präsident des Oberstes Gerichts und<br />

Chaim Cohen aus Lübeck Generalstaatsanwalt.<br />

Ab 1933 kamen rund 100 Architekten nach Eretz Israel, die<br />

mit der Lehre des Bauhaus vertraut waren. Eine Gruppe von<br />

Ärzten unter der Leitung von Felix Theilhaber aus Berlin hat die<br />

liberale Maccabi Krankenkasse gegründet, in der freie Ärztewahl<br />

zugelassen war. Deutsche Professoren haben sich um die<br />

Forschung und Lehre verdient gemacht und Palästina zu einem<br />

akademischen Leuchtturm im Nahen Osten. Die Jeckes haben<br />

das Cameri Theater gegründet, benannt nach den Kammerfestspielen<br />

in Berlin. Das erste Stück »Diener zweier Herrn« war<br />

auch Premierenstück der Kammerfestspiele in Berlin. Die Jeckes<br />

stärkten die jüdische Gemeinde in der gemischten Stadt Haifa<br />

und beschleunigten den Urbanisierungsprozess in Tel Aviv. Der<br />

1927 in Berlin geborene Shlomo Lahat war fast zwanzig Jahre<br />

Bürgermeister von Tel Aviv.<br />

Der Beitrag der deutschen Einwanderer zum wirtschaftlichen,<br />

wissenschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Fortschritt<br />

Palästinas in den 30er und 40er Jahren bestimmte schließlich<br />

auch den westlichen Charakter des späteren Staates Israel.<br />

David Gross schrieb 1975 in einem Artikel »Oj Jerusalem« für die<br />

Jerusalem Post: »Wenn wir doch nur 200 000 zusätzliche Jeckes<br />

ins Land bekämen! Sie brauchen nicht gerade solch feierlich<br />

aussehende Juden aus Deutschland mit Jacketts zu sein, sondern<br />

Menschen, die ihre Aufgaben methodisch und verlässlich<br />

erfüllen.«<br />

Oliver Vrankovic<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 21


Aktuell<br />

Heiko Maas<br />

in Jerusalem<br />

»Ich bin wegen Auschwitz in die Politik<br />

gegangen«, sagte Heiko Maas in seiner<br />

Antrittsrede als Außenminister der neuen<br />

Bundesregierung. Ein sehr persönliches<br />

Bekenntis, das auch Bestätigung bei<br />

seinem ersten Israel-Besuch fand. Er fuhr<br />

sofort nach der Landung am Ben-Gurion-<br />

Flughafen nach Jerusalem und besuchte<br />

dort als erstes die Holocaust-Gedenkstätte<br />

Yad Vashem, begleitet von Charlotte<br />

Knobloch, der früheren Präsidentin des<br />

Zentralrats der Juden. Ziel seiner Reise<br />

war es vor allem, Deutschlands »Verbundenheit<br />

mit Israel für die Zukunft<br />

zu stärken,« was auch beim Treffen mit<br />

seinem Amtskollegen, Ministerpräsident<br />

Benjamin Netanjahu, deutlich wurde. Die<br />

Begegnung fand in betont freundschaftlicher<br />

Atmosphäre statt. »Die Freundschaft,<br />

die wir heute mit Israel genießen,<br />

ist großen Männern und Frauen zu danken,<br />

die sie haben wachsen lassen. Uns<br />

ist sie vor allem ein großes Geschenk,«<br />

so Heiko Maas. Ein hoffnungsvoller Start<br />

für die künftige Gestaltung der deutschisraelischen<br />

Beziehungen.<br />

Fotos: Picture Alliance<br />

Ilia Yefimovich/dpa,<br />

Kobi Gideon/Israel<br />

Government Press Office<br />

Bundesregierung soll Kuwait Airways Landerechte entziehen<br />

»Fluggesellschaften, die sich weigern,<br />

israelische Staatsangehörige zu befördern,<br />

müssen umgehend alle Landerechte<br />

in Deutschland entzogen werden,«<br />

fordert Christian Lange, Vizepräsident<br />

der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />

und Parlamentarischer Staatssekretär im<br />

Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz,<br />

in einem Brief an Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel.<br />

Christian Lange hatte nach dem Urteil<br />

des Frankfurter Landgerichts in Sachen<br />

Kuwait Airways umgehend an die Bundeskanzlerin<br />

geschrieben. Hintergrund<br />

war die Klage eines in Deutschland<br />

lebenden israelischen Studenten, der mit<br />

Kuwait Airways von Frankfurt am Main<br />

nach Bangkok fliegen wollte. Die kuwaitische<br />

Fluggesellschaft weigerte sich<br />

jedoch, ihn aufgrund seiner Nationalität<br />

mitzunehmen.<br />

Ein Jet der Kuwait Airways am Flughafen<br />

Frankfurt/Main. Der Entzug<br />

der Landerechte in Deutschland ist<br />

wahrscheinlich, sollte die Airline<br />

weiterhin Israelis diskriminieren.<br />

Foto: Leonid Faerberg / picture alliance<br />

Auszüge aus dem Brief vom 17. Januar<br />

<strong>2018</strong>: »Das aktuelle Urteil des Frankfurter<br />

Landgerichts in Sachen Kuwait Airways<br />

hat hohe Wellen geschlagen. Ich habe<br />

unzählige Anrufe aus den jüdischen<br />

Gemeinden, aber auch aus Israel erhalten,<br />

die mir ihre Fassungslosigkeit zum<br />

Ausdruck gebracht haben. Wir können<br />

nicht einerseits bei Gedenkveranstaltungen<br />

gemeinsam ›Nie wieder!‹ sagen,<br />

andererseits schweigen, wenn heute in<br />

Deutschland Aktivisten zum Boykott Israels<br />

aufrufen oder, wie in diesem Fall, eine<br />

Fluggesellschaft sich weigert, israelische<br />

Staatsangehörige zu befördern. Sehr<br />

geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie selbst<br />

haben betont, dass die Sicherheit Israels<br />

Teil der deutschen Staatsräson sei. Daher<br />

möchte ich Sie hiermit bitten, sich persönlich<br />

dafür einzusetzen, dass der Kuwait<br />

Airways umgehend alle Landerechte<br />

in Deutschland entzogen werden. Wir<br />

dürfen niemals schweigen, wenn Juden<br />

diskriminiert oder schikaniert werden.«<br />

Der Vizepräsident der <strong>DIG</strong> fordert: »Die<br />

Bundeskanzlerin muss hier klare Kante<br />

zeigen. Unsere Freundschaft zu Israel ist<br />

unverhandelbar. Eine derartige Diskriminierung<br />

ist nicht tolerierbar!« Inzwischen<br />

gibt es Gespräche mit der kuwaitschen<br />

Seite, die jedoch bisher zu keinem Ergebnis<br />

geführt haben. Andere Fluggesellschaften<br />

aus dem Nahen Osten dagegen<br />

befördern Israelis, so die Etihad Airways<br />

und Emirates aus den Vereinigten Arabischen<br />

Emiraten, Royals Jordanian und<br />

Gulf Air aus Bahrain.<br />

22 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Aktuell<br />

Duden nimmt das Adjektiv »israelfreundlich« auf<br />

»5 000 Wörter stärker – der neue Duden<br />

ist da,« wird die 27., völlig neu bearbeitete<br />

und erweiterte Auflage des Standardwerks<br />

der deutschen Rechtschreibung<br />

wortgewaltig beworben. Zu den<br />

Neuaufnahmen in das amtliche Regelwerk<br />

gehören aktuelle Wörter wie Fake<br />

News, Lügenpresse, Selfie, Mütterrente,<br />

Schmähgedicht, Darknet, verpeilen,<br />

tindern – und, man reibt sich die Augen,<br />

das eher mauerblümchenhafte Adjektiv<br />

israelfreundlich. Das ist in der Tat stark.<br />

Grund ist jedoch kaum ein neuerdings<br />

häufigeres Vorkommen des Wortes im<br />

täglichen Sprachgebrauch, sondern<br />

vielmehr die Kritik eines Bloggers daran,<br />

dass in die vorhergehende Auflage des<br />

Rechtschreibdudens bereits das Wort<br />

israelkritisch aufgenommen wurde. Das<br />

nennt man Ausgewogenheit. Definiert<br />

werden die beiden Wörter nun als »dem<br />

Staat Israel kritisch gegenüberstehend«<br />

beziehungsweise »dem Staat Israel<br />

wohlwollend gegenüberstehend«. Wohlwollend,<br />

wie gnädig! Dennoch bleibt ein<br />

merkwürdiger Beigeschmack. Hatte die<br />

Duden-Redaktion etwa ein schlechtes<br />

Gewissen? Denn außer Israel kommt<br />

im Duden kein anderer Staat in einem<br />

Kompositum mit dem Adjektiv kritisch<br />

vor. Syrien, Iran, Nordkorea, Venezuela,<br />

Russland – alles im grünen Bereich. Die<br />

deutsche Sprache verrät jedenfalls nicht,<br />

dass in diesen Ländern irgendetwas im<br />

Argen liegen könnte.<br />

Vielleicht sollte man das Ganze aber<br />

auch positiv betrachten. Immerhin sind<br />

viele Gegenstände der Kritik hochangesehen.<br />

Literaturkritik, Theaterkritik,<br />

Filmkritik, Musikkritik oder auch die<br />

stets beliebte Kapitalismuskritik sind<br />

edle Beschäftigungsfelder, wohingegen<br />

von Kommunismus- oder Sozialismuskritik<br />

eher selten die Rede ist. In dieser<br />

Gesellschaft bekommt das Sujet Israelkritik<br />

schon einen ganz anderen Klang.<br />

Israelkritik ist zudem ein Handwerk, von<br />

dem man recht ordentlich leben kann,<br />

wie nicht wenige Nahostkorrespondenten<br />

und NGO-Mitarbeiter mit Sitz am<br />

Hotspot Tel Aviv bestätigen werden. Als<br />

Syrienkritiker in Damaskus oder Palästinakritiker<br />

in Gaza müsste man wohl ein<br />

kärglicheres Dasein fristen.<br />

Also ist die Aufnahme des Wortes israelfreundlich<br />

in den Duden zu begrüßen.<br />

Denn es gibt tatsächlich eine Tendenz zur<br />

Insraelfreundlichkeit, wie eine Recherche<br />

bei Google zutage fördert. Gibt man in<br />

die Suchmaschine das Wort israelkritisch<br />

ein, so erhält man 167 000 Ergebnisse.<br />

Beim Wort israelfreundlich sind es zwar<br />

nur 17 700, doch ganz erstaunlich sind<br />

die Suchergebnisse, wenn man nach den<br />

Substantiven Israelkritiker und Israelfreunde<br />

forscht: Hier stehen 15 400 Israelkritikern<br />

völlig unerwartet 20 900 Israelfreunde<br />

gegenüber – die klare Mehrheit.<br />

Vielleicht sollte der Duden deshalb beim<br />

nächsten Mal noch das Wort Israelfreund<br />

aufnehmen. Und<br />

gendergerechterweise<br />

natürlich<br />

auch die Israelfreundin.<br />

Foto: Duden<br />

Vereinfachter Spendennachweis<br />

Die Übermittlung von Spendenbescheinigung für Mitgliedsbeiträge<br />

und Spenden war bisher mit erheblichem Aufwand für<br />

die Geschäftsstelle verbunden. Daher ein wichtiger Hinweis: Für<br />

Kleinspenden bis zu 200 Euro ist eine Verfahrensvereinfachung<br />

eingeführt worden ist. Der Passus lautet:<br />

»Für Zuwendungen bis 200,00 Euro reicht ein vereinfachter<br />

Spendennachweis nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 EStDV, zur steuerlichen<br />

Geltendmachung der Zuwendung in Form eines Kontoauszuges<br />

oder bestätigtem Bareinzahlungsbeleges.«<br />

Das heißt: Eine Spendenquittung seitens der <strong>DIG</strong> ist künftig<br />

nicht mehr notwendig. Sie wird ab diesem Jahr auch nur noch<br />

auf Anforderung verschickt. Bei Nachfragen eines Finanzamtes<br />

kann man diesem Folgendes mitteilen:<br />

»Die Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. ist durch Freistellungsbescheid<br />

des Finanzamtes für Körperschaften in Berlin,<br />

Steuernummer 27/663/50751, nach § 5 Abs.1 Nr.9 des KStG von<br />

der Körperschaftssteuer befreit, weil sie ausschließlich und<br />

unmittelbar steuerbegünstigten Zwecken im Sinne der §§ 51 ff<br />

AO dient. Sie fördert die gemeinnützigen Zwecke der internationalen<br />

Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur<br />

und des Völkerverständigungsgedankens. Die Satzungszwecke<br />

entsprechen § 52 Abs.2 Satz 1 Nr. 13 AO.«<br />

Zahl der <strong>DIG</strong>-Mitglieder wächst<br />

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. (<strong>DIG</strong>) verzeichnete<br />

im Jahr 2017 steigende Mitgliederzahlen. Im Lauf des Jahres<br />

wuchs die Anzahl der eingetragenen Mitglieder von 5009 auf<br />

5271 Personen. Dabei standen 282 Abgängen 544 Neueintritte<br />

gegenüber, eine Steigerung von mehr als 5 Prozent. Präsident<br />

Hellmut Königshaus ist erfreut über das Wachstum: »Es ist<br />

uns gelungen, durch verstärkte Präsenz auf Veranstaltungen<br />

Menschen direkt anzusprechen und sie auf unsere vielfältigen<br />

Aktivitäten aufmerksam zu machen. Viele, die Israel gegenüber<br />

positiv eingestellt sind, uns bisher jedoch nicht kannten, waren<br />

erfreut, dass es eine Organsiation wie die <strong>DIG</strong> gibt.« Man darf<br />

gespannt sein, wie die Entwicklung im Jubiläumsjahr weitergeht.<br />

Durch die zahlreichen Veranstaltungen zum 70. Jahr der<br />

Staatsgründung in allen Teilen Deutschlands erhofft sich die<br />

<strong>DIG</strong> auch für <strong>2018</strong> einen deutlichen Mitgliederzuwachs.<br />

<strong>DIG</strong>-Infostand<br />

beim Bürgefest des<br />

Bundespräsidenten<br />

im Sommer 2017.<br />

Foto: <strong>DIG</strong><br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 23


Aktuell<br />

»Ich hatte ein gutes Leben,<br />

und jetzt habe ich nichts.«<br />

Wie der islamistische Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt<br />

an der Berliner Gedächtniskirche auch die Familie Elyakim aus Israel zerstörte.<br />

Berlin, 19. Dezember 2017. Es herrscht eine fast gespenstische<br />

Stille, obwohl der Breitscheidplatz voller Menschen<br />

ist. Dann, um 20:02 Uhr fangen die Glocken der Gedächtniskirche<br />

zu läuten an, zwölf Minuten lang. Eine Minute<br />

für jedes der Terroropfer: Anna Bagratuni, Georgiy Bagratuni,<br />

Sebastian Berlin, Nada Cizmar, Christoph Herrlich, Klaus Jacob,<br />

Angelika Klösters, Dorit Krebs, Fabrizia di Lorenzo, Łukasz Urban,<br />

Peter Völker und Dalia Elyakim. Auf dem Display seines Smartphones<br />

ist das Gesicht von Rami Elyakim zu sehen, als sein Sohn<br />

Or ihm die vielen Umstehenden zeigt, wie sie alle andächtig<br />

dem Klang der Glocken lauschen. Wenige Meter sind es bis zum<br />

Mahnmal, das am Morgen nach einer interreligiösen Andacht,<br />

die in den Wochen danach noch für viel Wirbel sorgen wird,<br />

der Öffentlichkeit übergeben wurde. Fast ein Jahr lang waren<br />

die meisten der Todesopfer namen- und gesichtslos. Jetzt<br />

haben die Hinterbliebenen sie der Anonymität entrissen, Fotos<br />

neben ihre Namen gestellt. Jetzt sind ihre in Beton gegossenen<br />

Namen untrennbar mit der Gedächtniskirche verbunden.<br />

Jeder Besucher, der vom Zoologischen Garten kommt, kann sie<br />

bei aufmerksamer Betrachtung an den Stufen lesen, die zur<br />

Gedächtniskirche führen.<br />

Chen Elyakim beugt sich herunter, hält das Smartphone nah<br />

an die Stufen und zeigt ihrem Vater in Israel den Namen und<br />

das Foto der Mutter Dalia, das flankiert von zwei kleinen<br />

israelischen Fahnen ist. Das Foto zeigt Dalia mit ernster Miene,<br />

um die Lippen eine winzige Spur von Ironie, vielleicht gar von<br />

Skepsis. Umrahmt ist ihr Gesicht von roten Locken, die bis auf<br />

die Schulter fallen. Ihre Augen blicken direkt in die Kamera. Ein<br />

Foto für das Familienalbum. Jetzt richten sich diese Augen auch<br />

auf alle Unbekannten, die hier stehen bleiben. Chen nimmt die<br />

anderen Anwesenden kaum wahr, so konzentriert ist sie, Rami<br />

an dem Augenblick teilhaben zu lassen. Ein inniger, intimer,<br />

hoch emotionaler Moment.<br />

Kritik an mangelnder Empathie<br />

Or auf seine Frage, wo Dalia sei, antworten mussten, dass seine<br />

Ehefrau, ihre Mutter, bei dem Anschlag ermordet wurde.<br />

In Berlin-Tempelhof, im Wenckebachkrankenhaus trat am<br />

22. Dezember 2016 Ofer Elyakim, Ramis jüngerer Bruder, als<br />

erster und lange Zeit einziger Angehöriger der zwölf Todesopfer<br />

vom Breitscheidplatz vor die Presse. Er sagte, dass es frustrierend<br />

sei, denn ihr ganzes Leben lang sei die Familie in Israel mit<br />

Anschlägen und Terror konfrontiert gewesen und es sei nichts<br />

passiert – aber als Rami zusammen mit seiner Ehefrau Dalia in<br />

Berlin auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz Glühwein<br />

tranken, habe das Schicksal zugeschlagen.<br />

Für uns als in Berlin wohnende Mitglieder der Deutsch-Israelischen<br />

Gesellschaft lag es nahe, Rami im Krankenhaus einen<br />

Besuch abzustatten und auch im Namen der <strong>DIG</strong> unsere Anteilnahme<br />

zu übermitteln. Rami lag zu dem Zeitpunkt noch auf der<br />

Intensivstation im Koma, aber wir konnten unseren Brief und<br />

Blumenstrauß seinem Schwager Yaron übergeben.<br />

Als wenige Tage nach dem Anschlag der Tatort für die Öffentlichkeit<br />

wieder frei gegeben wurde, strömten viele Berliner<br />

und Touristen zur Gedächtniskirche und verwandelten den<br />

Breitscheidplatz in ein Kerzen- und Blumenmeer. Aber das<br />

Auffallende, Verstörende war, dass kaum persönliche Gegenstände<br />

abgelegt wurden. Ein Foto von Fabrizia di Lorenzo, eins<br />

vom LKW-Fahrer Łukasz Urban, ein Foto, das Dalia und Rami<br />

Elyakim zeigt. Daneben lag ein auf Hebräisch und Englisch<br />

handgeschriebener Zettel: »Von Israel an Berlin. Wir kennen Eure<br />

Schmerzen«. Aus der Presse war zu erfahren, dass insgesamt<br />

zwölf Personen ermordet und mehr als 70 Personen verletzt<br />

wurden. Einige sind selbst am Jahrestag noch im Krankenhaus.<br />

Lebenslang werden sie alle, die Leicht- und Schwerstverletzten,<br />

die Angehörigen und Hinterbliebenen, die Polizisten und Ersthelfer<br />

unter einem Trauma zu leiden haben…<br />

Rami Elyakim wäre bereit gewesen, zum Jahrestag nochmals<br />

nach Berlin zu kommen, trotz der Schmerzen, die seit dem islamistischen<br />

Terroranschlag zu seinem Leben gehören, trotz der<br />

wegen des kaputten linken Knies großen Gehschwierigkeiten.<br />

Eine Operation, diesmal am Herzen, auch eine Folge des Terroranschlags,<br />

hat seine Teilnahme verhindert. In einem »Spiegel«-<br />

Interview, das kurz vor dem Jahrestag des Anschlags veröffentlicht<br />

wurde, zusammen mit dem wütenden offenen Brief der<br />

Hinterbliebenen an die Bundeskanzlerin, in dem sie sich auch<br />

über ihre mangelnde Empathie beschweren, wird Rami zitiert<br />

mit den Worten: »Ich hatte ein gutes Leben, und jetzt habe ich<br />

nichts.« Diesem Nichts trotzt er jeden Tag, seit er Ende Dezember<br />

2016 aus dem Koma erwachte und seine Kinder Chen und<br />

Dalia und Rami Elyakim.<br />

Foto: Chen Elyakim<br />

24 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Aktuell<br />

Tage nach dem Anschlag verwandelten Berliner und Touristen<br />

den Breitscheidplatz in ein Kerzen- und Blumenmeer.<br />

<br />

Foto: Jürgen Sterzenbach<br />

Am 19. Dezember<br />

2017, ein Jahr nach<br />

dem Anschlag, fotografiert<br />

Chen Elyakim<br />

das Denkmal mit dem<br />

Namen ihrer Mutter.<br />

Foto: Stefan Krikowski<br />

Opfer ohne Namen und Gesicht?<br />

Zwölf Tote, fünf Ausländer, sieben Deutsche, sechs Frauen,<br />

sechs Männer. Am Breitscheidplatz blieben die Toten fast ein<br />

Jahr lang ohne Namen und ohne Gesicht. Kurz nach dem Anschlag<br />

veröffentlichte die Deutsche Bank eine Todesanzeige für<br />

eine Kollegin, jedoch ohne ihren Namen zu nennen. Im Internet<br />

wurde gegen diese Anonymität protestiert. Nach und nach<br />

wurden die Namen bekannt. Jedoch blieben sie weitestgehend<br />

im virtuellen Raum. An der provisorischen Gedenkstätte, die<br />

nach Schließung des Weihnachtsmarktes blieb, sollten offenbar<br />

die Namen und Gesichter der Terroropfer nicht genannt und<br />

gezeigt werden. Aber wie wollen wir trauern und anteilnehmen,<br />

wenn wir die Namen und Gesichter nicht kennen? Oder wollen<br />

wir nicht wissen, welches Gesicht nicht mehr in die Kamera<br />

lächeln, welcher Opa sein Enkelkind nicht mehr vom Kindergarten<br />

abholen wird? Und so ist es gut, dass die Hinterbliebenen<br />

sich für dieses Mahnmal entschieden haben.<br />

Wie es zu dem Terroranschlag kommen konnte, war schon Thema<br />

in drei Ausschüssen, zweien in Berlin und einem in Nordrhein-Westfalen.<br />

Nun soll die Tat auch in einem Bundestagsausschuss<br />

erörtert werden. In den Wochen vor dem Jahrestag<br />

wurden immer mehr Pannen bekannt. Wann wird sich jemand<br />

hierfür bei den Opfern und Hinterbliebenen entschuldigen?<br />

Jerusalem, Tel Aviv, Paris, New York, London, Madrid, Brüssel,<br />

Stockholm, Manchester, Nizza und jetzt auch Berlin. Der Anschlag<br />

vom 19. Dezember 2016 ist nicht der erste islamistische<br />

Terroranschlag in Deutschland, frühere Anschläge fanden in<br />

Frankfurt, Ansbach, Würzburg, Hannover und in Essen statt,<br />

aber er ist der erste große Anschlag, der nicht sofort wieder<br />

aus den Schlagzeilen verschwindet. Dass es sich um einen<br />

islamistischen Terroranschlag handelt, wird in der Inschrift<br />

der Gedenkstätte nicht erwähnt. »Zur Erinnerung an die Opfer<br />

des Terroranschlags am 19. Dezember 2016. Für ein friedliches<br />

Miteinander aller Menschen. In dieser Nacht starben…«<br />

In Vorbereitung auf unseren Israel-Urlaub im Oktober 2017<br />

reifte in uns der Gedanke, vor Ort nachzufragen, wie es Rami in<br />

der Zwischenzeit ergangen war. Dank der Vermittlung der Israelischen<br />

Botschaft konnten wir ihn und weitere Familienangehörige<br />

in Herzliya besuchen. Er empfing uns im Stehen, etwas, das<br />

wir erst nach dem Treffen entsprechend einordnen konnten.<br />

Er verlor wenige Worte über das Geschehene. Über die ihn<br />

behandelnden Ärzte war er voll des Lobes. Erst als wir im Begriff<br />

waren zu gehen und zur Verabschiedung schon aufgestanden<br />

waren, kam das Thema »Entschädigungszahlungen« auf. Die<br />

Knesset hatte infolge des Berliner Terroranschlags ihr Gesetz<br />

zu Entschädigungszahlungen geändert. So haben nun auch<br />

Israelis, die im Ausland Opfer von Terroranschlägen werden,<br />

Anspruch auf Entschädigungszahlungen, wenn die Terrororganisation<br />

auch als israelfeindlich eingestuft wird.<br />

Aber wie sieht es mit Entschädigungszahlungen seitens der<br />

Bundesrepublik aus? Der Opferbeauftragte Kurt Beck klagte in<br />

seinem Abschlussbericht darüber, dass die finanziellen Hilfen<br />

der Bundesregierung nicht ausreichend seien. Der Bundestag<br />

stimmte am 13. Dezember 2017 für einen Antrag von CDU/CSU,<br />

SPD, FDP und Grünen, der die Bundesregierung dazu auffordert,<br />

die Opferentschädigung zu verbessern. Aber noch ist unklar,<br />

ob und wann mehr Entschädigungszahlungen an Opfer und<br />

Hinterbliebene fließen werden.<br />

Spendenaktion für Rami Elyakim<br />

Rami Elyakim erklärte, dass zwar seitens der Deutschen viele<br />

nette Worte gesprochen würden, aber keiner frage, wie es denn<br />

für ihn und seine Familie nun finanziell weitergehe. Vor dem<br />

19. Dezember 2016 führte er als selbständiger Kühlanlagenbauer<br />

ein gutes Leben. Einige seiner Kunden hoffen noch immer<br />

darauf, dass er eines Tages seine Arbeit wieder aufnimmt, aber<br />

daran ist nicht zu denken. Chen bemerkte, dass ihr Vater immer<br />

gerne gearbeitet und noch längst nicht ans Aufhören gedacht<br />

hatte. Der Anschlag hat eine Familie und deren Existenz zerstört.<br />

Man habe ihnen gesagt, dass sie keine regelmäßigen Zahlungen<br />

bekommen könnten, da sie keine deutschen Staatsangehörigen<br />

seien. Aber, so wendete Ramis Schwester ein, ihre Eltern hätten<br />

doch trotzdem Wiedergutmachungszahlungen als Shoa-Opfer<br />

erhalten. Dermaßen herausgefordert haben wir nach unserer<br />

Rückkehr aus Israel überlegt, was wir tun können. Und so ist eine<br />

Spendenaktion entstanden, deren Erlös von mehr als 12 000 Euro<br />

Rami Elyakim am Yom Haatzmaut überreicht wurde.<br />

Margreet und Stefan Krikowski<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 25


Meinung<br />

Soll Deutschland seine Botschaft<br />

nach Jerusalem verlegen?<br />

Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die US-amerikanische Botschaft nach<br />

Jerusalem zu verlegen, und der nachfolgenden weltweiten Kontroverse und Aufregung haben<br />

mehrere Arbeitsgemeinschaften der <strong>DIG</strong> das Präsidium aufgefordert, einen solchen Schritt<br />

auch von der Bundesregierung zu verlangen. Das Präsidium hat dies ausführlich erörtert und<br />

sich entschlossen, dem zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nachzukommen – auch weil die<br />

Meinungen darüber in der <strong>DIG</strong> noch weit auseinandergehen. Zwei Mitglieder des Präsidiums<br />

beschreiben hier ihre unterschiedlichen Standpunkte.<br />

PRO: Ja zu Jerusalem, Ja zu Israel.<br />

»Die Neurose verleugnet die Realität nicht, sie will nur nichts<br />

von ihr wissen«,so hat Freud es einmal beschrieben. Im politischen<br />

Deutschland gehört Realitätsverweigerung zu oft zum<br />

guten Ton –; und in Bezug auf Israel sogar seit mittlerweile fast<br />

70 Jahren zur »Staatsräson«. Solange nun verweigern Bonn<br />

und Berlin schon die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt<br />

Israels. Seit nunmehr 50 Jahren wiederum fahren dennoch die<br />

gepanzerten Mercedes-Limousinen der deutschen Botschafter<br />

ein jedes Mal über den Highway One von Tel Aviv nach Jerusalem<br />

zu Ministerien, Konferenzen und auch zur Knesset. Manchmal<br />

fahren deutsche Kanzler, Außenminister und Präsidenten<br />

mit. Sie alle halten dort Reden. Ermahnen, hoffen, beteuern.<br />

Sie schütteln dort Hände, schreiben sich deutsch-israelische<br />

Freundschaft auf die Fahnen. All das in einer verbotenen Stadt.<br />

Deutsche Janusköpfe.<br />

Dass auch in unserer Gesellschaft die Frage der Anerkennung<br />

Jerusalems auf Widerstand trifft, verwundert da nicht. Und doch<br />

ist diese Opposition bemerkenswert, weil ohne Fundament.<br />

Das völkerrechtliche Argument? Vorgeschoben. Unabhängig von<br />

dem durchaus umstrittenen und alles andere als klaren völkerrechtlichen<br />

Status des Jerusalemer Stadtgebietes – es geht hier<br />

nicht um den völkerrechtlichen Status der Stadt. Hauptstädte<br />

werden nicht durch das Recht bestimmt, sondern durch Völker<br />

in freier Selbstbestimmung ausgewiesen. Nur für Israel soll<br />

das nicht gelten – da ist er wieder! Der Jude unter den Staaten.<br />

Dabei ist gerade Selbstbestimmung das sinnstiftende Element,<br />

das Israel für Juden in aller Welt so besonders, so wertvoll und so<br />

unentbehrlich macht. Uns stünde es gut, das zu respektieren.<br />

Dann: Die Sorge um Israels Sicherheit? Überflüssiger Paternalismus.<br />

Israel braucht keinen Vormund. Und überhaupt: Wer würde<br />

umgekehrt behaupten wollen, dass Israelis sicherer seien,<br />

solange nur wir ihnen die Anerkennung ihrer Kapitale vorenthalten?<br />

So gefragt, wird die Absurdität der zugrunde gelegten<br />

Prämisse überdeutlich. Und für die, die immer noch zweifeln:<br />

Eine dritte »Intifada« – organisierten Raub und Mord – hat es<br />

nicht gegeben, als Washington die Weichen neu justierte. Es<br />

würde sie nicht geben, wenn Deutschland es täte. Und selbst<br />

wenn? Sollen wir uns und unsere Haltung dem Diktat der Gewalt<br />

ergeben und beugen? Ich sage entschieden: Nein!<br />

Schließlich: Das Recht der Palästinenser? Auch hier die Gegenfrage:<br />

Welches »Recht«? Genauso wenig wie Deutsche ein<br />

»Recht« auf Breslau haben, ebensowenig haben palästinensische<br />

Araber ein »Recht« auf Jerusalem. Alles andere ist Revisionismus<br />

und Revanchismus. Man will meinen und hoffen, Willy<br />

Brandt hätte damit in Deutschland aufgeräumt.<br />

Nicht Ansprüche, nur Verhandlungen könnten der Palästinensischen<br />

Autonomiebehörde einen Sitz in Jerusalem ebnen. Das<br />

aber ist nicht unser Bier und wird auch nicht morgen durch die<br />

Anerkennung Jerusalems heute verhindert. Die ganze Stadt<br />

bekommt Ramallah sowieso nicht. Worauf also warten?<br />

Seien wir pragmatisch. Seien wir solidarisch. Seien wir ohne<br />

Angst. Lasst uns die Forderung nach der Anerkennung Jerusalems<br />

laut in die deutsche Politik hineinrufen! Wer, wenn nicht<br />

wir. Wir tun niemandem einen Gefallen damit, die Jerusalemfrage<br />

auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf der<br />

Schabbes-Platte warm zu halten. Allein palästinensische Tyrannen<br />

und Terroristen profitieren davon. Dabei gilt es gerade diesen<br />

die Augen zu öffnen. Bis heute scheint Abu Mazen, Ismail<br />

Haniyya und ihren Fellows nicht klar zu sein, dass jede – wie<br />

auch immer konzipierte Lösung – immer<br />

auch ein jüdisches, ein israelisches Jerusalem<br />

wird garantieren müssen. Wer<br />

wollte das in Abrede stellen?<br />

Philipp J. Butler<br />

26 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Meinung<br />

KONTRA: Keine einseitigen Maßnahmen.<br />

Ich widerspreche der Aufforderung, Deutschland solle wie die<br />

USA seine Botschaft nach Jerusalem verlegen. Nicht weil ich<br />

befürchten würde, die palästinensische Führung könnte das<br />

als Anlass zu Hass und Gewalt nehmen – dazu ist leider auch<br />

kein Anlass nötig oder jeder beliebige. Israel und seine Freunde<br />

können da nichts »richtig« machen. Und auch nicht, weil die<br />

Bundesregierung dieser Forderung erkennbar nicht nachkommen<br />

würde; die <strong>DIG</strong> ist unabhängig und kann immer einen<br />

Schritt weitergehen. Die Frage ist nur: Ginge der Schritt zum<br />

jetzigen Zeitpunkt in die richtige Richtung?<br />

Als Argument für die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem<br />

wird zu Recht angeführt, dass Israel selbst schon 1950 Jerusalem<br />

zu seiner Hauptstadt erklärt hat und dass jeder souveräne<br />

Staat frei entscheiden kann, wo seine Hauptstadt mit den zentralen<br />

Institutionen Parlament, Regierung, Oberstes Gericht ist.<br />

Und jeder Staatsgast, der die Knesset besucht, erkennt das auch<br />

an. Warum also nicht auch die Botschaft dort haben?<br />

Das Problem liegt in der Antwort auf die Frage: Was ist gemeint<br />

mit Verlegung der Botschaft nach »Jerusalem«? Ist damit West-<br />

Jerusalem gemeint, so wie es bei der Entscheidung 1950 als Teil<br />

einer geteilten Stadt existierte? Oder ist damit die »ewige und<br />

unteilbare Hauptstadt Jerusalem« gemeint, nun eben das –<br />

vergrößerte – Ost-Jerusalem eingeschlossen, wie es die Knesset<br />

1980 durch das »Jerusalem-Gesetz« verkündete? Dieses einseitige<br />

Gesetz hatte ja 1980 zu der Aufforderung der UNO geführt,<br />

die damals bereits vorhandenen Botschaften aus Jerusalem<br />

abzuziehen, was dann auch geschah. Würde also ein Umzug der<br />

Botschaft nach Jerusalem eine Anerkennung dieses Gesetzes<br />

durch Deutschland bedeuten?<br />

Ich denke, genau das würde eine Verlegung der Botschaft<br />

faktisch bedeuten, egal wo sie dann gebaut würde; auch weil<br />

es eben das Verständnis des gastgebenden Landes ist. Und hier<br />

liegt das Problem, auch für die <strong>DIG</strong>: Halten wir jetzt das Gesetz<br />

von 1980 für legitim? Obwohl es u.a. der von Israel selbst eingebrachten<br />

UN-Resolution 242 widerspricht, in der festgehalten<br />

ist, dass die Grenzen und der Status von Jerusalem endgültig<br />

nur durch freie bilaterale Verhandlungen festgelegt werden<br />

können? Trump selbst hat in seiner Rede diesen Widerspruch<br />

benannt, indem er im zweiten Teil erklärte, er äußere sich<br />

damit nicht zum »endgültigen Status«. Aber stimmt das in der<br />

politischen Realität?<br />

In meinen Augen würde die völkerrechtlich verbindliche<br />

Anerkennung des Jerusalem-Gesetzes auch bedeuten: die <strong>DIG</strong><br />

trennt sich von ihrer programmatischen Überzeugung, dass der<br />

endgültige Status von zwei Staaten und von Jerusalem – wie<br />

1947 von der UNO proklamiert – nicht durch einseitige Maßnahmen,<br />

sondern nur durch Verhandlungen vereinbart werden<br />

kann. Es wäre der Abschied von der Zwei-Staaten-Lösung. Und<br />

von der sollte sich die <strong>DIG</strong> nicht verabschieden; denn wenn sie<br />

auch derzeit weit entfernt scheint, etwas Besseres sehe ich<br />

für Israel nicht.<br />

Deswegen bin ich nicht dafür, dass die<br />

<strong>DIG</strong> sich Trump anschließt.<br />

Dr. Hermann Kuhn<br />

Die USA wollen ihre Botschaft am 14. Mai <strong>2018</strong>, dem<br />

70. Jahrestag der Gründung Israels, nach Jerusalem verlegen.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 27


Politik<br />

Atomdeal mit Iran auf der Kippe<br />

In der Frühe des 10. Februar <strong>2018</strong> war es soweit: Erstmals starteten die iranischen Revolutionären<br />

Garden einen direkten militärischen Angriff auf Israel: Von ihrem syrischen Stützpunkt<br />

in der Provinz Homs lenkten sie eine bewaffnete Tarnkappendrohne in das benachbarte Israel.<br />

Dieser Vorfall, der im Februar glimpflich endete, macht deutlich, warum Israel eine dauerhafte<br />

iranische Präsenz im Nachbarland Syrien nicht akzeptieren kann.<br />

Das iranische Regime belässt es nicht dabei, die Zerstörung<br />

Israels als vordringliches außenpolitisches Ziel anzukündigen,<br />

sondern bereitet sich systematisch darauf<br />

vor. Eben deshalb führt Teheran an der Seite des Diktators Assad<br />

Krieg: Man will die »Achse des Widerstands« gegen Israels<br />

Existenz um jeden Preis verteidigen und stärken. Dafür nimmt<br />

Teheran Tausende Tote und eine wachsende Unzufriedenheit<br />

im eigenen Land in Kauf.<br />

Die eskalierende Kriegsgefahr an der Nordgrenze Israels rückt<br />

auch den innerwestlichen Streit über das 2015 abgeschlossene<br />

Atomabkommen zwischen dem Iran und den fünf ständigen<br />

Vertretern des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland in ein neues<br />

Licht. Während Israel und die USA unter Donald Trump das<br />

Abkommen ablehnen, verteidigen es Deutschland, Frankreich<br />

und Großbritannien vehement. Zwar stimmen beide Seiten<br />

darin überein, dass die Atomwaffenfähigkeit des Iran verhindert<br />

werden muss. Umstritten ist jedoch, ob sich mit dem Joint<br />

Comprehensive Plan of Action (JCPOA), so der offizielle Namen<br />

des Abkommens, dieses Ziel erreichen lässt. Schauen wir uns<br />

also die Vor- und Nachteile dieses Abkommens an.<br />

Zu den Vorzügen des JCPOA zählt, dass der Iran nach Maßgabe<br />

dieses Abkommens zwei Drittel seiner Uranzentrifugen eingemottet,<br />

den Kern seines Plutoniumreaktors zerstört und den<br />

Großteil seines angereicherten Urans ins Ausland verbracht hat.<br />

Im Gegenzug erhielt Teheran bislang eingefrorene Geldsummen<br />

in Milliardenhöhe und wurde von allen nuklearbedingten<br />

Sanktionen befreit. Solange alle Bestimmungen eingehalten<br />

werden, wird die breakout time, also die Zeit, die der Iran benötigt,<br />

um eine Bombe zu bauen, ein Jahr betragen. So wurde dem<br />

Regime auf dem Verhandlungsweg ein unmittelbarer Griff zur<br />

Bombe zumindest für eine Übergangszeit verbaut. Dass damit<br />

aber gleichzeitig der »iranische Weg zur Atomwaffe verlässlich<br />

und nachprüfbar verschlossen« ist, wie vom ehemaligen Außenminister<br />

Steinmeier behauptet, stimmt hingegen nicht. Das<br />

Abkommen zeichnet sich mit Blick auf das iranische Atomprogramm<br />

durch drei gewichtige Konstruktionsfehler aus.<br />

Gewichtige Konstruktionsfehler<br />

Obwohl eine Atomwaffe nicht nur aus einem Sprengkopf<br />

sondern auch aus der dazu gehörigen Trägerrakete besteht,<br />

klammert der JCPOA das Raketenprogramm Irans und damit die<br />

zweite Hälfte des Bombenprojekts aus. Unter Verletzung diverser<br />

Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats setzt Iran seine Anstrengung<br />

zur Entwicklung eigener nuklear bestückbarer Mittel- und<br />

Langstreckenraketen fieberhaft und in enger Kooperation mit<br />

Nordkorea fort.<br />

Zweitens ist das Kontrollregime lückenhaft. »Wir konnten und<br />

können nur eine Vereinbarung akzeptieren«, hatte der deutsche<br />

Außenminister 2015 noch erklärt, die sicherstellt, »dass es …<br />

unangekündigte Inspektionen aller Anlagen« gibt. Dieses Ziel<br />

wurde nicht erreicht. Bis heute lehnt das Regime Kontrollen in<br />

Anlagen, die es als militärisch deklariert, grundsätzlich ab. Was<br />

aber nützen Kontrollen, wenn es den Kontrollierten obliegt, darüber<br />

zu entscheiden, an welchen Orten sie stattfinden dürfen<br />

und an welchem nicht?<br />

Nach Unterzeichnung des Atomabkommens<br />

in Wien am 14. Juli 2015 (v.l.n.r.): Der chinesische<br />

Außenminister Wang Yi, der<br />

fran zösische Außenminister Laurent Fabius,<br />

der deutsche Außenminister Frank-Walter<br />

Steinmeier, die Hohe Vertreterin für Außenund<br />

Sicherheitspolitik Federica Mogherini,<br />

der iranische Außenminister Mohammad<br />

Javad Zarif, der Leiter der iranischen<br />

Atomenergiebehörde Ali Akbar Salehi, der<br />

russische Außenminister Sergej Lavrov,<br />

der britische Außenstaatssekretär Philip<br />

Hammond, der amerikanische Außenminister<br />

John Kerry und der amerikanische<br />

Staatssekretär für Energie Ernest Moniz.<br />

Foto: Ebrahimi Tasnim, picture alliance/Parspix<br />

28 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Politik<br />

Drittens kann das Abkommen die atomare Aufrüstung zwar<br />

verzögern, nicht aber verhindern, denn schon in sechs Jahren<br />

werden die ersten Beschränkungen und in spätestens dreizehn<br />

Jahren sämtliche nukleare Begrenzungen des Atomdeals wegfallen.<br />

Dann wird Teheran Plutoniumreaktoren und Waffenuran<br />

in beliebiger Menge produzieren können. Dann wird die Zeit,<br />

die Teheran zum Bau der Atombombe bräuchte, »auf nahezu<br />

Null schrumpfen«, wie auch Barak Obama, der ehemalige amerikanische<br />

Präsident, einräumt. Wir sehen: Auch dann, wenn das<br />

iranische Regime alle Bestimmungen des Abkommens einhält,<br />

ist ihm am Ende die Atomwaffenfähigkeit gewiss.<br />

Eine Wette auf die Zukunft<br />

Dass ein Abrüstungsabkommen nach wenigen Jahren ausläuft,<br />

ist höchst ungewöhnlich. Es kommt hinzu, dass dieser künftige<br />

Freifahrtschein für die iranische Bombe an keine Bedingung<br />

geknüpft ist: Er gilt auch dann, wenn Teheran den Nahen und<br />

Mittleren Osten weiterhin mit Kriegen überzieht. Das Atomabkommen<br />

war eine Wette auf die Zukunft. Man glaubte, dass<br />

sich Iran innerhalb der nächsten Jahre mit der internationalen<br />

Gemeinschaft versöhnen würde. Heute bestreitet niemand,<br />

dass dies eine Illusion war, dass diese Wette verloren wurde<br />

und sich die Realität entgegengesetzt entwickelt hat.<br />

Wird der Atomdeal trotz dieser Schwächen und Entwicklungen<br />

Bestand haben? Die Antwort ist offen. Am 12. Januar <strong>2018</strong><br />

forderten die USA ihre europäischen Verbündeten ultimativ<br />

dazu auf, sich zu engagieren, um die drei oben genannten<br />

Schwachstellen des Atomabkommens durch ergänzende Vereinbarungen<br />

und neue Sanktionen im Falle weiterer iranischer<br />

Raketentests auszubügeln. Andernfalls würden die USA dieses<br />

Abkommen spätestens Mitte Mai <strong>2018</strong> verlassen und es damit<br />

hinfällig machen. Dies aber wollen die Kernmächte der EU um<br />

beinahe jeden Preis verhindern. Seit Ende Januar <strong>2018</strong> verhandeln<br />

Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA über<br />

ergänzende Abkommen und neue Sanktionen – jedoch hinter<br />

verschlossenen Türen.<br />

Sicher ist: Der iranische Drohnenangriff vom 10. Februar hat<br />

die Notwendigkeit, die Machthaber in Teheran unter Druck<br />

zu setzen, noch erheblich verstärkt. Auch deshalb war das<br />

freundliche Glückwunschschreiben, das Bundespräsident<br />

Frank-Walter Steinmeier am 11. Februar anlässlich des Jahrestags<br />

der Islamischen Revolution an den iranischen Präsidenten<br />

Rohani schickte, um die »positiven« deutschiranischen<br />

Beziehungen zu loben und für<br />

»neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit«<br />

zu werben, kontraproduktiv.<br />

Matthias Küntzel<br />

Politikwissenschaftler und Historiker<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 29


Politik<br />

Israels Stellung<br />

bei den Vereinten Nationen<br />

Immer wieder stößt unangenehm auf, dass gegen Israel von den Vereinten Nationen (UN)<br />

mehr Resolutionen verabschiedet werden als gegen alle anderen Länder zusammen. Unter den<br />

Ländern, die nicht sanktioniert werden, sind Verbrecherregimes und Folterstaaten wie Syrien,<br />

Uganda, Südsudan, Eritrea und Nordkorea. Kein anderes Land ist in den UN so verhasst wie der<br />

Judenstaat. In einer Veranstaltung der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V. im Februar dieses Jahres<br />

stellte sich Patricia Flor, Leiterin der Abteilung Internationale Ordnung, Vereinte Nationen und<br />

Rüstungskontrolle im Auswärtigen Amt, den Fragen von rund 130 Gästen zu diesem Thema.<br />

Am 23. Dezember 2016 verabschiedete der Sicherheitsrat der UN die Resolution 2334, die Israel dazu auffordert, den Siedlungsbau<br />

zu stoppen. Die USA, die in der Regel ein Veto gegen Resolutionen einlegen, die Israel einseitig verurteilen, hatten diesmal auf ihr<br />

Recht verzichtet.<br />

Foto: Albin Lohr-Jones, picture alliance/Pacific Press Agency<br />

Der Vortrag handelte von Israels Stand in den Gremien<br />

der UN, der Friedensmission an Israels Grenzen, der<br />

Rüstungskontrolle im Nahen Osten, dem Iran-Deal und<br />

der UNRWA, dem Hilfswerk für die palästinensischen Flüchtlinge.<br />

Bezüglich Deutschlands Rolle in den UN bemerkte Patricia<br />

Flor, es sei unmöglich, sich an die Seite Israels zu stellen und<br />

gegenüber dem Zusammenschluss arabischer Länder und ihren<br />

Unterstützerstaaten, die stets die Mehrheit bilden, allein etwas<br />

durchzusetzen. Jochen Feilcke, Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Berlin und<br />

Brandenburg, stellte hier zu Recht die Frage, ob dies nicht ein<br />

Grund sei, die eigene Rolle in den UN in Frage zu stellen. Das<br />

ließ Patricia Flor nicht gelten. Das Gremium sei für andere politische<br />

Verhandlungen unverzichtbar. Aus dem Publikum wurde<br />

die Frage wiederholt und erweitert: Wird Deutschland seiner<br />

stets beteuerten besonderen Verantwortung für die Sicherheit<br />

Israels in den Gremien der Vereinten Nationen gerecht? Warum<br />

wollen Deutschland oder die EU die Zahlungen an die UNRWA,<br />

die US-Präsident Trump nicht mehr leisten will, übernehmen?<br />

Antwort: Humanitäre Gründe – das Los der Palästinenser in<br />

Gaza.<br />

Welche Rolle spielt die UNRWA im Nahostkonflikt?<br />

Die Palästinenser sind über die UNRWA, aber auch direkt einer<br />

der größten Hilfsempfänger der Welt. Daher frage man sich,<br />

wer diese Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde<br />

(PA) und an die UNRWA denn kontrolliere, da ein Fortschritt<br />

in den palästinensischen Gebieten weder im Hinblick auf Bildung<br />

noch auf Wirtschaft erkennbar sei. Patricia Flors Antwort<br />

war kaum überraschend: Es gäbe selbstverständlich Kontrollen,<br />

ob geförderte Projekte wirklich wie beantragt durchgeführt<br />

würden. Außerdem würden Mitarbeiter der UNRWA vor Ort<br />

30 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Politik<br />

»In den vergangenen zehn Jahren erklärte ich immer wieder, dass wir<br />

nicht gegen Israel eingestellt sein dürfen. Doch die Jahrzehnte des politischen<br />

Manövrierens haben eine ungleiche Anzahl an Resolutionen,<br />

Berichten und Komitees gegen Israel eingebracht.«<br />

Ban Ki-moon, von 2007 bis 2016 Generalsektretär der Vereinten Nationen<br />

die Verteilung kontrollieren. Das Ziel sei immer, dass deutsche<br />

Hilfsgelder auch bei den Bedürftigen ankommen. Aber wie<br />

können diejenigen, die von diesen Zahlungen leben, ihre eigene<br />

Arbeit kontrollieren? Hier muss daran erinnert werden, dass im<br />

Sommer 2017 Mitglieder des Haushaltsausschusses aus den<br />

Parteien CDU, SPD, Grüne und Linke die nicht ausreichend kontrollierte<br />

Mittelverwendung an die PA und die UNRWA in einer<br />

Pressekonferenz in Berlin kritisierten. Grund war die katastrophale<br />

Verschlechterung der Schulbücher der Palästinensischen<br />

Autonomiebehörde, die 2017 mit deutschen und europäischen<br />

Hilfsgeldern und Unterstützung deutscher Wissenschaftler in<br />

einer Neuauflage erschienen waren.<br />

Der vererbte Flüchtlingsstatuts der Palästinenser<br />

Ein weiteres Thema: Warum unternimmt die deutsche Regierung<br />

nichts gegen die Absurdität, dass nur bei den Palästinensern<br />

der Flüchtlingsstatus vererbt wird und deshalb die Anzahl<br />

palästinensischer »Flüchtlinge« stetig steigt? Die Zeitschrift<br />

Israel heute zitiert dazu in ihrer Ausgabe vom Februar <strong>2018</strong><br />

Israels ehemaligen UN-Botschafter Ron Prosor: »Ein Hindernis<br />

bei der Konfliktlösung zwischen uns und den Palästinensern<br />

ist die UNRWA. Das private Hilfswerk der Vereinten Nationen<br />

für Palästina-Flüchtlinge verewigt die Fantasie eines palästinensischen<br />

Rückkehrrechts. Die UNHCR – das Hochkommissariat<br />

der Vereinten Nationen für Flüchtlinge – hilft weltweit<br />

66 Millionen Flüchtlingen in Bürgerkriegen, Konflikten und<br />

Naturkatastrophen. Dem gegenüber kümmert sich die UNRWA<br />

ausschließlich um palästinensische Flüchtlinge, die einmal<br />

700 000 Menschen zählten, zu denen inzwischen aber 5,3<br />

Millionen Palästinenser gerechnet werden, weil sie sich als<br />

Flüchtlinge bezeichnen. Der Großteil der palästinensischen<br />

Botschafter a.D. Dr. Bernd Fischer, Botschafterin Dr. Patricia Flor,<br />

Jochen Feilcke MdB a.D. (Vorsitzender <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg<br />

e.V.) und Maya Zehden (<strong>DIG</strong>-Vizepräsidentin und Stellv.<br />

Vorsitzende <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.)<br />

<br />

Foto: <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />

Flüchtlinge existiert jedoch gar nicht. Die letzte Volkszählung<br />

im Libanon ergab, dass zwei Drittel der vom UNRWA gemeldeten<br />

Flüchtlingszahlen frei erfunden waren. 300 000 Menschen<br />

existieren nur in UNRWA-Berichten, nicht aber in der Realität.<br />

Es liegt natürlich im Interesse der UNRWA, die Zahlen aufzublähen.<br />

Somit konnte das Budget vier Mal gesteigert werden: Die<br />

UNRWA erhält por Palästinenserflüchtling 246 Dollar, hingegen<br />

die UNHCR nur 58 Dollar pro Kopf. Die UNRWA ist in Sünde<br />

geboren und lebt in Sünde.«<br />

Mit Unmutsäußerugen reagierte das Publikum, als Patricia Flor<br />

auf die Notwendigkeit der UNRWA verwies, um die humanitäre<br />

Hilfe für die Bevölkerung in Gaza sicherzustellen. Auf den<br />

Einwand der Verantwortung der Hamas für diese Situation ging<br />

sie nicht ein. Das Rückkehrrecht – von der palästinensischen<br />

Führung propagiert und als fundamentale Forderung schon<br />

den kleinsten Kindern eingeimpft – existiert weltweit nirgends<br />

in dieser Form. Wären alle Vertriebenen nach Kriegen weltweit<br />

wie die Palästinenser 70 Jahre lang in »Lagern« gehalten und<br />

bewusst nicht integriert worden, es hätte nirgendwo eine positive<br />

Entwicklung gegeben.<br />

Dabei könnte doch das bisherige politische Versagen der<br />

Weltgemeinschaft nur durch die Umwandlung der UNRWA in<br />

eine Institution geheilt werden, die Geld ausschließlich dafür<br />

bekommen dürfte, die Integration der Palästinenser in solchen<br />

Ländern zu organisieren, in denen sie bereits seit Generationen<br />

leben. Das sind der Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten. Es<br />

gibt sogar Flüchtlingslager in Betlehem und Ramallah.<br />

Der Atomdeal mit Iran<br />

Patricia Flor rechtfertigte den Atomdeal mit dem Iran damit,<br />

dass die deutsche Regierung der Ansicht sei, er diene Israels<br />

Sicherheit. Es sei atomwaffenfähiges Material vernichtet worden,<br />

sodass die kurz bevorstehende Vollendung der Atomwaffe<br />

aufgehalten worden sei. Dabei räumte sie ein, dass Israel<br />

selbstverständlich das Recht habe sich zu wehren, sollte der<br />

Iran angreifen. Dieses Zugeständnis quittierte das Publikum mit<br />

Raunen und Kopfschütteln – »Na vielen Dank für die Erlaubnis…«,<br />

so ein Zwischenruf. Die Referentin war zweifellos engagiert<br />

für Israel. Ihr Bericht konnte wohl aber nur die offizielle<br />

Position des Auswärtigen Amtes (AA) widerspiegeln, und diese<br />

ist, dass man wenig Einflussmöglichkeiten habe. Jochen Feilcke<br />

moderierte bestens vorbereitet und stellte die richtigen Fragen.<br />

Leider blieben zufriedenstellende Antworten der Referentin<br />

weitgehend aus. Ihre Aussagen wie »die Sicherheit Israels ist<br />

deutsche Staatsräson« klangen zwar gut und bekamen Applaus,<br />

sie müssen sich allerdings in der Realität bewähren.<br />

Maya Zehden<br />

<strong>DIG</strong>-Vizepräsidentin<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 31


Foto: Wissam Nassar, picture alliance/ZUMA Press<br />

Einig gegen Israel, uneinig untereinander: Trotz Versöhnungsabkommens zwischen der Fatah und Hamas wurde auf die<br />

Wagenkolonne des Palästinensischen Ministerpräsidenten Hamdallah bei einem Besuch des Gazastreifens am 13. März <strong>2018</strong><br />

ein Sprengstoffanschlag verübt. Mehrere Fahrzeuge des Konvois wurden beschädigt, Hamdallah blieb unverletzt.<br />

»Es kommt allein auf uns<br />

Israelis und Palästinenser an.<br />

Auf niemanden sonst!«<br />

Der bekannte palästinensische Menschenrechtsaktivist, Politikberater und TV-<br />

Moderator Bassem Eid sprach am 31. Januar 2017 auf Einladung der Hochschulgruppe<br />

der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg e.V. und des Mideast<br />

Freedom Forum Berlin an der Humboldt Universität zu Berlin über den palästinensischisraelischen<br />

Konflikt, BDS und warum die Hilfszahlungen an die UNWRA und die<br />

Palästinensische Autonomiebehörde den Konflikt nur zementieren statt ihn zu lösen.<br />

Bassem Eid wurde 1958 im palästinensischen Flüchtlingslager<br />

Shuafat im damals jordanisch besetzten Ost-<br />

Jerusalem geboren und engagiert sich seit Jahrzehnten<br />

als Menschenrechtsaktivist in Israel und den palästinensischen<br />

Autonomiegebieten. Er war unter anderem bei der bekannten<br />

NGO B’tselem tätig und gründete die Organisation Palestinian<br />

Human Rights Monitoring Group (PHRMG). Seit 2003 ist er für<br />

das israelische Fernsehen als unabhängiger Analyst und Kommentator<br />

für palästinensische Politik tätig.<br />

Interessen der unterschiedlichen Konfliktparteien<br />

Seinen Vortrag an der Humboldt Universität eröffnete Eid mit<br />

einem Überblick über die jeweiligen Interessen der unterschiedlichen<br />

Konfliktparteien im palästinensischen-israelischen<br />

Konflikt. Dabei wies er auf die entscheidende Rolle Ägyptens<br />

für die Situation in Gaza hin. Dem arabischen Nachbarland sei<br />

die islamistische Terrororganisation Hamas ein Dorn im Auge,<br />

unterstütze diese doch andere islamistische Milizen auf der<br />

32 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Politik<br />

Der palästinensische Menschenrechtsaktivist<br />

Bassem Eid (r.) und Michael<br />

Spaney, <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />

Foto: Mideast Freedom Forum Berlin<br />

ägyptischen Sinai-Halbinsel. Durch eine entsprechend strenge<br />

Kontrolle der Grenze zu Gaza wolle Ägypten die regierende<br />

Hamas unter Druck setzten und langfristig destabilisieren,<br />

damit die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter ihrem<br />

derzeitigen Präsidenten Mahmud Abbas wieder die volle Kontrolle<br />

über die Enklave am Mittelmeer übernehmen könne. Hilfe<br />

könnten die Bewohner Gazas deswegen auch nicht von der PA<br />

erwarten. Diese setze wie Ägypten auf ein Versagen der Hamas.<br />

Israel habe grundsätzlich Interesse an einem Wiederaufbau<br />

der durch die Militäroffensive von 2014 zerstörten Gebäude in<br />

Gaza, stünde aber vor dem Problem, dass die Hamas dringend<br />

benötigtes Baumaterial lieber zum Ausbau ihrer militärischen<br />

Infrastruktur nutze, als es der Bevölkerung Gazas zukommen zu<br />

lassen.<br />

Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung<br />

Anschließend wandte sich Eid den innerpalästinensischen<br />

Konflikten zu. Den zuletzt nach außen demonstrierten und<br />

durch ein neues Abkommen unterstrichenen Einigungswillen<br />

der größten palästinensischen Parteien Fatah und Hamas hält<br />

Eid für eine mediale Inszenierung. In den letzten Jahren habe<br />

die Welt sechs solcher Vereinbarungen gesehen und nichts<br />

habe sich an der gegenseitigen Feindschaft beider Gruppen<br />

geändert. Dadurch verlören beide Parteien immer weiter an<br />

Rückhalt in der Bevölkerung. Es herrsche insgesamt ein starkes<br />

Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung. Sie sei<br />

mehr am eigenen Vorteil interessiert als an einer Verbesserung<br />

der Situation ihrer Bevölkerung. Statt nach Fortführung des<br />

unnachgiebigen Dauerkonflikts mit Israel sehnten sich die<br />

meisten Palästinenser heute vor allem nach einem sicheren Job,<br />

einem festen Einkommen, einer guten medizinischen Versorgung<br />

und einer zukunftsreichen Ausbildung ihrer Kinder.<br />

Kritik an Einflussnahme von BDS-Hochschulgruppen<br />

Abschließend kritisierte Eid den Versuch europäischer und<br />

nordamerikanischer Campus-Gruppen als Teil der sogenannten<br />

BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) Einfluss<br />

auf den palästinensisch-israelischen Konflikt zu nehmen. Tatsächlich<br />

würde der Versuch israelische Waren zu boykottieren<br />

lediglich zur Zerstörung tausender palästinensischer Arbeitsplätze<br />

führen und damit geradezu dem Gegenteil entsprechen,<br />

was die palästinensische Bevölkerung heute verlange. Die BDS-<br />

Kampagne sei deswegen ein selbstgefälliges Unternehmen, das<br />

sich zwar als Teil einer Lösung des palästinensisch-israelischen<br />

Konfliktes verstehen möchte, in Wirklichkeit aber die Palästinenser<br />

zu Geiseln einer von Grund auf falschen politischen<br />

Strategie nehme. Ganz ähnlich verhielte es sich mit internationalen<br />

Organisationen wie der United Nations Relief and Works<br />

Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA). Die<br />

ursprünglich 1949 ins Leben gerufene UN-Institution zur Koordinierung<br />

von Hilfsleistungen ausschließlich für palästinensische<br />

Flüchtlinge zementiere nach Eid den Konflikt nicht nur ein,<br />

sondern hätte heute selbst ein Interesse an dessen Fortbestand,<br />

um weiterhin hunderte Millionen Dollar an internationalen<br />

Hilfsgeldern zu beziehen.<br />

Zahlungen an Palästinenser an Bedingungen knüpfen<br />

Ein zentrales Problem sieht Eid auch in der Einmischung anderer<br />

Staaten in den Konflikt. Der schädliche Einfluss des Irans<br />

und Katars sei offensichtlich. Aber auch die internationalen<br />

Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde seien<br />

höchst problematisch. Er macht dabei klar: Solange die Zuwendungen<br />

der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten<br />

unkonditioniert gewährt würden, könne sich am fatalen Status<br />

quo der palästinensischen Gebiete nichts ändern – im Gegenteil.<br />

Wolle man tatsächlich eine Lösung für den palästinensischisraelischen<br />

Konflikt voranbringen und die Lebensbedingungen<br />

der palästinensischen Bevölkerung grundlegend verbessern,<br />

dann müsse man die Hilfszahlungen an die Palästinensische<br />

Autonomiebehörde an demokratische rund friedlicher Grundbedingungen<br />

knüpfen. Die PA müsse sich endlich von Gewalt<br />

und Hass distanzieren und sich zu einer friedlichen Koexistenz<br />

mit Israel und einer demokratischen Öffnung nach Innen verpflichten.<br />

Eid ist sich sicher: Die Einmischung anderer Staaten in den<br />

Konflikt müsse genauso zurückgedrängt werden wie der<br />

destruktive Einfluss von BDS-Gruppen und internationalen<br />

Institutionen wie der UNWRA. Eine friedliche Lösung könne nur<br />

vor Ort gefunden werden. Schließlich komme »es allein auf uns<br />

Israelis und Palästinenser an. Auf niemanden sonst!«.<br />

Alexander Steder<br />

Historiker und Politikwissenschafter,<br />

Universität Marburg/Mideast Freedom Forum Berlin<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 33


Medien<br />

Das Israelbild in den deutschen Medien<br />

Dass das Israelbild in den deutschen Medien selten ausgewogen ist, erkennt jeder, der sich mit<br />

Israel und dem Nahostkonflikt auseinandergesetzt hat. Insbesondere im öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk besteht ein akuter Handlungsbedarf, wie zuletzt der Umgang mit der arte-Dokumentation<br />

über Antisemitismus in Europa zeigte, bei der – nachdem man sich zur Ausstrahlung<br />

gezwungen sah – der Versuch unternommen wurde, den Zuschauer mit einem fragwürdigen<br />

»Faktencheck« zu entmündigen.<br />

Wenn es um Israel geht, folgt die Berichterstattung<br />

dem beliebten Denkmuster: Israel ist ein Apartheidsstaat,<br />

der palästinensisches Land besetzt hält und die<br />

armen Einwohner von Gaza unter unwürdigen Bedingungen<br />

gefangen hält. Bebildert werden derartige Berichte mit steinewerfenden<br />

Kindern, die israelischen Soldaten und Panzern<br />

gegenüberstehen – ein beliebtes Motiv, das von palästinensischer<br />

Seite gerne immer wieder inszeniert wird. Viele Menschen<br />

hinterfragen diese Art der Berichterstattung nicht, da sie seit<br />

Jahrzehnten daran gewöhnt sind und die palästinensische Propaganda<br />

die komplexe Thematik scheinbar schlüssig darstellt.<br />

Der Deutsch-Israelischen Gesellschaft war es deshalb ein<br />

Anliegen, Journalisten zu einer Podiumsdiskussion einzuladen,<br />

um über das Israelbild in deutschen Medien zu reden. Das<br />

Podium im Kleinen Sendesaal im Haus des Rundfunks war<br />

hochkarätig besetzt. Nach einem Grußwort von Maya Zehden<br />

und einem Impulsreferat von Daniel Killy (auf den folgenden<br />

Seiten) diskutierte die Runde unter Leitung von rbb-Moderator<br />

Reinhard Borgmann darüber, wie deutsche Medien über Israel,<br />

über staatliches Handeln, Besetzung, Terror und Krieg in Nahost<br />

berichten und wo die Grenze zwischen zugespitzter Kritik und<br />

Antisemitismus verläuft.<br />

Am 27. September 2017 fand in Berlin eine Podiumsdiskussion der <strong>DIG</strong> in Kooperation mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) zum<br />

Thema »Das Israelbild in deutschen Medien« statt. Es diskutierten (v.l.n.r.): Prof. Dr. Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist, Julian<br />

Reichelt, Vorsitzender der BILD-Chefredaktionen, Reinhard Borgmann, Leiter politische Magazine des rbb und Moderator der Diskussionsrunde,<br />

Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks und Rainald Becker, ARD-Chefredakteur. Die Veranstaltung wurde<br />

vollständig mitgeschnitten und kann auf youtube nachverfolgt werden: www.youtube.com/watch?v=79QIXXZSQBE.<br />

<br />

Foto: Jürgen Sterzenbach<br />

34 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Medien<br />

Augenfällige Fehler, mangelnde Empathie<br />

Rainald Becker, ARD-Chefredakteur stellte fest, es ginge bei der<br />

Berichterstattung nicht darum Israel anzuklagen, es handele<br />

sich lediglich um Beschreibungen, die so empfunden würden<br />

und »das Leben in Gaza ist nicht schön« – das mag dem einen<br />

oder anderen nicht gefallen, aber das sei so. Immerhin gab er zu:<br />

»Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler«. Nun ist das sicher<br />

richtig, allerdings stellt sich die Frage, weshalb die Fehler in der<br />

Berichterstattung über Israel für Kenner der Materie so augenfällig<br />

sind und weshalb das in den Redaktionen nicht auffällt.<br />

Exemplarisch für eine weitgehend positive Berichterstattung,<br />

wenn es um Israel und den Nahostkonflikt geht, saß Julian<br />

Reichelt, Vorsitzender der Bild-Chefredaktionen, auf dem<br />

Podium, der darauf hinwies, dass Springer die Grundsätze<br />

der Israelberichterstattung in seinen hausinternen Statuten<br />

festgeschrieben habe. Zitieren könne er sie aus dem Kopf nicht,<br />

aber er versicherte glaubhaft, dass er nach diesen Grundsätzen<br />

leben würde. Kollegin Birgit Wentzien, Chefredakteurin beim<br />

Deutschlandfunk sprang ein, sie hatte die Statuten dabei und<br />

verlas sie. Reichelt bekräftigte, dass Antisemitismus für ihn<br />

Antimenschlichkeit sei, eine tatsächlich mangelnde Empathie<br />

für das Existenzrecht Israels, das ja so oft als Staatsräson zitiert<br />

wird. Wenn es um die Berichterstattung gehe, würden die<br />

israelischen Soldaten allerdings selten als Verteidiger gesehen,<br />

die sich einem Überlebenskampf stellen. Wenn über Bangladesch<br />

oder Gaza berichtet werde, geschehe dies mit Empathie,<br />

wenn es um Israel gehe sei die Berichterstattung kritisch und<br />

antimenschlich.<br />

Mediale Ungleichbehandlung gegenüber anderen Ländern<br />

Es ist tatsächlich ein Phänomen, das inzwischen sogar im<br />

neuen Duden Einzug gehalten hat: für kein anderes Land<br />

existiert ein Wort, das ausschließlich für Kritik an ihm steht –<br />

nur ›Israelkritik‹. Bei der Lust an Eskalation und Entgleisung,<br />

wie Wolffsohn es ausdrückte, zeige sich der doppelte Standard,<br />

der sich in der medialen Ungleichbehandlung Israels gegenüber<br />

anderen Ländern ausdrücke – eines der »drei D«, deren<br />

Definition die Journalisten von Wolffsohn erbaten: Delegimitierung<br />

des Existenzrechts, Dämonisierung als Besatzungsregime,<br />

doppelter Maßstab und Diskriminierung. Wolffsohn plädierte<br />

für eine Entideologisierung und empfahl, über den »israelischen<br />

Ein typisches Beispiel für die einseitige, Israel anklagende<br />

Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Medien ist der Korrespondentenbeitrag<br />

über angeblichen Wassermangel im Westjordanland,<br />

den Tagesschau und Tagesthemen im August 2016<br />

ausgestrahlt hatten.<br />

Foto: ARD Screenshot<br />

Tellerrand« hinaus die gesamte Nahostregion in den Blick zu<br />

nehmen, denn oftmals entstünden verzerrte Bilder durch mangelndes<br />

Wissen. Auch Becker beklagte die schlechte schulische<br />

Bildung und damit fehlende Allgemeinbildung bei angehenden<br />

Journalisten, es gebe erschreckende und wachsende Defizite.<br />

In der Diskussion wurde auch die Frage der sogenannten »Nahostexperten«<br />

erläutert, die immer wieder zu Wort kommen und<br />

die gleiche einseitige Sichtweise gegen Israel präsentieren. Es<br />

handele sich stets um Regierungskritiker, die zu Rate gezogen<br />

würden. Becker erwiderte darauf, das Problem mit Experten sei:<br />

»Erstens gibt es zu viele und zweitens sind die meisten keine.«<br />

Aufgeworfen wurde auch die Problematik der freien Journalisten,<br />

die Berichte aus Gaza liefern. Im Gegensatz zu Israel ist<br />

die Berichterstattung in Gaza strikt reglementiert; wenn ein<br />

Journalist nicht im Sinne der Regierung berichtet, darf er nicht<br />

mehr einreisen und ist damit seinen Job los – ein Problem, das<br />

bei der Übernahme der Berichterstattung gerne außer Acht<br />

gelassen wird. Besonders eklatant war dies in einem Bericht<br />

von Tagesschau und Tagesthemen über Wassermangel im<br />

Westjordanland, wo schlichtweg auf die Faktenprüfung oder<br />

Anhörung der anderen Seite verzichtet wurde.<br />

Trotz aller Probleme plädierte Reichelt gegen eine Reglementierung<br />

in der Berichterstattung über Israel, er bezog sich auf<br />

das Grundgesetz und stellte fest, dass ein gesellschaftlicher<br />

Prozess stattfinden müsse, der durch vielfältige Medien in einer<br />

funktionierenden Demokratie in Gang kommen könne. So war<br />

die Diskussion ein guter Anfang, um eine Sensibilisierung für<br />

das Thema zu erreichen. Und es wird die Aufgabe der Deutsch-<br />

Israelischen Gesellschaft bleiben, pauschaler »Israelkritik« in<br />

den deutschen Medien weiter entschieden kritisch entgegenzutreten.<br />

Dr. Nikoline Hansen<br />

Vorstandsmitglied der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 35


Medien<br />

Das Israelbild in den deutschen Medien / Grußwort von Maya Zehden<br />

Friedliche Palästiner, böse Israelis?<br />

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft bemüht sich seit Jahren, falsche, tendenziöse, schädliche Medienberichte<br />

gegen Israel zu kritisieren. Es geht dabei nicht darum zu unterstellen, dass hier eine Verschwörung<br />

im Gange sei. Aber in der Präsentation der Meldungen zu diesem Thema gibt es oft einen gesellschaftlichen<br />

Konsens, der sich aus alten Ressentiments speist.<br />

Maya Zehden ist Vizepräsidentin<br />

der <strong>DIG</strong> und Geschäftsführerin der<br />

Freunde der Hebräischen Universität<br />

Jerusalem in Deutschland e.V.<br />

Es gibt eine Studie von Robert Beyer mit dem Titel: »Mit<br />

deutschem Blick – israelkritische Berichterstattung<br />

über den Nahostkonflikt in der bundesrepublikanischen<br />

Qualitätspresse«, veröffentlicht 2016, darin heißt es zusammenfassend:<br />

»Deutlich wird, dass die Journalisten auch in<br />

Deeskalationsphasen unverändert an ihrer Gewaltorientierung,<br />

an den etablierten Berichterstattungsmustern und an der gängigen<br />

Interpretation des Nahostkonflikts festhalten. Die Israelis<br />

erscheinen als lösungsunwillige Aggressoren, die Palästinenser<br />

hingegen als zerstritten und weitgehend machtlose Opfer.<br />

Wie die emotionale Distanz zur israelischen Politik und deren<br />

Zurückweisung verbal ausgedrückt und vielfach mit einer strikten<br />

Monoperspektive gekoppelt wird, verdeutlichen zahlreiche<br />

detailliert analysierte Textstellen. Dabei wird auch kritisch<br />

erörtert, in welchem Ausmaß antisemitische Stereotype in die<br />

Berichterstattung einfließen.«<br />

Über journalistische Arbeit in Israel hat der amerikanische<br />

Journalist Matti Friedman einen erhellenden Artikel geschrieben,<br />

der in der WELT am 14. Dezember 2014 unter dem Titel »Die<br />

Israel-Story« veröffentlicht wurde. »Im Nahost-Konflikt sind<br />

die Rollen klar verteilt: Hier die friedlichen Palästinenser, dort<br />

die bösen Israelis. Die Hamas hat es geschafft, uns Reporter<br />

zu manipulieren. Ein Weckruf.« Matti Friedman beschreibt die<br />

Kräfte, die auf die Berichterstattung der Kolleginnen und Kollegen<br />

vor Ort wirken. »Abgestumpft nach Jahren der Israel-Story,<br />

gewöhnt an die routinemäßigen Auslassungen, unklar über<br />

die eigene Rolle und kooptiert von der Hamas, beschrieben die<br />

Reporter den Gaza Krieg als israelischen Überfall auf unschuldige<br />

Menschen. So hörten intelligente und in der Regel wohlmeinende<br />

Profis auf, verlässliche Beobachter zu sein, und verstärkten<br />

stattdessen die Propaganda einer der intolerantesten und<br />

aggressivsten Kräfte dieser Erde. Das ist die eigentliche Story.«<br />

Tendenziöse Auswahl und Bewertung von Fakten<br />

Nicht immer geht es darum, ob Fakten falsch oder richtig sind.<br />

Angenommen, sie sind richtig, aber die Hälfte fehlt, dann kann<br />

auch mit richtigen Fakten ein falsches Bild entstehen. Es geht<br />

also um die Auswahl, um die Bewertung dieser Fakten. Welche<br />

Auswirkungen hat das? Diese Frage ist höchst politisch. Denn<br />

machen wir uns nichts vor: Die Politiker, die über Unterstützung<br />

von israelischem Militär, über Zuschüsse, über Entwicklungshilfen<br />

für palästinensische Einrichtungen entscheiden müssen,<br />

lesen genau dieselben Artikel wie wir alle, sehen dieselben<br />

Sendungen im Fernsehen und hören dieselben Beiträge im<br />

Radio. Und wenn die Wortwahl – bewusst oder unbewusst – immer<br />

wieder in eine bestimmte Richtung emotionalisiert, dann<br />

bleiben unsere Entscheider davon nicht unberührt.<br />

Auf einer Pressekonferenz im Juni 2017 haben vier Bundestagsabgeordnete<br />

des Haushaltsausschusses parteiübergreifend<br />

um die Unterstützung der Medien gebeten. Ihnen ginge es um<br />

ein Überdenken der bisherigen Förderpraxis in den palästinensischen<br />

Gebieten und dafür bräuchten sie Unterstützung der<br />

Öffentlichkeit. Anlass war die Veröffentlichung einer Studie zu<br />

neuen, von Deutschland und Europa geförderten palästinensischen<br />

Schulbüchern. Diese Bücher bilden eine Grundlage für die<br />

gegen Israel und gegen Juden gerichtete hasserfüllte Erziehung<br />

von Kindern. In der Pressekonferenz wurde auch festgestellt,<br />

dass Fördergelder abgezweigt und missbraucht werden für<br />

Terroreinrichtungen und zur Unterstützung der Familien von<br />

Terroristen. Insgesamt wurde die mangelnde Kontrolle von<br />

Hilfsgeldern aus Deutschland und der EU kritisiert. Dieses<br />

Thema sollte bei den Haushaltberatungen der neuen Regierung<br />

unbedingt eine Rolle spielen. Dazu braucht es kontinuierliche<br />

Berichterstattung über die genannten Missstände, die ich<br />

persönlich in der Intensität, wie sie beispielsweise über das<br />

Siedlungsthema stattfindet, vermisse.<br />

Auch die weltweit einmalige Anordnung, dass sich nicht nur<br />

außerhalb, sondern auch in den von der palästinensischen Autonomiebehörde<br />

verwalteten Gebieten wie beispielsweise Ramallah<br />

und Betlehem sogenannte Flüchtlingslager für Palästinenser<br />

befinden. Ich war da und habe gesehen, dass es sich um<br />

Straßenzüge handelt, in denen zusammengepfercht Menschen<br />

nur von der Unterstützung der UNRWA leben können. Warum<br />

wird das seit 70 Jahren hingenommen und nicht immer wieder<br />

in den Medien skandalisiert? Wir diskutieren hier in Deutschland<br />

seit zwei Jahren über Integration von Flüchtlingen und<br />

lassen das Thema dort, wo es als politisches Druckmittel gegen<br />

Israel benutzt wird, einfach auf sich beruhen?<br />

36 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Medien<br />

Das Israelbild in den deutschen Medien / Impulsreferat von Daniel Killy<br />

Es geht auch um sprachliche Feinheiten<br />

Guten Abend, sehr verehrte katholische, evangelische und freikirchliche Mitbürger… Irritiert Sie etwas<br />

an der Anrede? Uns Juden schon lange. Denn Mitbürger, das sind stets die, die in Wahrheit nicht dazugehören.<br />

Jüdische, türkische – wie auch immer Mitbürger: Die Silbe »mit« vorm Bürger zeigt jedem, der so<br />

angeredet wird, dass es ohne ihn auf jeden Fall homogener zuginge. Eine Sprachfeinheit, natürlich – aber<br />

um genau diese Sprachfeinheiten geht es. Denn wie sehr einzelne Begriffe ausgrenzen<br />

und werten können, dafür möchte ich Sie sensibilisieren – es lohnt der zweite Blick<br />

auf scheinbar harmlose Formulierungen.<br />

Daniel Killy ist Journalist<br />

und Vizepräsident der <strong>DIG</strong>.<br />

Ein Beispiel vom 21. August 2017. Die Tagesschau um 20<br />

Uhr macht auf mit der Nachricht, dass der Attentäter von<br />

Barcelona getötet worden sei. Jan Hofer moderiert einen<br />

Beitrag des Korrespondenten Jan-Peter Bartels an, der von den<br />

Ereignissen des Tages berichtet: »Gegen 18 Uhr bei Subirats. Sie<br />

haben ihn gestellt, den gesuchten Attentäter von Barcelona.<br />

Kurz widersprechen sich die Informationen, dann die erlösende<br />

Meldung: Wir bestätigen, dass es sich bei der in Subirats niedergeschossenen<br />

Person um Younes Abouyaaqoub, den Attentäter<br />

von Barcelona handelt.« Bartels ist, völlig zu Recht, der Ansicht,<br />

es sei eine erlösende Nachricht, dass Abouyaaquob neutralisiert<br />

wurde. Als am 8. Januar der seinerzeitige ARD-Korrespondent<br />

Markus Rosch den Anschlag in Jerusalem, bei dem vier israelische<br />

Soldaten durch einen von einem IS-Anhänger gesteuerten<br />

Lkw umgebracht wurden, für die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau<br />

einordnet, ist derlei Empathie nicht zu spüren. Rosch<br />

konstatiert, es sei der schwerste Anschlag seit dem Herbst 2015<br />

und fügt hinzu, »nun befürchten viele eine Eskalation«.<br />

Kausalität von Angriff und Verteidigung auf den Kopf gestellt<br />

Eskalation – das ist so einer dieser Begriffe. Er wird immer dann<br />

verwendet, wenn eine Reaktion Israels auf eine Terrortat zu<br />

vermuten ist. Angriffe aus Gaza sind Ereignisse, Verteidigung<br />

aus Israel ist Eskalation. Dieses Sprachmuster zieht sich seit<br />

Jahren durch die öffentlich-rechtliche Berichterstattung, durch<br />

Zeitungsartikel, ja sogar durch Kommentare zum Thema. Durch<br />

das Wort »Eskalation« wird die klassische Kausalität von Angriff<br />

und Verteidigung auf den Kopf gestellt. Der sich Verteidigende<br />

wird zum Aggressor, aus der Reaktion wird Aktion – mit einem<br />

Wort also wird die Wahrheit ad absurdum geführt. Und wenn<br />

etwas eskaliert, so ist es stets die Abwehr der Israelis.<br />

Oder nehmen wir die Tagesschau vom 17. September. Da wird<br />

über das angebliche Angebot der Hamas berichtet, die Macht<br />

im Gaza-Streifen abzugeben. Die Hamas, eine Terrororganisation<br />

laut EU, wird dort als – auch so ein bis zur Abnutzung<br />

1000-fach benutzter Begriff – als »radikalislamisch« bezeichnet.<br />

Radikalislamisch? Was für ein Unfug. Wenn schon, dann<br />

radikalislamistisch. Ansonsten nähme ja den gesamten Islam in<br />

Haftung und derlei ist doch schließlich streng tabu …<br />

Warum also nicht schlicht Terrororganisation?<br />

Der anklagender Kameraschwenk über die »Mauer«<br />

In ungezählten Berichten über Jerusalem, und ich bleibe<br />

deshalb so vage, weil es sich tatsächlich um Hunderte kurzer<br />

Einspieler in Nachrichtensendungen von ARD und ZDF, Magazinbeiträgen<br />

oder Features handelt, gibt es diesen anklagenden<br />

Kameraschwenk über die »Mauer«. Jene Mauer, die teils<br />

jüdische von arabischen Vierteln und Jerusalem vom sogenannten<br />

Westjordanland trennt. Dass diese Sperranlagen für das<br />

beinahe komplette Verschwinden von Bombenattentaten aus<br />

dem Jerusalemer Alltag geführt haben – geschenkt. Gern wird<br />

dann auch noch der Terminus »annektiert« oder »besetzt« für<br />

Ostjerusalem benutzt. Obwohl es doch die Jordanier waren, die<br />

Jerusalem besetzt und dann einen Krieg gegen Israel angezettelt<br />

und verloren hatten.<br />

All denen, die seit Jahren im Zusammenhang mit Israel jenen<br />

unpräzise und unbedacht gesetzten Begriffen ausgesetzt sind,<br />

will dies nicht als Zufall erscheinen. Ich allerdings bin, trotz<br />

der häufigen Wiederkehr der eben genannten Termini und<br />

Phänomene und trotz der stets erneut auftretenden Feindseligkeiten<br />

gegenüber Israel und somit in zweiter Konsequenz auch<br />

dem hiesigen Judentum, fest davon überzeugt, dass es sich hier<br />

nicht um systemische Probleme handelt. Nein, unsere Medien,<br />

unsere öffentlich-rechtlichen Einrichtungen sind frei. Es gibt<br />

keine institutionelle Juden- und Israelfeindschaft. Aber es gibt<br />

durchaus eine mangelnde Sensibilität gegenüber denen, die<br />

sich durch Schlampig- und Lieblosigkeiten, durch mangelnde<br />

Qualität oder einseitige Korrespondenten verletzt fühlen.<br />

Deshalb mein Vorschlag: Lassen Sie uns, inspiriert vom großen<br />

Viktor Klemperer, ein LTI im Umgang mit israelischen und jüdischen<br />

Themen schaffen – eine Liste mit Begriffen, die Redaktionen<br />

in diesem Kontext künftig meiden oder zumindest wohl<br />

dosiert einsetzen sollten. Es wäre meines Erachtens ein kleiner<br />

Schritt mit großer Wirkung.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 37


Sport<br />

Klare Kante gegen Antisemitismus<br />

Bei Olympischen Spielen – und nicht nur dort – sind israelische Sportler immer wieder<br />

mit Antisemitismus konfrontiert. Einschneidende Konsequenzen daraus ziehen<br />

die Verbände jedoch nur selten. Umso bemerkenswerter ist eine Entscheidung des<br />

Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).<br />

Die olympische Eröffnungsfeier in Rio de Janeiro im<br />

Sommer 2016 hatte noch nicht einmal begonnen, da<br />

hatten die Spiele bereits ihren ersten Skandal: Eigentlich<br />

hätten das libanesische und das israelische Olympiateam<br />

gemeinsam zur Eröffnungszeremonie ins Maracanã-Stadion<br />

gefahren werden sollen. Doch als die Israelis den Bus besteigen<br />

wollten, in dem die Libanesen bereits saßen, wies der libanesische<br />

Teamchef Salim al-Haj Nakoula den Busfahrer kurzerhand<br />

an, die Tür zu schließen. Was sich daraufhin ereignete, schilderte<br />

Udi Gal, Trainer der israelischen Segelmannschaft, so: »Ich<br />

bestand darauf, dass wir den Bus betreten können, und sagte,<br />

wenn die Libanesen nicht mit uns fahren möchten, könnten sie<br />

selbstverständlich aussteigen. Als der Busfahrer daraufhin die<br />

Tür öffnete, um uns hineinzulassen, versperrte uns der Leiter<br />

des libanesischen Teams den Zutritt.«<br />

Die Israelis mussten schließlich auf Geheiß des Internationalen<br />

Olympischen Komitees (IOC) einen anderen Bus benutzen und<br />

waren begreiflicherweise empört. Nakoulas Verhalten sei »ein<br />

Schlag ins Gesicht für Olympia«, sagte der israelische Delegationschef<br />

Gili Lustig, der auch das IOC kritisierte, weil dieses,<br />

statt gegen die Libanesen vorzugehen, die Israelis angewiesen<br />

hatte, den Bus zu wechseln. Der libanesische Teamchef wurde<br />

später vom IOC offiziell verwarnt und zog sich gegenüber den<br />

Nachrichtenagenturen auf ein »Missverständnis« zurück. Zu<br />

einer libanesischen Tageszeitung dagegen sagte er, er habe »das<br />

Recht gehabt«, den Israelis den Zutritt zum Bus zu verweigern,<br />

und prahlte: »Ich habe den Eingang des Busses mit meinem Körper<br />

blockiert, obwohl ich wusste, dass manche der israelischen<br />

Sportler sich vorbeidrängen wollten und auf Ärger aus waren.«<br />

Demonstrativ den Handschlag verweigert<br />

Der Sport ist in Bezug auf den Umgang mit dem jüdischen<br />

Staat ein getreues Spiegelbild der Politik, und deshalb lehnen<br />

diejenigen Staaten, die Israel nicht anerkennen, auch jeglichen<br />

sportlichen Wettstreit mit Israelis rundweg ab. Und wenn doch<br />

mal ein arabischer Athlet gegen einen israelischen antritt,<br />

unterlässt er im Zweifelsfall die sonst üblichen Gesten des Fairplay.<br />

So wie der ägyptische Judoka Islam El-Shehaby, der in Rio<br />

gegen den Israeli Or Sasson zu kämpfen hatte und diesem nach<br />

seiner Niederlage demonstrativ den obligatorischen Handschlag<br />

verweigerte. Michaela Engelmeier, Vizepräsidentin des<br />

Deutschen Judo-Bundes und seit dem Herbst des vergangenen<br />

Jahres Präsidiumsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft,<br />

sagte seinerzeit: »Ich bin entsetzt über die Meldungen<br />

antisemitischer Vorfälle, die uns aus Rio erreichen. Was hier<br />

passiert, ist gegen alles, wofür der Sport und die olympische<br />

Idee stehen, und darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.«<br />

»Dass das Projekt zum Teil in<br />

Sportstätten stattfindet, die nach<br />

Terroristen benannt sind, ist für uns<br />

nicht akzeptabel. Deshalb wollen<br />

wir hier weder in irgendeiner Form<br />

beteiligt oder gar federführend sein.«<br />

Alfons Hörmann,<br />

Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes<br />

Bereits in der Vergangenheit war es bei Olympia mehrmals<br />

dazu gekommen, dass Sportler aus Ländern, die den jüdischen<br />

Staat als Todfeind betrachten, nicht zu ihren Wettkämpfen<br />

gegen Israelis erschienen. Bei den Olympischen Spielen 2004 in<br />

Athen etwa weigerte sich der iranische Judo-Weltmeister Arash<br />

Miresmaeili, gegen den Israeli Ehud Vaks anzutreten. Vaks kam<br />

dadurch kampflos weiter, während Miresmaeili von der politischen<br />

Führung seines Landes gefeiert wurde: »Das großartige<br />

Handeln und die Selbstaufopferung unseres Champions, der<br />

auf eine sichere Olympiamedaille aus Protest gegen Massaker,<br />

Terror und Besetzung verzichtet hat, ist eine nationale Ruhmestat«,<br />

lobte ihn der damalige Staatspräsident Mohammad<br />

Khatami. Der Judoka erhielt vom Nationalen Olympischen<br />

Komitee des Iran schließlich eine Prämie von 125 000 Dollar<br />

– die vorgesehene Summe für einen Olympiasieg. Der Judo-<br />

Weltverband IJF verhängte jedoch keine Strafe gegen ihn oder<br />

seinen Verband.<br />

38 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Sport<br />

Kooperation mit Palästinensern abgesagt<br />

Außergewöhnlich ist demgegenüber eine Entscheidung, die<br />

der Deutsche Olympische Sportbund im Frühjahr 2017 traf.<br />

Ursprünglich sollte der Verband einen Experten stellen, der den<br />

Palästinensern zwei Jahre lang bei der Professionalisierung<br />

ihrer Strukturen im Fußball hilft, vor allem im Jugend- und im<br />

Frauenfußball sowie im Schiedsrichterwesen. Doch aus dieser<br />

Kooperation, für die das Auswärtige Amt 400 000 Euro aus den<br />

Mitteln für die internationale Sportförderung bewilligt hatte,<br />

wurde nichts. Als die Vereinbarung bekannt wurde, gab es<br />

deutliche Kritik an ihr, unter anderem vom Simon Wiesenthal<br />

Center (SWC). Denn unter der Federführung von Jibril Rajoub,<br />

der dem Palästinensischen Fußballverband und dem Nationalen<br />

Olympischen Komitee vorsteht, werden immer wieder<br />

Klubs, Mannschaften, Wettbewerbe und Stadien nach Terroristen<br />

benannt, die Juden und Israelis getötet haben. Rajoub, der<br />

wegen terroristischer Aktivitäten 17 Jahre lang in israelischen<br />

Gefängnissen gesessen hat, lehnt zudem nicht nur im Sport,<br />

sondern ganz grundsätzlich jegliche Kooperation mit Israelis ab;<br />

diese sind für ihn allesamt »Rassisten, Faschisten, Expansionisten,<br />

Imperialisten«.<br />

Der DOSB ließ sein Vorhaben schließlich fallen. Sein Präsident<br />

Alfons Hörmann sagte: »Gerade der Missbrauch der Olympischen<br />

Spiele 1936 durch die Nationalsozialisten und das<br />

schreckliche Attentat seitens palästinensischer Terroristen<br />

auf israelische Sportler anlässlich der Olympischen Spiele<br />

in München 1972 sind leider auch ein wichtiger Bestandteil<br />

Fairplay Fehlanzeige: Der israelische Judoka Or Sasson reicht<br />

nach gewonnenem Kampf dem Ägypter Islam El-Shehaby die<br />

Hand, doch dieser verweigert die übliche Geste.<br />

<br />

Foto: Markus Schreiber, picture alliance / AP Photo<br />

unserer olympischen Geschichte in Deutschland.« Daraus folge,<br />

»dass wir die Rahmenbedingungen für jedes nationale und<br />

interna tionale Projekt kritisch prüfen müssen. Beim vorliegenden<br />

wurde uns nun leider erst jetzt bewusst, dass sich nicht<br />

alle Partner zu den hohen Werten des Sports bekennen.« Doch<br />

nun ziehe man die Konsequenz: »Dass das Projekt eventuell<br />

sogar zum Teil in Sportstätten stattfindet, die nach Terroristen<br />

benannt sind, ist für uns im DOSB und für mich als Präsident<br />

schlichtweg nicht akzeptabel. Deshalb wollen wir hier weder in<br />

irgendeiner Form beteiligt oder gar federführend sein.«<br />

Das war ein beachtlicher Schritt, der im internationalen Sport<br />

Seltenheitswert hat. Allzu oft scheuen die Verbände einschneidende<br />

Maßnahmen, wenn es zu antisemitisch motivierten<br />

Aktivitäten gegen israelische Sportler kommt, und gehen lieber<br />

den Weg des vermeintlich geringsten Widerstandes. So aber<br />

wird der Antisemitismus zur Normalität, die er nicht sein darf.<br />

Umso bemerkenswerter ist der Entschluss des DOSB.<br />

Alex Feuerherdt<br />

Der Autor ist freier Publizist mit den Themenschwerpunkten<br />

Israel, Antisemitismus und Naher Osten sowie Betreiber der<br />

Website »Lizas Welt«. Er wird seit vielen Jahren zu Vorträgen<br />

eingeladen, auch von Arbeitsgemeinschaften der <strong>DIG</strong>.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 39


Porträt<br />

Tamar Morali:<br />

Miss Deutsch-Israelische Freundschaft<br />

Der 24. Februar war vielleicht der aufregendste Tag in ihrem Leben. Tamar Morali, geboren vor<br />

21 Jahren in Karlsruhe, frisch zur Miss Internet <strong>2018</strong> gekürt, war eine der 22 Kandidatinnen, die<br />

sich für das Finale der Wahlen zur »Miss Germany <strong>2018</strong>« im Europa-Park Rust qualifiziert hatten.<br />

Doch schon vorher hatte sie einen Medien-Rummel erlebt wie wohl keine Anwärterin zuvor. Als<br />

deutsche Jüdin hatte sie sich stolz geoutet, und so lautete die spannende Frage: Würde Tamar<br />

Morali die erste jüdische »Miss Germany« werden?<br />

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass sie auch im Falle<br />

eines Sieges nicht die erste deutsche und jüdische Schönheitskönigin<br />

gewesen wäre. Denn schon die Miss Germany<br />

Universe von 2011 war eine deutsche Jüdin: Valeria Bystritskaia,<br />

in Moskau geborene Tochter einer nach Deutschland eingewanderten<br />

jüdischen Ukrainerin. Da die Organisatoren der Miss-<br />

Wahlen jedoch nicht nach der Religionszugehörigkeit fragen<br />

und Valeria Bystritskaia aus Furcht vor Antisemitismus, den sie<br />

als Kind erlebt hatte, nichts davon sagte, war dies bisher nicht<br />

bekannt.<br />

Tamar Morali hingegen hat keine solchen negativen Erfahrungen<br />

gemacht. In einer religiösen Familie aufgewachsen, ist ihr<br />

ihre jüdische Identität wichtig, und so hat sie sie ganz bewusst<br />

öffentlich gemacht. Ebenso offensiv spricht sie von ihrer Liebe<br />

zu Israel, das sie schon seit ihrer Kindheit auf regelmäßigen<br />

Urlausbreisen kennengelernt hatte und in dem sie nach dem<br />

Abitur als 17-jährige ein freiwilliges soziales Jahr verbrachte. Es<br />

hat ihr in Israel so gut gefallen, dass sie inzwischen dort lebt<br />

und in Herzliya an der IDC International School für Kommunikation,<br />

Marketing und Business studiert. »An meiner Uni kommen<br />

die Studenten aus über 86 verschiedenen Ländern, was mich<br />

inspiriert hat, dort zu bleiben. Es ist, als ob man jeden Tag eine<br />

Weltreise machen würde,« berichtet sie über das Leben an der<br />

Hochschule. Sie fungiert dort auch als Vertreterin des deutschen<br />

Studententeams und ist stolz darauf, ihre Heimat mit<br />

Israel zu verbinden.<br />

Tamar Morali, stolze Miss Internet <strong>2018</strong>.<br />

Foto: Filipe Ribeiro<br />

Neben dem Studium widmet sich Tamar Morali ihrem eigenen<br />

Mode- und Lifestyle-Blog »moralifashion«, durch den sie Zugang<br />

in die Mode- und Werbebranche bekam. Nachdem sie im<br />

November 2017 als Model bei einer Modewoche in Wien auftrat<br />

und überraschend auf dem ersten Platz bei den »Vienna Look<br />

& Style Awards« landete, beschäftigte sie sich intensiv mit dem<br />

Thema Miss-Wahlen. »Ich hatte nie zuvor von einer Miss-Wahl<br />

gehört, also versuchte ich herauszufinden, was das überhaupt<br />

bedeutet,« so Tamar Morali. Schnell fand sie einen Bezug: »Die<br />

Wahl zur Miss Germany bedeutet mir, präsent zu sein und<br />

meine Meinung, meine Geschichte, Inspirationen und Gedan-<br />

40 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Porträt<br />

ken mit Menschen zu teilen. Es war mir schon immer wichtig,<br />

ein Vorbild zu sein und zu zeigen, dass weniger auch mehr sein<br />

kann – gerade auch beim Thema Schönheit.«<br />

Schlagzeilen in der ganzen Welt<br />

Für die Teilnahme an der Wahl zur Miss Germany qualifizierte<br />

sie sich unter 5000 Bewerberinnen durch eine Online-Abstimmung,<br />

bei der sie zur »Miss Internet <strong>2018</strong>« gekürt wurde. Nach<br />

ihrem Sieg gab sie der Jerusalem Post ein Interview, worauf<br />

sich innerhalb von 48 Stunden ihre Geschichte in Amerika,<br />

Mexiko, Spanien, Italien, Russland, China und vielen anderen<br />

Ländern verbreitete. In Deutschland sorgte die Bild-Zeitung für<br />

Schlagzeilen. »Ich bekam nur gutes Feedback, Unterstützung<br />

von Menschen vieler Länder und Religionen, die meinten, ich<br />

könnte ein Zeichen setzen für Frieden und den Mut, sich nicht<br />

vor seiner Religion verstecken zu müssen.«<br />

Sehr selbstbewusst trat sie schließlich beim Finale auf. Auch<br />

wenn sie den Titel Miss Germany nicht gewonnen hat, empfindet<br />

sie allein die Teilnahme als großen Sieg. In ihrem Vorstellungsvideo<br />

begrüßte sie das Publikum auf Deutsch und Hebräisch:<br />

»Guten Abend und Erev Tov Israel« – ein Moment, den sie<br />

nie vergessen wird. »Der Applaus von tausenden Zuschauern<br />

war für mich ein Zeichen, dass ich mich mit meiner Geschichte,<br />

Genießer-Frühstück<br />

am Strand von Tel Aviv.<br />

Foto: Aaron Morali<br />

mit dem wer ich bin und woher ich komme, in Deutschland<br />

wohlfühlen kann.« Ob sie später einmal wieder in Deutschland<br />

leben wird? Zuerst will sie ihr Studium beenden und genießt<br />

derweil das Leben in Tel Aviv. Mazel tov, Miss Deutschland und<br />

Israel der Herzen!<br />

Jürgen Sterzenbach<br />

WIR FEIERN 70 JAHRE STAAT ISRAEL<br />

ISRAELTAG <strong>2018</strong><br />

Seit 2003 wird jedes Jahr in vielen Orten Deutschlands der Israeltag gefeiert – ein<br />

kraftvolles Zeichen der Solidarität und Freundschaft mit Israel! Ob als Veranstalter,<br />

Mitwirkende oder Besucher – seien Sie dabei und feiern Sie mit uns!<br />

Eine aktuelle Übersicht der Orte und Termine zum Israeltag <strong>2018</strong> finden Sie unter<br />

www.israeltag.de.<br />

Social-Media-Aktion: Teilen Sie gerne Fotos, Videos und Berichte vom Israeltag <strong>2018</strong><br />

bei Facebook, Twitter, Instagram etc. mit dem Hashtag #Israeltag<strong>2018</strong> – gemeinsam<br />

können wir so ein zusätzliches öffentliches Signal für die deutsch-israelische Freundschaft<br />

setzen, auch über die einzelnen regionalen Israeltage hinaus!<br />

Der bundesweite Israeltag <strong>2018</strong> steht unter der Schirmherrschaft von<br />

S.E. Jeremy Issacharoff, Botschafter des Staates Israel in Deutschland und<br />

Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.<br />

Kontakt:<br />

ILI – I Like Israel e.V.<br />

Friedrichstraße 37 · 60323 Frankfurt/Main<br />

E-Mail: Israeltag@il-israel.org<br />

www.israeltag.de<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 41


Porträt<br />

Der Förster aus der Wüste<br />

Im Sommer 2017 stand für Familie Guagnin aus Israel ein großer<br />

Umzug an. Johannes, seine Frau Shira und die fünf Kinder<br />

haben ihre Sachen gepackt und sind nach Berlin gezogen. Die<br />

Zentrale des Jüdischen Nationalfonds – Keren Kayemeth LeIsrael<br />

(JNF-KKL) in Jerusalem hat den Familienvater als Hauptdelegierten<br />

nach Deutschland entsendet. Als<br />

Nachfolger von Dr. Schaul Chorev ist er seit<br />

September in Deutschland unterwegs und<br />

informiert über die Arbeit des JNF-KKL.<br />

Johannes Guagnin ist seit<br />

Sommer 2017 neuer Hauptdelegierter<br />

des Jüdischen Nationalfonds<br />

JNF-KKL in Deutschland.<br />

Foto: JNF-KKL<br />

Begeistert von der Begrünung Israels<br />

Bevor er sein Amt in Deutschland antrat, arbeitete Johannes<br />

Guagnin von 2012 bis 2017 in der Forstabteilung des JNF-KKL in<br />

Israel. Damit kennt er die Wälder und Projekte des JNF-KKL aus<br />

nächster Nähe. Sein Interesse an der Organisation reicht jedoch<br />

schon viel länger zurück: »Als ich noch Schüler in Süddeutschland<br />

war, bekam ich von einer Bekannten den JNF-KKL Kalender<br />

in die Hand gedrückt. Beim Durchblättern erfuhr ich zum ersten<br />

Mal etwas über die Begrünung Israels. Ich schrieb sofort einen<br />

Brief, um mehr über die Bewaldung Israels zu erfahren – einem<br />

Land, das vor 120 Jahren noch kahl und trostlos war. Ich war begeistert.«<br />

Das Thema hat ihn nicht mehr losgelassen. Johannes<br />

Guagnin, der heute die israelische Staatsangehörigkeit besitzt,<br />

ist am Rande der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Er studierte<br />

Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar und ging dann<br />

für sein Masterstudium in Wüstenstudien an die Ben Gurion<br />

Universität in Be’er Sheva. Dort machte er 2011 seinen Abschluss<br />

und bekam eine Stelle in der Forstabteilung des JNF-KKL. Über<br />

seine Zeit dort sagt er: »Das war für mich natürlich eine große<br />

Bereicherung. Ich konnte das Land erkunden, arbeitete auch in<br />

den abgelegen Wäldern Israels und konnte so meinen kleinen<br />

Beitrag an der großen Aufgabe des JNF-KKL leisten. Besonders<br />

wichtig war mir dabei der Austausch mit jungen Forststudenten,<br />

die aus dem Ausland nach Israel kommen. Sie lernen dort<br />

anhand der Erfahrung des JNF-KKL Israel, wie in trockenen<br />

Regionen Aufforstung und auch Landwirtschaft möglich sind.<br />

Mit diesem Wissen im Gepäck können sie in ihren Heimatländern<br />

einen wichtigen Beitrag leisten, um mit den Herausforderungen<br />

besonders in Wüstenregionen besser umgehen zu<br />

können.«<br />

Die Tradition des JNF-KKL fortschreiben<br />

Als Hauptdelegierter hat sich Johannes Guagnin viel vorgenommen.<br />

Er möchte die lange Tradition des JNF-KKL fortschreiben.<br />

Dafür will er insbesondere auch junge Leute in den Jüdischen<br />

Gemeinden und Organisationen ansprechen und für die Arbeit<br />

des KKL begeistern. »Als Förster liegen mir besonders die Wälder<br />

in Israel am Herzen. Über viele Jahrzehnte lag der Schwerpunkt<br />

auf Aufforstung. Jetzt müssen wir uns verstärkt um deren Pflege<br />

und den Erhalt der Baumbestände kümmern. Das ist sehr<br />

aufwendig. Hierfür brauchen wir jede Unterstützung.«<br />

Der JNF-KKL ist in Deutschland eine gemeinnützige Organisation.<br />

Sein Ziel ist es, Spenden für Umwelt- und Entwicklungsprojekte<br />

in Israel zu sammeln, die der JNF-KKL Jerusalem vor<br />

Ort umsetzt. Das können Aufforstungsprojekte sein oder der<br />

Bau von Wasserreservoiren, Parks und therapeutischen Gärten.<br />

Außerdem engagiert sich der JNF-KKL in der Umwelterziehung<br />

und in der Forschung- und Entwicklung etwa zu Landwirtschaft<br />

und Aufforstung in Wüstenregionen und zu anderen Umweltfragen.<br />

Für einen engen Austausch zwischen Jerusalem und<br />

den vier Büros des JNF-KKL in Deutschland ist der Hautdelegierte<br />

im Einsatz. Er ist damit eine wichtige Schnittstelle zwischen<br />

den Organisationen in beiden Ländern.<br />

Maike Diehl<br />

Die Aufforstungsarbeiten des Jüdischen Nationalfonds JNF-KKL begannen im Jahr 1908. Seither überziehen immer mehr<br />

grüne Flächen die vormals kahlen Hügel – vom Norden bis in die Wüste Negev. In den zurückliegenden 110 Jahren konnten<br />

durch Spenden von Freunden aus der ganzen Welt etwa 240 Millionen Bäume gepflanzt werden. <br />

Foto: JNF-KKL<br />

42 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 43


Genuss<br />

Geburtstagsdinner<br />

für Israel<br />

Man nehme … einen israelischen Koch, falls nicht vorhanden:<br />

einen israel-affinen Koch. Man bitte ihn, vegan-nahe israelische<br />

Cross-Over Cuisine zu kreieren, falls nicht möglich, mische<br />

man orientalische mit vegetarischer Küche. Man wähle: ein<br />

spektakuläres Ambiente. Falls nicht vorhanden: den Lieblings-<br />

Veranstaltungsort. Man lade zum Geburtstagsdinner.<br />

Das Geburtstagskind heißt Israel und wird 70. So geschehen in Frankfurt am<br />

Main. Was noch geschah: aus einem Dinner wurden drei – mit insgesamt 220<br />

Gästen. Dieser 70. sollte gefeiert werden: Genuss first. Das ist das Motto der<br />

Dinner, das ist aber auch Motto und Inhalt der Reise, zu der die <strong>DIG</strong> Frankfurt und<br />

Slow Food im Mai nach Israel laden.<br />

Hubertus Marquardt ist ein junger Mann, der bereits alles konnte, was man in seinem<br />

Beruf können muss: elterliche Fleischerei, Lehre in großen Hotels, Chef im Catering…<br />

und dann kam er nach Frankfurt in dieses Hotel, dessen Besitzer intensive Verbindungen<br />

nach Israel haben. Sie erzählten Küchenchef Hubertus das von der vegan-nahen,<br />

israelischen Cross-Over Cuisine und schickten ihn los. Zwei, dreimal Sich-Umsehen<br />

in Israel., mit israelischen Chefs kochen, auf israelischen Märkten überwältigt sein<br />

von Gemüse, Obst und Gewürzen – Hubertus war begeistert. Seitdem sind die Gäste<br />

begeistert, wenn sie in seinem Restaurant essen. Und er machte mehr daraus: rief<br />

die <strong>DIG</strong> an. Ob das für uns interessant sei? Ja, möglicherweise … So entstanden die<br />

Geburtstagsdinner.<br />

Eine Zutat könnte sein, im Off die Stimme von David Ben-Gurion ertönen zu lassen<br />

»We herewith declare …,« auf derselben CD, überall in Israel zu haben, ist auch der<br />

Teilungsbeschluss: »United States? Yes.« Und dann der Jubel… Ansonsten hat Hubertus<br />

geplaudert, wenn er nicht in der Küche war während der Essen – über »Chefs for<br />

Peace« oder über Petersilie. Petersilie? Ja. Man fällt durch jede deutsche Kochprüfung,<br />

wenn man die Stängel der Petersilie nicht von den Blättern trennt. In Israel: Alles wird<br />

zusammen gehackt und schmeckt so viel intensiver …<br />

Tel Aviv auf dem Teller, und das im Frankfurter<br />

Gutleutviertel. Hubertus Marquardt<br />

hat die Kochmütze im Restaurant des Designhotels<br />

Roomers auf. Nach Israel reist er<br />

regelmäßig, um sich inspirieren zu lassen.<br />

Es gibt keinen israel-affinen Koch im<br />

Bereich Ihrer <strong>DIG</strong>? Hubertus gibt auch<br />

Kochkurse oder verdingt sich als Leihkoch:<br />

vegan-nah, israelisch, Cross-Over.<br />

Auf 70 Jahre Israel!<br />

PS: Alle drei Dinner waren ausgebucht.<br />

PPS: Hubertus Marquardt ist zu erreichen<br />

über hubertusmarquardt@web.de<br />

PPPS: Mit Slow Food nach Israel findet vom<br />

6. bis 13. Mai statt; kontaktieren Sie die<br />

<strong>DIG</strong> Frankfurt.<br />

Claudia Korenke<br />

Es ist angerichtet: 220 Gäste an drei Abenden ließen sich das<br />

israelische Geburtstagsdinner schmecken.<br />

Gemüse – aber wie!<br />

Fotos: <strong>DIG</strong> Frankfurt<br />

44 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Genuss<br />

In sechs Gängen zum Glück.<br />

In Berlin kann man die Künste<br />

Gal Ben Moshes in dessen<br />

eigenem Restaurant genießen:<br />

www.glassberlin.de<br />

Haute Cuisine auf israelisch<br />

Liebe geht durch den Magen. Um sich in Israel zu verlieben, genügen normalerweise<br />

schon Hummus, Falafel, Schakschuka und ein typischer Salat aus feingehackten Gurken,<br />

Tomaten, Zwiebeln und Minzblättern. Doch was der israelische Koch Gal Ben Moshe<br />

auf die Teller zaubert, hebt das Liebesglück in paradiesische Gefilde.<br />

Im März war er schon zum zweiten Mal zum internationalen<br />

Rheingau-Gourmet-Festival eingeladen und servierte den<br />

Gästen ein Gala-Dinner, dessen Geschmackskosmos selbst<br />

den ärgsten Israelskeptiker in den größten Israelfan verwandelt<br />

hätte. Gleichzeitig bewies die erlesene Weinbegleitung, wie<br />

harmonisch die deutsch-israelischen Beziehungen sein können.<br />

Und im Wein ist bekanntlich Wahrheit.<br />

Schauplatz des kulinarischen Highlights war das romantische<br />

Kronenschlösschen in Eltville-Hattenheim, schon seit über zwei<br />

Jahrzehnten alljährlicher Treffpunkt von Feinschmeckern und<br />

Spitzenköchen aus aller Welt. Zu ihnen darf man zweifellos auch<br />

Gal Ben Moshe zählen, 1985 in Israel geboren, dessen Karriere<br />

ihn über Gourmettempel in Tel Aviv und London bis nach Chicago<br />

führte, wo er bei Grant Achatz, einem der weltbesten Köche<br />

arbeitete. 2012 eröffnete Gal Ben Moshe schließlich in Berlin sein<br />

eigenes Restaurant »Glass« – oh glückliche Hauptstädter!<br />

Das Gala-Dinner beim Rheingau-Gourmet-Festival las sich schon<br />

auf der Menükarte wie ein Gedicht: Texturen von Blumenkohl<br />

mit geräuchertem Couscous, gerösteten Weintrauben, Mandeln<br />

und Koriander, Zander auf Ackerbohnen, Calamaretti, Schaum<br />

aus Sesam, Ente mit geräucherten Feigen, würzige Schokoladen-<br />

Kaffee-Sauce, Baklavan mit Entenconfit, mariniertes Lamm<br />

in Joghurt und Sumac mit kandierter Zitrone, Short Ribs vom<br />

Rind mit Kirschen, Rote Beete, Tabak und gebrannten Zwiebeln.<br />

Das Beste gab es zum Schluss: Orangenblütenwasser, Joghurtmousse,<br />

Pistazien, Sumar-Meringue und Yuzu Pudding – ein<br />

Dessertraum, der die Gäste in den siebten Himmel katapultierte.<br />

Die sechs Gänge wurden begleitet von insgesamt zwölf<br />

israelischen und deutschen Weinen, vorgestellt von der israelbegeisterten<br />

Weinfachfrau Romana Echensperger, die den<br />

Abend kenntnisreich und charmant moderierte. Die Weißweine<br />

stammten vornehmlich aus den deutschen Weinanbaugebieten<br />

Mosel, Nahe, Pfalz, Rheingau und Rheinhessen, während Israel<br />

die Rotweine beisteuerte: kräftig bis opulent und ungemein<br />

verführerisch. Sämtliche Weine stammten von Weingütern, die<br />

in der deutsch-israelischen Twin Wineries Initiative zusammengeschlossen<br />

sind. Deren Gründerin Renée Salzman und<br />

der Winzer Eran Pick von den Tzora Vineyards waren extra aus<br />

Israel angereist, um den außergewöhnlichen Abend mit ihren<br />

deutschen Partnern und Freunden zu genießen. Zu den Gästen<br />

gehörte auch die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich,<br />

für die Gala Ben Moshe eigens ein fleischloses Menü kreierte –<br />

sie ist Vegetarierin.<br />

Jürgen Sterzenbach<br />

www.facebook.com/TwinWineries<br />

Die Gastgeber (v.l.n.r.): Johanna Bächstädt vom Kronenschlösschen,<br />

Renée Salzman, Gründerin der Twin Wineries, die Weinexpertin<br />

Romana Echensperger, Master of Wine, und der israelische<br />

Herdzauberer Gal Ben Moshe.<br />

Barbara Selbach vom Mosel-Weingut Selbach-Oster und Eran Pick<br />

von den Tzora Yineyards gehören zu den 20 Partnerweingütern<br />

der Twin Wineries. Die Freundschaftsinitiative der Winzer wurde<br />

2017 mit dem »Preis der deutschen Weinkritik« ausgezeichnet.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 45


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Augsburg-Schwaben e.V.<br />

Das Israel-Wunder von Mering<br />

Mering? Wo liegt denn das? Oder anders herum: Wie kommt Israel ins Herz eines<br />

kleinen schwäbischen Ortes mit 14 000 Einwohnern an der Bahnstrecke zwischen<br />

Augsburg und München? Es ist nicht nur ein Beispiel dafür, was die Initiative Einzelner<br />

bewirken kann, sondern auch dafür, wie wunderbar weit wir inzwischen in den<br />

deutsch-israelischen Beziehungen gekommen sind.<br />

Es begann alles im Jahr 2002, als Günter<br />

Wurm, der Jugendbeauftragte im<br />

Gemeinderat von Schmiechen, einem<br />

Ortsteil von Mering, und Jugendtrainer<br />

der Mädchenfußball-Mannschaft von<br />

einer Jugendgruppe auf Israel angesprochen<br />

wurde. In einer latent rechtslastigen<br />

Stimmung unter den Jugendlichen<br />

ging es vordergründig um die politische<br />

Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt.<br />

Auch für Günter Wurm war dieses Thema<br />

ungewohnt, aber er wollte sich nicht<br />

mit internen Diskussionen unter Deutschen<br />

zufrieden geben, sondern suchte<br />

auch über die <strong>DIG</strong> Kontakt mit Israelis:<br />

es kam zu ersten kleineren Israelfesten<br />

mit israelischem Essen und Liedern. 2009<br />

gab es schließlich einen Sportaustausch<br />

mit Karmiel, das zwar viel größer als<br />

Mering, aber ähnlich ländlich strukturiert<br />

ist. Die Meringer Fußballmädchen fuhren<br />

erstmals nach Israel.<br />

Wie so oft: die Begeisterung auf beiden<br />

Seiten war groß. Es folgten weitere Israelfahrten<br />

und Gegeneinladungen unter<br />

Ausweitung auf musikalische Gruppen.<br />

Die jugendlichen Gäste aus Israel waren<br />

ähnlich begeistert, weil sie nicht in<br />

Hotels wohnten, sondern in Familien zu<br />

Gast waren und gleichzeitig München,<br />

Augsburg, Schloß Neuschwanstein und<br />

das ländliche Bayern kennenlernen konnten.<br />

Daraus entstand nicht nur ein stabiles,<br />

kleines Netzwerk unter den Organisatoren,<br />

sondern auch so etwas wie ein<br />

Israel-Bazillus unter den Jugendlichen,<br />

der sich längst auf die Gesamtgemeinde<br />

von Mering ausgedehnt hat.<br />

Das jährliche Israel-Fest wurde immer<br />

größer und der Kreis der bekennenden<br />

Israelfreunde ist schon auf über 150 Mitglieder<br />

gewachsen. Inzwischen gehören<br />

Vorträge über Israel und das Judentum<br />

zum Standardrepertoire im kulturellen<br />

Leben dieser kleinen Gemeinde. Längst<br />

mußte auch der Gemeinderat auf diesen<br />

Israel-Bazillus reagieren; der Bürgermeister<br />

und mehrere Gemeinderatsmitglieder<br />

machten sich auch auf den Weg nach<br />

Karmiel und in diesem Jahr kommt der<br />

Bürgermeister von Karmiel zum Gegenbesuch.<br />

Man darf gespannt sein, wie<br />

sich diese Verbindung der Herzen weiter<br />

entwickelt.<br />

Dieter Münker<br />

Die Jugendgruppe aus Mering<br />

zu Besuch in Israel.<br />

Fotos: Peter Holthaus<br />

46 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />

Pioniere der Städtepartnerschaft<br />

Die <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg hatte im Oktober 2017 ins Rathaus Charlottenburg eingeladen,<br />

um am Beispiel des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf über Berliner Partnerschaften<br />

mit israelischen Städten zu informieren und den Ausbau bestehender sowie den Aufbau neuer<br />

deutsch-israelischer Städtepartnerschaften in Berlin und Brandenburg anzuregen. Bezirksbürgermeister<br />

Reinhard Naumann berichtete anschaulich über die Entwicklung der Partnerschaften<br />

mit den beiden israelischen Gemeinden Karmiel und Or Yehuda.<br />

Bereits kurz nach der Aufnahme diplomatischer<br />

Beziehungen zwischen der<br />

Bundesrepublik Deutschland und dem<br />

Staat Israel 1965 wurde die Partnerschaft<br />

zwischen Charlottenburg und Or Yehuda<br />

(zwischen Tel Aviv und dem Ben-Gurion-<br />

Flughafen gelegen) begonnen. Sie zählt<br />

somit zu den frühesten deutsch-israelischen<br />

Städtepartnerschaften und konnte<br />

bereits das 50-jährige Jubiläum feiern.<br />

Immerhin bereits auch schon mehr<br />

als 30 Jahre besteht die Partnerschaft<br />

zwischen Wilmersdorf und Karmiel (auf<br />

halbem Wege zwischen Akko und Safed).<br />

Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann<br />

berichtete von den regelmäßigen<br />

Besuchen und Begegnungen, vom Schüler-<br />

und Jungerwachsenen-Austausch<br />

und vom Fachaustausch zu kommunalen<br />

Aufgaben. So sei beispielsweise ein<br />

wechselseitiger Besuch von Sozialarbeiterinnen<br />

ein großer Erfolg gewesen.<br />

Weitere mögliche Bereiche sind zum<br />

Beispiel Musikschulen sowie Kinder- und<br />

Jugendräte – allerdings sind die Kosten<br />

dabei eine Hürde, es wird Unterstützung<br />

im Rahmen projektbezogener Förderung<br />

benötigt. Naumann erwähnte<br />

zudem auch den breiteren Austausch<br />

bei Städtepartnerschafts-Konferenzen<br />

in Leipzig und Jerusalem und seine Unterstützung<br />

bei Plänen des Ortes Mering<br />

bei Augsburg, ebenfalls mit Karmiel eine<br />

Partnerschaft zu beginnen.<br />

»Davon kann es nicht genug geben«<br />

Das Fazit von Reinhard Naumann zu den<br />

deutsch-israelischen Städtepartnerschaften<br />

lautete: »Davon kann es aufgrund<br />

der positiven Erfahrungen nicht genug<br />

geben.« Die Zielsetzung solle sein,<br />

dass alle 12 Berliner Bezirke Städtepartnerschaften<br />

mit Israel haben. Dies<br />

wurde von Moderator Michael Spaney,<br />

vom Vorsitzenden der <strong>DIG</strong> Berlin und<br />

Brandenburg, Jochen Feilcke, und vom<br />

Organisator der Veranstaltung, Andrew<br />

Walde, gerne aufgegriffen. Seitens der<br />

<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg betonten<br />

sie die Bereitschaft, zu einem Treffen von<br />

Vertretern der Bezirke zu diesem Thema<br />

einzuladen. Jochen Feilcke betonte<br />

zudem die Pflege der Städtepartnerschaften<br />

in der jungen Generation als<br />

besonderes Anliegen.<br />

Zum Ende der Veranstaltung dankte<br />

Rogel Rachman, Gesandter-Botschaftsrat<br />

der israelischen Botschaft, Bezirksbürgermeister<br />

Reinhard Naumann für sein besonderes<br />

Engagement und meinte, dass<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf unter den<br />

»TOP 5« der insgesamt aktuell rund 100<br />

deutsch-israelischen Städtepartnerschaften<br />

sei. Das positive Beispiel des Bezirks<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf konnte<br />

mit dieser Veranstaltung einmal mehr<br />

verdeutlicht werden und kann, so das<br />

Anliegen der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg,<br />

eine Anregung für andere Bezirke<br />

und Städte sein.<br />

Jörg Gehrke<br />

V.l.n.r.: Michael Spaney (<strong>DIG</strong> Berlin<br />

und Brandenburg), Reinhard Naumann<br />

(Bezirksbürgermeister Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf), Rogel Rachman (Gesandter-<br />

Botschaftsrat der Botschaft des Staates<br />

Israel), Jochen Feilcke MdB a.D. (Vorsitzender<br />

<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg), Andrew<br />

Walde (<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg).<br />

Foto: Wilfried Winzer<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 47


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Bielefeld<br />

Versöhnungsgeste nach über 60 Jahren<br />

Klaus Kreppel und Edith Meyer gehörten im Jahre 2010 dem lokalen Vorstand der Bielefelder<br />

<strong>DIG</strong> an. Klaus Kreppel ist Historiker, der die Geschichte der Bielefelder Partnerstadt Nahariya<br />

wissenschaftlich erforscht hat. Edith Meyer ist die Ehefrau des inzwischen verstorbenen Justus<br />

Meyer, der 1937 nach Palästina emigrierte und 1948 am Unabhängigkeitskrieg Israels teilnahm.<br />

Er lebte seit 1981 mit seiner Familie wieder<br />

in seiner ostwestfälischen Heimat,<br />

während sein Bruder Andreas Meyer<br />

als selbstständiger Unternehmer von<br />

»Nahariya Glas« in Israel blieb. Andreas<br />

verstarb 95-jährig im Jahr 2016. Kurz vor<br />

Justus Meyers Tod im Jahr 2011 gab sein<br />

Bruder Andreas einen Kelch an eine seit<br />

1948 entwurzelte christlich-arabische<br />

Gemeinde zurück.<br />

Am Samstag vor dem zweiten Advent<br />

2010 um halb zwölf Uhr läuten die Glocken<br />

des christlich-maronitischen Kirchleins<br />

im verwaisten galiläischen Dorf<br />

Bar’am besonders lang, um möglichst<br />

allen über das ganze Land und bis hinein<br />

in den Libanon verstreuten Gemeindegliedern<br />

die frohe Kunde zu übermitteln,<br />

dass ein ehemaliger israelischer Soldat<br />

des Krieges von 1948 eine ungewöhnliche<br />

Trophäe zurückbringt. Fast alle, die<br />

hier jetzt zusammenstehen, sind nach<br />

dem Jahr 1948 geboren. Nur die Gemeindeältesten<br />

erinnern sich noch an den<br />

Tag im Oktober 1948, als die israelische<br />

Armee den gesamten Norden Galiläas<br />

einnahm, der von arabischen Truppen<br />

aus dem Libanon, Syrien, Transjordanien<br />

und dem Irak besetzt war. Die Lage im<br />

Unabhängigkeitskrieg hatte sich gewandelt.<br />

Nun war die israelische Armee auf<br />

dem Vormarsch bis zur Grenze zum Libanon<br />

und darüber hinaus in den Süden<br />

des Libanon.<br />

Edith Meyer, die Frau von Justus Meyer,<br />

berichtet: »Justus war zum Militär eingezogen<br />

und auf dem Weg von Nahariya<br />

nach Norden in den Libanon, im äußersten<br />

Zipfel von Israel. Eine Nacht verbrachte<br />

die kleine Einheit in Bar’am, einem<br />

wohlhabenden Araberdorf mit christlichen<br />

Bewohnern. Wegen der Kampfhandlungen<br />

war das Dorf evakuiert<br />

worden. Man versprach, dass alle bald<br />

zurückkehren dürften. Nachtquartier<br />

machten die Soldaten im Pfarrhaus. Die<br />

Umgebung wurde abgesucht: Auf dem<br />

Andreas Meyer überreicht den Kelch.<br />

Müllhaufen lag der Kelch, den die Juden<br />

für einen Kidduschbecher hielten. Justus<br />

wusste, was das wirklich war. Er nahm<br />

den Abendmahlskelch mit nach Nahariya<br />

und legte ihn zu Hause in seinen Tresor.«<br />

Hier lag er 62 Jahre lang, und wartete<br />

darauf, eines Tages zurückgegeben zu<br />

werden. Zwei Versuche waren schon gescheitert.<br />

Dann kam der Tag, an dem das<br />

Haus verkauft wurde. Bruder Andreas<br />

übernahm die Haushaltsauflösung.<br />

Mit der Frage »Wohin mit dem Kelch?«<br />

wurde das Schicksal der christlichen Gemeinde<br />

von Bar’am wieder lebendig. Die<br />

Meyers wussten ja, dass das Versprechen<br />

an die christlich-arabische Gemeinde,<br />

nach den Kampfhandlungen von 1948<br />

wieder zurückkehren zu dürfen, bis zum<br />

Jahr 2010 noch immer nicht eingelöst<br />

worden war. Selbst die Entscheidungen<br />

israelischer Gerichte zugunsten der<br />

früheren Bewohner von Bar’am wurden<br />

von den politisch Verantwortlichen in<br />

Galiläa nicht umgesetzt. Das Dorf ist<br />

längst zerfallen, nur der Friedhof ist<br />

frisch angelegt, und in der Kirche darf<br />

die christliche Gemeinde gelegentlich<br />

ihren Gottesdienst feiern, wie an diesem<br />

Adventssonntag des Jahres 2010.<br />

Foto: Andreas Meyer, Kfar Vradim/ Nahariya<br />

Andreas Meyer war mit seiner Familie<br />

gekommen. Er überreichte der Gemeinde<br />

in einer kleinen Zeremonie im Beisein des<br />

Priesters den Abendmahlskelch. Dieser<br />

begutachtete ihn und stellte fest, dass er<br />

zu seinen rechtmäßigen Besitzern zurückgekehrt<br />

war. Er reichte ihn weiter, und der<br />

Kelch wanderte von Hand zu Hand.<br />

Der Gemeindeälteste, Thomi Magsal,<br />

der als Kind noch die Vertreibung aus<br />

dem Dorf miterlebt hatte, hielt eine<br />

kurze Ansprache in Hebräisch, die Dinah<br />

Meyer, Edith und Justus Meyers Tochter,<br />

übersetzt hat: »Bei der Gelegenheit der<br />

Rückgabe an die Kirche in Bar’am möchte<br />

ich in meinem Namen und im Namen<br />

der Bürger des Dorfes meine ungeheure<br />

Anerkennung und meinen großen Dank<br />

für diese Tat aussprechen. Diese ritterliche<br />

Tat zeugt von der Gerechtigkeit, von<br />

Rücksichtnahme und Gewissen ohne<br />

Hintergedanken. Wir, die Bürger von<br />

Bar’am, werden niemals diese ritterliche<br />

Tat vergessen, die die Rückgabe des heiligen<br />

Opferkelches an die Kirche, aus der<br />

er genommen wurde, darstellt.«<br />

Klaus Kreppel / Edith Meyer<br />

48 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Braunschweig<br />

50 Jahre <strong>DIG</strong> Braunschweig<br />

Am 24. Oktober 2017 feierte die Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in<br />

Braunschweig ihr 50jähri ges Bestehen. Zu Festakt in der Dornse des Altstadtrathauses kamen<br />

150 geladene Gäste aus Politik, Kir che, der Jüdischen Gemeinde, Mitglieder und Freunde. Besonders<br />

gefreut haben wir uns über den Besuch aus unserer israelisc hen Part nerstadt Kiryat Tivon.<br />

abwechselnd in Braunschweig und<br />

Kiryat Tivon lebte, be gannen sich recht<br />

früh die Beziehungen zwischen Braunschweig<br />

und der Stadt im Norden Israels<br />

zu entwickeln, welche dann am 18. Juni<br />

1981 in eine offizielle Städtepartnerschaft<br />

mündeten. Wir, der damali ge Vorstand<br />

der <strong>DIG</strong> Braunschweig, haben nicht ganz<br />

unwe sentlich zu dem Aufbau dieser Beziehungen<br />

beigetragen,« so Rabbiner Dr.<br />

Gábor Lengyel, Gründungsmitglied der<br />

<strong>DIG</strong> Braunschweig, in sei nem Gruß wort.<br />

V.l.n.r.: Rabbiner Uri Themal (Kiryat Tivon), Anke Kaphammel (Bür germeisterin in<br />

Braunschweig), Hellmut Königshaus (Präsident der Deutsch-Israelischen Gesell schaft),<br />

Esther Geva (Kiryat Tivon), Prof. Dr. Johannes-Henrich Kirchner (Vorsitzender der <strong>DIG</strong><br />

Braunschweig), Rabbi ner Dr. Gábor Lengyel (Gründungsmitglied der <strong>DIG</strong> Braun schweig).<br />

Foto: Gerd Druwe<br />

Den Festvortrag hielt der Präsident der<br />

Deutsch-Israelischen Gesell schaft, Hellmut<br />

Königshaus, über die Bedeutung der<br />

<strong>DIG</strong> für die Beziehungen beider Länder.<br />

Die Kantorin Svetlana Kundish erfreute<br />

die Festgemeinschaft mit israelischen<br />

Lie dern gesungen zur eigenen Gitarrenbegleitung.<br />

»Ein Jahr nach der Aufnahme<br />

diplomatischer Beziehungen zwischen<br />

Deutschland und Israel, 1966, wurde in<br />

Bonn die Deutsch-Israelische Gesellschaft<br />

gegründet. Schon ein Jahr später,<br />

1967, gab es bereits eine eigene Arbeitsgemeinschaft<br />

der <strong>DIG</strong> in Braunschweig<br />

mit dem Ziel, eine engere Freundschaft<br />

zu Israel in der Stadt Braunschweig und<br />

in der Region aufzubauen.<br />

Wir haben in fünf Jahrzehnten dieses Ziel<br />

umgesetzt mit Vorträgen, Diskussionen,<br />

Filmen, Theater, Kochen, Reisen nach Israel<br />

und dem Betreuen israelischer Gäste.<br />

Noch intensiver wurde der Kontakt zu Israel,<br />

als die Städtepartnerschaft zwischen<br />

Braunschweig und Kiryat Tivon begründet<br />

wurde«, so Prof. Dr. Johannes-Henrich<br />

Kirch ner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft<br />

Braunschweig, in seinem Vorwort<br />

zur Broschüre »50 Jahre Deutsch-Israelische<br />

Gesellschaft AG Braunschweig«.<br />

»Zwei wesentliche Elemente, auf denen<br />

die Entwicklung der bilateralen Beziehung<br />

zwischen Deutschland und Israel<br />

aufbaut, sind Jugend austausch und<br />

Städtefreundschaften. In Braunschweig<br />

führte der schon länger bestehende Jugendaustausch<br />

zu einer solchen Freundschaft<br />

mit Kiryat Tivon, aus der 1986 eine<br />

Städtepartnerschaft wurde. Eines ihrer<br />

Herzstücke ist nach wie vor der Jugendaustausch.<br />

Seit eini gen Jahren gehört<br />

auch ein regelmäßiger Künstleraustausch<br />

dazu. An dem Entstehen dieser Partnerschaft<br />

und daran, dass die Austauschprogramme<br />

immer aufs Neue mit Leben<br />

erfüllt werden, hat die Deutsch-Israelische<br />

Gesellschaft in Braunschweig einen<br />

hoch zu schätzenden, sehr wesentlichen<br />

Anteil. Ohne das Engagement der<br />

Deutsch-Israelischen Gesellschaft hätte<br />

unsere Partnerschaft nicht auf diese Weise<br />

wachsen können. Persönliche Kontakte<br />

sind das Funda ment der Freundschaft,«<br />

so Oberbürgermeister Ulrich Markurth, in<br />

seinem Grußwort.<br />

Städtepartnerschaft mit Kiryat Tivon<br />

»Aufgrund der Initiative des Leipziger Juden<br />

Peter Vogel-Dror, der nach der Schoa<br />

»Wir in Kiryat Tivon wollen deshalb der<br />

<strong>DIG</strong> Braunschweig unsere be sondere<br />

Anerkennung für die Hingabe ihrer Mitglieder<br />

aussprechen. Ihre Aktivitäten sind<br />

einer der Pfeiler, auf denen die engen<br />

Bezie hungen zwischen den Partnerstädten<br />

Braunschweig und Tivon beru hen.<br />

Wir sind für diese enge Freundschaft<br />

mit den <strong>DIG</strong>-Mitgliedern dankbar und<br />

gratulieren von ganzem Herzen zum<br />

fünfzigsten Jubilä um,« so Rabbiner Uri<br />

Themal, Städtepartnerschaftskomitee<br />

Kiryat Tivon, in seinem Grußwort.<br />

Besonders wichtig ist uns die gute<br />

Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde.<br />

Das lange und schwierige Projekt<br />

zur Sanierung und Wie dereinweihung<br />

des Jüdischen Gemeindehauses am<br />

31. Oktober 1983 hätte ohne das große<br />

Engagement des damaligen Vorsitzenden<br />

der <strong>DIG</strong> AG Braunschweig, Friedrich<br />

Theodor Kohl, nicht realisiert werden<br />

können. Für die Zukunft möchten wir<br />

die Kontakte zu den Menschen in der<br />

Partnerstadt Kiryat Tivon lebendig<br />

halten, vor allem den Jugend- und den<br />

Künstleraustausch un terstützen und<br />

intensiv begleiten. Mögen die guten<br />

Beziehungen zwischen Deutschland und<br />

Israel, zwi schen Braunschweig und Kiryat<br />

Tivon auch in der nächsten Generati on<br />

so lebendig bleiben. Daran werden wir<br />

weiter arbeiten.<br />

Rita Weiler<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 49


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Bremen/Unterweser e.V.<br />

Dani Goren –<br />

Kämpfer für ein starkes Israel<br />

Wenn wir heute dem Staat Israel zum 70. gratulieren, dann würdigen wir vor allem die Menschen,<br />

die dieses Gemeinwesen aufgebaut, geschützt und zur Blüte gebracht haben. Wenn<br />

wir am besseren Verständnis der Deutschen für Israel arbeiten, dann denken wir auch an<br />

frühere Regierungschefs, klar – aber vor allem sind wir dankbar gegenüber den Frauen und<br />

Männern, die uns in Israel freundlich aufnehmen und uns Land und Menschen erklären.<br />

Aus beiden Gründen möchten wir hier<br />

von Dan (Dani) Goren berichten, der als<br />

Reiseleiter die Gruppen unserer Bremer<br />

Bürgerreise in die Partnerstadt Haifa in<br />

vielen Jahren begleitet, in gutem Sinne<br />

geführt hat. Wir wissen, dass viele Gruppen<br />

auf ihren Reisen ganz ähnliche Erfahrungen<br />

gemacht haben. Dani ist nicht<br />

nur freundlich, pünktlich und allwissend,<br />

ein »Jecke« eben – er ist vor allem liberal<br />

und offen, aber klar in der grundsätzlichen<br />

Haltung gegenüber Israel. Denn er<br />

weiß, wovon er spricht; er hat seit der<br />

Gründung des Landes dafür gelebt und<br />

gearbeitet, er kann die ganze Geschichte<br />

persönlich bezeugen. Und er hat in seiner<br />

Jugend die Verfolgung in Deutschland<br />

selbst erlebt; seine Führungen durch<br />

Yad Vashem sind sehr berührend und<br />

persönlich.<br />

Dani Goren ist 1925 in Aachen geboren,<br />

die Familie ging dann 1935 nach Köln,<br />

wo Dani in die zionistische Jugendbewegung<br />

kam. Seine Eltern beschlossen<br />

gleich nach der Pogromnacht 1938 – die<br />

brennende Synagoge stand in ihrer direkten<br />

Nachbarschaft –, ihn nach Palästina<br />

zu schicken. Nach einem Vorbereitungskurs<br />

kam Dani mit der »Jugend-Alija« im<br />

März 1939 in Jaffa an – Gottseidank mit<br />

dem Wissen, dass seine Eltern nachkommen<br />

konnten.<br />

er nach dem Unabhängigkeitsbeschluss<br />

gegen irreguläre und reguläre arabische<br />

Truppen verteidigen musste. In Danis<br />

Erzählungen seiner Kibbuz-Zeit mit Frau<br />

und Kind, von einfachstem und hartem<br />

Leben glüht immer noch das Glück des<br />

historischen Pioniergeistes.<br />

1952 zog Dani zu seinen Eltern in den<br />

Moschaw Beit-Jitzak, wo er heute noch<br />

wohnt, umgeben von seinen Kindern,<br />

Enkeln und Urenkeln. In den folgenden<br />

Jahren arbeitete er als Landmaschinenmechaniker,<br />

als Ausbilder und Verkäufer,<br />

als Unternehmer für Hühnerzucht und<br />

danach für Blumen, bis er Anfang der<br />

90er Jahren die umfangreiche Ausbildung<br />

zum »Guide« absolvierte. Den<br />

Ausschlag dafür gab, wie er sagt, seine<br />

Neugier und seine Liebe zu Land, Natur<br />

und Menschen – und seine ersten Begegnungen<br />

mit deutschen Gruppen. Unsere<br />

letzte Gruppe hat Dani im Alter von 92<br />

geführt, hellwach wie immer.<br />

Auf Vermittlung der <strong>DIG</strong> hat der Landtag<br />

Bremens, die »Bremische Bürgerschaft«,<br />

im November 2017 Dani Goren als Ehrengast<br />

zur Gedenkstunde an die Bremer<br />

Opfer der Reichspogromnacht eingeladen.<br />

Am Mahnmal hat er über sein Leben<br />

gesprochen, in Deutschland und Israel,<br />

hat über den inneren Zusammenhang<br />

beider Lebensabschnitte gesprochen und<br />

gemahnt, dem alten und neuen Antisemitismus<br />

keinen Raum zu geben. Und<br />

uns noch einmal erklärt, warum es ein<br />

demokratisches, vielfältiges, aber eben<br />

auch starkes Israel geben muss. Dafür<br />

hat er lange Jahre gearbeitet, gekämpft<br />

und gelitten. Wir sind Dani sehr dankbar.<br />

Dr. Hermann Kuhn<br />

Die beiden ersten Jahre verbrachte<br />

Dani in einem Lager der »Jugend-Alija«,<br />

wurde dort schon mit 15 für die illegale<br />

»Haganah« rekrutiert. Dann wurde er<br />

Fachschüler für Schlosserei und Agromechanik,<br />

ging anschließend in die kämpfende<br />

Einheit »Palmach«, verbunden mit<br />

der Arbeit in einem Kibbuz. Getarnt als<br />

»Wehrposten« gründete Dani mit anderen<br />

einen neuen Kibbuz »Hakuk«, den<br />

1925 geboren, 1939 nach Israel ausgewandert. Dani Goren ist ein Reise leiter, der<br />

die Geschichte Israels selbst miterlebt und mitgestaltet hat.<br />

Foto: <strong>DIG</strong> Bremen<br />

50 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Chemnitz<br />

Musikalischer Jugendaustausch<br />

Premiere bei den 27. Tagen der Jüdischen Kultur in Chemnitz: Jugendliche aus Kiryat Bialik<br />

und Chemnitz musizierten zur Eröffnung der Veranstaltung am 24. Februar <strong>2018</strong>. Diese Reihe<br />

bündelt binnen zwei Wochen rund 60 Angebote von zwei Dutzend regionalen Veranstaltern:<br />

Konzerte, Vorträge, Filmvorführungen, Ausstellungen und vieles mehr.<br />

Israelische Jugendliche gestalteten das Eröffnungskonzert zu den Jüdischen Kulturtagen. Zu den Besuchern gehörten auch der<br />

sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (vorne links) und neben ihm die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig.<br />

<br />

Foto: Sven Gleisberg<br />

Erstmals waren in diesem Rahmen acht<br />

Jugendliche aus der israelischen Stadt<br />

Kiryat Bialik bei gleichaltrigen Chemnitzern<br />

zu Gast. Für eine Woche wohnten<br />

die Israelis in den Familien der Chemnitzer<br />

Jugendlichen und besuchten deren<br />

Schulen. Alle beteiligten Jugendlichen<br />

spielen zudem ein Streichinstrument.<br />

Als die Tage der jüdischen Kultur am<br />

24. Februar im Beisein des sächsischen<br />

Ministerpräsidenten Michael Kretschmer,<br />

des Bürgermeisters von Kiryat<br />

Bialik, Eli Dukorski, sowie der Chemnitzer<br />

Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig<br />

eröffnet wurden, musizierten Israelis und<br />

Deutsche noch getrennt. Doch bereits<br />

am nächsten Tag absolvierten sie einen<br />

gemeinsamen Workshop und gaben am<br />

1. März ein gemeinsames Konzert.<br />

Zudem erkundeten die Jugendlichen mit<br />

Renate Aris, Holocaustüberlebende und<br />

Mitglied der <strong>DIG</strong>-AG Chemnitz, für einen<br />

Erster gemeinsamer Workshop von Jugendlichen aus Kiryat Bialik und Chemnitz<br />

am 25. Februar <strong>2018</strong>. <br />

Foto: Dorothee Lücke<br />

Tag deren Heimatstadt Dresden und besuchten<br />

zum Abschluss die Hauptstadt<br />

Berlin. Für Oktober dieses Jahres ist ein<br />

Gegenbesuch der Chemnitzer Jugendlichen<br />

in Kiryat Bialik geplant. Daraus<br />

soll ein regelmäßiger Jugendaustausch<br />

entstehen. Bürger der von Deutschen<br />

gegründeten Stadt Kiryat Bialik pflegen<br />

seit langem Kontakte zur Jüdischen<br />

Gemeinde Chemnitz. Die <strong>DIG</strong>-AG<br />

Chemnitz unterstützt dieses Vorhaben<br />

aus der Überzeugung, dass persönliche<br />

Begegnungen mit Menschen anderer<br />

Religion und Herkunft die Jugendlichen<br />

für ihr ganzes Leben prägen. Gerade für<br />

die sächsischen Jugendlichen halten wir<br />

es für wichtig, sie für Toleranz und gegen<br />

Antisemitismus zu wappnen.<br />

Dorothee Morgenstern<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 51


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Duisburg-Mülheim-Oberhausen<br />

Wasser – Israels Beitrag<br />

zur Nachhaltigkeit<br />

Auf Einladung der Alten Synagoge Essen und der Arbeitsgemeinschaft Duisburg/Mülheim/<br />

Oberhausen besuchte der israelische Botschafter a.D., Ram Aviram die Ruhrregion.<br />

Das Tagesprogramm zum Thema Wasser<br />

begann mit dem Besuch des Rheinisch<br />

Westfälischen Wasserwerks (RWW) und<br />

einem informativen Austausch über das<br />

Mülheimer Verfahren (siehe Kasten unten)<br />

für gesundes Trinkwasser. Durch den<br />

Vormittag begleitet wurde die Gruppe<br />

von RWW Geschäftsführer Dr. Franz-Josef<br />

Schulte.<br />

Israel ist ein Land mit wenig Niederschlägen.<br />

Die Bevölkerungszahl aber ist in den<br />

siebzig Jahren seit der Staatsgründung<br />

stark angewachsen. Rund 12 Millionen<br />

Menschen wohnen im Staat Israel und<br />

den palästinensischen Gebieten. Durch<br />

seine erfolgreiche wissenschaftliche<br />

Forschung ist Israel führend im nachhaltigen<br />

Wasserverbrauch: Süßwasser-<br />

gewinnung, aber auch Bewässerung<br />

mit Brauchwasser, computergesteuerte<br />

Bewässerung von Nutzpflanzen sind nur<br />

einige Stichworte.<br />

Botschafter a.D. Ram Aviram war Leiter<br />

der Wasser- und Umweltabteilung und<br />

später Büroleiter des damaligen Außenministers<br />

Shimon Peres. Im damaligen<br />

Friedensprozess mit den Palästinensern<br />

leitete Ram Aviram die Verhandlungen<br />

in Wasserfragen. Derzeit betreut er das<br />

Renaturierungsprojekt für den unteren<br />

Von links nach rechts: Markus Püll (<strong>DIG</strong><br />

Duisburg-Mülheim-Oberhausen),<br />

Dr. Uri Kaufmann (Alte Synagoge),<br />

Botschafter a.D. Ram Aviram und<br />

Dr. Franz-Josef Schulte (RWW).<br />

Lauf des Jordanflusses. Nach dem Besuch<br />

beim RWW Mülheim stand ein Besuch<br />

beim Wasserverband Ruhr in Essen auf<br />

dem Programm. Der Tag endete mit<br />

einem Vortrag in der »Alten Synagoge«.<br />

Markus Püll, Ramon Steggink<br />

»Mülheimer Verfahren«<br />

für bestes Trinkwasser<br />

In Mülheim an der Ruhr dient die<br />

»Ruhr« als Wasserlieferant. Damit die<br />

Menschen das Wasser auch trinken<br />

können, entwickelte die Rheinisch-<br />

Westfälische Wasserwerksgesellschaft<br />

einen weltweit beachteten Aufbereitungsprozess:<br />

das »Mülheimer<br />

Verfahren«, ein sehr effektives Multi-<br />

Barrieren-System, das kleinste Verunreinigungen<br />

aus Oberflächengewässern<br />

zurückzuhält. Um diese zu entfernen,<br />

sind Ozonung, permanent betriebene<br />

Aktivkohlefiltration und eine Untergrundpassage<br />

besonders wirkungsvoll.<br />

Nachdem das Wasser aus der Ruhr<br />

entnommen wurde, gelangt es auf 15<br />

Sandfilterbecken. Über mehrere Tage<br />

sickert es langsam durch eine Sandund<br />

Sedimentschicht, bevor es in die<br />

Ozonanlage gepumpt wird. Dort wird<br />

ein Ozon-Luftgemisch in das Wasser<br />

gegeben. Es eliminiert Bakterien und<br />

sorgt dafür, dass andere chemische<br />

Substanzen später besser gefiltert wer-<br />

den können. Im nächsten Schritt gelangt<br />

das Wasser in 13 Meter hohe Doppelstockfilter,<br />

wo es durch Mehrschicht- und<br />

Aktivkohlefilter sickert und gereinigt wird.<br />

Schwer abbaubare gelöste organische<br />

Verfahrensschema der Trinkwasseraufbereitung<br />

Stoffe werden gebunden und von der<br />

Kohle zurückgehalten. Die Desinfektion<br />

mittels UV-Licht sorgt schließlich dafür,<br />

dass die Wasserqualität bis in die Haushalte<br />

stabil bleibt.<br />

52 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Düsseldorf<br />

Halb so alt wie Israel<br />

»Es hat der Bemühungen etlicher <strong>DIG</strong>-Freunde über einen Zeitraum von mehreren Jahren<br />

bedurft, um auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf eine örtliche<br />

Arbeitsgemeinschaft der <strong>DIG</strong> ins Leben zu rufen. Seit dem 14. März gibt es sie. In Anwesenheit<br />

des Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Erik Blumenfeld, des Düsseldorfer Oberbürgermeisters<br />

Josef Kürten, des Gesandten des Staates Israel, Ephraim Eylon, und des Landesrabbiners<br />

Abraham Hochwald konstituierte sich unter der Leitung von <strong>DIG</strong>-Präsidiumsmitglied<br />

Alfred Rohmeis die Düsseldorfer AG.«<br />

So begann im Jahr 1983 eine Meldung im<br />

<strong>DIG</strong>-Mitgliederinfo über die Gründung<br />

der damals 20. Arbeitsgemeinschaft<br />

der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.<br />

In Deutschland hatte wenige Tage<br />

zuvor Helmut Kohl, der 1982 durch ein<br />

konstruktives Misstrauensvotum zum<br />

Bundeskanzler gewählt worden war, bei<br />

vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag<br />

einen großen Sieg errungen. Keiner<br />

ahnte, dass er das Land 16 Jahre regieren<br />

und einmal als Kanzler der Einheit in die<br />

Geschichte eingehen würde, geschweige<br />

denn, dass er sich auch als Glücksfall für<br />

die Entwicklung der deutsch-israelischen<br />

Beziehungen erweisen sollte.<br />

Israel feierte 1983 seinen 35. Geburtstag,<br />

doch die Lage des Staates war trotz des<br />

1979 erzielten Friedensvertrages mit<br />

Ägypten nicht hoffnungsvoll. Durch den<br />

ersten Libanonkrieg im Jahr 1982 hatte<br />

sein internationales Ansehen gelitten.<br />

Auch das deutsch-israelische Verhältnis<br />

war angespannt – wozu die ausgeprägte<br />

Abneigung des damaligen Ministerpräsidenten<br />

Menachem Begin gegen alles<br />

Deutsche ebenso beigetragen hatte wie<br />

die harsche Kritik von Kohls Amtsvorgänger<br />

Helmut Schmidt an der israelischen<br />

Siedlungspolitik. Wie schwierig die Lage<br />

war, lässt sich auch im Protokoll der<br />

Vorbereitungskonferenz zur Gründung<br />

der <strong>DIG</strong> Düsseldorf nachlesen. So wurde<br />

sogar die Besorgnis laut, »die Arbeitsgemeinschaft<br />

könne zu einem Jubelchor<br />

denaturieren, wenn sie nicht zulasse,<br />

dass die offizielle israelische Politik auch<br />

Gegenstand kritischer Äußerungen der<br />

örtlichen Organisationen der <strong>DIG</strong> werde.«<br />

Große Israel-Sympathie bei der<br />

Gründungsversammlung<br />

Wie groß die Sympathie für Israel damals<br />

in Düsseldorf war, zeigte sich bei der<br />

gutbesuchten Gründungsversammlung<br />

am 14. März 1983. »Von den insgesamt<br />

69 Anwesenden erklärten spontan 15<br />

Isralfreunde ihre Bereitschaft, der <strong>DIG</strong><br />

beizutreten. Damit erhöhte sich die<br />

Zahl der Düsseldorfer <strong>DIG</strong>-Mitglieder<br />

Die <strong>DIG</strong> Düsseldorf lädt gemeinsam mit örtlichen Partnern regelmäßig hochkarätige<br />

Referenten ein. Im April 2017 war der Historiker Prof. Dr. Michael Brenner zu Gast und<br />

sprach über das Thema »Israel – Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates«.<br />

V.l.n.r.: Egon Schawe (Stellvertretender Vorsitzender), Wolfgang Wende (†), Michael<br />

Brenner, André von Schúeck (Vorsitzender), Jürgen Sterzenbach (Öffentlichkeitsarbeit).<br />

<br />

Foto: <strong>DIG</strong> Düsseldorf<br />

auf insgesamt 80«, so die Meldung im<br />

Mitgliederinfo. Ganz unverhofft zum<br />

Vorsitzenden gewählt wurde der damals<br />

46-jährige Wolfgang Wende, was sich<br />

auch als ein Glücksfall für die deutschisraelischen<br />

Beziehungen erwies. Bis zu<br />

seinem Tod im vergangenen Jahr hatte<br />

er ununterbrochen den Vorsitz inne und<br />

– stets unauffällig hinter den Kulissen<br />

agierend – unzählige Veranstaltungen<br />

und Begegnungen ermöglicht. In seiner<br />

Ära engierte sich die <strong>DIG</strong> Düsseldorf<br />

insbesondere für den Jugendaustausch,<br />

aber auch für die Unterstützung von<br />

Projekten in Israel wie die jüdischarabischen<br />

Hand-in-Hand-Schulen, in<br />

denen jüdische und arabische Kinder<br />

gemeinsam in zweisprachigen Klassen<br />

unterrichtet werden.<br />

Eine enge Zusammenarbeit verbindet die<br />

<strong>DIG</strong> Düsseldorf von Anfang an mit der<br />

Jüdischen Gemeinde, der Gesellschaft<br />

für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit<br />

in Düsseldorf und mit dem Landtag<br />

Nordrhein-Westfalen. In jüngerer Zeit<br />

unterstützt sie auch die Twin Wineries,<br />

ein Partnerschaftsprojekt zwischen<br />

deutschen und israelischen Weingütern,<br />

das in Düsseldorf gegründet wurde. Zu<br />

den Höhepunkten der 35-jährigen Geschichte<br />

der <strong>DIG</strong> Düsseldorf gehörte die<br />

Hauptversammlung der <strong>DIG</strong> im Jahr 2016<br />

in Düsseldorf, bei der wichtige Weichen<br />

für die Zukunft der Deutsch-Israelischen<br />

Gesllschaft gestellt wurden. Am 19. März<br />

<strong>2018</strong> wählte die <strong>DIG</strong> Düsseldorf einen<br />

neuen Vorstand mit André von Schúeck<br />

als neuem Vorsitzenden. Gefeiert wird<br />

in diesem Jahr gleich doppelt: am 17. Mai<br />

beim Israeltag die Staatsgründung vor 70<br />

Jahren und am 24. Juni der 35. Geburtstag<br />

der <strong>DIG</strong> Düsseldorf.<br />

Jürgen Sterzenbach<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 53


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Fankfurt<br />

<strong>DIG</strong> Frankfurt goes: weltweit<br />

Georgien ist nicht Israel. Aber 50 000 israelische Bürger haben georgische Wurzeln. Mexiko ist<br />

auch nicht Israel. Aber wenn die mexikanische Erde bebt, sind die Helfer von Zaka zur Stelle<br />

und suchen nach Verschütteten. Und die Republik Korea? Und Griechenland? Griechenland<br />

ist fast schon Israel, zumindest geografisch und: Madre de Israel? Das Jerusalem des Balkan?<br />

Die tragische Geschichte der sephardischen Juden von Thessaloniki: Die <strong>DIG</strong>-Arbeitsgemeinschaft<br />

Frankfurt hat begonnen, Israel nicht nur bilateral zu betrachten.<br />

Im Garten der Residenz des Generalkonsuls der Republik Korea, Generalkonsul<br />

Prof. Dr. Bumhym Bek (Mitte) und Vertreter des Jungen Forums und der <strong>DIG</strong> Frankfurt.<br />

Herzliche Begrüßung im »Israel House«<br />

in Tiflis: Itzik Moshe, Präsident der<br />

Israelisch-georgischen Handelskammer,<br />

und Claudia Korenke.<br />

<br />

Fotos: <strong>DIG</strong> Frankfurt<br />

Angefangen hat es mit der European<br />

Alliance for Israel. 19 europäische Länder<br />

entsenden Vertreter ihrer nationalen,<br />

pro-israelischen Organisationen. Und so<br />

kam sie zustande, die Begegnung mit Itsik<br />

Moshe, dem Präsidenten der Israelisch-Georgischen<br />

Handelskammer in<br />

Tiflis. Das war im Deutsch-Georgischen<br />

Jahr 2017 Anlass für die hessische Karl<br />

Hermann-Flach-Stiftung, den epischen<br />

Roman von Nino Haratischwili »Das achte<br />

Leben für Brilka« vorzustellen. Damit<br />

waren es der Zufälle genug und die <strong>DIG</strong><br />

Frankfurt bot mit Unterstützung der Karl<br />

Hermann Flach Stiftung eine Reise ins<br />

aufregende Georgien an: Wir nahmen<br />

teil an der Zeremonie für die Gerechten<br />

unter den Völkern, besuchten Synagogen<br />

und die noch verbliebene, kleine jüdische<br />

Gemeinde, wir sprachen im Außenministerium<br />

mit den Nahost-Verantwortlichen<br />

– und hatten Geschmack gefunden an<br />

Themen, die über die bilaterale Arbeit<br />

hinausgingen.<br />

Nicht nur bilateral: neue Themen und<br />

Zielgruppen am Main<br />

Die Veranstaltungsreihe »Diplomatie am<br />

Abend« war geboren. Frankfurt am Main,<br />

Sitz zahlreicher Diplomaten und Honorarkonsuln,<br />

ist Lebensmittelpunkt für 180<br />

Nationen. Warum nicht jene vorstellen,<br />

die diplomatische Beziehungen zu<br />

Israel unterhalten? Den Auftakt machte<br />

Botschafterin Cecilia Villanueva, die am<br />

Main als Konsulin Mexikos fungiert. Sie<br />

stellte ihr Land vor und die elf großen<br />

Reformpakete der Regierung – aber sie<br />

sprach auch über das wohlfunktionierende<br />

Handelsabkommen mit Israel und<br />

über ihr Land als Exil für europäische Juden.<br />

Vielen blieb Mexiko damals fremd –<br />

zum Beispiel Anna Seghers und doch: es<br />

war das Land, das Weiterleben möglich<br />

machte. Eine gut besuchte Veranstaltung<br />

im »Instituto Cervantes«, neue Gesichter<br />

und Themen, eine mexikanisch-israelische<br />

Weinprobe und neue Impuls für<br />

und aus unserer AG: das war und ist Ziel<br />

und Zweck der »Diplomatie«.<br />

Korea, Griechenland, Guatemala<br />

Die Republik Korea? Griechenland? Das<br />

war so: Das Außenministerium in Seoul<br />

war der Meinung, dass der Konsul in<br />

Frankfurt für deutsch-koreanische Beziehungen<br />

zuständig sei. So kam es nicht<br />

zu einer Veranstaltung, aber zu einer<br />

Einladung an den <strong>DIG</strong>-Vorstand in die<br />

Residenz des Konsuls. Die Tischgespräche<br />

streiften vieles – so auch die intensiven<br />

Beziehungen zwischen Israel und Südkorea<br />

im Hightech-Bereich. Der Nationalfeiertag<br />

des Landes wurde in Anwesenheit<br />

von <strong>DIG</strong>-Vorstandsmitgliedern gefeiert –<br />

und der Generalkonsul besucht seitdem<br />

unsere Veranstaltungen.<br />

Das trifft auch auf die griechische Konsu<br />

lin zu. Sie war zu Gast bei unserer<br />

Veranstaltung mit den Archäologen, die<br />

54 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

Sobibor ausgegraben haben und wir sind<br />

im Gespräch über die Gerechten unter<br />

den Völkern und: Angesichts des 70. Geburtstages<br />

des Staates Israel verfolgen<br />

wir die Spuren einer jüdischen Bevölkerungsgruppe,<br />

über die wir noch wenig<br />

wissen: die Sepharden. Einst, bevor die<br />

Deutschen kamen, war Thessaloniki das<br />

Weltzentrum der sephardischen Juden –<br />

unsere Arbeitsgemeinschaft in Ostfriesland<br />

hat dieses Thema schon vor Jahren<br />

aufgegriffen. Ostfriesische Schüler haben<br />

eine griechische TV-Sendung über die<br />

Geschichte der sephardischen Juden ins<br />

Deutsche übertragen.<br />

Die internationalen Themen bleiben<br />

spannend. Jimmy Morales, der Präsident<br />

von Guatemala, hat angekündigt,<br />

dass die Botschaft seines Landes nach<br />

Jerusalem verlegt wird. Dieser Beschluss<br />

sei verbindlich. Die <strong>DIG</strong> Frankfurt hat der<br />

Botschaft von Guatemala in Berlin einen<br />

Brief geschrieben, da es in Frankfurt<br />

keinen diplomatischen Vertreter Guatemalas<br />

gibt. Aber vielleicht kommt der<br />

Botschafter ja nach Frankfurt.<br />

Claudia Korenke<br />

<strong>DIG</strong> Erfurt<br />

Caravan Orchestra –<br />

Brücke der Musikkulturen<br />

In Kooperation mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Erfurt organisiert das Festival<br />

Yiddish Summer Weimar (YSW) im Sommer <strong>2018</strong> ein großes Musik-Austauschprojekt mit Israel.<br />

Es beginnt mit einer Probenphase in Israel und endet mit Konzerten in Erfurt und Weimar.<br />

Jüdische, arabische und europäische Musik<br />

sind Teil einer häufig übersehenen,<br />

historisch-transnationalen kulturellen<br />

Matrix, die mit diesem Projekt wieder<br />

sichtbar wird. Junge Musiker dieser Traditionen<br />

werden gemeinsame Wurzeln<br />

wiederentdecken und die eigene kulturelle<br />

Identität im Vergleich mit anderen,<br />

verwandten Kulturen besser verstehen.<br />

Zum einen besteht das Caravan Orchestra<br />

aus Musikern des Arab-Jewish Orchestra<br />

der Universität Haifa und zum anderen<br />

aus Absolventinnen des YSW und aus<br />

Studentinnen der Hochschule für Musik<br />

Franz List in Weimar. Beide Gruppen<br />

bringen bereits fundiertes Wissen über<br />

europäische, jüdische und arabische Musik<br />

mit in das Orchester ein und werden<br />

nun gemeinsam die Geschichte dieses<br />

Kultur-Netzwerkes entdecken und so in<br />

der Lage sein, mit diesem neuen Wissen<br />

neue musikalische Wege zu gehen, die<br />

innovativ und zugleich historisch informiert<br />

sind. Die Arbeit an einem abendfüllenden<br />

Konzertprogramm als einem<br />

sofort sichtbaren Ergebnis des Projekts,<br />

das gemeinsame Reisen und der Aufenthalt<br />

im Kulturraum der jeweils anderen<br />

wird zu Vertrauen und Zusammenarbeit<br />

führen. Das Projekt beginnt mit einem<br />

zehntägigen Aufenthalt der deutschen<br />

Gruppe in Haifa, dem eine weitere<br />

Probenphase und mehrere Konzerte in<br />

Erfurt und Weimar folgen.<br />

Preisgekrönte pädagogische Arbeit<br />

Zentrales Element des pädagogischen<br />

Prozesses ist, dass die Teilnehmenden direkt<br />

voneinander lernen und gemeinsam<br />

auf ein Ziel hinarbeiten. Die Methoden<br />

entsprechen dabei den Erfahrungen<br />

aus 17 Jahren preisgekrönter pädagogischer<br />

Arbeit des YSW: das Formen einer<br />

Lerngemeinschaft und die Rücksicht<br />

auf verschiedene Lernformen – intuitiv,<br />

kinetisch, emotional, intellektuell, praktisch<br />

und theoretisch. Alle Teilnehmer<br />

werden in diesen individuellen Gebieten<br />

gefördert und gefordert. Darüber<br />

hinaus werden sie sowohl in Israel als<br />

auch in Deutschland an Programmen<br />

zu Kultur, Politik und Geschichte Israels<br />

und Deutschlands teilnehmen, mit dem<br />

Ziel, die jeweils andere Gesellschaft<br />

durch eine Kombination aus persönlicher<br />

Begegnung und gemeinsamer Arbeit<br />

besser kennenzulernen.<br />

Andreas Schmitges<br />

Musikbeispiele des Caravan Orchestra sind<br />

unter www.caravanorchestra.eu zu finden.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 55


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Freiburg<br />

Von Boykotteuren und Islamisten bis<br />

hin zu muslimischen Israelfreunden<br />

Namhafte Referenten prägten das Veranstaltungsprogramm der <strong>DIG</strong> Freiburg im Jahr 2017.<br />

In ihren Vorträgen informierten sie über die BDS-Bewegung, die Finanzierung radikal-islamischer<br />

Gruppen in Deutschland sowie völkerrechtliche Fragen und Entwicklungen im Verhältnis<br />

zwischen Juden und Arabern im Nahen Osten.<br />

Ist die Boykott-Bewegung antisemitisch?<br />

Mit dem Thema BDS befasste sich Dr. Eva<br />

Ghazari-Arndt. Wir wurden auf sie durch<br />

ihre Beiträge in der <strong>DIG</strong>-Broschüre »Boykottbewegungen<br />

gegen Israel« aufmerksam.<br />

Ihre christlich-armenische Familie<br />

musste nach der islamischen Revolution<br />

1979 aus dem Iran fliehen. Hauptberuflich<br />

ist sie als Juristin tätig. Aus diesem<br />

Blickwinkel analysierte sie das zweifelhafte<br />

Vorgehen der Europäischen Union<br />

im Jahr 2015, die Verbraucherschutzhinweise<br />

zur Herkunftsbestimmung zum<br />

politischen Instrument umfunktionierte,<br />

um einen völkerrechtlichen Status<br />

vorwegzunehmen. Angetrieben durch<br />

BDS-Aktivisten sprachen 16 EU-Minister<br />

eine Empfehlung aus die vortäuscht, es<br />

handele sich um eine völkerrechtspolitische<br />

Entscheidung. Diese Empfehlung<br />

der EU-Kommission zur Anwendung der<br />

EU-Verbraucherschutzrichtlinie dient zur<br />

Abstrafung Israels und ist ein einseitiges<br />

Bekenntnis der EU zu einem Palästinenserstaat<br />

in den Waffenstillstandslinien<br />

vor dem Sechstagekrieg einschließlich<br />

Jerusalem, ohne die Friedensverhandlungen<br />

zwischen den Hauptbeteiligten und<br />

die daraus entstehenden Kompromisse<br />

und Ergebnisse abzuwarten.<br />

Radikalislamische Gruppen in<br />

Deutschland<br />

Sigrid Hermann-Marschall hat sich tief<br />

in Struktur und Finanzierung radikalislamischer<br />

Gruppen in Deutschland<br />

eingearbeitet. Ihr ist wie die der Muslim-<br />

Bruderschaft, die Hamas, die im Gaza-<br />

Streifen die Kontrolle ausübt, zuzurechnen.<br />

Die Muslim-Bruderschaft ist eine<br />

panislamische Organisation, die in mehr<br />

als 70 Ländern aktiv ist. In Deutschland<br />

Oliver Vrankovic und Sarah Zoabi.<br />

rechnet man etwa 50 Gemeinden der<br />

Muslim-Bruderschaft zu, deren Strategie<br />

es ist, die Mitgliedschaft nicht<br />

offenzulegen. Auch bei Aiman Mazyek,<br />

dem Vorsitzenden des Zentralrats der<br />

Muslime, besteht ein gewisser Verdacht,<br />

dass er der Muslim-Bruderschaft zuzurechnen<br />

ist. Zu den Mitgliedern seines<br />

Zentralrats gehört auch die Islamische<br />

Gemeinschaft Deutschlands (IGD), ein<br />

Ableger der Muslim-Bruderschaft, die<br />

vom Verfassungsschutz beobachtet<br />

wird. In Deutschland vertritt sie einen<br />

legalistischen Islamismus, mit dem Ziel,<br />

ihre radikalislamischen Ideen umzusetzen.<br />

Die Finanzierung der Muslim-Bruderschaft<br />

in Deutschland entzieht sich<br />

durch widersprüchliche Selbstauskünfte<br />

und Intransparenz einer eingehenden<br />

Kontrolle.<br />

Foto: <strong>DIG</strong> Freiburg<br />

Stimmen der Versöhnung aus der<br />

islamischen Welt<br />

Zum Verhältnis zwischen Juden und<br />

Arabern im Nahen Osten hatten wir<br />

zwei interessante Vorträge: Eine Lesung<br />

von Carmen Matussek aus ihrem Buch<br />

»Israel, mein Freund. Stimmen der<br />

Versöhnung aus der islamischen Welt.«<br />

Im Mittleren Osten ist Antisemitismus<br />

bei 74 Prozent der Menschen verbreitet.<br />

Bei Palästinensern liegt er sogar bei 90<br />

Prozent. Auf dem Global Forum for Combating<br />

Antisemitism begegnete Carmen<br />

Matussek, die Islamwissenschaft und<br />

Geschichte studiert hat, jedoch muslimischen<br />

Teilnehmern, die sie in herzlicher<br />

Verbundenheit mit ihren jüdischen<br />

Mitstreitern erlebte. Sie waren im Judenhass<br />

aufgewachsen und erzogen worden<br />

56 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

und vollzogen dann einen Sinneswandel.<br />

Meist unter dem hohen Preis der<br />

Entfremdung von Familie und Freunden.<br />

Carmen Matussek beschloss, diesen<br />

Menschen eine Stimme zu geben.<br />

Anschaulich war der Vortrag des<br />

Referenten-Duos Oliver Vrankovic und<br />

Sarah Zoabi »Israel – neue Ansätze in<br />

der Verständigung zwischen Juden und<br />

Arabern auf prozionistischer Grundlage«.<br />

Oliver Vrankovic, ein Deutscher, arbeitet<br />

seit einigen Jahren in einem Altersheim<br />

in Israel. In Deutschland veröffentlicht<br />

er regelmäßig Berichte über Israel. Sarah<br />

Zoabi ist eine israelische Araberin, Muslimin,<br />

die sich öffentlich zum Staat Israel<br />

bekennt. Nachdem Sarahs Sohn Mohammed<br />

mit dem Tod bedroht wurde, weil er<br />

sich 2014 öffentlich gegen die Entführer<br />

der drei israelischen Jugendlichen Naftali,<br />

Gilad und Ejal geäußert hatte, beschloss<br />

Sarah Zoabi in die Öffentlichkeit zu<br />

gehen. Viele muslimische und christliche<br />

Araber bekennen sich privat durchaus zu<br />

Israel, doch zögern sie, dies öffentlich zu<br />

tun, weil sie dann massiv von arabischer<br />

Seite unter Druck gesetzt werden.<br />

50. Jahrestag des Sechstagekriegs<br />

Anlässlich des 50. Jahrestags des<br />

Sechstagekriegs hielt David Labude bei<br />

der <strong>DIG</strong> Freiburg einen Vortrag. Er hat<br />

die Zuhörer sehr kenntnisreich über die<br />

Fakten und Hintergründe informiert. Der<br />

Politikwissenschaftler, der nach einem<br />

längeren Aufenthalt an der Universität<br />

Beer Sheva nun in Berlin promoviert, ist<br />

auch im Mideast Freedom Forum Berlin<br />

aktiv und betreut das Bildungsseminar<br />

»Die israelische Demokratie und der<br />

Nahostkonflikt«. Er ist außerdem Autor<br />

der MFFB-Broschüre »Bildung für die<br />

nächste Generation« zu Inhalten palästinensischer<br />

Schulbücher und empfiehlt<br />

sich daher auch für diese Themen.<br />

Elisabeth Burkard<br />

<strong>DIG</strong> Halle<br />

Solidarität mit dem israelischen Volk<br />

auch in Halle an der Saale<br />

Auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft Halle-Umland wird am 4. Mai <strong>2018</strong> im Hallenser Rathaus<br />

die Ausstellung »Die Geschichte Israels« eröffnet. Auf über 30 großen Tafeln thematisiert die<br />

modulare Ausstellung neben der Geschichte von Erez Israel (Land Israel) auch die Problematik<br />

der jüdischen und arabischen Flüchtlinge, den gegen israelische und jüdische Ziele gerichteten<br />

Terror sowie das Streben der Menschen in Israel nach Frieden mit seinen Nachbarn.<br />

Zur Eröffnung dieser sehr wichtigen<br />

und sachlichen Ausstellung hat<br />

Dr. Bernd Wiegand, der Oberbürgermeister<br />

der Stadt Halle, den Botschafter<br />

des Staates Israel in der Bundesrepublik,<br />

Jeremy Issacharoff, sowie Mitglieder der<br />

Landesregierung Sachsen-Anhalts und<br />

herausragende Persönlichkeiten des<br />

öffentlichen Lebens in Halle herzlich<br />

eingeladen. Die Ausstellung im Hallenser<br />

Rathaus wird bis zum 15. Juni gezeigt<br />

und von vielen Gesprächsangeboten<br />

und anderen Veranstaltungen begleitet.<br />

Die Ausstellungstafeln werden danach<br />

Hallenser Schulen für weitere Seminare<br />

und Projekte zur Verfügung gestellt.<br />

Am 8. Mai, also unmittelbar nach der<br />

Ausstellungseröffnung, fliegt eine große<br />

Gruppe aus Halle und Umgebung nach<br />

Tel Aviv und beginnt dort die 25. Studienreise,<br />

die von der kleinen Arbeitsgemeinschaft<br />

Halle-Umland organisiert und vom<br />

Vorsitzenden Detlev Haupt geleitet wird.<br />

Durch diese Ausstellung und vor allem<br />

die neue Studienreise werden sich auch<br />

neue Initiativen und Denkanstöße zu<br />

der dringend nötigen Diskussion über<br />

die Situation Israels und der Menschen<br />

im Nahen Osten ergeben. Denn auch in<br />

Halle ist deutlich geworden, dass in den<br />

letzten Jahren alte Vorurteile gegen »die<br />

Juden« und »die Israelis« wieder in den<br />

Vordergrund getreten sind. Konnte vor 10<br />

Jahren anlässlich des 60. Jahrestages der<br />

Gründung des Staates Israel gemeinsam<br />

mit vielen anderen Vereinen, den Kirchen<br />

und anderen Einrichtungen die Verbundenheit<br />

mit dem Staat Israel und den<br />

Menschen dort mit einem Fest auf dem<br />

Hallenser Marktplatz bezeugt werden, ist<br />

das heute leider so nicht mehr möglich,<br />

seine Solidarität öffentlich zu zeigen.<br />

Umso mehr freuen wir uns auf die<br />

Eröffnung der Ausstellung im Hallenser<br />

Rathaus.<br />

Dr. Detlev Haupt<br />

Gedenktafel im »Tal der untergegangenen<br />

Gemeinden« in Yad Vashem mit den Namen<br />

aus Sachsen-Anhalt, darunter auch<br />

Halle an der Saale. Foto: Detlev Haupt<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 57


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Hamburg<br />

Jeremy Issacharoff zu Gast in Hamburg<br />

Nach dem durchschlagenden Erfolg der Kick-Off-Veranstaltung »Moin Hamburg, Shalom<br />

Israel – let’s talk about Business Opportunities« im November 2016, initiiert und organisiert<br />

vom Vorstand der <strong>DIG</strong> Hamburg, fand die Eventreihe der Initiative »Israel in Northern Germany«<br />

(www.moinshalom.com) in Kooperation mit der <strong>DIG</strong> Hamburg am 24. November 2017<br />

ihren Höhepunkt – mit einer Talkrunde und hohem Besuch.<br />

Der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff<br />

und Hamburgs zweite Bürgermeisterin<br />

und Senatorin für Wissenschaft, Forschung<br />

und Gleichstellung, Katharina Fegebank,<br />

diskutierten vor Hamburger Unternehmern,<br />

Startups, Studenten und Schülern sowie<br />

Vertretern der jüdischen Gemeinde über die<br />

Chancen einer vertieften Zusammenarbeit<br />

zwischen Hamburg und Israel. Katharina<br />

Fegebank, die zwei Monate zuvor mit einer<br />

Delegation aus Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern<br />

sowie mit Stefan Hensel<br />

und Andrea Frahm von der <strong>DIG</strong> Hamburg<br />

nach Israel gereist war, zeigte sich beeindruckt<br />

vom Gründerspirit der High-Tech-Metropole<br />

und berichtete vom außergewöhnlich<br />

bunten Mix der Delegation.<br />

Jeremy Issacharoff nutzte die Gelegenheit,<br />

sich nach der Diskussionsrunde persönlich<br />

mit den Hamburger Gästen auszutauschen.<br />

Er freute sich besonders über die zahlreich<br />

erschienenen Studenten sowie Schüler des<br />

Gymnasiums Klosterschule Hamburg, die<br />

sich zum Austausch im Mindspace eingefunden<br />

hatten.<br />

Israels Botschafter Jeremy Issacharoff im Gespräch mit Hamburgs zweiter Bürgermeisterin<br />

Katharina Fegebank. Andrea Frahm (Mitte) moderierte die Diskussion.<br />

<br />

Foto: Simcha Studios / Armin Stroiakovski<br />

Im Rahmen seines offiziellen Antrittsbesuchs<br />

bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz im<br />

Januar <strong>2018</strong> räumte der israelische Botschafter<br />

daher in seinem überfüllten Kalender extra<br />

Zeit ein, um das Gymnasium Klosterschule<br />

zu besuchen. Über eine Stunde sprach er mit<br />

den Schülerinnen und Schülern über ihre geplante<br />

Israelreise im Herbst und stand ihren<br />

Fragen charmant Rede und Antwort, bevor er<br />

ins Hamburger Rathaus weiterfuhr.<br />

Für das Jahr <strong>2018</strong> stehen viele Delegationsreisen<br />

nach Israel auf der Agenda der Hansestadt.<br />

Außerdem plant der Senat gemeinsam<br />

mit der <strong>DIG</strong> Hamburg einen Empfang anlässlich<br />

der 70-jährigen Unabhängigkeit Israels.<br />

Andrea Frahm<br />

Jeremy Issacharoff beim Besuch des Gymnasiums Klosterschule.<br />

<br />

Foto: Gymnasium Klosterschule<br />

58 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Köln<br />

Aktionswochen<br />

gegen Antisemitismus<br />

Mit einer Reihe gut besuchter Vortragsveranstaltungen an der<br />

Universität zu Köln widmete sich die <strong>DIG</strong> Köln gemeinsam mit dem<br />

Bündnis gegen Antisemitismus – BgA Köln mittlerweile zum vierten<br />

Mal Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus. Annähernd 360<br />

Besucherinnen und Besucher kamen zu den acht Vorträgen.<br />

Die <strong>DIG</strong> Köln präsentierte gemeinsam<br />

mit dem Bündnis gegen Antisemitismus<br />

– BgA Köln, dem AStA der Universität zu<br />

Köln und dem Studierenden-Ausschuss<br />

der Vollversammlung der Humanwissenschaftlichen<br />

Fakultät einen Querschnitt<br />

aktueller Antisemitismusforschung. Unterstützt<br />

wurde die Veranstaltungsreihe<br />

vom Anne Frank Zentrum Berlin und der<br />

Amadeu Antonio Stiftung. Damit griff<br />

die im Februar neugegründete Kölner AG<br />

eine mittlerweile beinahe schon institutionalisierte<br />

Zusammenarbeit auf, die<br />

die <strong>DIG</strong> AG Bonn 2014 in Köln begonnen<br />

hatte, als sich angesichts der militärischen<br />

Intervention der IDF im Gazastreifen<br />

im Sommer 2014 Antisemitismus von<br />

links und von muslimischer Seite offen<br />

auf Straßen und Plätzen Deutschlands<br />

manifestierte.<br />

Junge Wissenschaftler, Gesellschaftstheoretiker<br />

und politische Aktivisten<br />

präsentierten in der Reihe ihre neuesten<br />

Forschungen. Den gesellschaftstheoretischen<br />

Auftakt lieferte JustIn Monday,<br />

der Erscheinungsformen gegenwärtigen<br />

Antisemitismus im Zuge der krisenhaften<br />

Entwicklung seit 2008 erklärte. Der<br />

Tradierungsgeschichte des Antisemitismus<br />

durch transgenerationale Weitergabe<br />

antisemitischer Ressentiments in<br />

deutschen Familien widmete sich Tom<br />

Uhlig. Sina Arnold präsentierte ihre Untersuchung<br />

von Antisemitismusdiskursen<br />

in der gegenwärtigen US-Linken, die<br />

sie anhand von qualitativen Interviews<br />

mit mehreren Dutzend linker AktivistInnen<br />

dingfest machte. Gerade hier<br />

kam besonders auch der antisemitische<br />

Antizionismus zur Sprache.<br />

Die Befunde Olaf Kistenmachers, der bereits<br />

im Vorjahr über Antisemitismusforscher<br />

vor 1944 berichtet hatte, vertiefte<br />

in diesem Jahr Franziska Krah, die aus<br />

ihrer Dissertation Fallstudien zu Pionieren<br />

der Antisemitismusforschung zur<br />

Diskussion stellte. Einen Schwerpunkt<br />

auf Feindschaft gegen Israel legten die<br />

beiden Vorträge von David Hirsh, der den<br />

Antisemitismus der britischen Linken,<br />

gerade auch in der von Jeremy Corbyn<br />

geführten Labour Party, analysierte und<br />

Heiko Beyer, der antisemitische und<br />

antiamerikanische Weltbilder miteinander<br />

verglich und den theoretischen<br />

wie empirischen Zusammenhang dieser<br />

Weltbilder aufwies.<br />

Von Luther zum Nationalsozialismus<br />

Eine historische Untersuchung der<br />

antisemitischen Gegensätze, die in der<br />

deutschen Ideengeschichte zwischen der<br />

idealisierten deutschen Arbeit und der<br />

abgewerteten jüdischen Arbeit gezeichnet<br />

wurden, bot der Vortrag des Historikers<br />

Klaus Thörner, Vorsitzender der <strong>DIG</strong><br />

Oldenburg. Er zog eine lange Linie von<br />

Luther, über antiaufklärerische Tendenzen<br />

innerhalb der deutschen Aufklärung,<br />

den Nationalismus des 19. Jahrhunderts<br />

bis zum »Arbeitswahn« der Nationalsozialisten.<br />

Schließlich bot Lars Rensmann<br />

eine abschließende gesellschaftstheoretische<br />

Rahmung, die am Beispiel der<br />

gesellschaftstheoretischen Erörterungen<br />

und der ersten systematischen sozialwissenschaftlichen<br />

Untersuchungen des<br />

Antisemitismus im Zusammenhang des<br />

antidemokratischen Denkens durch die<br />

Frankfurter Schule an die Ausführungen<br />

Dr. Sina Arnold stellte ihr Buch über<br />

Antisemitismusdiskurse in der amerikanischen<br />

Linken zur Diskussion.<br />

<br />

Foto: <strong>DIG</strong> Köln<br />

der Gegenwartsanalysen JustIn Mondays<br />

anknüpfte. Die Theorie und Empirie der<br />

Kritischen Theorie setzte den Anfangspunkt<br />

der modernen empirischen<br />

Sozialforschung zum Thema Antisemitismus.<br />

Markiert wird dieser Anfang mit der<br />

»Dialektik der Aufklärung« 1944 und der<br />

»Authoritarian Personality« im Rahmen<br />

der »Studies in Prejudice« 1950.<br />

Die Aktionswochen sollen dieses Jahr erneut<br />

aufgegriffen werden. Ein Vorschlag<br />

der <strong>DIG</strong> Köln ist, neben den politisch<br />

bildenden Vorträgen, die im übrigen<br />

auch ein jüngeres Publikum erfolgreich<br />

ansprechen, eine Podiumsdiskussion<br />

auszurichten. Sie soll ein lebendiges Bild<br />

gegenwärtiger Erfahrungen mit Antisemitismus<br />

vermitteln und sich mit deren<br />

Dokumentation durch Institutionen<br />

wie IIBSA und RIAS in Berlin bzw. SABRA<br />

auseinandersetzen.<br />

Dr. Johannes Platz<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 59


Haifa, Bahai-Gärten<br />

Foto: Dietmar Schulz<br />

<strong>DIG</strong> Mainz<br />

Erst Tränen, dann Jubel<br />

Haifa ist seit drei Jahrzehnten Partnerstadt von Mainz. Beim »Israel-Tag«, den die <strong>DIG</strong>-Arbeitsgemeinschaft<br />

Mainz alljährlich organisiert, ist die Hafenstadt stets ein Thema, in diesem Jubiläumsjahr<br />

sogar ein Programmschwerpunkt. Haifas Stadtgeschichte ist nämlich eng verknüpft<br />

mit den Ereignissen vor und nach der Gründung des Staates Israel vor 70 Jahren.<br />

Damals war die Hafenstadt im Norden<br />

Israels ein Ort der Sehnsucht und der<br />

Hoffnung von zehntausenden deutscher<br />

Juden, aber auch Schauplatz von Flüchtlingsdramen<br />

und weltpolitischen Veränderungen.<br />

In der Partnerstadt Mainz wird<br />

in diesem Jahr unter dem Motto »Mainz<br />

gratuliert: 70 Jahre Israel« daran erinnert.<br />

Blick zurück: Der Hafen von Haifa ist in<br />

den dreißiger und vierziger Jahren für Einwanderer<br />

das Tor Israels. Mehr als 60000<br />

deutsche Juden verlassen auf der Flucht<br />

vor dem Nazi-Terror ihr Geburtsland, um<br />

nach dramatischen Tagen auf See im<br />

damaligen Palästina eine neue Heimat zu<br />

finden und einen eigenen Staat aufzubauen.<br />

Shulamit Schwarz, eine aus Mainz<br />

stammende Zeitzeugin, erinnert sich an<br />

ihre Ankunft in Haifa: »Als wir die Carmel-<br />

Berge gesehen haben, hat das ganze<br />

Schiff gejubelt und getanzt.«<br />

Anders ergeht es mehreren tausend<br />

Flüchtlingen, die auf Befehl der britischen<br />

Mandatsbehörden nicht in Haifa bleiben<br />

dürfen. Britische Kriegsschiffe bringen<br />

sie nach Zypern und Mauritius. Monatelang<br />

müssen sie in Internierungslagern<br />

ausharren, bevor sie nach der Staatsgründung<br />

in Haifa einreisen können.<br />

Das Exodus-Drama<br />

Am Nachmittag des 18. Juli 1947 bahnt<br />

sich im Hafen von Haifa ein Drama an:<br />

Die 4554 Holocaust-Überlebenden an<br />

Bord des Flüchtlingsschiffs »Exodus«<br />

müssen unter Androhung von Waffengewalt<br />

wenige Stunden nach ihrer<br />

Ankunft Haifa wieder verlassen. Auf drei<br />

britischen Gefangenenschiffen werden<br />

die Flüchtlinge, unter ihnen 655 Kinder,<br />

zurück nach Europa deportiert, zurück<br />

in das von ihnen gehasste Deutschland,<br />

zurück in Lager hinter Stacheldraht. Der<br />

Kai, an dem die »Exodus« festgemacht<br />

hat, wird zum »Kai der Tränen«. Die Militäraktion<br />

»Operation Oasis« macht in der<br />

Weltpresse Schlagzeilen und löst allseits<br />

Empörung über das brutale Vorgehen<br />

der Londoner Regierung aus. »Es ist so<br />

unmenschlich, Menschen, die in letzter<br />

Minute der Hölle des Holocaust entkommen<br />

sind, zurück nach Deutschland zu<br />

schicken. Das ist einfach unmenschlich«,<br />

so Eva Wilinski, eine in Haifa lebende<br />

Zeitzeugin. Erst nach der Staatsgründung<br />

können die »Exodus«-Passagiere<br />

nach Israel gelangen.<br />

Letzter Akt im Hafen<br />

Am 14. Mai 1948, dem Tag der Staatsgründung,<br />

kommt Haifa erneut weltweit<br />

in die Schlagzeilen. Im Hafen geht der<br />

letzte Akt der britischen Oberhoheit in<br />

Palästina über die Bühne. Von seinem<br />

Amtssitz in Jerusalem kommend landet<br />

der britischen Hochkommissar Sir Alan<br />

Cunningham mit einer Militärmaschine<br />

in Haifa. Im Hafen schreitet er die<br />

Front einer Ehrenformation ab, bevor<br />

er eine Barkasse besteigt, um zum<br />

Kreuzer »Euryalus« zu fahren, der in der<br />

Hafeneinfahrt vor Anker liegt. Am Kai<br />

wird der »Union Jack« eingeholt. Gegen<br />

Mitternacht verlässt das Kriegsschiff<br />

die Bucht von Haifa in Richtung Westen.<br />

Großbritanniens Herrschaft in Palästina<br />

geht nach 28 Jahren zu Ende. In Tel Aviv<br />

ruft Ben Gurion den Staat aus. Jubel im<br />

ganzen Land. »State of Israel is born«,<br />

titelt die »Palestine Post«.<br />

60 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Vor Ort<br />

Vielfältige Kontakte der Partnerstädte<br />

Siebzig Jahre später ist Haifa die größte<br />

Hafenstadt in Nord-Israel sowie Wirtschafts-<br />

und Kulturzentrum. Mit der<br />

Partnerstadt Mainz bestehen vielfältige<br />

Beziehungen. Vorträge israelischer Autoren,<br />

Dokumentarfilme (u.a. »Schalom<br />

Haifa«), Fotoausstellungen und Konzerte<br />

israelischer Künstler gehören zum<br />

Programm der »Israel-Tage«, die jeweils<br />

im Mai von der <strong>DIG</strong>-Arbeitsgemeinschaft<br />

Mainz veranstaltet werden. Mainzer<br />

Gymnasien organisieren seit Jahren Austauschprogramme<br />

mit Schulen in Haifa.<br />

Firmen in beiden Städten pflegen enge<br />

Geschäftsbeziehungen. Bei internationalen<br />

Symposien an der Mainzer Johannes-<br />

Gutenberg-Universität haben Wissenschaftler<br />

und Politiker das schwierige<br />

deutsch-israelische Verhältnis analysiert.<br />

Die Kontakte im künstlerischen Bereich<br />

sollen intensiviert werden. Gleich drei<br />

städtische Einrichtungen in Haifa weisen<br />

in ihren Namen auf die Partnerstadt<br />

Mainz hin: Ein Jugendzentrum (»Beit<br />

Magenza«), eine Bibliothek (»Mainz-<br />

Library«) und eine Senioren-Tagesstätte<br />

(»Jockel-Fuchs-Heim«) als Treffpunkt von<br />

»Jeckes« in Haifa. Etliche von ihnen stammen<br />

aus Mainz und anderen Städten im<br />

Rheinland. Sie alle sind älter als ihr Staat,<br />

der in diesem Jahr 70 wird.<br />

Dietmar Schulz<br />

<strong>DIG</strong> Ostfriesland<br />

Flaschenpost nach 26 Jahren angespült<br />

Kürzlich erhielt ich einen<br />

Anruf aus BatYam, Israel. Dort<br />

hat jemand ein paar Tage<br />

zuvor eine Flaschenpost am<br />

Strand gefunden: Die haben<br />

Jugendliche aus einem Jugendaustausch<br />

im Oktober<br />

1991 dort tief im Strand eingebuddelt.<br />

Die bewegte See<br />

in Israel im Frühjahr hat sie<br />

dann wohl zutage gefördert.<br />

Der Finder hat diese Flasche zum Glück<br />

nicht zum Plastikmüll geworfen, sondern<br />

ins Rathaus BatYam gebracht. Das<br />

Rathaus hat dann sofort die damalige<br />

israelische Kollegin Judith Gindi informiert,<br />

die mich wiederum sofort anrief.<br />

Am letzten Freitag war diese Story dann<br />

der große Aufmacher in der BatYamer<br />

Wochenendzeitung. Noch am selben<br />

Freitag und am Shabbat liefen die<br />

Facebook-Seiten der ehemaligen Teilnehmer<br />

auf israelischer Seite heiß. Und<br />

auch auf unserer Seite sind die damals<br />

Jugendlichen bereits dabei, sich und ihre<br />

israelischen Partner von vor 26 und 27<br />

Jahren wiederzufinden. Der damalige<br />

Austausch war innerhalb meiner 25-jährigen<br />

Serie unter mehrfachen Gesichtspunkten<br />

besonders: Im Oktober 1990<br />

waren wir mit den jungen Leuten wenige<br />

Tage nach der deutschen Wiedervereinigung<br />

in Berlin. Für mich war damals<br />

bemerkenswert, wie unbefangen die<br />

Israelis unsere Freude über die Vereinigung<br />

teilen konnten. Da waren keine<br />

Ängste vor einem größeren Deutschland<br />

wahrnehmbar. Der Gegenbesuch konnte<br />

nicht im folgenden Frühjahr stattfinden,<br />

weil der Golfkrieg tobte und Israel unter<br />

Raketenbeschuss stand. Deshalb fand<br />

der Gegenbesuch ungewöhnlicherweise<br />

im Herbst 1991 statt. Und jetzt warte ich<br />

mal ganz gespannt ab, was sich aus dem<br />

Wiederaufleben der alten Begeisterung<br />

entwickeln wird.<br />

Wolfgang Freitag<br />

Wunder gibt es immer wieder! In der Zeitung von BatYam war<br />

die Nachricht von der flaschenpost das aufmaher-Thema.<br />

Fotos: <strong>DIG</strong> Ostfriesland<br />

Der Text der Flaschenpost wurde auf Englisch abgefasst, die Übersetzung<br />

lautet: »Wir, die unten Unterzeichnenden schwören, dass diese<br />

unsere Zusammenkunft nicht die letzte sein wird. Wir werden alle unser<br />

Bestes geben, um zu versuchen uns wiederzusehen. Wir versprechen,<br />

dass wir uns einander Briefe schreiben werden, bis es so weit sein wird.<br />

Dieses Papier wird im Strand von BatYam vergraben, um uns alle für<br />

immer an unser Versprechen zu erinnern.«<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 61


Vor Ort<br />

<strong>DIG</strong> Wiesbaden<br />

Erste Arbeitsgemeinschaft der <strong>DIG</strong><br />

Im September 1967 wurde die <strong>DIG</strong>-Wiesbaden als erste offizielle Arbeitsgemeinschaft bundesweit<br />

gegründet. Aus diesem Anlass traf man sich am 21. November 2017 im großen Festsaal des<br />

Wiesbadener Rathauses, dieses 50. Jubiläum gebührend zu feiern.<br />

Sven Gerich, der Oberbürgermeister der<br />

Landeshauptstadt Wiesbaden, überreichte<br />

dem Vorsitzenden der <strong>DIG</strong>-Wiesbaden,<br />

Christian Hill, zum 50. Bestehen der örtlichen<br />

Vereinigung die Stadtplakette in<br />

Bronze. Generalkonsulin Sandra Simovic<br />

überbrachte die Grüße des Staates Israel.<br />

Kultus-Staatssekretär Manuel Lösel<br />

vertrat die Hessische Landesregierung.<br />

Dr. Jakob Gutmark hielt als Vorstand<br />

der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden<br />

und Landesvorsitzender der Jüdischen<br />

Gemeinden in Hessen ein Grußwort.<br />

<strong>DIG</strong>-Präsident Hellmut Königshaus<br />

sprach mit einer vielbeachteten Festrede<br />

den Anwesenden aus dem Herzen.<br />

Für die jahrzehntelange Mitgliedschaft<br />

in der <strong>DIG</strong> ehrten Hellmut Königshaus<br />

und Christian Hill den ehemaligen<br />

ehrenamtlichen Beigeordneten Manfred<br />

Laubmeyer, Dr. Jakob Gutmark, Evelyn<br />

Mandelbaum und Samuel Mandelbaum<br />

mit der Überreichung entsprechender<br />

Urkunden. Samuel Mandelbaum war<br />

Mitbegründer der <strong>DIG</strong>-AG-Wiesbaden<br />

am 21. September 1967. Das musikalische<br />

Rahmenprogramm wurde von Anastasiya<br />

Mishurisman (Geige) und Polina<br />

Grishaeva (Klavier) gekonnt bestritten,<br />

was die Anwesenden mit viel Applaus<br />

quittierten.<br />

Christian Hill<br />

Festakt in Wiesbaden zum Jubiläum der vor 50 Jahren als erste <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />

gegründeten <strong>DIG</strong> Wiesbaden. Es zeigt von links nach rechts: Hellmut Königshaus (Präsident<br />

der <strong>DIG</strong>), Sven Gerich (Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden), Sandra<br />

Simovic (Generalkonsulin des Staates Israel), Manuel Lösel (Staatssekretär beim Hessischen<br />

Kultusminister) und Christian Hill (Vorsitzender <strong>DIG</strong> Wiesbaden). Foto: Joachim Sobeck<br />

Der Arbeisgemeinschaft Wiesbaden wurde<br />

für ihre Verdienste die Stadtplakette in<br />

Bronze verliehen. Foto: Christian Hill<br />

FESTIVAL<br />

70 JAHRE ISRAEL<br />

AUSSTELLUNGEN, VORTRÄGE,<br />

KINDERPROGRAMM<br />

UND VIELES MEHR<br />

SCHIRMHERRSCHAFT:<br />

DR. WOLFGANG SCHÄUBLE<br />

STATION BERLIN<br />

U-BAHNHOF<br />

GLEISDREIECK<br />

25.-27.<br />

MAI<br />

<strong>2018</strong><br />

AB 12 UHR<br />

MEDITERRANE<br />

KÜCHE<br />

BEACHPARTY MIT<br />

UND DJ NICK TVK<br />

FREITAG AB 18 UHR<br />

GEFÖRDERT DURCH:<br />

KOSTENLOSER EINTRITT<br />

MEHR INFORMATIONEN UNTER<br />

WWW.70-JAHRE-ISRAEL.<strong>DIG</strong>EV.DE


Junges Forum<br />

Israelpedia<br />

Das Jahresseminar des Jungen Forums<br />

Am Pfingstwochenende lädt das Junge Forum zu seinem Jahresseminar<br />

nach München ein. Ganz im Zeichen des 70. Jubiläums<br />

der israelischen Unabhängigkeit werden neben den Ereignissen<br />

von 1948 Gegenwart und Geschichte des jüdischen Staates aus<br />

verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Vom 18. bis 21. Mai <strong>2018</strong><br />

soll mit einem vielfältigen Programm die Bildungs arbeit der vergangenen<br />

Jahre fortgesetzt werden.<br />

ISRAELPEDIA <strong>2018</strong><br />

»Israel – 70 Jahre nach<br />

Wiedererlangung der<br />

Unabhängigkeit«<br />

18.–22. Mai, München<br />

Interessierte in der Altersgruppe<br />

bis 35 sind herzlich willkommen!<br />

Anmeldung und weitere Informationen:<br />

jufo@digev.de<br />

Das Seminarprogramm des Jungen Forums (JuFo) möchte<br />

jungen Menschen, die sich im Feld der deutsch-israelischen<br />

Beziehungen engagieren, Hintergrundwissen<br />

zu aktuellen Themen vermitteln. Durch die Erarbeitung von<br />

historischen und theoretischen Grundlagenkenntnissen soll<br />

eine selbständige Bewertung und kritische Beteiligung an gegenwärtigen<br />

Debatten unterstützt werden. Beispielhaft dafür<br />

hier ein Bericht vom Jahresseminar 2017. Damals trafen sich 30<br />

Mitglieder des Jungen Forums in Kassel, um sich im Rahmen eines<br />

langen Wochenendes mit zwei Schwerpunkten zu befassen:<br />

der sozialpsychologischen Analyse faschistischer Agitation und<br />

dem Sechstagekrieg von 1967.<br />

Warum Menschen faschistische Haltungen entwickeln<br />

Angesichts zunehmender »gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit«<br />

(Wilhelm Heitmeyer) sogenannter Populisten der Neuen<br />

Rechten einerseits und des politischen Islams andererseits<br />

drängt sich die Frage auf, warum Menschen autoritäre, nationalistische<br />

und faschistische Haltungen entwickeln. Eine Analyse<br />

solcher Tendenzen jenseits oberflächlicher Empörung erachtet<br />

der JuFo-Bundesvorstand als notwendige Voraussetzung, um<br />

ihnen effektiv entgegentreten zu können. Hierfür hatte er Dr.<br />

Ingo Elbe von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg eingeladen.<br />

In einem Tagesseminar entfaltete der Referent unter<br />

Rückgriff auf die aus den 1930er Jahren stammende Theorie des<br />

autoritären Charakters den Zusammenhang der »emotionalen<br />

Matrix« (Erich Fromm) der Individuen und der Wirkungsmacht<br />

der »Falschen Propheten« (Leo Löwenthal) faschistischer<br />

und rechtspopulistischer Agitation. In der Diskussion konnte<br />

mithilfe des sozialpsychologischen Instrumentariums auch das<br />

Verständnis des historischen Nationalsozialismus und der Dimensionen<br />

der Judenvernichtung in der Schoa vertieft werden.<br />

Judenhass von der Antike bis zur Gegenwart<br />

Mit einem breiteren Publikum teilten die Teilnehmer ihre<br />

Debatte im Rahmen eines öffentlichen Abendvortrags im<br />

Stadteilzentrum Vorderer Westen, mit welchem Elbe das vorangegangene<br />

Seminar ergänzte. »Antisemitismus. Formen des<br />

Judenhasses von der Antike bis zur Gegenwart« behandelte mit<br />

dem vormodernen religiösen Antijudaismus, dem modernen<br />

Antisemitismus und dem Antizionismus nationalsozialistischer,<br />

linker und islamistischer Provenienz verschiedene Formen des<br />

»Gerüchts über die Juden« (Theodor W. Adorno). Deutlich wurde<br />

hierbei: Der Hass auf die Juden hat eine lange Tradition und<br />

ist auch im 21. Jahrhundert weltweit verbreitet. Heute nimmt<br />

er – zumindest im Westen – meist die Form des Zu-verstehen-<br />

Gebens, der Andeutung und vor allem der vermeintlich um den<br />

Weltfrieden besorgten »ehrbaren Israelkritik« an.<br />

Auswirkungen des Sechstagekriegs<br />

Komplementär zur weitgehend theoretischen Befassung des<br />

Vortages war der Schwerpunkt des Programmes am Sonntag<br />

ein historisch-politischer. Im Juni 2017 jährte sich der Sechstagkrieg<br />

zwischen Israel und drei arabischen Staaten zum 50.<br />

Mal. Eines der Ergebnisse dieses Waffenganges ist die bis heute<br />

anhaltende israelische Kontrolle des Westjordanlandes, welche<br />

im Zentrum internationaler Kontroversen steht. Aber auch<br />

die Wiedervereinigung Jerusalems und die damit ermöglichte<br />

Wiederbelebung religiösen jüdischen Lebens an den heiligen<br />

Stätten sowie die Demonstration militärischer Leistungsfähigkeit<br />

auf israelischer Seite prägen den heutigen Blick auf<br />

den Nahen Osten. Leider sind viele Äußerungen in Alltag und<br />

Presse hierzulande bestimmt von Halbwissen, Gerüchten und<br />

Dämonisierungen Israels. Um dem zu begegnen, sollte in einem<br />

sechsstündigen Seminar durch eine detaillierte Untersuchung<br />

der Geschehnisse von 1967 sowie ein intensives Quellenstudium<br />

eine fundierte Wissensbasis erarbeitet werden. Die<br />

Engagierten des Jungen Forums sollten in den Stand versetzt<br />

werden, sich mündig an den Kontroversen des Jubiläumsjahres<br />

zu beteiligen.<br />

Für diese Aufgabe hatten die Organisatoren David Labude,<br />

Mitarbeiter des Mideast Freedom Forum Berlin sowie Autor<br />

der <strong>DIG</strong>-Broschüre zum Sechstagekrieg, gewinnen können.<br />

Sein Workshop widmete sich den Ursachen des Krieges sowie<br />

dessen Verlauf und führte hinein in die andauernde Auseinandersetzung<br />

über Möglichkeiten der Beilegung des arabisch-israelischen<br />

Konflikts. Hierzu untersuchten die Teilnehmer unter<br />

anderem Einlassungen arabischer und israelischer Politiker und<br />

deren jeweilige Haltung vor Kriegsausbruch anhand von Primärquellen.<br />

Nach einer Darstellung des Kriegsverlaufs wurden<br />

die veränderte regionale Situation danach und die politischen<br />

Initiativen der Folgezeit analysiert.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 63


Junges Forum<br />

Am letzten Tag wollten die Teilnehmer das jüdische Leben<br />

vor Ort in Vergangenheit und Gegenwart erkunden. Jürgen<br />

Menzel, zu der Zeit Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />

Kassel, hatte für sie eine Exkursion vorbereitet, die er sachkundig<br />

begleitete. Die Gruppe wurde von Elena Padva durch<br />

die historische Ausstellung des Sara-Nussbaum-Zentrums für<br />

Jüdisches Leben geführt und bekam in der Neuen Synagoge<br />

durch Alexander Katz einen Einblick in das heutige Gemeindeleben<br />

vermittelt.<br />

Als die Teilnehmer beim Verlassen der Synagoge von einer<br />

Passantin antisemitisch beschimpft wurden, verdeutlichte sich<br />

ihnen auf hässliche Weise die Brisanz der Themen des Seminars<br />

sowie die Dringlichkeit des Engagements im Jungen Forum.<br />

Tibor Luckenbach<br />

Neue Ideen, angeregter Austausch<br />

Während Benjamin Netanjahu auf der Sicherheitskonferenz in München sprach und an die<br />

internationale Gemeinschaft appellierte, entschlossen und nicht beschwichtigend auf die iranische<br />

Außenpolitik zu reagieren, saß der Leitungskreis des Jungen Forums (JuFo) in Berlin zusammen.<br />

Das Junge Forum besteht mittlerweile aus 23 Regional- und Hochschulgruppen, deren<br />

Sprecherinnen und Sprecher sich zu einem Wochenende mit gefülltem Programm trafen.<br />

Nach einem ersten Austausch über die Arbeit in den<br />

einzelnen Gruppen und die individuellen Erfolge und<br />

Herausforderungen, stand die Öffentlichkeitsarbeit<br />

des Jungen Forums im Fokus des Treffens. Einleitend dazu war<br />

Rogel Rachman, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Botschaft<br />

des Staates Israels in Berlin, eingeladen und stand Rede und<br />

Antwort, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten zur<br />

Kommunikation des diesjährigen Jubiläums. Anlässlich des<br />

70. Jahrestags der Gründung des Staates Israel konzipierte die<br />

Botschaft eine Ausstellung zu den Meilensteinen in der israelischen<br />

Geschichte, die das Junge Forum in Frankfurt und an<br />

weiteren Orten zeigen wird.<br />

Eintreten gegen »Israelkritik« und Appeasement<br />

gegenüber Iran<br />

Doch auch die Konzeption eigener Ziele und Strategien für die<br />

Kommunikation, insbesondere über soziale Netzwerke, war ein<br />

zentraler Punkt der gemeinsamen Arbeit an diesem Wochenende.<br />

Während eine Gruppe an entsprechenden Plänen feilte,<br />

widmeten sich andere den Strategien und Best-Practice Beispielen<br />

zur Mitgliedergewinnung, den Plänen für einen Austausch<br />

des Jungen Forums mit Israel sowie der finanziellen Lage. Das<br />

Junge Forum ist aufgrund eines sehr geringen Budgets auf<br />

alternative Finanzierungsmöglichkeiten angewiesen. Ein Input<br />

zur Kontaktaufnahme mit diversen Stiftungen und Erfahrungen<br />

der einzelnen JuFos waren hilfreiche Impulse, um in diesem<br />

Jahr trotzdem Veranstaltungen ausrichten zu können. Denn,<br />

und darüber waren sich an diesem Wochenende alle einig,<br />

die wichtigste Aufgabe des Jungen Forums ist es, entschieden<br />

Rogel Rachman (Mitte), Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der<br />

Botschaft des Staates Israels, zu Gast beim Leitungstreffen des<br />

Jungen Forums. <br />

Foto: Junges Forum<br />

gegen die »Israelkritik« und das Appeasement gegenüber dem<br />

Iran in Politik und Gesellschaft einzutreten.<br />

Schließlich durfte neben der inhaltlichen Diskussion auch der<br />

persönliche Austausch nicht fehlen. Für den Samstagabend lud<br />

das Junge Forum Berlin zu einem israelischen Weinabend ein,<br />

für den jeder Gast eine Flasche mitbrachte. Die Stimmung war<br />

so gut, dass eine abschließende Bewertung des besten Weins<br />

ausblieb. Eine Wiederholung ist deshalb in jedem Fall notwendig.<br />

Annika Zecher<br />

64 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Austausch<br />

»So eine Reise hätten wir alleine nicht<br />

machen können«<br />

Die meisten Deutschen kennen Israel nur aus den Medien. 18 junge Frauen und Männer, die das<br />

Mülheimer Berufskolleg Stadtmitte und das Gymnasium in Essen-Werden besuchen, konnten<br />

sich jetzt ein eigenes Bild machen. Der Sparstrumpf der <strong>DIG</strong> und eine Finanzspritze der Mülheimer<br />

Sparkasse machten es möglich. Jerusalem und Tel Aviv standen ebenso auf dem einwöchigen<br />

Reiseprogramm wie die Golanhöhen, der See Genezareth, das Tote Meer und Mülheims 15<br />

Kilometer nordöstlich von Tel Aviv gelegene Partnerstadt Kfar Saba.<br />

So eine Reise hätten wir für 450 Euro pro Person niemals<br />

machen können«, sagt die Gymnasiastin Franziska Halle,<br />

während sie beim Nachtreffen der Israel-Fahrer auf einer<br />

Leinwand die Fotos ihrer Reiseeindrücke vorbeiziehen lässt und<br />

dabei in ein Stück Pizza beißt. Was ist den Schülern nach sieben<br />

vollen Tagen in Israel besonders im Gedächtnis geblieben?<br />

»Man lernt den Frieden zu schätzen«<br />

Die Berufsschülerin Bianca Deuse fand den Besuch auf den seit<br />

dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 größtenteils von Israel kontrollierten,<br />

aber bis heute von Syrien beanspruchten Golanhöhen<br />

und das dortige Gespräch mit zwei UN-Blauhelm-Soldaten<br />

besonders beeindruckend. »Ein österreichischer Soldat berichtete<br />

von den jüngsten Granateinschlägen im Drei-Länder-Eck<br />

Israel-Syrien-Jordanien. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass<br />

die seit 1974 auf den Golanhöhen stationierten UN-Blauhelme<br />

nur als neutrale Beobachter agieren und militärisch von der<br />

israelischen Armee geschützt werden müssen«, berichtet sie.<br />

Deuse ist durch den Besuch auf den Golanhöhen deutlich geworden,<br />

»wie wertvoll die Zusammenarbeit in der Europäischen<br />

Union und die damit verbundene Tatsache ist, dass wir von befreundeten<br />

Nachbarländern umgeben sind, in die wir jederzeit<br />

problemlos reisen können.«<br />

»Ich fühlte mich absolut sicher!«<br />

Vor dem Hintergrund ihrer medialen Israel-Eindrücke, die vom<br />

Nahost-Konflikt und Terroranschlägen geprägt sind, war die Berufsschülerin<br />

Paulina Woldetzky positiv überrascht, »wie sicher<br />

ich mich auch abends als Frau in Tel Aviv gefühlt habe.« Auch<br />

die mit Maschinen-Pistolen patrollierenden Soldaten, denen<br />

sie am Damaskus-Tor in der Jerusalemer Altstadt begegnete,<br />

erlebte sie als freundliche und auskunftsbereite Gesprächspartner,<br />

so dass ihr der zunächst ungewohnte Anblick von Soldaten<br />

im Straßenbild bald vertraut war.<br />

»Eigentlich sollte jeder mal so eine Reise machen!«<br />

Können die jungen Israel-Fahrer aus dem westlichen Ruhrgebiet<br />

ihre Reise Altersgenossen empfehlen? »Auf jeden Fall,<br />

weil man in Israel eine sehr facettenreiche und multikulturelle<br />

Gesellschaft kennen lernen kann, in der Menschen unterschied-<br />

Die jungen Israel-Fahrer aus dem Ruhrgebiet<br />

vor dem Panorama Jerusalems.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 65


Austausch<br />

Die Teilnehmer der<br />

Israel-Fahrt bei ihrem<br />

Nachtreffen im Mülheimer<br />

Petrikirchenhaus.<br />

licher Religionen friedlich zusammenleben«, sagt die Gymnasiastin<br />

Franziska Halle. Sie hat deshalb besonders der Besuch<br />

in einer Grundschule in Tel Aviv begeistert. »Dort lernten und<br />

spielten Kinder aus Israel und Flüchtlinge aus unterschiedlichsten<br />

Ländern ganz selbstverständlich und fast familiär miteinander.<br />

Und obwohl viele der Flüchtlingskinder noch nicht lange<br />

an der Schule waren, bewegten sie sich dort selbstverständlich<br />

und sahen in ihren Lehrern so etwas, wie ihre Freunde.«,<br />

schildert sie ihre vor Ort gesammelten Eindrücke. Geht man in<br />

der von Einwanderern geprägten Acht-Millionen-Gesellschaft<br />

Israels unverkrampfter mit dem multikulturellen Zusammenleben<br />

um. Franziska Halle meint: »Ja!«<br />

»Sie waren sehr aufgeschlossen und interessiert!«<br />

Die Berufsschülerin und angehende Erzieherin Meike Linscheidt<br />

erlebte das Gespräch mit etwa gleichaltrigen Wehrpflichtigen<br />

als besonders spannend. Vor dem Hintergrund ihres Wissens<br />

um die deutsche Tradition friedensbewegter Wehrdienstverweigerer<br />

und Zivildienstleistenden, als die Bundeswehr bis 2011<br />

noch keine Freiwilligen, sondern eine Wehrpflicht-Armee war,<br />

fand sie es interessant wie selbstverständlich und klaglos die<br />

gleichaltrigen Israelis ihrem zwei- bis dreijährigen Militärdienst<br />

ableisteten. Besonders beeindruckend fand sie aber das Interesse<br />

und die Aufgeschlossenheit, »die wir in unseren Gesprächen<br />

mit den jungen Israelis erlebten, die ihrerseits davon beeindruckt<br />

waren, dass wir uns als junge Deutsche für das Land<br />

Israel, seine Menschen und seine Kultur interessierten, obwohl<br />

wir keine Juden sind.«<br />

Mit den unmittelbaren Auswirkungen des Nahost-Konfliktes<br />

waren die Berufsschüler und Gymnasiasten aus dem Ruhrgebiet<br />

nicht nur im Gespräch mit den jungen israelischen<br />

Soldaten, sondern auch bei ihrem Besuch in der Mülheimer<br />

Partnerstadt Kfar Saba konfrontiert. Im Angesicht der acht<br />

Meter hohen Mauer, die die israelische Stadt Kfar Saba von<br />

ihrer palästinensischen Nachbar-Gemeinde Qalqilija trennt,<br />

lernten sie das Kontrastprogramm zu den offenen Grenzen des<br />

europäischen Schengen-Raumes kennen. »Wenn ich in Kfar<br />

Saba auf den dortigen Aussichtsturm steige und auf der einen<br />

Seite die Mauer von Qalqilija und auf der anderen Seite die<br />

israelische Mittelmeer-Küste sehe, wird mir immer wieder die<br />

ganze Tragweite des Nahost-Konfliktes bewusst«, sagt Markus<br />

Püll, der Vorsitzende der <strong>DIG</strong> Duisburg-Mülheim-Oberhausen,<br />

der die junge Reisegruppe zusammen mit seinem Vorstandskollegen<br />

Günter Reichwein durch Israel führte. Für Reichwein, der<br />

in den 60er Jahren zu den ersten deutschen Studenten gehörte,<br />

die Israel besuchten, ist es eine große Genugtuung, »zu sehen,<br />

wie frei und unbefangen sich heute junge Israelis und junge<br />

Deutsche begegnen.«<br />

»Wir dürfen das nicht vergessen!«<br />

Aber auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dem<br />

Ruhrgebiet sparten das traumatische Thema Holocaust nicht<br />

aus. »Es ist schon etwas anderes, ob man in einem Buch über<br />

den Holocaust und seine sechs Millionen Opfer liest oder ob<br />

man in der Gedenkstätte Yad Vashem unter anderem durch Video-Interviews<br />

mit Holocaust-Überlebenden deren Leidensweg<br />

in Yad Vashem sehr anschaulich und persönlich nachvollziehen<br />

kann«, sagt die 18-jährige Gymnasiastin Hannah Bündert. Fühlt<br />

man sich als Urenkelin der deutschen Täter-Generation schuldig?<br />

»Nein. Denn es war nicht unsere Generation, von der diese<br />

Verbrechen begangen wurden. Aber unsere Generation darf die<br />

Verbrechen des Holcaust nicht vergessen und muss die Erinnerung<br />

an sie auch in die Zukunft tragen, damit niemand den<br />

Holocaust leugnen und die Geschichte sich nicht wiederholen<br />

kann«, bringt Bündert die wichtigste Erkenntnis ihres Besuches<br />

in Yad Vashem auf den Punkt.<br />

Thomas Emons<br />

66 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Beduinische Mädchengruppe<br />

aus Israel zu Besuch in Frankfurt<br />

Austausch<br />

Die Kinder- und Jugend-Aliyah, gegründet 1933, um jüdische Kinder dem NS-Regime zu retten,<br />

betreut heute in 172 Jugenddörfern und Einrichtungen in Israel 19 000 Heranwachsende.<br />

In diesen Jugenddörfern leben viele Zuwanderungskinder sowie Kinder aus benachteiligten<br />

Familien. Sie stammen aus den unterschiedlichsten kulturellen und religiösen Hintergründen.<br />

Da insbesondere im südlichen Bereich der Negev-Wüste<br />

viele Beduinen in untereinander sehr zerstrittenen<br />

Stammeskulturen leben und viele der Jugendlichen wenig<br />

Zugang zu Bildung haben, hat das israelische Erziehungsministerium<br />

in den letzten Jahren Jugenddörfer speziell für beduinische<br />

Jugendliche in dieser Region eröffnet. Bisher wurden<br />

jedoch ausschließlich Jungen aufgenommen, da die Beduinen<br />

nicht gern ihre Mädchen außerhäusig betreut wissen. Seit drei<br />

Jahren werden in dem neuen Jugenddorf Kochve Ha’Midbar<br />

Jungen und Mädchen gleichermaßen betreut. Sie alle haben<br />

besondere Führungsqualitäten und starke Charaktere. Die Idee:<br />

Wenn solche Vertreter der einzelnen Stämme miteinander<br />

erzogen werden, können diese schlichtend zwischen den Stämmen<br />

wirken und vor allem Selbstbewusstsein, Emanzipation<br />

und Bildung in ihre Gemeinschaft tragen.<br />

Das Deutsche Komitee der Kinder und Jugend-Aliyah ist ein<br />

gemeinnütziger Verein, der sich bereits seit vielen Jahren mit<br />

bilateralen Projekten engagiert, um israelischen Jugendlichen in<br />

meist einwöchigen Besuchen in Deutschland Ausbildungsinput<br />

zu geben sowie eine Horizonterweiterung und interkulturellen<br />

Austausch zu ermöglichen. Das Projekt mit einer Delegation beduinischer<br />

Mädchen war eine ganz neue Erfahrung. Erstmalig<br />

kam vom 5. und 12. März <strong>2018</strong> eine Gruppe von zwölf Mädchen<br />

im Alter zwischen 15 und 17 Jahren in Begleitung von drei Pädagoginnen<br />

und Betreuerinnen nach Frankfurt.<br />

Beeindruckendes Besuchsprogramm<br />

Auf dem Programm standen ein Besuch auf dem alten jüdischen<br />

Friedhof, eine Führung hinter die Kulissen des Eintracht-Stadions<br />

und ein gemeinsames Training mit der Mädchenmannschaft.<br />

Die Vereinstrikots durften sie mitnehmen. Hierfür, aber auch<br />

für den eindruckreichen Besuch in der Produktion von Opel, auf<br />

dem Flughafengelände und im Müllheizkraftwerk wurden die<br />

Mädchen bei ihrer Rückkehr von den Jungen bestimmt glühend<br />

beneidet. Sie absolvierten außerdem einen Selbstverteidigungskurs,<br />

einen Steinmetzworkshop bei einer Steinmetz-Meisterin,<br />

lernten Schlittschuhfahren und Klettern in der DAV-Kletterhalle,<br />

spielten Bowling gemeinsam mit einer Gruppe eines Mädchenclubs,<br />

verbrachten das Wochenende mit einer Pfadfinderinnengruppe<br />

in der Natur und besuchten am Weltfrauentag auch<br />

das Frauenreferat der Stadt Frankfurt. Ein außergewöhnliches<br />

Ereignis war der Besuch des internationalen Varietés »Tigerpalast«.<br />

Mit großer Begeisterung nahmen die jungen Mädchen das<br />

Programm und alle diese neuen Eindrücke auf.<br />

Für die beduinischen Mädchen in ihrer Entwicklung zu Emanzipation<br />

und dem eigenen Selbstverständnis war der Besuch in<br />

Deutschland eine horizonterweiternde Erfahrung. Sowohl die<br />

Erlebnisse mit der fremden Kultur als auch die Begegnungen<br />

mit Mädchen und Frauen, die in einer an starken Frauenpersönlichkeiten<br />

reichen Kultur aufgewachsen und davon geprägt<br />

sind, haben nachaltigen Eindruck gemacht. Bei der Programmplanung<br />

wurde die Kinder- und Jugend-Aliyah von der Stadt<br />

Frankfurt, insbesondere dem Frauenreferat unterstützt.<br />

Pava Raibstein<br />

Training mit der U16-Mädchen mannschaft von Eintracht<br />

Frankfurt.<br />

Fotos: Pava Raibstein<br />

Alter jüdischer Friedhof Frankfurt: Die Mädchen erfuhren von<br />

der deutsch-jüdischen Geschichte und waren beeindruckt von der<br />

Ähnlichkeit moslemischer und jüdischer religiöser Rituale.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 67


Kunst<br />

Orna Ben-Ami macht<br />

aus Eisen Emotionen<br />

»Entire Life in a Package« ist der Titel einer bemerkenswerten Austellung der<br />

israelischen Bildhauerin Orna Ben-Ami zum Thema Flüchtlinge. Die Kunstwerke<br />

waren im vergangenen Jahr im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New<br />

York und im »Palais des Nations«, Sitz des Hohen Kommissars der Vereinten<br />

Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), in Genf zu sehen – und anschließend<br />

in Bergisch Gladbach.<br />

Die Vereinten Nationen sind in der Kreisstadt östlich von Köln<br />

nicht vertreten, wohl aber ist Bergisch Gladbach eine Partnerstadt<br />

von Ganey Tikva bei Tel Aviv und pflegt mit dieser<br />

intensive und freundschaftliche Beziehungen. Ganey Tikva ist<br />

auch die Heimatstadt von Orna Ben-Ami, eine in Israel bekannte<br />

Künstlerin, von der dort landesweit 39 Skulpturen im<br />

öffentlichen Raum zu sehen sind. Eins ihrer tonnenschweren<br />

Kunstwerke ist seit 2016 auch in Bergisch Gladbach dauerhaft<br />

präsent – im Zuge eines Skulpturenaustauschs haben sich die<br />

beiden Partnerstädte jeweils ein Werk eines ansässigen Künstlers<br />

zum gegenseitigen Geschenk gemacht. Orna Ben-Ami hat<br />

dazu einen überdimensionalen stählernen Schlüssel mit den<br />

Silhouetten der beiden Städte beigesteuert.<br />

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass Orna Ben-Ami in<br />

Bergisch Gladbach ein willkommener Gast ist. Mit dem Thema<br />

ihrer Ausstellung berührt sie zudem ein Thema, das auch dort<br />

hochaktuell ist. So kamen zur Ausstellungsseröffnung in der Villa<br />

Zanders nicht nur Kunstinteressierte und Israelfreunde, sondern<br />

auch eine Gruppe von Flüchtlingen aus Syrien und anderen, vorwiegend<br />

muslimischen Ländern, die jetzt in Bergisch Gladbach<br />

leben und die eine Begegnung mit der Künstlerin aus dem Lande<br />

des vermeintlichen Erzfeindes nicht gescheut haben. Interessiert<br />

schlossen sie sich während der Vernissage einer Führung an, bei<br />

der die Künstlerin ihre Werke persönlich erläuterte.<br />

Orna Ben-Ami erlernte die Gold- und Silberschmiedekunst, studierte<br />

Bildhauerei und arbeitet seit 1994 bevorzugt mit dem Material<br />

Eisen, dem sie eine ungahnte Emotionalität und Weichheit verleiht.<br />

»Was nehmen Menschen mit, wenn sie ihr Heimat verlassen?«<br />

ist die Frage, mit der sich Orna Ben-Ami in ihren Werken<br />

beschäftigt. Dazu rückt sie die wenigen Habseligkeiten von<br />

Flüchtlingen in den Vordergrund, die diese oft in aller Eile<br />

zusammensuchen, bevor die Reise ins Ungewisse beginnt.<br />

Sie kombiniert Aufnahmen von Flüchtlingen mit aus Eisen<br />

68 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Kunst<br />

Orna Ben-Ami lenkt den Blick auf die Habseligkeiten der Flüchtlinge: Was nimmt man mit, wenn man die Heimat zurücklässt?<br />

Fotos: Jürgen Sterzenbach<br />

geschmiedeten Plastiken dieser Habseligkeiten und Gepäckstücke.<br />

Für die Bilder hat sie aus dem Archiv der Presseagentur<br />

Reuters rund 73 000 Fotos zum Thema Flüchtlinge gesichtet<br />

und schließlich einige Dutzend Motive ausgesucht. Die Aufnahmen<br />

konzentrieren sich zeitlich auf die letzen drei Jahrzehnte<br />

und zeigen Vertriebene aus dem Bosnienkrieg bis hin zu<br />

Bootsflüchtlingen aus dem Mittelmeer. Es kommen aber auch<br />

erschreckende Erinnerungen an Auschwitz und die Zeit des<br />

Nationalsozialismus hoch, wenn etwa ein Flüchtling zwischen<br />

Bahngleisen auf einem Koffer sitzend zu sehen ist.<br />

von posierenden europäischen Regierungschefs und -chefinnen<br />

mit eisernen Aktenkoffern und Handtaschen ausstattet. Auch<br />

Politiker haben kein leichtes Gepäck zu tragen.<br />

Jürgen Sterzenbach<br />

www.ornabenami.com<br />

Symbole für den Wunsch, zu überleben<br />

65 Millionen Flüchtlinge, so die offiiziellen Zahlen der Vereinten<br />

Nationen, gibt es derzeit weltweit. Für die Künstlerin sind das<br />

auch Millionen von Bündeln, Taschen, Koffern und anderen<br />

Gepäckstücken, die den Wunsch zu Überleben symbolisieren.<br />

Persönliche Fotos und andere Gegenstände repräsentieren die<br />

Sehnsucht nach der eigenen Heimat und Identität. Besonders<br />

emotional sind ihre Werke, wenn Puppen und Teddybären das<br />

Schicksal von Flüchtlingskindern thematisieren. Die Empathie<br />

der Künstlerin erklärt sich auch aus ihrer eigenen Familiengeschichte.<br />

1953 geboren, wuchs sie unter Einwanderern in Aschdod<br />

auf; ihre Eltern und Großeltern kamen aus Georgien, Polen<br />

und der Ukraine nach Israel. Orna Ben-Ami gelingt aber auch<br />

ein ironischer Blick auf das Flüchtlingsthema, indem sie ein Foto<br />

Die Künstlerin bei der Ausstellungseröffnung mit Bergisch Gladbachs<br />

Bürgermeister Lutz Urbach (Mitte), rechts der israelische<br />

Kulturattachée Tsach Saar, Ehemann Oded Ben-Ami und die Vorsitzende<br />

des Städtepartnerschaftsvereins Petra Hemming.<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 69


Kunst als Brücke zur<br />

Verständigung<br />

Der deutsche Freundeskreis des Tel Aviv Museums of Art e.V.<br />

(TAMAD) wurde 2002 in München als gemeinnütziger Verein<br />

gegründet. Heute engagieren sich bundesweit über 140<br />

Mitglieder für das Friedensprojekt »The Art Road to Peace«<br />

und unterstützen die vielfältigen Projekte und Aktivitäten<br />

des Tel Aviv Museums of Art.<br />

Kinderfriedensprojekt »The Art Road to Peace«<br />

Über die Kunst auf dem Weg zum Frieden – so lässt sich die Vision von »The<br />

Art Road to Peace« beschreiben. Seit vielen Jahren bringt TAMAD in Israel<br />

jüdische, muslimische und christliche Kinder und Jugendliche aller sozialen<br />

Schichten zusammen, damit sie sich in der inspirierenden Atmosphäre des Tel<br />

Aviv Museum of Art begegnen. Sei es bei einem Tag im Museum, bei spielerischen<br />

Workshops für Kindergartenkinder oder bei Seminaren für künstlerisch<br />

begabte Jugendliche. Mehr als 2000 Kinder und Jugendliche profitieren inzwischen<br />

jährlich von den verschiedenen kunstpädagogischen Workshops und<br />

Seminaren. Ziel des Friedensprojektes ist es, über das Medium Kunst Brücken<br />

zwischen den verschiedenen Kulturen zu bauen. In den vielseitigen Workshops<br />

schaffen wir für die Kinder ein kreatives Umfeld, in dem sie sich freundschaftlich<br />

begegnen, Vorurteile abbauen und Toleranz üben. Aktuell unterstützt der<br />

Freundeskreis fünf Workshops mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die<br />

genaue Projektbeschreibung der einzelnen Gruppen ist auf der Homepage des<br />

Vereins unter www.tamad.org zu finden. Ziel ist es, gerade in Zeiten großer<br />

Spannungen die Anzahl der Workshops konstant zu erhöhen und weiterzuentwickeln.<br />

Hierzu ist der Verein auf Spenden angewiesen, die zu 100 Prozent dem<br />

Kinderfriedensprojekt zugutekommen.<br />

Die Deutsche Galerie<br />

Seit 2011 ist die Galerie der Deutschen Freunde zentraler Bestandteil des Tel<br />

Aviv Museum of Art. Die Namensgebung »Deutsche Galerie« erhielt der Verein<br />

zum Dank für die zahlreichen Mitgliederspenden. Auf einer Fläche von 244<br />

Quadratmtern werden wechselnde internationale Ausstellungen gezeigt, darunter<br />

Graphiken und Drucke deutscher Expressionisten wie George Grosz, Otto<br />

Dix, Max Beckmann sowie zeitgenössische Kunst aus aller Welt. Auch einer<br />

der weltweit größten Druckgraphik-Sammlungen des norwegischen Künstlers<br />

Edvard Munch wird regelmäßig in den Galerieräumen präsentiert. TAMAD<br />

versteht die Deutsche Galerie als Bindeglied zwischen Israel und Deutschland<br />

auf musealer Ebene. Der Verein initiiert Kooperationen mit deutschen Museen<br />

und Sammlungen und fördert den kulturellen Austausch. Damit wird der deutschen<br />

und internationalen Kunst in Israel eine besondere Plattform geboten.<br />

Dr. Kerstin Holme<br />

Im Projekt »The Art Road to Peace« begegnen sich<br />

jüdische, muslimische und christliche Kinder und<br />

Jugendliche in der inspirierenden Atmosphäre des<br />

Tel Aviv Museum of Art. <br />

Fotos: TAMAD<br />

Freunde des Tel Aviv Museum of Art<br />

Deutschland e.V. (TAMAD)<br />

Dr. Kerstin Holme<br />

(Leiterin der Geschäftsstelle)<br />

Pienzenauerstraße 88, 81925 München<br />

Telefon +49 (0)89 99884633<br />

Fax +49 (0)89 9828712<br />

info@tamad.org, www.tamad.org<br />

Spendenkonto<br />

Freunde des Tel Aviv Museum of Art<br />

Deutschland e.V.<br />

HypoVereinsbank<br />

IBAN: DE13 7002 0270 0041 1598 20<br />

BIC: HYVEDEMMXXX<br />

70 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Das Ensemble Villa Musica unter der Leitung von<br />

Prof. Alexander Hülshoff in Schloss Dachau.<br />

»Violinen der Hoffnung« in Schloss Dachau<br />

Ein außergewöhnliches Konzert fand Mitte Februar im Renaissancesaal des Dachauer Schlosses<br />

statt. Im Mittelpunkt stand das Projekt »Violinen der Hoffnung« des israelischen Geigenbaumeisters<br />

Amnon Weinstein, der 2016 von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft mit der Ernst-<br />

Cramer-Medaille ausgezeichnet wurde.<br />

Rund 70 Violinen von ehemaligen KZ-Häftlingen hat er gesammelt<br />

und restauriert. Vier dieser Instrumente erklangen nun bei<br />

dem Konzert des Ensembles »Villa Musica«, zu dem der Landkreis<br />

Dachau eingeladen hatte. Auch Amnon Weinstein wäre<br />

gerne gekommen, doch hinderten ihn gesundheitliche Gründe<br />

darann. Aus Israel angereist waren Weinsteins Ehefrau Assaela<br />

und Sohn Avshalom, der ebenfalls das Geigenbauhandwerk<br />

erlernt hat und das Werk seines Vaters fortsetzt. Die beiden<br />

nahmen von der US-Amerikanerin Sonja Becker eine weitere<br />

Geige entgegen – die ihres Vaters.<br />

Auch das musikalische Programm erinnerte an die Geschichte<br />

der Violinen und ihrer jüdischen Besitzer. Professor Alexander<br />

Hülshoff, Leiter des Ensembles »Villa Musica«, wies einleitend<br />

darauf hin, dass Musik in den Konzentrationslagern nicht nur<br />

zwangsweise erklang, sondern dass es auch »private Momente<br />

mit Kammermusikcharakter« gab. In dem Konzert zu hören waren<br />

unter anderem das bekannte »Dachau Lied« des Zwangsarbeiters<br />

Herbert Zipper aus dem Jahr 1938 und der erste Satz von<br />

Anton Dvoraks Quartett Opus 23, das am 1. Juli 1944 im Block<br />

30/1 im KZ Dachau aufgeführt worden war. Auch eine Uraufführung<br />

wurde geboten: ein Streichtrio des von Dachau nach Theresienstadt<br />

deportierten jüdischen Musikers Hans Neumeyer.<br />

Anlässlich des Dachauer Konzerts erschien ein ausführliches<br />

Programmheft mit einer umfangreichen Dokumentation über<br />

die Hintergründe des Projekts Violinen der Hoffnung. In einem<br />

Grußwort schrieb darin Dr. h.c. Charlotte Knobloch: »Mit der<br />

Schönheit der Musik und des Klangs dieser Instrumente sind<br />

untrennbar die grausame Geschichte ihrer einstigen Besitzer<br />

und der kaltblütige Zynismus der Nationalsozialisten verbunden,<br />

die jene als jüdische Menschen vertrieben, gequält, ermordet<br />

haben – eine Ambivalenz, die Musiker wie Publikum unmittelbar<br />

und im tiefsten Herzen berührt. Heute sind die »Violinen<br />

der Hoffnung« klingende Zeitzeugen, Botschafter gegen Hass,<br />

Ausgrenzung und Antisemitismus und für ein menschliches<br />

Miteinander, in dem Raum für Zwischentöne und auch Dissonanzen<br />

ist, die im Zusammenspiel aufgehoben sind.«<br />

Jochen Miersch<br />

Sonia Beker überreicht die Geige ihres Vaters an Assaela und<br />

Avsahlom Weinstein.<br />

Die Geigenbaumeister Amnon (l.) und Avshalom Weinstein in<br />

ihrer Werkstatt in Tel Aviv.<br />

Foto: Birgitta Unger-Richter<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 71


Bücher<br />

Ein anderer Blick auf Israel<br />

Denken wir an Israel, so denken wir sofort an den Konflikt. Unser Blick auf das Land, das in diesem<br />

Jahr sein 70. Gründungsjubiläum begeht, ist eingeschränkt und verengt. Doch die 8,7 Millionen<br />

Menschen unterschiedlicher religiöser Traditionen und ethnischer Herkunft, die in Israel leben,<br />

verdienen einen neuen Blickwinkel. Sie und das Land sind weit mehr als Kampf und Widerstand.<br />

Nun ist im September 2017 bei dem Stuttgarter Verlagshaus Arnold’sche Art Publishers ein Buch<br />

herausgekommen, das unseren Blickwinkel auf eindrucksvolle Weise erweitert.<br />

Artisans of Israel – Transcending<br />

Tradition« (Kunsthandwerker in<br />

Israel – Über die Tradition hinaus)<br />

von Lynn Holstein ist eine Liebeserklärung<br />

an das Land und seine Menschen.<br />

Baruch Rafics brilliante Photos machen<br />

es zu einem visuellen Abendteuer. Das<br />

Buch wird eröffnet mit einem doppelseitigen<br />

Photo des Hügels Hurbat Gaaton<br />

(Ruinen von Gaaton). Der Name Gaaton,<br />

heute ein Kibbutz, geht zurück auf biblische<br />

Zeiten. Das Foto zeigt ein zerfallenes<br />

altes Gebäude, durch das ein Tor den<br />

Blick auf ein zweites verlassenes Gebäude<br />

lenkt wie auf die dahinter liegende<br />

Landschaft, bevölkert von Olivenbäumen,<br />

über denen der blaue Himmel das Spiel<br />

von Licht und Schatten aufgreift. Das Tor<br />

zu einem Land, das unsere Gewissheiten<br />

ins Wanken bringt, seine Wurzeln in biblischen<br />

Zeiten hat, Fragen aufwirft und<br />

nicht nur eine Antwort bereit hält.<br />

Eintreten in eine unbekannte Welt<br />

Lynn Holstein stellt 40 Künstler vor,<br />

erzählt deren Geschichte, erlaubt uns<br />

einen Blick in die Arbeitsprozesse, Gedanken<br />

und Gefühle, die hinter oder in den<br />

Arbeiten aufleuchten, und entwirft somit<br />

ganz nebenbei eine kleine Geschichte<br />

Israels. Gegliedert ist das Buch in fünf<br />

Arbeitsbereiche – Schmuck und Metallarbeiten,<br />

Keramik und Glass, Stoffe und Leder,<br />

Papier, und schließlich Holz und Seife.<br />

Die Künstler – es sind Juden, Christen,<br />

Muslime und Drusen, ein Querschnitt der<br />

Bevölkerung Israels – werden in großformatigen<br />

Portraits bei der Arbeit im<br />

Atelier vorgestellt, jeweils begleitet von<br />

klaren, aussagekräftigen Fotos ihrer Arbeiten.<br />

Der Leser und Betrachter hat den<br />

Eindruck, einen kleinen Besuch in den<br />

Ateliers zu machen, mit den Künstlern<br />

zu reden. Geredet mit ihnen hat Lynn<br />

Holstein. Sie hat sie besucht, sie nach<br />

ihrem Arbeitsethos, den Arbeitsschritten,<br />

ihrer persönlichen und beruflichen<br />

Geschichte gefragt, und teilt uns dies in<br />

einfühlsamen, ja poetischen Begleittexten<br />

mit. Holsteins Sprache ist Englisch;<br />

die hebräische und arabische Textfassung<br />

im Anhang, spiegelt respektvoll die<br />

sprachliche Wirklichkeit Israels wider. Für<br />

deutsche Leser und Leserinnen dürfte die<br />

Sprache kein ernstes Hindernis sein. Die<br />

Bilder sprechen ihre eigene Sprache, und<br />

allein das Buch, das ein kleines Kunstwerk<br />

in sich ist, in Händen zu halten, in<br />

ihm zu blättern, lohnt sich auf jeden Fall.<br />

Aber vielleicht wird es ja auch ins Deutsche<br />

übersetzt werden.<br />

Schmuck, Webkunst, Keramik<br />

und vieles mehr<br />

Shirley Bar-Amotz, Enkelin osteuropäischer<br />

Juden, lebt in einem Kibbutz in der<br />

dritten Generation. Ihr Schmuck ist nicht<br />

nur Dekoration, nein ihre Arbeiten erzählen<br />

Geschichten. Da ist die Brosche in<br />

Form eines Dreiecks aus weißer Baumwolle,<br />

in der Mitte eine blaue Form, die<br />

an ein Flugzeug erinnert, die Basis,<br />

geformt aus Alufolie, aus der Serie »A<br />

Bump on the Wing« (Ein kleiner Ruck am<br />

Flügel). Die Serie geht zurück auf die<br />

Antwort eines Luftwaffenkommandeurs<br />

auf die Frage, wie es sich anfühle, wenn<br />

man eine Bombe auf eine Stadt werfe.<br />

»Ein kleiner Ruck am Flügel«, war die<br />

Antwort. Oder die Brosche, die einen<br />

schwarzen Schwan darstellt, dessen<br />

Bewegung in einem blauen Gebilde aus<br />

Zirkon und Epoxidharz eingefroren ist;<br />

das ganze auf einem Silber-Teflon-Messing<br />

Hintergrund. Eine ganze Serie der<br />

Broschen erzählen von nicht in Israel<br />

einheimischen Tieren, die dort Fremde<br />

sind, und deren Bewegungen durch<br />

Perlen, Edelsteine, oder Kristalle gefangen<br />

sind.<br />

Shirley Bar<br />

Amotz Brosche,<br />

Der schwarze<br />

Schwan<br />

Vered Kaminski, Schmuckdesignerin in ihrem Atelier.<br />

Bar-Amotzs Arbeiten, wie die vieler der<br />

hier dargestellten Künstler, weisen eine<br />

überraschende Mischung aus Materialien<br />

auf, eine Freude am Experimentieren<br />

mit der Mischung aus traditionellen<br />

und fremden Materialien. So drückt sie<br />

im Schmuck Fragen der Identität, des<br />

bewaffneten Konflikts, oder der Nostalgie<br />

der Immigranten nach der eigenen<br />

72 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Bücher<br />

Meir Moheban, Keramiker, bei der Arbeit.<br />

verlorenen Welt aus. Schmuck als Spiegel<br />

einer Gesellschaft.<br />

Da ist Rami Tareef, ein Druse, der auf dem<br />

Buchumschlag in seiner ganzen Dynamik<br />

bei der Arbeit zu sehen ist und dessen<br />

Familie seit 500 Jahren in Galiläa lebt. Tareef<br />

verbindet modernes Industrie Design<br />

mit der alten Webkunst, indem er Stahl-<br />

Tische und Stühle entwirft, sie massenproduzieren<br />

lässt und die Flächen dann<br />

mit handgewebtem Material bespannt.<br />

Auch Initiativen wie die Idimaj Jewelry<br />

School im Nazarth Industrie Park werden<br />

vorgestellt. Diese Schule ist eine Gründung<br />

von Stef Wertheimer. Er arbeitet in<br />

seinen sieben Industrieparks unermüdlich<br />

für ein friedliches Zusammenleben<br />

und die Idee verfolgt, dass eine gute<br />

Ausbildung das Selbstwertgefühl stärkt<br />

und vor Gewaltbereitschaft schützt. In<br />

dieser Schule erhalten Juden, Christen<br />

und Muslime eine kostenlose Ausbildung<br />

in Schmuckdesign und Theorie mit dem<br />

Ziel, später selbständig oder in existierenden<br />

Unternehmen zu arbeiten. Ihre<br />

Arbeiten weisen den gegenseitigen Einfluss<br />

der unterschiedlichen Traditionen<br />

auf. Selbstdisziplin und die Bereitschaft,<br />

miteinander zu kooperieren, sind ideale<br />

Voraussetzungen für jedes Handwerk.<br />

Keramik als Gang durch die Geschichte<br />

eines Landes, ob die Keramik der armenischen<br />

Familie Balian, die seit hundert<br />

Jahren in Jerusalem lebt und arbeitet,<br />

oder die äthiopischen schwarzen<br />

Keramik-Skulpturen von Tenat Auka, der<br />

katholischen Nonnen, oder die gestickte<br />

Keramik Zenab Garbas, einer Beduinen<br />

Frau – alle erzählen von einer anderen<br />

Identität, einer anderen Tradition und<br />

haben ihre eigene Geschichte mit und<br />

in dem Land Israel. Handgewebte Stoffe,<br />

die die Landschaft Israels in sich tragen,<br />

handgewebte Teppiche, des Lakiya Negev<br />

Web-Projektes 1 , Arbeiten in Papier und<br />

Holz – dieses Buch stellt uns Arbeiten in<br />

allen nur denkbaren Materialien vor.<br />

Es ist nicht so, dass diese Künstler unbekannt<br />

wären, sie haben angesehen<br />

Preise erhalten und auf internationalen<br />

Ausstellungen waren ihre Werke einzeln<br />

und in Gruppen zu sehen, aber es gab<br />

bisher noch keine gedruckte Darstellung<br />

ihrer Werke. Dieses Buch leistet dieses. Es<br />

führt uns ein in Israels Suche nach einer<br />

visuellen Identität, wie Land und Leute<br />

sich gegenseitig inspirieren und an dieser<br />

visuellen Identität weben.<br />

1 Lakiya Negev Bedouin Weaving wurde 1991<br />

als ein Einkommenserzeugungsprojekt für<br />

palästinensische Beduinenfrauen gegründet,<br />

die in Dörfern und Lagern in der Wüste Negev<br />

im Süden Israels leben. Durch das Netzwerk<br />

von sechs Frauenzentren in der Region erhalten<br />

rund 150 beduinische Frauen die Möglichkeit,<br />

die traditionellen Fähigkeiten des Spinnens und<br />

Webens der Wolle zu entwickeln, neue Rollen<br />

und Fähigkeiten in Färben, Produktion und<br />

Geschäftsführung zu erwerben und Einkommen<br />

zu verdienen durch die Arbeit. Mariam, die<br />

Produktionsleiterin von Lakiya, sagt, dass das<br />

Projekt ihr eine unschätzbare Gelegenheit bot,<br />

ihr Potenzial zu erforschen. Sie hat ein Gefühl<br />

der Befähigung erlangt, weil sie in der Lage<br />

ist, das Familieneinkommen zu liefern, und ist<br />

stolz, dass all ihre Kinder eine gute Ausbildung<br />

erhalten haben. Mariam sagt: »Das Projekt war<br />

für uns eine lebensverändernde Erfahrung. Jetzt<br />

fahre ich ein Auto, benutze das Internet. Ich<br />

fühle, dass ich frei bin.«<br />

Neues Interesse an Kunsthandwerk<br />

im digitalen Zeitalter<br />

In unserem digitalen Zeitalter entsteht<br />

ein neues Interesse an handgefertigten<br />

Produkten. Das Kunsthandwerk erlebt<br />

eine Renaissance. Dieses Buch ist jedem<br />

zu empfehlen, der sich für Kunsthandwerk,<br />

Israel und experimentelle Prozesse<br />

interessiert. Ja, es ist ein Buch auch für<br />

diejenigen, die sich für Geschichten<br />

von Immigration und persönlichen<br />

Schicksalen interessieren, die andere<br />

Kulturen faszinieren, offen für Neues<br />

sind, schließlich für all jene, die sich über<br />

ein kunstvoll gestaltetes Buch freuen. In<br />

einem Anhang findet man die Adressen<br />

und Kontaktdaten der vorgestellten<br />

Künstler – eine interessante Information<br />

für Israelreisende, um einen der Künstler<br />

zu besuchen. Eine beigefügte Landkarte<br />

zeigt, dass die Künstler sich über das<br />

ganze Land verteilen, vom Norden, nahe<br />

der libanesischen Grenze, bis weit hinunter<br />

in den Süden im Negev.<br />

Eva Schulz-Jander<br />

Lynn Holstein schloss ihr Studium mit<br />

einem MA in Middle Eastern Studies mit<br />

Auszeichnung an der Harvard University<br />

ab. Sie spezialisierte sich auf islamische<br />

Kunst und Architektur. Im vergangenen<br />

Jahr brachte Sie die Biografie des israelischen<br />

Industriellen Stef Wertheimer einer<br />

englischen Leserschaft nahe. Zur Zeit ist<br />

sie Partnerin im Modehaus Maskit, das die<br />

legendäre Ruth Dayan 1954 gründete und<br />

Sharon und Nir Tal wiedereröffneten.<br />

Lynn Holstein<br />

Artisans of Israel<br />

Transcending Tradition<br />

Arnoldsche Art Publishers, Stuttgart<br />

296 Seiten, € 38,–<br />

ISBN 978-3-89790-501-6<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 73


Bücher<br />

Mod Helmy: Wie ein arabischer Arzt in<br />

Berlin Juden vor der Gestapo rettete<br />

Der junge Ägypter Mohamed Helmy kommt als Student in das Berlin der Zwanziger Jahre, um<br />

Medizin zu studieren. Eine ungewohnte Perspektive auf die Zwanziger Jahre Berlins zeigt sich durch<br />

die anschaulich berichteten Lebensumstände der unterschiedlichen Mitglieder einer kleinen ägyptischen<br />

Kolonie. Der gute Ruf, dessen sich deutsche Universitäten zu dieser Zeit im arabischen Raum<br />

erfreuten, stand im Zusammenhang mit der prodeutschen Stimmung in der arabischen Welt, eine<br />

Folge der antibritischen Aktivitäten im Ersten Weltkrieg.<br />

Etwa 400 ägyptische Studenten gab<br />

es zu Beginn der Zwanzigerjahre in<br />

Deutschland, 150 davon in Berlin.<br />

Viele erhielten ein Stipendium von der<br />

Botschaft ihres Heimatlandes. Helmys<br />

Familie war jedoch in der Lage, ihm den<br />

Aufenthalt und das Studium zu finanzieren.<br />

Auch er geriet als ägyptischer<br />

Student ins Visier des Rassismus der<br />

deutschen Gesellschaft. Diese echauffierte<br />

sich in der Ruhrauseinandersetzung<br />

über afrikanische und arabische Besatzungssoldaten<br />

in französischer Uniform.<br />

Helmy besteht 1929 sein medizinisches<br />

Staatsexamen und arbeitet im Städtischen<br />

Krankenhaus in Moabit, wo 1933<br />

alle jüdischen Mitarbeiter entlassen<br />

werden. Auch seine Stellung als »Nichtarier«<br />

wird immer prekärer, er muss sich<br />

aktiv um die neuen Herren bemühen, um<br />

weiter dort arbeiten zu dürfen. 1937 kann<br />

er dort noch promovieren, bevor er 1938<br />

eine private Praxis eröffnet. Als 1939, nur<br />

wenige Tage vor Kriegsbeginn, das ägyptische<br />

Generalkonsulat alle Ägypter zur<br />

Ausreise auffordert, bleibt Helmy jedoch<br />

bei seiner deutschen Verlobten in Berlin.<br />

Die Nazis verschleppen und ermorden<br />

einen großen Teil der jüdischen Ärzte<br />

Berlins, ohne Rücksicht auf die Berliner<br />

Bevölkerung, die auf diese Ärzte für ihre<br />

Versorgung angewiesen war. Helmy<br />

wird einerseits für die Ärzteversorgung<br />

der Berliner benötigt und ab 1942 zur<br />

Vertretung eines Arztes, der zur Wehrmacht<br />

einberufen worden war, zwangsverpflichtet,<br />

andererseits stellt ihm die<br />

Gestapo nach. Im Oktober 1939 wird er<br />

aus seiner Praxistätigkeit heraus verhaftet<br />

und bleibt annähernd zwei Monate in<br />

Haft. Mit ihm werden weitere 124 Araber,<br />

verhaftet. Die Situation ist einigermaßen<br />

absurd: Die meisten dieser Personen<br />

haben Sympathien für Nazideutschland,<br />

V.l.n.r.: Dr. Kay Schweigmann-Greve, Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Hannover, der Autor Igal<br />

Avidan und Dr. Gábor Lengyel, Rabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover.<br />

Foto: Yuri Petrovic<br />

sie lehnen die britische Politik in ihren<br />

Heimatländern, für die sie in Haftung<br />

genommen werden, ab. Helmy kommt<br />

mit Hilfe eines Ägypters frei, der für die<br />

Nazis Propaganda in der arabischen Welt<br />

betreibt und eng mit der NS-Führung<br />

vertraut ist. Im Januar 1940 wird Helmy<br />

erneut verhaftet und bleibt gesundheitlich<br />

schwer angeschlagen bis zum<br />

Juni 1940 in Krankenhaft. Danach darf<br />

er seine – dringend benötigte – ärztliche<br />

Tätigkeit wieder aufnehmen und einen<br />

»deutschblütigen« Kollegen vertreten,<br />

der zur Wehrmacht eingezogen wurde.<br />

Zu seinen Patienten zählt bereits seit<br />

1936 die jüdische Familie Rudnik, zu<br />

der er auch eine persönliche Beziehung<br />

unterhält. Helmy geht durch seine<br />

Unterstützung der Familie ein hohes<br />

persönliches Risiko ein. Auch diese<br />

Familiengeschichte recherchiert Avidan<br />

gründlich und referiert anschaulich den<br />

Werdegang der jüdischen Emigranten<br />

aus Rumänien in Berlin, ihre erfolgreiche<br />

wirtschaftliche Tätigkeit bis 1933 und die<br />

sich dann ständig verschlechternde Situation.<br />

Zunächst kommt ihnen zugute,<br />

dass Rumänien seine Juden schützt und<br />

das Dritte Reich sie nicht zwingt, den<br />

gelben Stern zu tragen und sie zunächst<br />

vor physischer Gewalt oder Deportation<br />

sicher zu sein scheinen. 1942, der<br />

rumänische Staat hat seine jüdischen<br />

Staatsbürger fallen lassen, wird jedoch<br />

die Situation unhaltbar, sie gehen einzeln<br />

in den Untergrund. Anna Boros, die Enkelin<br />

der erfolgreichen Familienpatriarchin<br />

Cecilie Rudnik, wird von Helmy ab 1942<br />

versteckt, zunächst in seiner eigenen<br />

Wohnung, später in einem Gartenhaus<br />

am Stadtrand, und letzlich rettet er sie<br />

unter Gefährdung des eigenen Lebens.<br />

Besonders an dieser Rettungsgeschichte<br />

ist der Einfluss der muslimischen<br />

Community: Helmy organisiert Annas<br />

Konversion zum Islam, die von einem engen<br />

Mitarbeiter des berüchtigten Mufti<br />

von Jerusalem – Hitlers erstem Mann in<br />

der arabischen Welt – durchgeführt wird.<br />

Anschließend heiratet sie einen Ägypter,<br />

den Betreiber eines der raren Jazz-Lokale<br />

im Berlin der Kriegsjahre, um hierdurch<br />

die ägyptische Staatsbürgerschaft zu<br />

erhalten und, nicht als Jüdin erkennbar,<br />

eingetragen in den Reisepass ihres Man-<br />

74 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Bücher<br />

nes, nach Ägypten ausreisen zu können.<br />

Die meisten der beteiligten Ägypter<br />

wissen worum es geht – die Rettung<br />

einer Jüdin. Der Plan scheitert, da ihr<br />

Ehemann in den Kriegswirren kein Ehefähigkeitszeugnis<br />

aus Ägypten beibringen<br />

kann. Anna kann Nazideutschland nicht<br />

verlassen.<br />

Helmy steht weiterhin zu seinem Schützling,<br />

für den nun eine Lösung in Deutschland<br />

gefunden werden muss. Diese<br />

findet sich am Stadtrand in Berlin-Buch<br />

in einer Gartenlaube, Helmy arbeitet nun<br />

auch im dortigen Krankenhaus. Auch hier<br />

ergibt die intensive Recherche des Umfeldes<br />

ein eindrucksvolles Bild nicht nur<br />

der Lebensumstände von Mod Helmy,<br />

seiner Verlobten und Anna Boros, sondern<br />

auch von den sozialen Beziehungen<br />

der in der Nachbarschaft lebenden Menschen<br />

und ihrer Haltung zum Regime<br />

während der letzten Kriegsjahre. Helmy<br />

steht sogar weiter zu der Familie, als sich<br />

die Mutter an ihrer Zwangsarbeitsstelle<br />

verplappert und von ihrer Tochter berichtet,<br />

welche die Gestapo überliste, indem<br />

sie sich als Muslima ausgebe.<br />

Auch die übrigen Familienmitglieder erleben<br />

in ihren Verstecken den Einmarsch<br />

der Roten Armee, Helmy kann seine<br />

Verlobte endlich heiraten und richtet<br />

sich erneut in Berlin ein. Ein besonders<br />

deprimierendes Licht wirft das Ende der<br />

Geschichte auf die deutschen Behörden,<br />

die sich lange weigern, Helmy als Opfer<br />

der NS-Diktatur anzuerkennen und ihm<br />

den lächerlichen Betrag von 3500 DM<br />

für »Schäden an seinem beruflichen<br />

Fortkommen« und 750 DM Haftentschädigung<br />

zubilligten.<br />

Das Buch eignet sich aufgrund seines<br />

muslimischen Hauptprotagonisten gut<br />

für die Arbeit mit Jugendgruppen oder<br />

Schulklassen, seine besondere Identifikationsfigur<br />

bietet migrantischen<br />

Jugendlichen einen spezifischen positiven<br />

Zugang zu diesem Thema. Darüber<br />

hinaus zeichnen die einfühlsam dargestellten<br />

– und sorgfältig recherchierten<br />

– Einzelschicksale der unterschiedlichen<br />

Personen, denen der Leser in diesem<br />

Buch begegnet, ein differenziertes Bild<br />

der zwischenmenschlichen Beziehungen<br />

unter der NS-Diktatur. Darüber hinaus<br />

bietet es eine anrührende und fesselnde<br />

Lektüre, die, so ist es jedenfalls mir<br />

ergangen, die eigenen Gedanken noch<br />

lange beschäftigt, nachdem das Buch<br />

bereits beendet ist.<br />

Dr. Kay Schwegmann-Greve<br />

Igal Avidan<br />

Mod Helmy<br />

Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden<br />

vor der Gestapo rettete<br />

dtv, München 2017, 248 Seiten, € 20,–<br />

ISBN 978-3-423-28146-1<br />

Bewegende Begegnung mit Barbaras Buch<br />

Eines Tages rief sie mich an und<br />

sagte, sie habe ein Buch geschrieben.<br />

Barbara und ich hatten schon<br />

einmal ein Projekt miteinander gestaltet<br />

und uns gut verstanden. Und so versprach<br />

ich, mich um das Buch zu »kümmern«.<br />

Große Erwartungen hatte ich<br />

nicht. Viele jener Bücher, die Überlebende<br />

des Holocaust oder ihre Nachfahren in<br />

zweiter, dritter, ja, mittlerweile vierter<br />

Generation schreiben, sind bitter notwendig.<br />

Sie dienen der Verarbeitung, oft<br />

nur der Autoren – und deshalb darf man<br />

auf keines verzichten wollen. Nur: mit<br />

Literatur haben sie eher selten zu tun. Mit<br />

diesen Überlegungen und Vorurteilen bin<br />

ich an Barbara Bišický-Ehrlich‘s Erstling<br />

»Sag, dass es dir gut geht« gegangen.<br />

Mein Fehler. Schnell merkte ich, mit welcher<br />

mühelosen Eleganz Barbara hin- und<br />

herspringt zwischen den Biographien<br />

ihrer Vorfahren. Schnell merkte ich, dass<br />

es hier nicht nur um private Schicksale<br />

geht, sondern um Menschen, die immer<br />

wieder dem Weltgeschehen ausgesetzt<br />

sind, ihm zum Opfer fallen oder überleben,<br />

Verletzungen und Ängste davonund<br />

auf nachkommende Generationen<br />

übertragen. Was das heißt? Die Urgroßeltern:<br />

Bergen-Belsen, Theresienstadt.<br />

Die Großeltern: das Grauen überlebt und<br />

ausgeliefert dem Kommunismus in der<br />

ehemaligen Tschechoslowakei. Dann: der<br />

Prager Frühling – eine Familie, die sich<br />

wiederfindet, wurzellos, heimatlos in<br />

Westdeutschland. Orientierungslos! Erst<br />

hier nähert sie sich, zögernd, mit Rückschlägen,<br />

einem Lebensthema: Barbaras<br />

Familie ist eine jüdische Familie. Barbaras<br />

Kinder sind seit Generationen die ersten,<br />

die ihr Judentum bewusst leben.<br />

Ein Sprung zurück zu Barbaras Vater:<br />

ein tschechischer Emigrant in Frankfurt<br />

am Main, Angestellter seiner Eltern. Sie<br />

wurden zu »Textilern«. Sie kauften Restkollektionen<br />

auf und verkauften sie für<br />

kleines Geld mit großem Erfolg in kleinen,<br />

vollgestopften Läden im Frankfurter<br />

Stadtteil Bockenheim.<br />

Und da wusste ich es: Dieses Buch<br />

handelt von mir. Von meiner böhmischen<br />

Mutter. Von meinem Großvater, der<br />

Textiler war und in Ausschwitz ermordet<br />

wurde. Von mir: als Kundin in den kleinen<br />

wühligen Geschäften, damals, Ende der<br />

70er, als Barbara noch ein Kind war.<br />

Claudia Korenke<br />

Barbara Bišický-Ehrlich<br />

Sag’, dass es dir gut geht<br />

Eine jüdische Familienchronik<br />

Größenwahn Verlag, Frankfurt<br />

200 Seiten, € 21,90,<br />

ISBN 978-3-95771-204-2<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 75


ISBN 978-3-8487-0555-9<br />

BUC_Ionescu_0555-9.indd 1 09.05.14 11:19<br />

Bücher<br />

Der Antisemitismus der Anderen<br />

Inhalt: Thema des Sammelbandes ist die Frage nach dem Vorkommen von Antisemitismus in deutschen<br />

Parteien nach 1945. Über die bisher in der Forschung zu Antisemitismus und Parteien verbreitete<br />

Fokussierung auf politische Ränder hinaus stehen auch CDU, CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen<br />

und FDP im Blickpunkt. Denn antisemitische Äußerungen sind quer durch alle politischen Lager zu<br />

Die Herausgeber: Dana Ionescu, M.A., geb. 1985, hat Politikwissenschaft, Soziologie und Öffentliches<br />

Recht studiert. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der<br />

Prof. Dr. Samuel Salzborn, geb. 1977, hat Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie und Rechtswissenschaft<br />

studiert und in Politikwissenschaft promoviert und habilitiert. Seit 2012 ist er Professor für<br />

Grundlagen der Sozialwissenschaften am Institut für Politikwissenschaft der Georg-August-Univer-<br />

Wenn Antisemitismus thematisiert wird, dann wird er zumeist an den Rändern<br />

des politischen Systems der Bundesrepublik verortet. Jedenfalls Georg-August-Universität Göttingen. ist der<br />

finden.<br />

sität Göttingen.<br />

klassische Antisemitismus bei politischen Rechten und der sekundäre Antisemitismus,<br />

der sich vom Bedürfnis nach Schuldabwehr und Revision der<br />

Folgen des Zweiten Weltkriegs speist, verortet.<br />

Seit weit über zwanzig Jahren wird<br />

wissenschaftlich und publizistisch<br />

der Antisemitismus von links thematisiert,<br />

der ebenfalls dem sekundären<br />

Antisemitismus aus Schuldabwehr-<br />

Motiven entspringt, die sich in diesem<br />

Feld mit ausgesprochener Israelfeindschaft<br />

verbinden. Wenig wurde in den<br />

vergangenen Jahrzehnten vom Antisemitismus<br />

der Mitte gesprochen, obwohl<br />

seit geraumer Zeit die Mitte-Studien<br />

der Friedrich-Ebert-Stiftung vorliegen<br />

und antisemitische Einstellungen in der<br />

Meinungsforschung gut mit parteipolitischen<br />

Milieus korreliert werden können.<br />

Wie also verhält es sich mit dem Antisemitismus<br />

der Christdemokraten, der<br />

Christsozialen, der Freien Demokraten,<br />

der Sozialdemokraten und wie verhalten<br />

sich die Parteien zum Antisemitismus<br />

in ihren Reihen bzw. in den Reihen der<br />

konkurrierenden Parteien?<br />

Der von Dana Ionescu und Samuel<br />

Salzborn herausgegebene Sammelband<br />

nähert sich diesen Fragen in neun Fallstudien.<br />

. Sie nehmen sich aus der Sicht<br />

der Parteienforschung und der jüngeren<br />

und jüngsten Zeitgeschichte der Genese<br />

des Antisemitismus im politischen Feld<br />

der BRD an, wobei Sebastian Voigt die<br />

Fragestellung im Falle der Sozialdemokratie<br />

auf die vergangenen 150 Jahre<br />

Parteigeschichte ausdehnt. In diesem<br />

Beitrag ist die inhaltliche Bandbreite<br />

besonders bemerkenswert, gehörte die<br />

Sozialdemokratie doch zu den ersten<br />

politischen Gegnern des Antisemitismus,<br />

die ihn aufrichtig bekämpfte. Voigt kann<br />

allerdings auch aufzeigen, dass es in<br />

der Parteigeschichte der SPD auch eine<br />

ganze Reihe problematischer Positionierungen<br />

gibt, insofern sich eine regressive<br />

Kapitalismuskritik gegen Exponenten<br />

des als solches apostrophierten »Finanzkapitals«<br />

richteten. Spannend sind die<br />

Befunde der anderen Studien allemal.<br />

Julia Kopp & Tobias Neef widmen sich<br />

der Christdemokratie, Bodo Kahlmann<br />

den Christsozialen. Wenn auch zum<br />

Beispiel der israelbezogene Antisemitismus<br />

in diesem Feld in der Regel weniger<br />

ausgeprägt ist, so fällt doch auf, dass die<br />

Christdemokraten und -sozialen in einer<br />

ganzen Reihe vergangenheitspolitisch<br />

brisanter Debatten wie der Debatte um<br />

das »Denkmal für die ermordeten Juden«<br />

in Berlin, in der Goldhagen-Debatte, in<br />

den Debatten um die Entschädigung<br />

der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter,<br />

in der Debatte um die Wehrmachtsausstellung<br />

oder im Umfeld<br />

der Walser-Bubis-Debatte eine hohe<br />

Frequenz an antisemitischen Aussagen<br />

in den Parlamentsdebatten und in den<br />

Parteiorganen zeitigten, die häufig dem<br />

sekundären Schuldabwehrantisemitismus<br />

zuzurechnen sind. Im Falle der<br />

Freidemokraten werden personelle Konstellationen<br />

der Nachkriegszeit mikronanalytisch<br />

rekonstruiert und als einer der<br />

schärfsten antisemitischen Kampagnen<br />

der Nachkriegszeit die Möllemann-Affäre<br />

2002/03 dargestellt. Man muss sich<br />

diese Kampagne noch einmal vor Augen<br />

führen, um zu ermessen, wie sich die<br />

Grenzen des Sagbaren in den 2000er-<br />

Jahren verschoben haben.<br />

Von großer Bedeutung, auch zur Einordnung<br />

und zum Vergleich, sind die Fallstudien<br />

zu den kleineren Parteien. Im Falle<br />

von Saskia Richters Studie zu Bündnis<br />

90/Die Grünen bleibt der Eindruck, dass<br />

hier noch mehr zu Tage zu fördern gewesen<br />

wäre, ohne dass man Richter die<br />

Intention der Beschönigung unterstellen<br />

wollte. Die Parteien am linken Rand mit<br />

der Linkspartei und der Piratenpartei<br />

sowie rechts mit der NPD liefern insgesamt<br />

die materialreichsten Beiträge und<br />

belegen, dass der linke Antisemitismus<br />

ein reales Problem ist. Obwohl es in der<br />

Linkspartei mit dem Bundesarbeitskreis<br />

Schalom der Linksjugend solid ein Forum<br />

innerparteilicher Kritik und prominente<br />

Gegner einer antisemitischen Positionierung<br />

sowie programmatische Stellungnahmen<br />

gegen Antisemitismus und<br />

Israelhass gibt, hat die Linkspartei auf<br />

Ionescu | Salzborn [Hrsg.]<br />

Antisemitismus in deutschen Parteien<br />

1<br />

2<br />

Interdisziplinäre Antisemitismusforschung<br />

Interdisciplinary Studies on Antisemitism l 2<br />

Dana Ionescu | Samuel Salzborn [Hrsg.]<br />

Antisemitismus<br />

in deutschen Parteien<br />

Nomos<br />

Dana Ionescu, Samuel Salzborn [Hrsg.]<br />

Antisemitismus in deutschen Parteien<br />

Nomos Verlag 2014 (Interdisziplinäre<br />

Antisemitismusforschung; 2)<br />

323 Seiten, € 59,–<br />

ISBN 978-3-8487-0555-9<br />

beinahe allen Ebenen von der Basis bis<br />

zu Bundestagsmitgliedern ein massives<br />

Antisemitismusproblem. Ein ähnliches<br />

Bild zeigt sich bei den Newcomern der<br />

Piratenpartei, wobei hier bemerkenswert<br />

ist, dass durch die offenen digitalen Kommunikationsformen<br />

sich antisemitische<br />

Äußerungen am besten – auch in der<br />

Auseinandersetzung mit parteiinternen<br />

Gegnerinnen und Gegnern des Antisemitismus<br />

beobachten lassen.<br />

Meist ist wenig Anerkennung damit<br />

verbunden, wenn man einen Sammelband<br />

als materialreich bezeichnet. In<br />

diesem Fall ist das anders: Der Band<br />

zeichnet sich durch eine beinahe akribische<br />

Rekonstruktion der antisemitischen<br />

Positionierungen im bundesdeutschen<br />

politischen Feld aus und legt durch die<br />

dichte Belegführung viele Fährten für<br />

vertiefte Untersuchungen, von denen<br />

man sich noch viele wünschen mag. Wie<br />

aber gehen die Parteien mit dem parteiinternen<br />

Antisemitismus um: Auffallend<br />

ist, dass beinahe alle Parteien, wenn es<br />

sich um parteiinterne kritikwürdige Aussagen<br />

handelt, im Beschwichtigen und<br />

der Apologie gefallen, wohingegen sie zu<br />

den lautstarken Kritikern gehören, wenn<br />

es darum geht, den Antisemitismus der<br />

anderen zu kritisieren. Insofern wünscht<br />

man sich, dass die hier vorgelegten<br />

Ergebnisse der Parteienforschung breit in<br />

den Parteien rezipiert werden.<br />

Dr. Johannes Platz<br />

76 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Die Vermessung eines kleinen Landes<br />

Über kaum ein anderes Land haben so viele Menschen eine Meinung wie zu Israel – nur mit den<br />

Fakten hapert es leider allzu oft. Gerade deshalb sind Bücher über den jüdischen Staat, die mehr<br />

als eine reine Momentaufnahme darstellen, ganz besonders wichtig. Der »Länder bericht Israel«,<br />

herausgegeben von Gisela Dachs, ist genau so eines.<br />

Bücher<br />

Von den Anfängen des Zionismus,<br />

der aktuellen Einwanderungswelle<br />

aus Frankreich oder Aspekten<br />

sozialer Sicherung – wohl kaum eine<br />

Facette der Geschichte, der Wirtschaft<br />

oder des täglichen Lebens wird ausgelassen.<br />

Selten hat man in einem Buch über<br />

Israel derart viele intime Kenner der Verhältnisse<br />

als Autoren zusammenbringen<br />

können, wie in diesem opulent gestalteten<br />

Länderbericht der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung. »In ihrer Vielfalt<br />

sollen die Beiträge einem wissenschaftlichen<br />

Anspruch gerecht<br />

werden, aber zugleich auch<br />

ein greifbares Gesamtbild<br />

der Gesellschaft malen«,<br />

bringt Dachs das Konzept<br />

dahinter auf den Punkt.<br />

Selbstverständlich nehmen<br />

auch die deutschisraelischen<br />

Beziehungen<br />

Gisela Dachs<br />

Foto: Leo Baeck Institut<br />

Jerusalem<br />

einen prominenten Platz ein. So berichtet<br />

der Historiker Moshe Zimmerman von<br />

den ersten Kontakten nach der Schoah<br />

und beschäftigt sich intensiv mit den<br />

Asymmetrien in den gegenseitigen Wahrnehmungen<br />

und ihren Ursachen. Selbst<br />

Kenner der Materie dürften angesichts<br />

der Faktenfülle Neues entdecken. Der<br />

»Länderbericht Israel« ist deshalb auch<br />

kein Buch, das man von Anfang bis zum<br />

Ende einfach nur liest und anschließend<br />

ins Regal stellt. Man sollte es stets griffbereit<br />

halten, um die oft genug überraschenden<br />

und ebenso häufig<br />

verwirrenden Entwicklungen<br />

sowie vor allem das Handeln<br />

der Protagonisten in der<br />

Region und die Reaktionen<br />

der internationalen Politik<br />

interpretieren und nachvollziehen<br />

zu können.<br />

Ralf Balke<br />

Gisela Dachs [Hrsg.]<br />

Länderbericht Israel<br />

Bundeszentrale für politische Bildung,<br />

Bonn 2016, brosch., 768 Seiten, € 4,50<br />

25 Jahre Jüdischer Almanach<br />

Wie kommt es, dass die Lebenserwartung der Israelis mit<br />

zur höchsten der Welt zählt? Wie vererbt sich jüdische<br />

Identität? Und wie verändert sich ein Land im »Renten­<br />

Siebzig Jahre nach seiner Gründung ist der Staat Israel trotz seiner exponierten<br />

Position ein selbstverständlicher Teil des Nahen Ostens. Was sich<br />

der österreichische Visionär Theodor Herzl einst erdachte, ist heute ein<br />

Land westlicher Prägung bevölkert von Einwanderern aus aller alter«? Welt.<br />

Das Leo Baeck Institut in Jerusalem<br />

feiert diesees Ereignis mit der 25.<br />

Ausgabe des von ihm in Auftrag<br />

gegebenen Jüdischen Almanachs, der<br />

im April <strong>2018</strong> zu den Feierlichkeiten des<br />

70. Geburtstages des Staates Israels mit<br />

dem Titel »Mein Israel« erschienen ist.<br />

Die Herausgeberin des Jüdischen Almanach<br />

<strong>2018</strong>, Dr. Gisela Dachs, hat mehr<br />

als 20 Jahre als Auslandskorrespondentin<br />

für die Wochenzeitung »Die Zeit«<br />

in Israel gearbeitet. Inzwischen ist sie<br />

als freie Journalistin, Buchautorin und<br />

Hochschuldozentin tätig. Sie lebt mit<br />

ihrer Familie in Tel Aviv. Heute schlägt<br />

der Jüdische Almanach gewissermaßen<br />

eine Brücke von Israel nach Deutschland.<br />

Er wird in Israel in deutscher Sprache<br />

produziert,. Seine Leserschaft aber ist ein<br />

weitgehend nicht-jüdisches Publikum<br />

in Deutschland. Im Jüdischen Almanach<br />

<strong>2018</strong> kommen 17 namenhafte Autoren<br />

zu Wort. Darunter Insider, säkulare und<br />

ultraorthodoxe Betrachter, ebenso wie<br />

Outsider aus Ägypten, China und Indien.<br />

Alle richten jeweils ihren ganz eigenen<br />

Blick auf Israel. Die Beiträgen stammen<br />

von Etgar Keret, Sayed Kashua, Ofri Ilany,<br />

Sarah Stricker, Amir Eshel, Johannes<br />

Becke, Anja Siegemund, Stefan Litt und<br />

vielen anderen.<br />

Heike Anna Grunewald<br />

Der diesjährige Jüdische Almanach beschäftigt sich mit<br />

Agnatur as molorerro od ut voluptat et officipsusam arios<br />

dit aut omniaes sintibus rehent quam que aliqui doluptae<br />

sed mossum harum soloriberci to experias vendelit et est<br />

fugia aut quiam, ute nusame pe aute consecte volorrum<br />

que la nat dolut eaqui berem ilit parcia coremquatur, senis<br />

resto to quis perum voluptatia cone consequo blaboreri<br />

ipsant experiam quia doluptia con culla que conse es<br />

num non porum eaquiae volorro totae vit volorer eptatur<br />

aut rererum id quam invelliquis maios santo quamus sit<br />

ommoluptat optur sequi ut mo inus, cum aut esendan dipsum<br />

qui debita doluptaque offic testis ex ea corem explit<br />

fugia et, consequi ditatur mod ma aliqui beratem iur?<br />

Quiaecati corum qui cuptas denda ped es escitat urestium<br />

que magnis estionsequos accumen dusam, soluptibus reptaest<br />

aliqui quod magnatur re, odis sus eum evendam al<br />

www.suhrkamp.de<br />

€ 8,95<br />

€ 18,00 [D]<br />

€ 18,50 [A]<br />

JÜDISCHER ALMANACH Mein ISRAEL<br />

Mein ISRAEL<br />

Alter<br />

Jüdischer Verlag Verlag<br />

im im Suhrkamp Suhrkamp Jüdischer Verlag Verlag<br />

im Suhrkamp Verlag<br />

Gisela Dachs [Hrsg.]<br />

Mein Israel, Szenen eines Landes<br />

Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main <strong>2018</strong><br />

184 Seiten, € 20,–<br />

ISBN 978-3-633-54287-1<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 77


Brief aus Paris<br />

Schon wieder. Schon wieder ist es passiert. Schon wieder ist<br />

das Leben eines jüdischen Menschen gewaltsam beendet<br />

worden. Schon wieder Wut, Schock, Trauer, Kondolenzbekundungen,<br />

vollmundige Versprechen. Schon wieder<br />

»Never again«. Schon wieder wächst die Angst. Die Angst<br />

der Juden in Frankreich.<br />

Schon allein in diesem Jahr <strong>2018</strong> gab es zahlreiche gewalttätige<br />

Angriffe auf Juden – weil sie als Juden erkennbar oder<br />

bekannt waren, gleich im Januar drei:<br />

Ein 15-jähriges Mädchen wird für den Rest seines Lebens<br />

entstellt sein, weil es von einem Unbekannten mit einem<br />

Messer ins Gesicht geschnitten worden ist. Ihr Vergehen?<br />

Sie trug einen Davidstern an der Halskette und die Schuluniform<br />

einer jüdischen Schule.<br />

Wenige Tage später wird der Vorsitzende einer jüdischen<br />

Gemeinde im Pariser Vorort Montreuil die ganze Nacht<br />

gefoltert.<br />

Ein achtjähriger Junge wird in Sarcelles von zwei Jugendlichen<br />

getreten und geschlagen. Was hat er verbrochen?<br />

Er trug eine Kippah, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung.<br />

Dies geschah alles am Anfang dieses Jahres. Fast genau ein Jahr zuvor, am 4. April 2017, wurde Sarah Halimi ermordet.<br />

Erst kürzlich hat sich die Regierung Frankreichs durchgerungen, diese Tat als antisemitisch einzustufen.<br />

Mireille Knoll wurde am 23. März mit elf Messerstichen ermordet und anschließend verbrannt. Zuvor hat sie sich mehrmals<br />

an die Polizei gewandt, weil sie von einem jungen Mann mit dem Tod bedroht wurde. Diese unternahm – nichts.<br />

Am 28. März <strong>2018</strong>, am selben Tag, an dem tausende Menschen, gemeinsam mit dem Staatspräsidenten Emmanuel Macron<br />

und der Bürgermeisterin Anne Hidalgo in Paris einen »Marche Blanche«, einen Schweigemarsch, abhielten, wurden<br />

die Räumlichkeiten der UEJF, der Jüdischen Studierendenunion Frankreichs, an der Pariser Sorbonne verwüstet und mit<br />

antijüdischen und anti-israelischen Schmierereien verunstaltet.<br />

Doch wo könnte all jenes seinen Ursprung haben? Unter anderem in den Schulen. »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans<br />

nimmermehr« ist das wahre deutsche Sprichwort – schauen wir nach Deutschland: Todesdrohungen und Mobbing in der<br />

Grundschule aufgrund des Jüdisch Seins – das ist heute. Zuvor jedoch war das Wort »Jude« ein (ganz normales) Schimpfwort<br />

an deutschen Schulen. Der Schritt zum wörtlichen Angriff auf Juden war nicht weit. Nur ein paar Jahre.<br />

Den nächsten Schritt mag man sich in Deutschland gar nicht ausdenken – die Schritte danach haben wir vor unser aller<br />

Augen, der Autor mittlerweile vor der Haustür.<br />

Der Talmud beschreibt diese unheilvolle Kausalkette treffend: »Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte<br />

auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf<br />

Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal«.<br />

Oder – konkret auf diesen Fall gemünzt – die Politik und die Gesellschaft in Deutschland sollten ihr »Never again« in<br />

konkrete Handlungen umformen. Möge das Andenken an Mireille Knoll uns allen ein Segen sein.<br />

Illustration: Moshik Gulst / TICP – The Israeli Cartoon Project / ticp.org.il<br />

Gabriel Goldberg<br />

Der gebürtige Wuppertaler lebt in Paris, ist<br />

Mitglied des Jewish Diplomatic Corps des<br />

World Jewish Congress und der <strong>DIG</strong> Düsseldorf.


Nachruf<br />

Trauer um Wolfgang Wende<br />

»Herr es ist Zeit. Der Sommer war sehr stark.<br />

Leg’ Deinen Schatten auf die Sonnenuhren.« Man<br />

muss an diese Worte Rilkes denken, wenn man um<br />

Wolfgang Wende trauert. Vor wenigen Monaten<br />

erst haben wir seinen 80. Geburtstag gefeiert und<br />

glaubten mit ihm, dass nun der goldene Herbst seines<br />

Lebens beginnen werde. Das war ihm nicht vergönnt.<br />

Er verstarb unerwartet am Abend des 9. Oktober 2017.<br />

Wolfgang Wende (1937 – 2017)<br />

Foto: Jürgen Sterzenbach<br />

Wolfgang Wende hat ein an Erfüllung reiches Leben<br />

gehabt. Als Jugenddekan der Fliedner-Diakonie in Saarbrücken<br />

und in Bonn, als Vorsitzender des Landjugendringes,<br />

im Bundesjugendring, als Leiter der Evangelischen<br />

Jugendkammer des Rheinlandes und Westfalen und im<br />

Rundfunkrat des WDR, ausgezeichnet von Johannes Rau<br />

mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen,<br />

wovon er in der ihm eigenen Zurückhaltung nie Aufhebens<br />

machte.<br />

Wenn wir an Wolfgang Wende denken, dann sehen wir<br />

ihn bei uns, lebendig und geduldig, freundlich und optimistisch,<br />

mit seinem schneeweißen Haar, wir hören ihn<br />

sprechen, immer selbstbeherrscht, und wenn man mit ihm<br />

sprach, dann wusste man, dass er sich seinem Gesprächspartner<br />

wirklich zuwendete, dass er ihm aufmerksam<br />

zuhörte, dass er aber gleichzeitig erwartete, etwas von ihm<br />

zu hören, was seine Aufmerksamkeit auch verdiente. Er<br />

hatte in seiner zurückhaltenden Art die Gabe, Gespräche<br />

geduldig auf den Punkt hinzuführen, den er sich vorgenommen<br />

hatte, auf den man sich verständigen konnte<br />

und der gleichzeitig eine Perspektive eröffnete, was man<br />

nun gemeinsam machen und unternehmen wollte.<br />

Die Jugend und Israel waren seine Themen, die ihn erfüllten.<br />

Er fuhr 1968 auf Einladung der Evangelischen Kirche<br />

des Rheinlandes zum ersten Mal nach Israel und es ging<br />

ihm dabei wie jedem von uns: man kann sich von dem,<br />

was man dort sieht und erlebt, von den Gesprächen die<br />

man dort führt, nicht mehr lösen und fährt immer wieder<br />

dorthin. Man begreift, welche bleibende Verantwortung<br />

wir Älteren dafür haben, dass auch die nachkommenden<br />

Generationen verinnerlichen, dass sich die unsäglichen<br />

Verbrechen des Holocaust nicht wiederholen können und<br />

dürfen, und dass wir trotz aller Zivilisation, auf die wir so<br />

stolz sind, auf einer nur sehr dünnen Decke über Brutalität,<br />

Unterdrückung, Egoismen und Grausamkeiten leben.<br />

Auf diese Decke werden wir uns noch weniger verlassen<br />

können, wenn wir uns von der Erfahrung unserer Vergangenheit<br />

lösen würden.<br />

Diese Aufgabe bleibt. Und sie ist sowohl in Deutschland<br />

als auch in Israel und in den Staaten des Nahen Ostens<br />

nicht leichter geworden: in Deutschland durch diejenigen,<br />

die sich von unserer Vergangenheit lossagen wollen, als<br />

handele es sich um einen nun gottlob erledigten Betriebsunfall<br />

vergangener Generationen, und im Nahen Osten<br />

durch politische Repräsentanten, die nicht begreifen<br />

können oder ihren Bürgern nicht erklären wollen, dass<br />

ihre Völker eine gute Zukunft nur in einer gemeinsamen<br />

Zusammenarbeit ihrer Jugend haben werden.<br />

Sorgen haben wir uns auch um die Zukunft der Deutsch-<br />

Israelischen-Gesellschaft gemacht, die ihre politische<br />

Aufgabe mit ihren divergierenden Arbeitsgemeinschaften<br />

nur gemeinsam bewältigen und erfüllen kann. Die Hauptversammlung<br />

in Baden-Baden, auf die er sich als Delegierter<br />

zuletzt intensiv vorbereitet hatte, konnte er nun nicht<br />

mehr miterleben.<br />

Wolfgang Wende führte zahllose Gespräche mit namhaften<br />

Vertretern Israels und seiner Gesellschaft, er organisierte<br />

unermüdlich Veranstaltungen, Begegnungen und<br />

Besuche. Wie werden wir in unserer Arbeitsgemeinschaft<br />

Düsseldorf, zu deren Gründern 1982 Wolfgang Wende<br />

gehörte und deren Vorsitz er seit damals ununterbrochen<br />

innehatte, ohne ihn zurechtkommen? Es wird lange dauern,<br />

bis die Tauer allmählich ersetzt werden wird durch<br />

die Erinnerung daran, wie gut es war, ihn gekannt und mit<br />

ihm zusammengearbeitet zu haben. Er hat sich um uns<br />

alle verdient gemacht.<br />

Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch<br />

Vizepräsident der <strong>DIG</strong> von 1989 bis 2000<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 79


Nachruf<br />

Waltraut Rubien, ein Fixstern<br />

Am Abend des 26. Dezember 2017 ist Waltraut Rubien, die langjährige Vorsitzende der<br />

Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg und Präsidentin der David Ben-Gurion Stiftung<br />

in Deutschland, im Alter von 90 Jahren verstorben. Ihr unermüdlicher Einsatz für<br />

den Aufbau intensiver deutsch-israelischer Beziehungen prägte fast ihr gesamtes Leben.<br />

Waltraut Rubin (1927 – 2017) <br />

Gemeinsam mit ihrem Mann Werner Rubien besuchte<br />

Waltraut Rubien seit 1977 regelmäßig Israel und pflegte<br />

Freundschaften mit Asher Ben-Nathan, dem ersten<br />

Botschafter des Staates Israel in Deutschland, und Teddy<br />

Kollek, dem früherer Bürgermeister der Stadt Jerusalem.<br />

Über 16 Jahre leitete sie als Vorsitzende die Geschicke der<br />

Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg und wurde<br />

Ehrenvorsitzende auf Lebenszeit. Parallel wirkte Waltraut<br />

Rubien acht Jahre als Vizepräsidentin der Deutsch-<br />

Israelischen Gesellschaft neben Persönlichkeiten wie<br />

Manfred Lahnstein. Sie war bereits eine lebende Legende,<br />

als sie 2008 die David Ben-Gurion Stiftung in Deutschland<br />

gründete. Ihrem leidenschaftlich-unnachgiebigen Einsatz<br />

verdanken viele Initiativen ihre Realisierung:<br />

1992 initiierte Waltraut Rubien einen interfraktionellen<br />

Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft für den Bau<br />

eines Tagungshauses auf dem Gelände der David Ben-<br />

Gurion Stiftung im Negev – immerhin fehlte der Stadt<br />

eine Partnerstadt in Israel. Seit den 1990er Jahren ist das<br />

»Hamburg Haus« eine sehr gefragte Begegnungsstätte<br />

in Israel und gleichzeitig eine höchst vitale Verbindung<br />

der Stadt Hamburg nach Israel. Bereits als Lehrerin für<br />

Deutsch, Biologie und Psychologie am Gymnasium reiste<br />

sie als eine der ersten Pädagogen mit Schülern nach Israel.<br />

Große Verdienste erwarb sich Waltraut Rubien anschließend<br />

durch die kontinuierliche Förderung von Schulpartnerschaften<br />

und dem bilateralen Austausch junger<br />

Menschen. Hier wie bei anderen Initiativen beteiligte<br />

sich die Familie Rubien stets geräuschlos mit erheblichen<br />

finanziellen Zuwendungen.<br />

Foto: Stephan Wallocha<br />

Für ihr herausragendes Engagement wurde Waltraut<br />

Rubien 1997 von Bundespräsident Roman Herzog mit dem<br />

Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. 2010 verlieh<br />

ihr der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die<br />

Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes in Silber.<br />

Seit 1999 ist Waltraut Rubien Ehrenbürgerin des Negev in<br />

Israel. »Gegensteuern, der Öffentlichkeit die Faszination<br />

des Landes Israel zeigen, Vertrauen in den Staat Israel<br />

aufbauen«, skizzierte Waltraut Rubien ihren »Full-Time-<br />

Job«, der ohne ihren Mann Werner Rubien »nie möglich«<br />

gewesen wäre. »Wir beide sind geleitet vom Wunsch nach<br />

Gewaltlosigkeit und Frieden für jüdische Menschen und<br />

möchten zugleich Ängste gegenüber Deutschland abbauen.<br />

Für uns ist Israel zu einer zweiten Heimat geworden,«<br />

schrieb sie 1997.<br />

»Ich habe während meiner Amtszeit nur wenige Menschen<br />

getroffenen, die sich für Israel ohne Wenn und<br />

Aber einsetzten wie Frau Rubien. Nie hat sie Nein als<br />

eine Antwort genommen. Ich hoffe, dass die jüngeren<br />

Generationen Frau Rubien als ein Vorbild für die andauernden<br />

und schwierigen Aufgaben der Weiterwicklung<br />

deutsch-israelischer Beziehungen im Auge behalten«,<br />

erklärte S.E. Shimon Stein, Botschafter des Staates Israel<br />

von 2001 bis 2007. Mit Waltraut Rubien haben wir eine<br />

große Gestalterin der deutsch- israelischen Beziehungen<br />

weit über die Stadtgrenzen Hamburgs hinaus verloren.<br />

Schweren Herzens nehmen wir Abschied von einer sehr<br />

guten Freundin und behalten einen Fixstern für unsere<br />

Arbeit ein Leben lang.<br />

Felix Husmann<br />

Vorsitzender der David Ben-Gurion Stiftung, Hamburg<br />

80 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Nachruf<br />

Israel war für Manfred Oelsen<br />

Chefsache<br />

Am 1. März <strong>2018</strong> ist Manfred Oelsen, Ehrenvorsitzender der <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />

Kassel, nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben. Mehr als 13 Jahre stand er als<br />

Vorsitzender an der Spitze des Kasseler Ablegers der <strong>DIG</strong>. 2015 zog er sich aus Altersgründen<br />

zurück und übergab diese Funktion an seinen Wunschnachfolger Jürgen<br />

Menzel-Machemehl. Er wurde damals mit Ovationen verabschiedet.<br />

Manfred Oelsen (1937 – <strong>2018</strong>) hat<br />

nach einem langen Berufsleben,<br />

das ihn eng mit Israel verband, als<br />

Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />

Kassel seine Erfahrung, seine<br />

Professionalität und seine ganze<br />

Kraft 20 Jahre lang den deutsch-israelischen<br />

Beziehungen gewidmet.<br />

Foto: <strong>DIG</strong> Kassel<br />

Davor aber hatte er, der erst 1995 mit seiner Frau Petra<br />

der Deutsch-Israelischen Gesellschaft beigetreten war,<br />

sehr engagiert sein Amt ausgefüllt. So erwies es sich als<br />

günstige Fügung, dass er im Ruhestand diese Führungsfunktion<br />

innehatte. Manfred Oelsen machte daraus einen<br />

weiteren »Beruf«, indem er sich unermüdlich für die Sache<br />

der <strong>DIG</strong> engagierte. Schwerpunkte seines Tuns waren die<br />

Shalom-Treffs, zu denen er hochkarätige Gäste einzuladen<br />

vermochte. Auch für den Ausbau von Kontakten mit ehemeligen<br />

Kasseler Juden und deren Nachfahren hat er sich<br />

eingesetzt. Bis zuletzt pflegte er enge Beziehungen zur<br />

israelischen Botschaft in Berlin. In der Erinnerung seiner<br />

Weggefährten werden auch die jährlichen Städtereisen<br />

und die wiederholten Reisen nach Israel bleiben.<br />

Denn in dem Land im Nahen Osten kannte sich Manfred<br />

Oelsen auch lange vor seinem Engagement für die<br />

<strong>DIG</strong> aus. Seit 1979 war er Generalvertreter der ehemals<br />

größten Strickwarenfabrik Israels für die Bundesrepublik<br />

Deutschland, Österreich und die Schweiz gewesen. Viele<br />

Male reiste er geschäftlich nach Israel – zusammen mit<br />

seiner Frau als seiner Sekretärin. Diess ermöglichte ihm,<br />

im Laufe der Zeit Land und Leute näher kennen zu lernen.<br />

Hautnah hat er auch die Auswirkungen der ersten Intifada<br />

ab der Jahreswende 1987/88 miterlebt. Als deren Folge<br />

waren Arbeiter einer Textilfabrik ferngeblieben, so dass<br />

diese Konkurs anmelden musste.<br />

Von der Existenz der <strong>DIG</strong> und der Arbeitsgemeinschaft<br />

in seiner Heimatstasdt hatte er erst 1995 erfahren. Seine<br />

Frau hatte ihn gedrängt, mit ihr zusammen dem Verein<br />

beizutreten, was sich als Glücksfall erwies. Einer Zeitung<br />

gegenüber sagte er einmal, er habe »jede Minute<br />

genossen« und nicht gewusst, wie sich seine Leben im<br />

Ruhestand ohne die <strong>DIG</strong> entwickelt hätte. Er hat sein Amt<br />

als Vorsitzender geradezu professionell ausgefüllt, wobei<br />

sich die im Berufsleben erworbenen Landeskenntnisse<br />

und Kontakte als wertvoll erweisen. Er knüpfte zudem<br />

viele neue Kontakte zu den verschiedensten Akteuren<br />

in der Stadt und erwarb durch sein Engagement sowie<br />

seine Freundlichkeit und Verlässlicheit weithin großes<br />

Vertrauen. Der Erfolg blieb nicht aus: In seiner Ägide ist<br />

die Mitgliederzahl der Arbeitgemeinschaft Kassel von 140<br />

auf über 160 angestiegen. Der im März <strong>2018</strong> neu gewählte<br />

Vorstand und alle Mitglieder der <strong>DIG</strong> Kassel werden sein<br />

Andenken in Ehren bewahren.<br />

Jochen Miersch<br />

Stellvertetender Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Kassel<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 81


Mitgliederwerbung<br />

Ich bin Mitglied<br />

Mitglied<br />

werden!<br />

in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, weil…<br />

… ich vor fünf Jahren eine Brieffreundschaft<br />

mit einem Israeli begonnen<br />

habe. Da habe ich gemerkt, wie unterschiedlich<br />

Realität und Darstellung in<br />

den deutschen Medien zum Thema<br />

Israel sind. Ich habe ihn inzwischen<br />

fünf Mal besucht, zuletzt im März dieses Jahres. Mit jedem<br />

Mal wurde mein Bedürfnis stärker, die Öffentlichkeit über<br />

das wahre Israel aufzuklären.<br />

Melanie Linge <strong>DIG</strong> Kassel<br />

… sie so vielfältig aktiv ist und dabei<br />

zugleich klare Grundpositionen vertritt.<br />

Ich schätze es, dass sich die <strong>DIG</strong><br />

bundesweit in Städten und Regionen<br />

engagiert und Mitglieder in allen<br />

Generationen hat. Besonders freue<br />

ich mich schon auf den jährlichen Israeltag!<br />

Jörg Gehrke<br />

Geschäftsstellenleiter der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />

… es bedeutet, für Freiheit und Demokratie<br />

einzustehen und jederzeit dafür<br />

aufzustehen, Israel als Idee und Wirklichkeit<br />

gegen Hass und Ausgrenzung<br />

zu verteidigen.«<br />

Phillip J. Butler<br />

<strong>DIG</strong> Düsseldorf, Mitglied des <strong>DIG</strong> Präsidiums<br />

… weil ich dem Antisemitismus entgegen<br />

treten will. Heute geht das nur<br />

mit Kenntnissen über Israel und über<br />

den arabisch-israelischen Konflikt.<br />

Bei Infoständen brüllen manche im<br />

Vorbeilaufen »Kindermörder Israel«.<br />

Bedrohlicher sind jedoch Herren im Anzug, die »ja, aber die<br />

Siedlungen« sagen. Die Arbeit in der <strong>DIG</strong> macht mich fit,<br />

mit Argumenten dagegen halten zu können. Der Frieden<br />

scheitert nicht am Streit um Land, sondern an Terror und<br />

dem Verlangen Israel auszulöschen. Allein diese schlichte<br />

Wahrheit regt lebhafte Gespräche an. Die führen wir gerne,<br />

mit Ausdauer und auch Spaß.<br />

Bärbel Illi<br />

Vorsitzende der <strong>DIG</strong> Region Stuttgart e.V.<br />

Sie haben auch ein Herz für Israel? Machen Sie bei uns mit!<br />

Wenden Sie sich an eine <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft in Ihrer<br />

Nähe oder schreiben Sie an die Bundesgeschäftsstelle.<br />

Ein Beitrittsformular finden Sie im Internet unter<br />

www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/mitglied-werden<br />

… uns bei der <strong>DIG</strong> das gemeinsame<br />

Interesse vereint, durch einen bunten<br />

Strauß an Veranstaltungen und Aktionen<br />

dazu beizutragen, die deutsch-israelische<br />

Freundschaft kontinuierlich<br />

zu fördern. Denn diese Freundschaft<br />

ist vor dem Hintergrund der Geschichte alles andere als<br />

normal – sie ist ein Wunder. Deutschland und Israel sind<br />

heute Partner, die gleiche Werte teilen und in Wirtschaft<br />

und Wissenschaft eng zusammenarbeiten. Mir ist wichtig,<br />

besonders jüngere Menschen dazu zu bewegen, sich auf<br />

positive Weise mit Israel zu beschäftigen, im besten Fall<br />

das Land zu bereisen, um sich dann zwangsläufig in Land<br />

und Leute zu verlieben. Und um sich unserer Verantwortung<br />

bewusst zu sein: dass wir immer an der Seite Israels<br />

stehen und unsere Stimme erheben, wenn wir Antisemitismus<br />

erleben und das Lebensrecht Israels infrage gestellt<br />

wird.<br />

Andrea Frahm<br />

Vorstandsmitglied der <strong>DIG</strong> Hamburg<br />

… weil ich hier die Gelegenheit finde,<br />

der Vergangenheit zu gedenken, mich<br />

in der Gegenwart einzubringen und<br />

die Zukunft zu gestalten.<br />

Dr. Erhard Michel <strong>DIG</strong> Osnabrück<br />

82 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>


Adressen<br />

Die <strong>DIG</strong> vor Ort<br />

Osnabrück<br />

Münster Bielefeld<br />

West-münsterland<br />

Duisburg-<br />

Mühlheim-<br />

Oberhausen<br />

Hagen-Märkischer Kreis<br />

Düsseldorf<br />

Witten<br />

Kassel<br />

Köln<br />

Bonn<br />

Augsburg-Schwaben e.V.<br />

augsburg-schwaben@digev.de<br />

Baden-Baden<br />

baden-baden@digev.de<br />

Bamberg<br />

bamberg@digev.de<br />

Bayreuth-Oberfranken<br />

bayreuth-oberfranken@digev.de<br />

Berlin und Brandenburg e.V.<br />

schalom@digberlin.de<br />

Bielefeld<br />

bielefeld@digev.de<br />

Bodensee-Region<br />

bodensee-region@digev.de<br />

Bonn<br />

bonn@digev.de<br />

Braunschweig<br />

braunschweig@digev.de<br />

Bremen/Unterweser e.V.<br />

schalom@dig-bremen.de<br />

Chemnitz<br />

chemnitz@digev.de<br />

Cottbus<br />

cottbus@digev.de<br />

Schleswig-Holstein<br />

Ostfriesland<br />

Schwerin<br />

Oldenburg<br />

Hamburg<br />

Bremen/Unterweser<br />

Hannover<br />

Potsdam<br />

Braunschweig<br />

Magdeburg<br />

Berlin und<br />

Brandenburg<br />

Dresden<br />

dresden@digev.de<br />

Duisburg-Mülheim-Oberhausen<br />

duisburg@digev.de<br />

Düsseldorf<br />

duesseldorf@digev.de<br />

Erfurt<br />

erfurt@digev.de<br />

Frankfurt am Main<br />

frankfurt@digev.de<br />

Freiburg<br />

freiburg@digev.de<br />

Hagen-Märkischer Kreis<br />

hagen@digev.de<br />

Halle-Umland<br />

halle@digev.de<br />

Hamburg<br />

hamburg@digev.de<br />

Hannover<br />

hannover@digev.de<br />

Heidenheim<br />

heidenheim@digev.de<br />

Heilbronn-Unterland<br />

heilbronn-unterland@digev.de<br />

Cottbus<br />

Halle-Umland<br />

Nordhausen<br />

Leipzig<br />

Erfurt<br />

Dresden<br />

Weimar Chemnitz<br />

Mainz Frankfurt<br />

Trier Wiesbaden<br />

Bayreuth-Oberfranken<br />

Würzburg Bamberg<br />

Saar<br />

Speyer-Pfalz<br />

Mannheim/Rhein-Neckar<br />

Heilbronn-Unterland<br />

Nürnberg-Mittelfranken<br />

Baden-Baden<br />

Heidenheim<br />

Region Stuttgart<br />

Ulm/Neu-Ulm<br />

Augsburg-Schwaben<br />

Freiburg<br />

Memmingen<br />

München Rosenheim<br />

Bodensee-Region<br />

Kempten-Allgäu<br />

Kassel<br />

kassel@digev.de<br />

Köln<br />

koeln@digev.de<br />

Leipzig<br />

leipzig@digev.de<br />

Magdeburg<br />

magdeburg@digev.de<br />

Mainz<br />

mainz@digev.de<br />

Mannheim/Rhein-Neckar<br />

rhein-neckar@digev.de<br />

Memmingen<br />

memmingen@digev.de<br />

München<br />

muenchen@digev.de<br />

Münster<br />

muenster@digev.de<br />

Nordhausen<br />

nordhausen@digev.de<br />

Nürnberg-Mittelfranken<br />

nuernberg@digev.de<br />

Oldenburg<br />

oldenburg@digev.de<br />

Osnabrück<br />

osnabrueck@digev.de<br />

Ostfriesland<br />

ostfriesland@digev.de<br />

Potsdam<br />

potsdam@digev.de<br />

Rosenheim<br />

rosenheim@digev.de<br />

Saar<br />

saar@digev.de<br />

Schleswig-Holstein<br />

schleswig-holstein@digev.de<br />

Schwerin<br />

schwerin@digev.de<br />

Speyer-Pfalz<br />

speyer-pfalz@digev.de<br />

Region Stuttgart e.V.<br />

stuttgart@digev.de<br />

Trier<br />

trier@digev.de<br />

Ulm / Neu-Ulm<br />

ulm@digev.de<br />

Weimar<br />

weimar@digev.de<br />

Westmünsterland<br />

westmuensterland@digev.de<br />

Wiesbaden<br />

wiesbaden@digev.de<br />

Witten<br />

witten@digev.de<br />

Würzburg<br />

wuerzburg@digev.de<br />

Junges Forum<br />

jufo@digev.de<br />

<strong>DIG</strong>-Bundesgeschäftsstelle<br />

Bärbel Metz<br />

Leiterin der Bundesgeschäftsstelle<br />

Littenstraße 105, 10179 Berlin<br />

Tel. 030 / 80907028, Fax: 030 / 80907031<br />

info@digev.de, www.digev.de<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 83


Die Leitsätze der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />

Unsere Ziele sind klar definiert: Die Deutsch-Israelische Gesellschaft will<br />

die menschlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen<br />

Deutschen und Israelis festigen und weiterentwickeln. Dabei agieren<br />

wir überparteilich und in steter Solidarität mit dem Staat Israel und<br />

seiner Bevölkerung. Grundlage der Arbeit der <strong>DIG</strong> sind unsere Leitsätze.<br />

Sie weisen uns bei unseren Bestrebungen den Weg, dem Staat Israel und<br />

seinen Bürgern Frieden, ein Leben in anerkannten und sicheren Grenzen<br />

sowie in wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit zu gewährleisten.<br />

1. Die <strong>DIG</strong> ist die zentrale Organisation in der Bundesrepublik Deutschland,<br />

in der sich Freunde Israels in überparteilicher Zusammenarbeit<br />

zusammenfinden, um in Solidarität mit dem Staat Israel und seiner<br />

Bevölkerung zu wirken.<br />

2. Es genügt nicht, die Entwicklung und Pflege der deutsch-israelischen<br />

Beziehungen staatlichen Stellen zu überlassen. Die <strong>DIG</strong> will deshalb<br />

als überparteiliche Organisation dazu beitragen, die menschlichen,<br />

kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen dem deutschen<br />

Volk und den Israelis zu festigen und weiterzuentwickeln.<br />

3. Die <strong>DIG</strong> unterstützt und fördert alle Bestrebungen, die darauf gerichtet<br />

sind, dem Staat Israel und seinen Bürgern Frieden, ein Leben in<br />

anerkannten und sicheren Grenzen, in wirtschaftlicher und sozialer<br />

Sicherheit zu gewährleisten.<br />

4. Die <strong>DIG</strong> engagiert sich für einen Frieden im Nahen Osten, der die<br />

Lebensfähigkeit Israels dauerhaft sichert. Sie tritt für eine Verständigung<br />

zwischen allen Völkern der Region ein und wendet sich<br />

entschieden gegen all diejenigen Kräfte innerhalb und außerhalb der<br />

Bundesrepublik Deutschland, die Israels Lebensrecht als jüdischer<br />

Staat bestreiten.<br />

5. Auch in Zukunft wird die Arbeit der <strong>DIG</strong> von dem Wissen um die von<br />

Deutschen zu verantwortenden Verbrechen an den Juden während<br />

der Jahre 1933 bis 1945 ausgehen. Die <strong>DIG</strong> wird deshalb der Aussöhnung<br />

zwischen unseren beiden Völkern verpflichtet bleiben.<br />

Diesen Auftrag gilt es, an die nachwachsende Generation in der Bundesrepublik<br />

Deutschland zu vermitteln. Als konkreter Beitrag ergibt<br />

sich für die <strong>DIG</strong> daraus, Vorurteilen gegenüber Juden in der deutschen<br />

Bevölkerung entgegenzuwirken sowie Antisemitismus und Antizionismus<br />

entschieden zu bekämpfen.<br />

6. Die <strong>DIG</strong> bemüht sich, in der Bundesrepublik die Kenntnis über Israel,<br />

seine Geschichte und seine Gegenwart zu vertiefen. Hierzu gehört<br />

eine kontinuierliche Unterrichtung der <strong>DIG</strong>-Mitglieder und der<br />

Öffentlichkeit über Entwicklungen und Probleme in Israel sowie über<br />

das Ringen um seine gesicherte Existenz.<br />

7. Mit den in ihrer Mitgliedschaft erarbeiteten und überparteilich<br />

getragenen Positionen äußert sich die <strong>DIG</strong> auch öffentlich, und zwar<br />

vornehmlich gegenüber der Regierung und den politischen Parteien<br />

in der Bundesrepublik Deutschland.<br />

8. Die <strong>DIG</strong> bemüht sich in Israel um die Vermittlung eines realistischen<br />

Bildes über Entwicklungen und Probleme in der Bundesrepublik<br />

Deutschland. Sie arbeitet dabei eng mit ihrer Schwestergesellschaft,<br />

der Israelisch Deutschen Gesellschaft (IDG), zusammen, die sich auf<br />

israelischer Seite parallelen Aufgaben und Zielen widmet.<br />

9. Die <strong>DIG</strong> unterstützt den Austausch von Besuchergruppen zwischen<br />

beiden Ländern, vor allem im Rahmen des deutsch-israelischen<br />

Jugendaustausches. Dieser Austausch fördert die Bereitschaft,<br />

politische Verantwortung im Leben der menschlichen Gemeinschaft<br />

zu entwickeln, eine bessere und vertiefte Kenntnis vom anderen<br />

Volk, von seiner politischen und sozialen Lage, seinem Land, seiner<br />

Geschichte und seiner Kultur zu erwerben.<br />

10. Wichtige Aufgaben erfüllen die regionalen Arbeitsgemeinschaften<br />

der <strong>DIG</strong>. Sie führen Veranstaltungen durch, deren vorrangiges Ziel<br />

es ist, politische, soziale und kulturelle Entwicklungen in Israel durch<br />

deren Repräsentanten authentisch zu vermitteln und den Dialog zu<br />

fördern.<br />

11. Die <strong>DIG</strong> beteiligt sich an einer überregionalen Kooperation mit<br />

solchen Institutionen in europäischen Ländern, deren Ziel ebenfalls<br />

in der Entwicklung und Pflege enger freundschaftlichen Beziehungen<br />

zu Israel und seinen Bürgern liegt.<br />

Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.<br />

Littenstraße 105, 10179 Berlin<br />

Telefon 030 / 80 90 70 28<br />

info@digev.de<br />

www.digev.de

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