DIG_MAG 1_2018_5778
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<strong>DIG</strong><br />
<strong>MAG</strong>AZIN<br />
Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong><br />
Zeitschrift der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />
1948 – <strong>2018</strong><br />
70 Jahre<br />
Israel
Inhalt<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.<br />
Präsident: Hellmut Königshaus<br />
Bundesgeschäftsstelle<br />
Littenstraße 105<br />
10179 Berlin<br />
T 030 / 80907028<br />
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www.digev.de<br />
Registergericht:<br />
Amtsgericht Charlottenburg<br />
Registernummer: VR 4075 B<br />
Redaktion<br />
Daniel Killy, Hellmut Königshaus<br />
(V.i.S.d.P.), Claudia Korenke,<br />
Bärbel Metz, Jürgen Sterzenbach,<br />
Maya Zehden<br />
Konzept und Gestaltung<br />
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Unternehmenskommunikation<br />
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Titelillustration<br />
Jutta Melsheimer, bildbad.de<br />
Druck und Verarbeitung<br />
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Büttgenbachstraße 7<br />
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Erscheinungsweise<br />
Halbjährlich. Der Bezugspreis des<br />
<strong>DIG</strong> Magazins ist mit dem Mitgliedsbeitrag<br />
abgegolten. Für namentlich<br />
gekenn zeichnete Artikel sind die<br />
jeweiligen Autoren verantwortlich.<br />
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BIC: BELADEBEXXX<br />
Herausgegeben mit freundlicher<br />
Unterstützung des Auswärtigen<br />
Amtes<br />
Inhalt<br />
Editorial<br />
4 | Hellmut Königshaus<br />
Die Israelis können stolz auf ihr<br />
Land sein<br />
Veranstaltungen<br />
5 | <strong>DIG</strong>-Festival »70 Jahre Israel«<br />
6 | Feiern und Veranstaltungen vor Ort<br />
70 Jahre Israel<br />
8 | Israels Unabhängigkeitserklärung<br />
im Wortlaut<br />
10 | Grisha Alroi-Arloser<br />
Eine Gesellschaft im Werden<br />
15 | Tibor Luckenbach<br />
70 Plakate und ihre Geschichte<br />
18 | Leo Sucharewicz<br />
Meme und östliches Mittelmeer<br />
20 | Oliver Vrankovic<br />
Von Ulm nach Erez Zion – Die Jeckes<br />
Aktuell<br />
22 | Heiko Maas in Jerusalem<br />
22 | Landerechte Kuwait Airways<br />
23 | Duden nimmt Adjektiv<br />
»israelfreundlich« auf<br />
23 | Zahl der <strong>DIG</strong>-Mitglieder wächst<br />
24 | Margreet und Stefan Krikowski<br />
»Ich hatte ein gutes Leben, und jetzt<br />
habe ich nichts«<br />
78 | Gabriel Goldberg<br />
Brief aus Paris<br />
Meinung<br />
26 | Philipp J. Butler, Dr. Hermann Kuhn<br />
Soll Deutschland seine Botschaft<br />
nach Jerusalem verlegen?<br />
Politik<br />
28 | Matthias Küntzel<br />
Atomdeal mit Iran auf der Kippe<br />
30 | Maya Zehden<br />
Israels Stellung bei den Vereinten<br />
Nationen<br />
32 | Alexander Steder<br />
»Es kommt allein auf uns Israelis<br />
und Palästinenser an«<br />
Medien<br />
34 | Dr. Nikoline Hansen<br />
Das Israelbild in den deutschen<br />
Medien<br />
36 | Maya Zehden<br />
Friedliche Palästiner, böse Israelis?<br />
37 | Daniel Killy<br />
Es geht auch um sprachliche<br />
Feinheiten<br />
Sport<br />
38 | Alex Feuerherdt<br />
Klare Kante gegen Antisemitismus<br />
Porträt<br />
40 | Jürgen Sterzenbach<br />
Tamar Morali<br />
42 | Maike Diehl<br />
Johannes Guagnin<br />
Genuss<br />
44 | Claudia Korenke<br />
Geburtstagsdinner für Israel<br />
45 | Jürgen Sterzenbach<br />
Haute Cuisine auf israelisch<br />
2 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Junges Forum<br />
63 | Tibor Luckenbach<br />
Israelpedia – Jahresseminar des<br />
Jungen Forums<br />
64 | Annika Zecher<br />
Neue Ideen, angeregter Austausch<br />
Austausch<br />
65 | Thomas Emons<br />
»So eine Reise hätten wir alleine<br />
nicht machen können«<br />
67 | Pava Raibstein<br />
Beduinische Mädchengruppe aus<br />
Israel zu Besuch in Frankfurt<br />
Kunst<br />
68 | Jürgen Sterzenbach<br />
Orna Ben-Ami macht aus Eisen<br />
Emotionen<br />
70 | Dr. Kerstin Holme<br />
Kunst als Brücke zur Verständigung<br />
Musik<br />
71 | Jochen Miersch<br />
Violinen der Hoffnung in Schloss<br />
Dachau<br />
Bücher<br />
72 | Lynn Holstein<br />
Artisans of Israel<br />
74 | Igal Avidan<br />
Mod Helmy – Wie ein arabischer<br />
Arzt in Berlin Juden vor der<br />
Gestapo rettete<br />
75 | Barbara Bišický-Ehrlich<br />
Sag’, dass es dir gut geht –<br />
Eine jüdische Familienchronik<br />
76 | Dana Ionescu, Samuel Salzborn<br />
Antisemitismus in deutschen<br />
Parteien<br />
77 | Gisela Dachs<br />
Länderbericht Israel<br />
77 | Gisela Dachs<br />
Mein Israel, Szenen eines Landes<br />
Nachrufe<br />
79 | Wolfgang Wende<br />
80 | Waltraut Rubien<br />
81 | Manfred Oelsen<br />
Adressen<br />
85 | Die <strong>DIG</strong> vor Ort<br />
Arbeitsgemeinschaften und Mitgliedsvereine<br />
46 | Augsburg-Schwaben e.V.<br />
Das Israel-Wunder von Mering<br />
47 | Berlin und Brandenburg e.V.<br />
Pioniere der Städtepartnerschaft<br />
48 | Bielefeld<br />
Versöhnungsgeste nach über 60 Jahren<br />
49 | Braunschweig<br />
50 Jahre <strong>DIG</strong> Braunschweig<br />
50 | Bremen/Unterweser e.V.<br />
Dani Goren – Kämpfer für ein starkes Israel<br />
51 | Chemnitz<br />
Musikalischer Jugendaustausch<br />
52 | Duisburg-Mülheim-Oberhausen<br />
Wasser – Israels Beitrag zur Nachhaltigkeit<br />
53 | Düsseldorf<br />
Halb so alt wie Israel<br />
54 | Fankfurt<br />
<strong>DIG</strong> Frankfurt goes: weltweit<br />
55 | Erfurt<br />
Caravan Orchestra – Brücke der Musikkulturen<br />
56 | Freiburg<br />
Von Boykotteuren und Islamisten bis hin zu<br />
muslimischen Israelfreunden<br />
57 | Halle<br />
Solidarität mit dem israelischen Volk<br />
58 | Hamburg<br />
Jeremy Issacharoff zu Gast in Hamburg<br />
59 | Köln<br />
Aktionswochen gegen Antisemitismus<br />
60 | Mainz<br />
Erst Tränen, dann Jubel<br />
61 | Ostfriesland<br />
Flaschenpost nach 26 Jahren angespült<br />
62 | Wiesbaden<br />
Erste Arbeitsgemeinschaft der <strong>DIG</strong><br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 3
Editorial<br />
Die Israelis können stolz auf ihr Land sein<br />
Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen<br />
und Freunde Israels,<br />
Israel feiert den 70. Jahrestag seiner Gründung, und wir<br />
feiern mit. Unsere Arbeitsgemeinschaften und Mitgliedsvereine<br />
richten überall im Land öffentliche Veranstaltungen<br />
aus, um über das moderne, lebendige Land zu informieren,<br />
ein Land, das ganz anders, viel schöner ist als es<br />
in den auf Konflikte fokussierten Berichten erscheint. Wir<br />
freuen uns auf viele Besucher, die genauen Termine finden<br />
Sie auf unserer Homepage. Die zentrale Veranstaltung in<br />
der »Station« in Berlin wird am 25. Mai um 11 Uhr eröffnet<br />
und dauert bis Sonntag, 27. Mai. Mehr über das Programm<br />
erfahren Sie auf der nebenstehenden Seite und im Internet<br />
unter www.70-jahre-israel.digev.de<br />
Reisen bildet, und Reisen nach Israel bilden erst recht. Ich<br />
kenne niemanden, der nicht von einem Besuch dort mit<br />
einem anderen, besseren Bild Israels zurückgekommen ist.<br />
Denn es ist eine weitere Erfahrung, die ich immer wieder<br />
mache: je weniger manche Menschen über die Situation<br />
dort und die geschichtlichen Hintergründe wissen, desto<br />
stärker sind Skepsis oder gar Ablehnung gegenüber Israel.<br />
Nach einer neueren Umfrage wünscht sich mehr als ein<br />
Drittel aller Deutschen eine Distanzierung, eine Minderheit<br />
von 13 Prozent sogar eine »deutliche« Distanzierung der<br />
deutschen Politik von Israel. Das hat gewiss auch etwas damit<br />
zu tun, wie Israel in unseren Schulbüchern dargestellt<br />
wird. Und dass in manchen Medien recht einseitig über<br />
den Nahost-Konflikt berichtet wird. Viele Menschen hier<br />
nehmen diese Perspektive gern auf, denn es ist bequem,<br />
vom weichen Sofa in Deutschland über die Sicherheitslage<br />
in und um Israel zu räsonieren.<br />
Diese Stimmungslage bietet auch manchem eine gute Tarnung,<br />
um unter dem Vorwand der »Israelkritik« seinem Antisemitismus<br />
freien Lauf zu lassen. Ein Briefschreiber etwa<br />
warf mir und uns in der <strong>DIG</strong> vor, den Antisemitismus zu<br />
fördern, weil wir zu Israel stehen und eine faire Bewertung<br />
seiner Politik einfordern. Antisemitismus in Form einer<br />
vorgeschobenen Kritik am Antisemitismus, das zumindest<br />
ist neu, der Antisemitismus selbst leider nicht.<br />
Umso mehr freuen wir uns über die Unterstützung, die<br />
wir durch die Politik erfahren. Der Präsident des Deutschen<br />
Bundestages Dr. Wolfgang Schäuble hat die Schirmherrschaft<br />
über unser Israelfestival übernommen und wird die<br />
zentrale Veranstaltung in Berlin am 25. Mai auch persönlich<br />
eröffnen. Und die Äußerungen von Außenminister Maas<br />
vor und bei seinem Antrittsbesuch in Israel waren wohltuend<br />
klar.<br />
Die Israelis können auch stolz auf ihr Land sein. Auf ein<br />
Land, das aus den Ländern der Region herausragt, eine<br />
Demokratie mit funktionierender, auch den Herrschenden<br />
gegenüber unerschrockener Justiz. Auf den jüdischen Staat,<br />
der den Juden in aller Welt eine sichere Heimstatt anbietet,<br />
und dennoch Andersgläubigen so weltoffen entgegentritt.<br />
Und auf ein Land, das sie unter schwierigsten Bedingungen<br />
aufgebaut und entwickelt haben, ein Land, in dem Milch<br />
und Honig fließen, wie es den Juden im zweiten Buch Mose<br />
verheißen war.<br />
Sie mussten dies alles nicht nur erarbeiten, sondern immer<br />
wieder verteidigen und sichern. Vom Tag der Staatsgründung<br />
an wurde Israel attackiert und in seiner Existenz<br />
bedroht. Die Israelis haben diesem enormen Druck standgehalten,<br />
ohne die demokratischen Grundwerte und die<br />
Freiheitsrechte der Menschen einzuschränken. Das sucht<br />
seinesgleichen in der Welt.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Freude und gute Gespräche auf<br />
unseren Jubiläumsveranstaltungen. Ich werde an einigen<br />
auch selbst teilnehmen und freue mich auf gute Begegnungen.<br />
Hellmut Königshaus<br />
Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />
Hellmut Königshaus<br />
Foto: Frank Ossenbrink<br />
4 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
CELEBRATING INNOVATION<br />
Eintritt frei<br />
<strong>DIG</strong>-Festival »70 Jahre Israel«<br />
vom 25. bis 27. Mai in Berlin<br />
»Station«, Luckenwalder Str. 4 – 6, 10963 Berlin-Schöneberg / nahe U-Bahnhof Gleisdreieck<br />
Öffnungszeiten: 25. Mai ab 11 Uhr, 26. und 27. Mai ab 12 Uhr<br />
Eröffnungsfeier<br />
Freitag, 25. Mai <strong>2018</strong>, 11 Uhr<br />
Begrüßung: <strong>DIG</strong> Präsident Hellmut Königshaus<br />
Grußworte: Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble<br />
und Botschafter des Staates Israel S. E. Jeremy Issacharoff<br />
Musikalische Begleitung: Björn Casapietra<br />
Programm-Highlights<br />
Freitag, 25. Mai<br />
13 Uhr: Podiumsdiskussion zu »70 Jahre Israel« mit Kai Diekmann<br />
(Präsident Freundeskreis Yad VaShem), Sven-Christian Kindler<br />
(MdB), Christian Lange (MdB), u.a. Moderation: Werner Sonne<br />
14 Uhr: Präsentation israelischer Start-ups »Start-up Nation –<br />
About Israel’s economic miracle and how German companies<br />
can benefit from Israeli innovation«<br />
18 bis 20:30 Uhr: Party mit DJ Micar<br />
Samstag, 26. Mai<br />
13 Uhr: Podiumsdiskussion zu »deutsch-israelischen Biografien«<br />
u.a. mit Arye Sharuz-Shalicar (Mitarbeiter von Ministerpräsident<br />
Nethanyahu, Autor von »Ein nasser Hund ist besser als ein<br />
trockener Jude. Die Geschichte eines Deutsch-Iraners, der Israeli<br />
wurde«)<br />
20 bis 23 Uhr Party mit DJ<br />
Sonntag, 27. Mai<br />
12 Uhr: Vortrag von Professor Monika Schwarz-Friesel<br />
(TU-Berlin): »Israelbezogener Antisemitismus: uralter Hass<br />
in neuem Gewand«<br />
13 Uhr: Podiumsgespräch mit Überlebenden des Holocaust<br />
Geboten wird an allen drei Tagen<br />
ISRAEL FÜR ALLE SINNE<br />
– Ausstellungen<br />
– Diskussionen<br />
– Filme<br />
– Israelische Köstlichkeiten<br />
– Kinderprogramm wie Kinderschminken,<br />
Zauberkünstler, Hüpfburg<br />
– Lesungen<br />
– Live-Schaltungen nach Israel<br />
– Party, Party, Party…<br />
– Stände mit Informationen zu<br />
deutsch-israelischen Kooperationen,<br />
zu Reisen und zu Unbekanntem<br />
über Leben und Menschen in Israel<br />
– Sportevents<br />
– Theater<br />
– Vorträge<br />
– und vieles mehr<br />
Ständig aktualisierte<br />
Programmhinweise unter<br />
www.70-jahre-israel.digev.de<br />
www.facebook.com/<br />
deutsch.israelische.gesellschaft<br />
Gefördert durch<br />
Schirmherrschaft: Bundestagspräsident<br />
Dr. Wolfgang Schäuble
Termine<br />
70 Jahre Israel:<br />
Feiern und Veranstaltungen vor Ort<br />
Aurich<br />
13.5. – 23.9.<strong>2018</strong>, 11 Uhr<br />
Historisches Museum Aurich<br />
Ausstellung ist bis 23.9.<strong>2018</strong> zu besichtigen<br />
Ausstellungseröffnung Marc Chagall,<br />
Bilder zur Bibel – Christa Kraemer<br />
Berlin<br />
Bielefeld<br />
Bremen<br />
4.5.<strong>2018</strong>, 15 – 19 Uhr<br />
Gendarmenmarkt Berlin<br />
25. – 27.5.<strong>2018</strong> jeweils von 12 – 18 Uhr<br />
»Station«, Luckenwalder Str. 4–6,<br />
10963 Berlin-Schöneberg<br />
nahe U-Bahnhof Gleisdreieck<br />
6.12.<strong>2018</strong>, 18 Uhr<br />
VHS, Ravensberger Spinnerei<br />
33602 Bielefeld<br />
23.4.<strong>2018</strong>, 17 Uhr<br />
Kaminsaal im Rathaus<br />
26.4.<strong>2018</strong>, 18 Uhr<br />
Kaminsaal im Rathaus<br />
15.5.<strong>2018</strong>, 20 Uhr<br />
Landeszentrale für politische Bildung<br />
Birkenstraße 20/21, Bremen<br />
17.5.<strong>2018</strong>, 14 – 17 Uhr<br />
Israeltag auf dem Bremer Marktplatz<br />
19.5.<strong>2018</strong>, ab 23 Uhr<br />
»Spedition«, Güterbahnhof Bremen<br />
Israeltag mit Sharon Brauner & Karsten Troyke (Musik),<br />
drei Chören, israelischen Tänzen für alle, 33 Info- und<br />
Essenständen und mehr.<br />
Schirmherr: Regierender Bürgermeister Michael Müller<br />
»70 Jahre Israel«<br />
Festival der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />
Festveranstaltung mit Oberbürgermeister Pit Clausen und<br />
Rogel Rachman von der Botschaft des Staates Israel<br />
Vortrag von Dr. Jenny Hestermann:<br />
»Auf dem Drahtseil. Das Verhältnis deutscher Kanzler zu Israel,<br />
von Adenauer bis Merkel«<br />
»Gegenwart und Zukunft des deutsch-israelischen<br />
Verhältnisses«<br />
»Die vergessenen Flüchtlinge«<br />
Film von Michale Grynszpan, Tel Aviv<br />
mit Einführung von Tilman Tarach<br />
»Bremen gratuliert: 70 Jahre Israel«<br />
Fete zum 70. Geburtstag Israel<br />
30.5. – 2.6.<strong>2018</strong> Zwei Schüler der Leo-Baeck-Schule in Haifa zu Gast in Bremen<br />
5.6.<strong>2018</strong>, 20 Uhr<br />
Galerie K‘<br />
Alexanderstraße 12, Bremen<br />
»70 Posters«, Die Designerinnen Sara Neuman und Henrietta<br />
Singer erzählen die Geschichte des jüdischen Staates in 70<br />
Plakaten<br />
Chemnitz<br />
27.5.<strong>2018</strong>, 17 Uhr<br />
Jüdisches Gemeindezentrum Chemnitz,<br />
Stollberger Straße 28<br />
»70 Jahre Israel – 70 Jahre Geschichte in Liedern«<br />
6 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Termine<br />
Dresden<br />
Düsseldorf<br />
Erfurt<br />
Freiburg<br />
14.5.<strong>2018</strong>, ab 18 Uhr<br />
Jüdische Gemeinde Dresden<br />
17.5.<strong>2018</strong>, 13 – 20 Uhr<br />
Schadowplatz, 40212 Düsseldorf<br />
24.6.<strong>2018</strong>, 19 Uhr<br />
Goethe Museum<br />
Jacobistraße 2, 40211 Düsseldorf<br />
16.5.<strong>2018</strong>, 18 Uhr<br />
Rathaus<br />
17.5.<strong>2018</strong>, 20:30 Uhr<br />
Mensabar<br />
der Universität Freiburg<br />
Rempartstraße 18, 79098 Freiburg<br />
6.6.<strong>2018</strong>, 18:30 Uhr<br />
Winzerhaus St. Georg<br />
Wendlinger Straße 23, 79111 Freiburg<br />
Podiumsdiskussion mit der Wilhelm-Külz-Stiftung und den<br />
Sächsischen Israelfreunden<br />
Israeltag mit Gil Ofarim<br />
Festakt »70 Jahre Israel – 35 Jahre <strong>DIG</strong> Düsseldorf«<br />
»70 Jahre Israel« Gemeinsame Veranstaltung der<br />
<strong>DIG</strong> Erfurt mit der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen<br />
Israelischer Kulturabend zur Feier von<br />
Israels 70. Geburtstag<br />
Deutsch-Israelische Weinprobe<br />
Halle 7.5. – 15.6.<strong>2018</strong><br />
Rathaus der Stadt Halle<br />
Ausstellung »Die Geschichte Israels«<br />
Hamburg<br />
Kassel<br />
Magdeburg<br />
27. Mai <strong>2018</strong>, 15 – 18 Uhr<br />
Joseph-Carlebach-Platz<br />
Hamburg (Grindel)<br />
12.8.<strong>2018</strong>, 15 Uhr<br />
Sara Nußbaum Zentrum<br />
Ludwig-Mond-Straße 127, 34121 Kassel<br />
1.6.<strong>2018</strong>, 15:30 Uhr<br />
Staatskanzlei des Landes<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Hegelstraße 42, 39104 Magdeburg<br />
70 Jahre Israel: Open Air mit Odet Kafri Drums,<br />
Ofrin und Stella’s Morgenstern Folk (Eintritt frei)<br />
Fest mit Live-Musik und israelischen Spezialitäten<br />
Empfang:<br />
70 Jahre Staatsgründung Israel und gelebte Freundschaft<br />
München 17.5.<strong>2018</strong><br />
Odeonsplatz<br />
Israel-Tag mit extra gebrautem deutsch-israelischem<br />
Geburtstagsbier<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 7
70 Jahre Israel<br />
Die Unabhängigkeits erklärung<br />
des Staates Israel im Wortlaut<br />
Im Land Israel entstand das jüdische Volk. Hier prägte sich sein<br />
geistiges, religiöses und politisches Wesen. Hier lebte es frei<br />
und unabhängig, hier schuf es eine nationale und universelle<br />
Kultur und schenkte der Welt das Ewige Buch der Bücher.<br />
Durch Gewalt vertrieben, blieb das jüdische Volk auch in der<br />
Verbannung seiner Heimat in Treue verbunden. Nie wich seine<br />
Hoffnung. Nie verstummte sein Gebet um Heimkehr und Freiheit.<br />
Beseelt von der Kraft der Geschichte und der Überlieferung,<br />
suchten Juden aller Generationen in ihrem alten Lande wieder<br />
Fuß zu fassen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte kamen sie in großen<br />
Scharen. Pioniere, Verteidiger und Einwanderer, die trotz der<br />
Blockade den Weg in das Land unternahmen, erweckten Einöden<br />
zur Blüte, belebten aufs Neue die hebräische Sprache, bauten<br />
Dörfer und Städte und errichteten eine stets wachsende Gemeinschaft<br />
mit eigener Wirtschaft und Kultur, die nach Frieden<br />
strebte, aber sich auch zu schützen wusste, die allen im Lande<br />
die Segnungen des Fortschritts brachte und sich vollkommene<br />
Unabhängigkeit zum Ziel setzte.<br />
Im Jahre 1897 trat der erste Zionistenkongress zusammen. Er<br />
folgte dem Rufe Dr. Theodor Herzls, dem Seher des jüdischen<br />
Staates, und verkündete das Recht des jüdischen Volkes auf<br />
nationale Erneuerung in seinem Lande. Dieses Recht wurde am<br />
2. November 1917 in der Balfour-Deklaration anerkannt und auch<br />
durch das Völkerbundmandat bestätigt, das der historischen<br />
Verbindung des jüdischen Volkes mit dem Lande Israel und<br />
seinem Anspruch auf die Wiedererrichtung seiner nationalen<br />
Heimstätte internationale Geltung verschaffte.<br />
Die Katastrophe, die in unserer Zeit über das jüdische Volk hereinbrach<br />
und in Europa Millionen von Juden vernichtete, bewies<br />
unwiderleglich aufs Neue, dass das Problem der jüdischen Heimatlosigkeit<br />
durch die Wiederherstellung des jüdischen Staates<br />
im Lande Israel gelöst werden muss, in einem Staat, dessen Pforten<br />
jedem Juden offenstehen, und der dem jüdischen Volk den<br />
Rang einer gleichberechtigten Nation in der Völkerfamilie sichert.<br />
Im Zweiten Weltkrieg leistete die hebräische Gemeinschaft im<br />
Lande Israel ihren vollen Beitrag zum Kampfe der frieden- und<br />
freiheitsliebenden Nationen gegen die Achsenmächte. Mit dem<br />
Blute ihrer Soldaten und ihrem Einsatz für den Sieg erwarb<br />
sie das Recht auf Mitwirkung bei der Gründung der Vereinten<br />
Nationen.<br />
Am 29. November 1947 fasste die Vollversammlung der Vereinten<br />
Nationen einen Beschluss, der die Errichtung eines jüdischen<br />
Staates im Lande Israel forderte. Sie rief die Bewohner des<br />
Landes auf, ihrerseits zur Durchführung dieses Beschlusses alle<br />
nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Die damalige Anerkennung<br />
der staatlichen Existenzberechtigung des jüdischen Volkes durch<br />
die Vereinten Nationen ist unwiderruflich.<br />
Gleich allen anderen Völkern, ist es das natürliche Recht des<br />
jüdischen Volkes, seine Geschichte unter eigener Hoheit selbst<br />
zu bestimmen.<br />
Demzufolge haben wir, die Mitglieder des Nationalrates, als<br />
Vertreter der hebräischen Bevölkerung und der zionistischen<br />
Organisation, heute, am letzten Tage des britischen Mandats<br />
über Palästina, uns hier eingefunden und verkünden hiermit<br />
kraft unseres natürlichen und historischen Rechtes und aufgrund<br />
des Beschlusses der Vollversammlung der Vereinten<br />
Nationen die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel<br />
– des Staates Israel.<br />
Wir beschließen, dass vom Augenblick der Beendigung des Mandates,<br />
heute um Mitternacht, dem sechsten Tage des Monats Ijar<br />
des Jahres 5708, dem 15. Mai 1948, bis zur Amtsübernahme durch<br />
verfassungsgemäß zu bestimmende Staatsbehörden, doch nicht<br />
später als bis zum 1. Oktober 1948, der Nationalrat als vorläufiger<br />
Staatsrat und dessen ausführendes Organ, die Volksverwaltung,<br />
als zeitweilige Regierung des jüdischen Staates wirken sollen.<br />
Der Name des Staates lautet Israel.<br />
Die Überlebenden des Holocaust in Europa sowie<br />
Juden anderer Länder scheuten weder Mühsal noch<br />
Gefahren, um nach dem Lande Israel aufzubrechen<br />
und ihr Recht auf ein Dasein in Würde und Freiheit<br />
und ein Leben redlicher Arbeit in der Heimat durchzusetzen.<br />
David Ben-Gurion rief am 14. Mai 1948 (5. Ijar 5708)<br />
den Staat Israel aus. Dazu waren der jüdische Volksrat<br />
und 250 Gäste im alten Kunstmuseum auf dem<br />
Rothschild-Boulevard, der heutigen Independence-<br />
Hall, zusammengekommen. Die Verlesung der<br />
Unabhängigkeitserklärung wurde landesweit im<br />
Radio übertragen.<br />
Fotos: Government Press Office, Israel<br />
8 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
70 Jahre Israel<br />
»Wir reichen allen unseren Nachbarstaaten<br />
und ihren Völkern die Hand zum Frieden<br />
und zu guter Nachbarschaft.«<br />
Der Staat Israel wird der jüdischen<br />
Einwanderung und der Sammlung der<br />
Juden im Exil offenstehen. Er wird sich<br />
der Entwicklung des Landes zum Wohle<br />
aller seiner Bewohner widmen. Er wird<br />
auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im<br />
Sinne der Visionen der Propheten Israels<br />
gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern<br />
ohne Unterschied von Religion, Rasse<br />
und Geschlecht, soziale und politische<br />
Gleichberechtigung verbürgen. Er wird<br />
Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit<br />
der Sprache, Erziehung und Kultur<br />
gewährleisten, die Heiligen Stätten unter<br />
seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen<br />
der Charta der Vereinten Nationen<br />
treu bleiben.<br />
Der Staat Israel wird bereit sein, mit den<br />
Organen und Vertretern der Vereinten<br />
Nationen bei der Durchführung des<br />
Beschlusses vom 29. November 1947<br />
zusammenzuwirken und sich um die<br />
Herstellung der gesamtpalästinensischen<br />
Wirtschaftseinheit bemühen.<br />
Wir wenden uns an die Vereinten Nationen<br />
mit der Bitte, dem jüdischen Volk<br />
beim Aufbau seines Staates Hilfe zu leisten<br />
und den Staat Israel in die Völkerfamilie<br />
aufzunehmen.<br />
Wir wenden uns – selbst inmitten mörderischer<br />
Angriffe, denen wir seit Monaten<br />
ausgesetzt sind – an die in Israel<br />
lebenden Araber mit dem Aufrufe, den<br />
Frieden zu wahren und sich aufgrund<br />
voller bürgerlicher Gleichberechtigung<br />
und entsprechender Vertretung in allen<br />
provisorischen und permanenten Organen<br />
des Staates an seinem Aufbau zu<br />
beteiligen.<br />
Wir reichen allen unseren Nachbarstaaten<br />
und ihren Völkern die Hand zum<br />
Frieden und zu guter Nachbarschaft und<br />
rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen<br />
Hilfe mit dem unabhängigen<br />
hebräischen Volk in seiner Heimat auf.<br />
Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag<br />
bei gemeinsamen Bemühungen um den<br />
Fortschritt des gesamten Nahen Ostens<br />
zu leisten.<br />
Unser Ruf ergeht an das jüdische Volk<br />
in allen Ländern der Diaspora, uns auf<br />
dem Gebiete der Einwanderung und des<br />
Aufbaus zu helfen und uns im Streben<br />
nach der Erfüllung des Traumes von<br />
Generationen – der Erlösung Israels –<br />
beizustehen.<br />
Mit Zuversicht auf den Fels Israels setzen<br />
wir unsere Namen zum Zeugnis unter<br />
diese Erklärung, gegeben in der Sitzung<br />
des provisorischen Staatsrates auf dem<br />
Boden unserer Heimat in der Stadt Tel<br />
Aviv. Heute am Vorabend des Sabbat, dem<br />
5. Ijar 5708, 14. Mai 1948.<br />
Die Unterzeichner<br />
David Ben-Gurion | Jizchak Ben Zwi | Mordechaj Bentov | Daniel Auster<br />
Rabbi Zeev Gold | Peretz Bernstein | Eliyahu Berligne | Abraham Granovski<br />
Jitzchak Gruenbaum | Meir Grabovsky | Zerah Warhaftig | Meir Vilner<br />
Eliyahu Dobkin | Kalman Kahana | Rachel Cohen | Meir David Löwenstein<br />
Herzl Vardi | Jitzhak-Meir Levin | Saadia Kobashi | Nahum Nir | Golda Meir<br />
Zvi Luria | David-Zwi Pinkas | Jehuda Leib Maimon | Zvi Segal | Elieser Kaplan<br />
Mosche Kol | Aharon Zisling | David Remez | Pinchas Rosen<br />
Avraham Katznelson | Benzion Sternberg | Mordechai Shattner | Berl Repetur<br />
Chaim-Mosche Schapira | Mosche Scharet | Bechor-Schalom Schitrit<br />
Original-Dokument der Unabhängigkeitserklärung,<br />
ausgestellt im Israel-Museum, Jerusalem.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 9
Boomtown Tel Aviv: 1909 gegründet, 1950 zu Tel-Aviv Jaffa vereinigt,<br />
ist die Stadt das wirtschaftliche und gesellschaftliche Zentrum Israels.<br />
Im Umkreis der Metropole lebt fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung<br />
des Landes. Insgesamt hat Israel heute 8,7 Millionen Einwohner,<br />
mehr als zehn mal so viele wie bei der Staatsgründung 1948.<br />
Foto: Jürgen Sterzenbach<br />
Eine Gesellschaft im Werden<br />
von Grisha Alroi-Arloser<br />
Ich kenne Israel seit 1968. Damals war ich zwölf und besuchte mit meinem Vater das Land zum<br />
ersten Mal, ein Traum war für ihn wahr geworden. Wir trafen viele seiner Mithäftlinge aus<br />
Sibirien, wo ich zur Welt gekommen war, und ich erfuhr, welch ein Held er gewesen sein musste<br />
und wie sehr sie ihn alle schätzten und liebten. Das war eine ganz neue Erfahrung, denn in<br />
Deutschland, unter Fremden und der Begrenztheit der Sprache, war es immer still um ihn.<br />
Ich erinnere mich an den Duft der Zitrusplantagen am Flughafen,<br />
den Geruch der Falafelstände am wuseligen Tel Aviver<br />
Busbahnhof, die stündlichen Nachrichten am Transistor<br />
(damals für mich noch unverständlich), meinen ersten Besuch<br />
in Yad Vashem und den immensen Eindruck, den eine Gruppe<br />
junger Soldaten, Jungen und Mädchen mit ernsten Gesichtern<br />
auf mich machte. Der Speisezettel unserer Gastgeber in Herzliya<br />
war so mager wie das Angebot im Laden um die Ecke: gelber<br />
Käse, Quark, Hüttenkäse, frische Eier, billiges Brot und jede Menge<br />
Tomaten und Gurken. Mehr gab es nicht. Würstchen, Steak,<br />
Schnitzel, wenn überhaupt, dann Huhn.<br />
In den zehn Jahren darauf kam ich mindestens einmal im Jahr<br />
nach Israel, bis ich dann 1978 einwanderte. 1968 lebten 2,8 Millionen<br />
Menschen in Israel, 10 Jahre später waren es 3,7 Millionen,<br />
ein immer noch kleines Land. Mit dem Regierungswechsel 1977,<br />
der Wirtschaftsliberalisierung 1985, den Osloer Friedenshoffnungen<br />
1992, dem Beginn der Masseneinwanderung aus der<br />
ehemaligen Sowjetunion, dem Mord an Itzchak Rabin 1995, dem<br />
letzten Aufbäumen des Friedenslagers 2000 und den seither<br />
stagnierenden politischen Verhältnissen in einer immer chaotischer<br />
werdenden Nachbarschaft, erlebte ich die Veränderungen<br />
meines Landes und seiner Gesellschaft hautnah.<br />
10 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
70 Jahre Israel<br />
leben, zwar Anspruch auf die Staatsangehörigkeit hätten,<br />
dies aber in der überwältigenden Mehrheit nicht in Anspruch<br />
nehmen und sich mit der Beteiligung an den Kommunalwahlen<br />
zufrieden geben.<br />
Es ist diese Bevölkerung, wegen der die Stadt im Endeffekt<br />
sicher wieder in irgendeiner Art und Weise geteilt werden wird,<br />
in ein jüdisches Westjerusalem, ein palästinensisches Ostjerusalem,<br />
bei einer gemeinsamen Hoheit über die Heiligen Stätten<br />
in der Altstadt. Das wissen im Stillen alle Beteiligten, aber<br />
niemand will es aussprechen. Dieser Sonderstatus war bereits<br />
im UN-Teilungsplan, der Resolution 181 vom 29. November 1947,<br />
vorgesehen – der seitens der jüdischen Führung angenommen,<br />
seitens der arabischen jedoch strikt abgelehnt wurde, was zum<br />
ersten israelisch-arabischen Krieg führte.<br />
Bei den Friedensverhandlungen im Sommer 2000 in Camp David<br />
zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak<br />
und dem PLO-Vorsitzenden Yasser Arafat hatte die israelische<br />
Seite wieder eine ähnliche Teilung in Jerusalem vorgeschlagen,<br />
aber auch diese wurde von palästinensischer Seite abgelehnt.<br />
Im Jahr 2005 lag der Plan nochmals auf dem Tisch, als der<br />
damalige israelische Ministerpräsident Ehud Olmert mit dem<br />
Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud<br />
Abbas Geheimverhandlungen führte, und wieder wurde<br />
der Territorialkompromiss abgelehnt.<br />
Abschied von verknöcherten Konventionen<br />
Der Autor als Zwölfjähriger 1968 in Haifa.<br />
Ein würdiges Geburtstagsgeschenk<br />
Foto: privat<br />
Die kürzliche Entscheidung von US-Präsident Trump, Jerusalem<br />
als Hauptstadt Israels anzuerkennen, ist ein würdiges Geschenk<br />
zum 70. Geburtstag und gebührender Anlass, einen kritischen<br />
Blick in die Geschichte zu werfen, den Ist-Zustand zu beschreiben<br />
und eine Prognose zu wagen. Seine Entscheidung hat im<br />
Grunde keine neuen Fakten geschaffen und wird dementsprechend<br />
an der Gemengelage nichts ändern. Jerusalem ist Israels<br />
Hauptstadt, biblisch, historisch und de facto. Mit der Ausnahme<br />
der Kreuzfahrerzeit diente Jerusalem immer nur unter jüdischer<br />
Souveränität als Hauptstadt, während es in allen anderen Jahrhunderten<br />
trotz seiner religiösen Bedeutung keine politische<br />
Rolle spielte. Römer, Byzantiner, Omajaden, Mamelucken und<br />
Türken, sie alle herrschten in diesem Land, aber wählten Jerusalem<br />
nie als ihre Hauptstadt. Der Name Jerusalem kommt im<br />
Koran nicht ein einziges Mal vor. Die Bedeutung der Stadt für<br />
Christen und Moslems rührt von ihrer fundamentalen Rolle im<br />
Judentum und ihrer Hoffnung, dass der theologische Bedeutungserhalt<br />
der Stadt es Juden leichter machen würde, sich<br />
zum Christentum oder später zum Islam zu bekennen.<br />
Die Knesset, Israels Parlament, steht in Jerusalem, ebenso die<br />
Ministerien, der Oberste Gerichtshof und die Amtssitze des<br />
Präsidenten und des Ministerpräsidenten. Alles übrigens im<br />
Westen der Stadt. Jerusalem ist durch ein 1980 von der Knesset<br />
erlassenes Gesetz zur wiedervereinten Hauptstadt deklariert<br />
worden, wobei die 300 000 Palästinenser, die im Stadtgebiet<br />
Die jetzige Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt<br />
seitens der USA, ohne die zukünftige innerstädtische Grenze<br />
vorwegzunehmen, ändert also an der Situation nicht wirklich<br />
etwas, verabschiedet sich aber von verknöcherten internationalen<br />
Konventionen, die der Region bisher keinen Deut Frieden<br />
gebracht haben. Dass sie von Trump kommt, macht sie deshalb<br />
nicht schlecht, obwohl es mir erheblich besser gefallen hätte,<br />
wenn die Europäer diesen gordischen Knoten zerschlagen<br />
hätten.<br />
Insofern ist auch zu begreifen, dass sich die ausgelösten<br />
Unruhen im Rahmen hielten und nur von außen angestachelt<br />
wurden, sei es aus dem Iran, der Türkei, der Hisbollah im Libanon<br />
oder der Hamas im Gazastreifen – sämtlich beispielhafte<br />
Demokraten und ein jeder wegen seiner eigenen nahöstlichen<br />
Agenda. Es ist wieder die übliche, angespannte Ruhe eingetreten,<br />
das heißt hin und wieder ein Einzelattentäter, sporadischer<br />
Beschuss aus dem Gazastreifen und Solidaritätsdemos im<br />
Gutmenscheneuropa. Dass sich der türkische Präsident Erdogan<br />
zum Beschützer der islamischen Stätten und Sprecher der<br />
muslimischen Welt aufspielt, ist trauriges Bekenntnis zu seinen<br />
nostalgischen Allüren, Atatürk vergessen zu machen und an die<br />
Hochzeit einer ottomanischen Großmacht anzuknüpfen. Die<br />
Israelis reisen dennoch zu Pessach in Massen nach Anatolien.<br />
Europa außenpolitisch nicht existent<br />
Auch die nun wohl formulierte Position des Weißen Hauses,<br />
nicht Israel sei der Grund für die Konflikte im Nahen Osten,<br />
sondern die gescheiterten arabischen Regime, der Terror des<br />
islamischen Fundamentalismus und die nie aufgegebenen<br />
atomaren Aspirationen des Iran, ist eine Binsenwahrheit. Gäbe<br />
es Israel nicht – wäre das Land von einer Größe Hessens bereits<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 11
70 Jahre Israel<br />
US-Präsident Donald Trump bei seinem ersten Staatsbesuch in Israel. Seine Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen und<br />
die amerikanische Botschaft dorthin zu verlegen, wurde in Israel mit großer Genugtuung aufgenommen. Foto: picture alliance/NurPhoto<br />
1948 oder spätestens im Sechs-Tage-Krieg 1967 zerstört worden<br />
– gäbe es auch heute keinen palästinensischen Staat, weil<br />
Syrien, Jordanien und Ägypten sich die britische Mandatsbeute<br />
brüderlich geteilt hätten, wären die Regime dennoch korrupt,<br />
homophob, menschen- und frauenfeindlich geblieben, würde<br />
der Libanon von Syrien nie anerkannt werden und besetzt<br />
bleiben, die Sunniten bekriegten sich mit den Schiiten, die Alawiten<br />
hegten Vernichtungsphantasien allen Andersgläubigen<br />
gegenüber, ein arabischer Frühling würde zum islamistischen<br />
Winter mutieren, Giftgas würde gegen eigene Bevölkerungen<br />
eingesetzt und Libyen hätte den Vorsitz der UN-Menschenrechtskommission.<br />
Die Dinge beim Namen zu nennen mag<br />
nicht politically correct sein, ist aber dennoch notwendig. Und<br />
wieder gilt: es wäre für die Zukunft der Region besser, wenn<br />
der direkte Nachbar, das mittlerweile betroffene Europa, sich zu<br />
Wort und Dienst gemeldet hätte…<br />
Aber Europa ist außenpolitisch nicht wirklich existent, das<br />
haben die Reaktionen auf den trump’schen Vorstoß deutlich<br />
gemacht. Zwischen Brexit und Rechtsruck, schwächelnden<br />
Volkswirtschaften und separatistischen Tendenzen im Süden,<br />
nationalen Ressentiments im Osten und der dämmernden<br />
Einsicht in die Grenzen interkultureller und -religiöser Integration<br />
hat der alte Kontinent sich vorerst aus der internationalen<br />
Politik verabschiedet und überlässt sie – von der reflexhaften<br />
Repetition angestaubter Mantras abgesehen – den Trumps und<br />
Putins unserer Welt. Wenn früher von einer Welt ohne Israel<br />
schwadroniert wurde, macht mittlerweile eine Welt ohne Europa<br />
die Runde. Selten war die Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem<br />
Schwer- und politischem Fliegengewicht größer.<br />
Zwischen Hurrapatriotismus und breiten Protesten<br />
In Israel war man durch die Bank erfreut über die Anerkennung<br />
und deutliche Positionsbeziehung des amerikanischen Präsi-<br />
denten. Dabei entsprach das Gepolter den derzeitigen Gepflogenheiten<br />
im öffentlichen Diskurs: martiales Gehabe, Brusttöne<br />
biblischer Überzeugung und ein verkappter Hurrapatriotismus<br />
mit religiöser Deutungshoheit nehmen immer mehr Raum ein,<br />
um von dem abzulenken, was eigentlich angesagt wäre. Eine<br />
nicht enden wollende Reihe an Korruptionsaffären des Premiers<br />
und seines unmittelbaren Umfelds (einschließlich seiner Frau,<br />
des Fraktionsvorsitzenden, seiner Anwälte und persönlichen<br />
Berater), immer weiter greifende Versuche, den Rechtsstaat<br />
auszuhebeln und den Obersten Gerichtshof zu delegitimieren,<br />
eine ungebremste Siedlungspolitik und Alimentierung der<br />
Orthodoxen, um den Fortbestand der rechts-nationalen Regierung<br />
nicht zu gefährden und das Ausbleiben jedweder regionalpolitischer<br />
Initiativen, um aus der diplomatischen Sackgasse<br />
herauszukommen. Mittlerweile gibt es breite Proteste in der<br />
Bevölkerung, die jeden Samstagabend tausende auf die Straßen<br />
treiben, und es ist davon auszugehen, dass die jetzige Führung<br />
früher oder später die Konsequenzen wird ziehen müssen. Tragisch<br />
ist dabei, dass das bürgerlich-linke Lager sich auf mehrere<br />
Parteien verteilt, wobei keinem der potenziellen Kandidaten für<br />
das Amt des Premierministers in der Bevölkerung zugetraut<br />
wird, die Geschicke des Landes zu lenken.<br />
Dabei ist die geopolitische Situation Israels äußerst brisant. Die<br />
internationale Koalition gegen den IS hat es dem Iran unter<br />
russischem Schutz ermöglicht, eine durchgehende Landverbindung<br />
bis an die Grenze Israels zu schaffen, die zur weiteren<br />
Aufrüstung der Hisbollah im Libanon führt. Die Gefahr, dass<br />
Restbestände der B- und C-Waffen Syriens auf diesem Weg in<br />
den Libanon gelangen, wird im Generalstab sehr ernst genommen.<br />
Der Zerfall Syriens hat die Situation im haschemitischen<br />
Königreich Jordanien nicht nur wegen des Flüchtlingsstroms<br />
entschieden verschärft, was dem König die Aufrechterhaltung<br />
des Friedens mit Israel erschwert. Die Mehrheit der Jordanier<br />
sind Palästinenser und die anti-israelischen Ressentiments<br />
12 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
70 Jahre Israel<br />
»Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt seitens der USA<br />
ändert an der Situation nicht wirklich etwas, verabschiedet<br />
sich aber von verknöcherten internationalen Konventionen,<br />
die der Region bisher keinen Deut Frieden gebracht haben.<br />
Dass sie von Trump kommt, macht sie deshalb nicht schlecht,<br />
obwohl es mir besser gefallen hätte, wenn die Europäer<br />
diesen gordischen Knoten zerschlagen hätten.«<br />
sind enorm und wachsen ständig. Die ägyptische Sinaihalbinsel<br />
ist ein Sammelbecken für islamistische Terrorgruppen,<br />
die sich mit Menschen- und Drogenhandel finanzieren und<br />
nicht nur Touristen und insbesondere Israelis im Visier haben,<br />
sondern die südliche Hafenstadt Eilat. Die ebenfalls vom Iran<br />
finanzierte und aufgerüstete Hamas im Gazastreifen – die in<br />
den vergangenen Tagen wieder israelische Städte und Dörfer<br />
unter Raketenbeschuss nahm – investiert internationale, auch<br />
europäische Hilfsgelder für den Bau von Tunnels, die unterhalb<br />
der Grenze bis in israelische Dörfer reichen, um darüber Israelis<br />
zu entführen und als politisches Faustpfand zu nutzen. Die<br />
vom Iran in den Gazastreifen und in den Südlibanon gelangenden,<br />
modernen Raketen können mittlerweile jede Stadt Israels<br />
erreichen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass die<br />
Zivilbevölkerung beim nächsten Waffengang maßgeblich in<br />
Mitleidenschaft gezogen werden wird. Es stellt sich niemand<br />
mehr die Frage ob, sondern nur noch wann …<br />
Wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft<br />
Die israelische Wirtschaft indes bietet ein durchwachsenes<br />
Bild: während die Makroindikatoren durchweg positiv sind –<br />
Wachstum 4 Prozent, Arbeitslosigkeit unter 5 Prozent, Bevölkerungswachstum<br />
knapp 2 Prozent, Haushaltsdefizit 2 Prozent,<br />
Verschuldung 60 Prozent, BIP pro Kopf 40 300 US-Dollar und<br />
damit höher als der EU-Durchschnitt und besser als Frankreich,<br />
Italien und Spanien, Rang eins weltweit bei Venture Capital pro<br />
Kopf und bei Ausgaben für zivile Forschung und Entwicklung als<br />
Anteil des Bruttoinlandsprodukts –, gehört das Land mittlerweile<br />
zu den ungleichheitlichsten Gesellschaften weltweit und<br />
ist beinahe Schlusslicht bei der Einkommensarmut in der OECD.<br />
Die Lebenshaltungskosten, vor allem die Preise für Wohnraum,<br />
sind horrend und führen zu eklatanten Benachteiligungen der<br />
sozialen und geografischen Peripherie. Neben den sagenhaften<br />
Erfolgen in der Hochtechnologie und den atemberaubenden<br />
Startup-Exits im drei- und vierstelligen Millionen-Bereich,<br />
kommt es zu Schließungen von Industrieunternehmen wie<br />
letztlich beim Generika-Riesen, der Ratiopharm-Muttergesellschaft<br />
TEVA. Auch nehmen große Teile der Bevölkerung wie<br />
ultraorthodoxe Juden und muslimische Frauen fast gar nicht<br />
am Arbeitsmarkt teil, was die ohnehin bestehende Tendenz verschärft,<br />
dass die sozioökonomischen Grenzen entlang der ethnischen<br />
und religiösen Grenzen verlaufen. Damit wird das Eis des<br />
gemeinsamen Nenners dieser Gesellschaft gefährlich dünn.<br />
Drei große Transformationen sind notwendig in Israel<br />
Erstens: Der israelische-arabische Konflikt muss beigelegt<br />
werden, um Israel Sicherheit und anerkannte Grenzen eines<br />
jüdischen Staates zu ermöglichen. Damit könnten mittelfristig<br />
die enormen Verteidigungskosten reduziert werden. Allein die<br />
Aufrechterhaltung der Besatzung der Westbank kostet mehr als<br />
der Erziehungs- und Gesundheitsetat zusammen. Das israelische<br />
Kreditranking könnte sich weiter verbessern und ausländische<br />
Investitionen nicht nur in geistiges Eigentum,<br />
sondern in veritable Industrieunternehmen und<br />
Infrastrukturen fördern.<br />
Zweitens: Das Bildungswesen muss runderneuert<br />
werden. Israel ist gesegnet mit hervorragenden<br />
Forschern, Wissenschaftlern, Erfindern, Gründern<br />
und Technologen. Im Zusammenspiel mit Regierung,<br />
Militär und Industrie haben sie ein Startup-<br />
Israel lebt seit 70 Jahren unter ständiger Bedrohung.<br />
Die Terrortunnel der Hamas werden<br />
auch mit zweckentfremdeten europäischen<br />
Hilfsgeldern finanziert.<br />
Foto: picture alliance/AP Photo<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 13
70 Jahre Israel<br />
Nicht nur beim Purim-Fest sind die Israelis so ausgelassen.<br />
Beim »World Happines Report«, den das Netzwerk<br />
für nachhaltige Entwicklung« der Vereinten<br />
Nationen veröffentlicht, hält Israel unter 156 Ländern<br />
seit fünf Jahren den elften Platz – immer vor Deutschland,<br />
das sich <strong>2018</strong> immerhin auf Platz 15 verbesserte.<br />
Foto: picture alliance/ZUMAPRESS<br />
Ökosystem geschaffen, das seinesgleichen sucht. Internationale<br />
Technologie- und Industriekonzerne geben sich auf der Suche<br />
nach dem nächsten Game-Changer mittlerweile in Israel die<br />
Klinke in die Hand. Zuletzt hat Dieter Zetsche das Daimler Entwicklungszentrum<br />
in Israel feierlich eröffnet – und BMW folgt<br />
auf dem Fuß. Aber nur etwa 15 Prozent der Beschäftigten haben<br />
Anteil am Technologieboom der Startup-Nation. Kaum eines<br />
der Startups entwickelt sich zu einem Industrieunternehmen,<br />
fast alle verkaufen ihre Technologien an einen der über 350 im<br />
Land befindlichen multinationalen Konzerne. Es fehlt an guter<br />
Berufsbildung, an entsprechenden Berufsbildern und -zielen.<br />
Drittens: Eine langfristige Investitionspolitik muss entworfen<br />
werden, die sich nicht nur auf Hochtechnologie und Finanzdienstleistungen<br />
stützt –und das nicht nur im Großraum Tel<br />
Aviv. Die verkehrstechnische Anbindung der Peripherie würde<br />
sich positiv auf die Wohnungspreise auswirken und dem<br />
drohenden Verkehrskollaps entgegenhalten. Gemessen an<br />
der Anzahl der Fahrzeuge pro Straßenkilometer ist Israel das<br />
verkehrsdichteste Land der Erde.<br />
Den Frieden nicht nur träumen, sondern wagen<br />
Mit 8,7 Millionen Einwohnern ist Israel mittlerweile so bevölkerungsstark<br />
wie Österreich. Trotzdem empfinden sich Israelis oft<br />
noch als Zwerg, der lauter und schriller sein muss als andere,<br />
um gehört zu werden. Das Land befindet sich in einer gefährlichen<br />
Nachbarschaft, in der man sich keine Fehler erlauben<br />
kann. Dennoch müssen das Land und seine Menschen zurückfinden<br />
zu den Ursprüngen und dem Gründungsethos seiner<br />
Gesellschaft. Verteidigungsbereit sein, aber den Frieden nicht<br />
nur träumen, sondern wagen. Und nie vergessen: Man ist stark,<br />
weil man Recht hat. Man ist nicht im Recht, weil man stark ist.<br />
Ich glaube immer noch, dass die jüdische Sehnsucht, wieder<br />
Staatsvolk zu werden und nicht mehr Spielball anderer zu<br />
bleiben begründet, dass die zionistische Rückkehr ins Land die<br />
notwendige Konsequenz aus Verfolgung, Diskriminierung und<br />
gescheiterter Assimilation war. Das Normalitätsversprechen des<br />
Zionismus indes wurde nur insofern eingelöst, dass hier das Streben<br />
nach Glück ungezügelter und irdischer als in der Diaspora<br />
sein kann, Haute Cuisine und Couture im politischen Wettstreit<br />
mit Kashrut und Streiml stehen und sich atemberaubende<br />
künstliche Intelligenz neben fremdelnder Torheit entwickelt.<br />
Glücklicher als Deutschland<br />
Die hehren Ziele von Frieden und Gerechtigkeit wurden nicht<br />
erreicht, die sozioökonomischen Klüfte werden tiefer, die zentrifugalen<br />
Kräfte in der Gesellschaft größer und führen zu einer<br />
wachsenden Entsolidarisierung. Gleichzeitig ist Israel stärker,<br />
reicher und erfolgreicher denn je und die Menschen hier erreichen<br />
seit fünf Jahren im internationalen Glücks-Ranking unter<br />
156 Ländern den elften Platz, übrigens immer vor Deutschland.<br />
Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Darstellung in sich<br />
widersprüchlich ist. Vielleicht ist gerade das normal in einem<br />
jungen Land mit einem alten Volk, einer Gesellschaft im Werden,<br />
einem sich bedrohlich verwirklichenden Traum. Und weil es<br />
eben mein Land ist, mein kleiner Wahnsinn, mit einer Muttersprache,<br />
die ich von meinem Sohn gelernt habe, wo mich schier<br />
alles aufregt, weil es meins ist, wo die tägliche Adrenalinproduktion<br />
industrielles Ausmaß hat, und wo die Sonne immer scheint.<br />
Grisha Alroi-Arloser kam in Sibirien<br />
zur Welt, wuchs in Deutschland<br />
auf und lebt seit 1978 in Israel.<br />
Er ist Geschäftsführer der<br />
Israelisch-Deutschen Industrieund<br />
Handelskammer (AHK<br />
Israel) und ihrem deutschen<br />
Pendant, der Deutsch-Israelischen<br />
Wirtschaftsvereinigung e.V. (DIW).<br />
Seit 2011 ist er Präsident der Israelisch-<br />
Deutschen Gesellschaft. Für sein langjähriges<br />
Engagement für die deutsch-israelischen Beziehungen wurde<br />
er im vergangenen Jahr mit dem Bundesverdienstkreuz Erster<br />
Klasse ausgezeichnet.<br />
Foto: privat<br />
14 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
70 Jahre Israel<br />
70 Plakate und ihre Geschichte<br />
Mit ihrem Projekt 70Posters reflektieren Henrietta Singer und Sara Neuman die ersten 70 Jahre<br />
Israels anhand ausgewählter Poster, welche gleichzeitig die Designgeschichte des Landes repräsentieren.<br />
Ein Buch und eine Ausstellung machen ihre Ergebnisse nun allen zugänglich.<br />
Henrietta Singer (links)<br />
und Sara Neuman sammelten<br />
Plakate aus der 70-jährigen<br />
Geschichte Israels.<br />
Die Zusammenstellung der<br />
Poster war eine Sisyphusarbeit,<br />
machte aber auch<br />
viel Spaß.<br />
Foto: Robert Schittko<br />
Eine Vielfalt an Themen und Formaten bietet Israels 70.<br />
Geburtstag – so abwechslungsreich vielfältig wie dieses<br />
kleine vitale Land selbst. Grafikdesign mag dabei ein Feld<br />
sein, das vielen ungewöhnlich erscheint. Dabei ist dies durchaus<br />
naheliegend, war doch die zionistische Erneuerung von<br />
Anfang an auch eine kulturelle und ästhetische, die künstlerisch<br />
visualisiert wurde. Einen besonderen Ein- und Überblick der<br />
Designgeschichte des jüdischen Staates bietet pünktlich zum<br />
Unabhängigkeitstag das Projekt 70Posters. Eine Auswahl an<br />
70 Plakaten präsentiert zwar vor allem die Themen, die Israel<br />
in diesen Jahrzehnten bewegten, aber sie zeigt damit auch die<br />
visuellen Trends und Traditionen in Israel.<br />
Aufwendige Recherche in Israel<br />
Die in Frankfurt lebende Art Direktorin und Designerin<br />
Henrietta Singer hatte bereits 2012 damit begonnen, Poster<br />
israelischer Grafiker zu sammeln und historisch einzuordnen.<br />
Ihre Sammlung umfasst mehr als 600 verschiedene Arbeiten.<br />
Die Idee dazu kam ihr während des Studiums in Jerusalem,<br />
als sie sich mit der Frage beschäftigte, ob Kunst und Design<br />
einen Zugang zur israelischen Geschichte bieten können.<br />
Zusammen mit der Drehbuchautorin Sara Neuman hat sie als<br />
Ergebnis einer aufwendigen, von der Kunst- und Kulturabteilung<br />
der Deutschen Bank freundlich unterstützten Recherche<br />
70 Plakate ausgewählt, die beispielhaft für jeweils ein Jahr seit<br />
der Staatsgründung 1948 stehen. Diese Auswahl erscheint im<br />
April <strong>2018</strong> in Buchform bei dem renommierten Design-Verlag<br />
Hermann Schmidt. Doch 70Posters ist viel mehr als ein Buch. So<br />
sind alle Plakate auch in einer Ausstellung zu sehen sein, die am<br />
2. Mai <strong>2018</strong> in Frankfurt eröffnet wird. Darüber hinaus ließen<br />
Henrietta und Sara alle Interessierten über soziale Medien und<br />
auf Veranstaltungen, zum Beispiel mit dem Jungen Forum der<br />
<strong>DIG</strong>, am vielschichtigen Entstehungsprozess teilhaben, von<br />
Besuchen verschiedener Archive in Israel bis zur schwierigen<br />
Auswahl der 70 Plakate.<br />
Plakate werben für Versöhnung<br />
Mit wie viel Spaß und welch unermüdlicher Leidenschaft beide<br />
sich dem interdisziplinären Projekt widmen, zeigen auch die<br />
Treffen mit den Designern ihrer Fundstücke oder deren Nachfahren,<br />
die neben der Geschichte im Bild auch die Geschichten<br />
ihrer Entstehung vermitteln. So trafen Henrietta und Sara den<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 15
70 Jahre Israel<br />
70Posters<br />
3. – 9. Mai <strong>2018</strong><br />
Ausstellung im Römer<br />
Römerberg 23<br />
60311 Frankfurt/Main<br />
facebook.com/70posters<br />
»Iraner, wir werden euer Land niemals bombardieren.<br />
Wir lieben euch«. Design: Ronny Edry (2012)<br />
Bei ihren Recherchen trafen Henrietta Singer und Sara Neuman<br />
auch den israelischen Designer Ronny Edry.<br />
Bildrecht: Michal Noyman<br />
Designveteranen Eliezer Weishoff in seinem Atelier in Yafo, in<br />
dem er seit den 1950er Jahren arbeitet, oder sprachen mit dem<br />
Tel Aviver Designer Ronny Edry, der 2012 mit seiner Kampagne<br />
»Iranians, we love you« einen Nerv traf. Angesichts zunehmender<br />
internationaler Spannungen infolge des iranischen Atomprogramms<br />
hatte Edry ein Foto von sich und seiner Tochter mit<br />
dem Slogan im Internet gepostet. In der Folge schlossen sich<br />
nicht nur tausende Israelis an, sondern es antworteten auch<br />
hunderte Iraner: »We love Israel«. Dank dieser Initiative konnten<br />
Menschen im ganzen Nahen Osten ihrem Versöhnungswillen<br />
Ausdruck verleihen jenseits der aggressiven Politik des Teheraner<br />
Regimes. Für Sara und Henrietta eine Bestätigung der »power<br />
of posters« und der gesellschaftlichen Relevanz von Design.<br />
Migration, Kultur, Sport oder Gesundheit. Im Buch werden die<br />
Poster durch begleitende Texte aus historischen Erläuterungen<br />
und persönlichen Erinnerungen ergänzt.<br />
So bietet 70Posters eine ganzheitliche Erfahrung, bei der Inhalt<br />
und Form sich gegenseitig beleuchten, und die in der Lage ist,<br />
Menschen Israel und den jeweiligen Zeitgeist näher zu bringen,<br />
seien sie nun primär an Grafik oder historisch interessiert.<br />
Tibor Luckenbach<br />
Fenster in die Vergangenheit und Gegenwart<br />
Für sie geht es in dem Projekt nicht nur um die grafischen<br />
Elemente und die sich verändernden Stile – die Poster stellen<br />
für sie auch »kleine Fenster in die Gegenwart und die Vergangenheit«<br />
dar. Jedes steht für ein jeweils wichtiges Ereignis eines<br />
jeden Jahres. Dabei geht es nicht in erster Linie um Politik, auch<br />
wenn diese ständig durchscheint, sondern um Themen wie<br />
Sara Neuman und Henrietta Singer<br />
70 Jahre Israel in 70 Plakaten<br />
336 Seiten, € 25,–<br />
Verlag Hermann Schmidt,<br />
Frankfurt/Main <strong>2018</strong><br />
ISBN 978-3874399067<br />
16 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
1<br />
2<br />
3<br />
4 5 6<br />
7<br />
8<br />
1 »Tag der Vereidigung auf die Israelische<br />
Armee«, Design: Moshe Raviv-Vorobeichic<br />
(1948); 2 »5. Ijar 5712 | 30.04.1952 – Israels<br />
Unabhängigkeit«, Design: Shamir Brüder<br />
(1952); 3 »Tnuva – Schafskäse von Tnuva,<br />
Sefad-Käse von Tnuva, Joghurt von Tnuva,<br />
aus pasteurisierter Milch«, Design: Otte<br />
Wallish (1963); 4 »Der Jom-Kippur-Krieg«,<br />
Design: Elizer Weishoff (1973); 5 »Wir<br />
sitzen alle im selben Boot«, Design: Paul<br />
Kor (1974); 6 »Stadt der Wunder – 75 Jahre<br />
Gründung der ersten jüdischen Stadt«,<br />
Design: David Tartakover (1984);<br />
7 »Jerusalem«, Design: Yasha Rozov (2000);<br />
8 »Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn<br />
Brüder einträchtig beisammen sind«,<br />
Design: Yoni Lax (2007)<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 17
70 Jahre Israel<br />
W<br />
Jubel über den UN-Teilungsplan vom 29. November 1947, der die Saatsgründung Israels ermöglichte. Fotos: Government Press Office, Israel<br />
Meme und östliches Mittelmeer<br />
»Sie rollten wie Rommel« formulierte der Spiegel 1967 in seinem Artikel über den Sechstage-<br />
Krieg. Seit dieser Lobeshymne auf Israels Soldaten haben sich die Welt, der Spiegel und die<br />
Wahrnehmung des israelisch arabischen Konfliktes geändert. Genauer: sie wurde geändert.<br />
Eine Ausstellung sorgt ab Mai für das überfällige Korrektiv.<br />
Die Niederlage der arabischen Staaten im Sechstage-<br />
Krieg war gleichzeitig eine Niederlage der sowjetischen<br />
Waffen. Israel übergab der NATO ganze Schiffsladungen<br />
modernster russischer Panzer, Flugzeuge und Artillerie. Und verhalf<br />
dem Westen zu einem waffentechnisch qualitativen Schub.<br />
Die Konsequenz konnte man an den Universitäten beobachten:<br />
»Linke« Gruppen, ehedem von Lebensform und Basisdemokratie<br />
im Kibbuz angetan, wurden zu ideologischen Israel-Gegnern.<br />
Zusammen mit arabischen Studentenorganisationen leisteten<br />
sie ganze Arbeit, darunter inflationäre Demonstrationen und<br />
andere Anti-Israel-Aktionen, immer ausreichend finanziert.<br />
Milliarden von Meme<br />
Längst sind Poster, Flugblätter und Lautsprecher ersetzt durch<br />
Facebook, Twitter und Instagram. Längst hat die Propaganda<br />
der PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde ihren beachtlichen<br />
Fleiß durch beachtliches PR-Knowhow ergänzt. Aber<br />
noch etwas hat sich verändert. Heute ist Deutschland überzogen<br />
von einem Netz pro-palästinensischer NGOs, oft unter dem<br />
Mantel von »Wohltätigkeitsorganisationen«. Millionen von<br />
Bundesbürgern sind heute davon überzeugt, dass Israel 1948<br />
gleich nach der Staatsgründung die arabischen Nachbarn überfallen<br />
und die Palästinenser mit der Knute vertrieben hat. Sie<br />
wissen nichts von der Besetzung der Westbank durch Jordanien,<br />
nichts von den Verbrechen des Mufti von Jerusalem und nichts<br />
von Hitlers langem Arm in Palästina. Jahrzehnte einseitiger<br />
Propaganda und Trillionen von Bits und Bytes, darunter die unsägliche<br />
Nakba-Ausstellung, haben bei Medien und Menschen<br />
tiefe Spuren hinterlassen.<br />
Historischer Kraftakt zur Historie<br />
Die Korrektur jahrzehntelanger Propaganda verlangt einen<br />
Kraftakt. Der kommt im Mai mit der Ausstellung 1948. Ein Jahr<br />
umfassender Recherchen von Historikern, Politologen und<br />
Nahost-Experten steht unsichtbar als historischer Qualitätsstandard<br />
hinter der Ausstellung. Sie wird in München und Berlin<br />
eröffnet und ist anschließend bundesweit, in Österreich und<br />
in der Schweiz zu sehen. Aussteller an 40 Orten im gesamten<br />
Bundesgebiet sind bereits registriert, angestrebt sind 100 Orte<br />
in Deutschland, mehr sind willkommen, vor allem von den <strong>DIG</strong><br />
Arbeitsgemeinschaften und aus den Reihen des <strong>DIG</strong> Jugendforums.<br />
Aber kann eine Ausstellung sich wirklich gegen BDS &<br />
Co. stemmen? Erstaunlich genug: Ja, kann sie. 1948 konzentriert<br />
sich auf die neuralgische Epoche bei allen Versuchen, Israel zu<br />
delegitimieren: Die Zeit vor der Staatsgründung, den internationalen<br />
Kontext und die Ereignisse vor Ort. Auf die Besucher<br />
warten spannende, oft unbekannte Fakten. Wer weiß heute<br />
schon, wie viele Beduinen Seite an Seite mit der Haganah gegen<br />
die arabischen Invasionsarmeen kämpften? Oder dass Jerusalem,<br />
Gaza und andere Städte über Jahrhunderte eine christlichjüdische<br />
Mehrheit hatten?<br />
Alle Aussteller erhalten 1948 schlüsselfertig mit detaillierten<br />
Angaben und einer Hotline. Hintergrundinformationen können<br />
angefordert werden unter 1948@dein-ev.net und die Webseite<br />
www.dein-ev.net gibt einen allgemeinen Überblick.<br />
Leo Sucharewicz<br />
18 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
ahrheit<br />
kann man<br />
biegen, teilen, verbergen, in Stücke reißen,<br />
vergewaltigen, schänden, verhindern, begraben,<br />
erschlagen, quälen, verhöhnen, in Scheiben<br />
schneiden und durch Propaganda ersetzen.<br />
Alles schon passiert, alles erleben wir auch heute wieder, alles nicht neu.<br />
Neu ist, die Wahrheit zu zeigen.<br />
Mit der Ausstellung 1948.<br />
Sie zeigt, was damals wirklich passiert ist.<br />
Ab Mai verfügbar in Deutschland,<br />
Österreich und der Schweiz.<br />
Bei Interesse einfach das Info-Kit für Aussteller abrufen per Email an 1948@dein-ev.net.<br />
Demokratie und Information – DEIN e.V.<br />
message@dein-ev.net | www.facebook.com/ausstellung1948 | weitere Infos: www.dein-ev.net<br />
Projektpartner: Deutsch-Israelische Gesellschaft<br />
Gefördert durch den Zentralrat der Juden und Deutschland, Keren Hayesod – Vereinigte Israel <strong>DIG</strong> Aktion, <strong>MAG</strong>AZIN den Landesverband Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> der Jüdischen | 19<br />
Gemeinden von Nordrhein, die Jüdische Gemeinde Düsseldorf und International Christian Embassy Jerusalem – Deutscher Zweig.
70 Jahre Israel<br />
Von Ulm<br />
nach Erez Zion<br />
Die Jeckes – deutsche Mitbegründer<br />
des Staates Israel<br />
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten<br />
flüchteten etwa 40 000 deutsche und kulturdeutsche<br />
Juden nach Palästina. Für die meisten verlief die Umstellung<br />
auf die fremde neue Heimat sehr schwierig. Die<br />
sozialistischen Pioniere aus Osteuropa, die das jüdische<br />
Gemeinwesen in Palästina dominierten, betrachteten die<br />
bürgerlichen Einwanderer aus Mitteleuropa zunächst<br />
mit Argwohn. Dieser Argwohn gegenüber den anfangs<br />
abschätzig als Jeckes bezeichneten deutschsprachigen<br />
Einwanderern wich mit der Zeit der Anerkennung ihres<br />
überproportionalen Beitrags zur wirtschaftlichen, gesellschaftlichen<br />
und kulturellen Entwicklung des jüdischen<br />
Gemeinwesens und des Staates Israel.<br />
Hilda und Richard Strauss emigrierten 1936 nach Palästina.<br />
Aus ihrer 1939 errichteten Molkerei entwickelte sich unter<br />
Mitwirkung ihres Sohn Michael Strauss die Strauss Group,<br />
einer der führenden israelischen Lebensmittelhersteller.<br />
Heute leitet ihre Enkeltochter Ofra Strauss den Konzern.<br />
Foto: Strauss Archive / Wikipedia<br />
Die Ulmer Fabrikantenfamilie Strauss gehörte zu den<br />
15 Prozent deutschsprachiger Einwanderer, die sich in<br />
den 1930er Jahren in landwirtschaftlichen Kolonien<br />
niederließen und damit einen radikalen Berufswechsel und eine<br />
Absage an die Stadt auf sich nahmen.<br />
Michael Strauss wurde 1934 in Ulm als Sohn der Eheleute<br />
Richard und Hilde Strauss geboren, die im Jahr zuvor geheiratet<br />
hatten. Michels Vater hatte Nationalökonomie und Staatswissenschaften<br />
studiert und unter anderem Vorlesungen von<br />
Theodor Heuss besucht. Richard Strauss sollte eigentlich das<br />
familieneigene Hüttenwerk übernehmen. 1936 aber entschloss<br />
sich die Familie zur Flucht nach Palästina, wo sie die Parzelle 471<br />
in Naharijah erwarben.<br />
Naharijah war eine der landsmannschaftlich geschlossenen<br />
Mittelstandsiedlungen, in denen deutsche und kulturdeutsche<br />
Einwanderer ohne landwirtschaftliche Erfahrung einen<br />
radikalen Berufswechsel vollzogen. Richard und Hilde Strauss<br />
begannen mit zwei Kühen eine Milchwirtschaft, der die Gründung<br />
der Strauss Molkerei folgte. Der Unternehmensgründung<br />
ging die Popularität von Hilde Strauss’ Käserezepten voraus.<br />
Das Fachwissen von Richard Strauss und seine Erfahrungen als<br />
Unternehmersohn erwiesen sich als Schlüssel zum Transfer von<br />
Hildes Begabung in ein erfolgreiches Unternehmen. Als Richard<br />
Strauss 1975 starb, übernahm sein Sohn Michael die Firma.<br />
2001 wurde dessen Tochter Ofra Vorsitzende des inzwischen<br />
zweitgrößten Lebensmittelkonzerns in Israel. Übertroffen wird<br />
Strauss nur von Osem, einem ebenfalls von Jeckes gegründeten<br />
Lebensmittelkonzern.<br />
Bedeutender Anteil an der Modernisierung des Landes<br />
Strauss ist ein Beispiel dafür, wie Unternehmer, Banker und<br />
Kaufleute aus Mitteleuropa, die über reichlich Fachwissen um<br />
Handel, Industrie und Geldwirtschaft verfügten, das jüdische<br />
Gemeinwesen in Palästina bedeutend zu modernisieren. Das<br />
Wirtschaftswachstum, für das die Jeckes gesorgt haben, trug<br />
seinen Teil dazu bei, die Araber in Palästina weit zu überflügeln.<br />
1938 befanden sich ein Fünftel der Fabriken im Land in der<br />
Hand von Jeckes.<br />
Stef Wertheimer, der 1937 als Elfjähriger mit seinen Eltern aus<br />
dem südbadischen Kippenheim nach Palästina geflohen war,<br />
gründete 1953 im Hinterhof seines Hauses in Naharija die Firma<br />
Iscar. Die Firma für Metallverarbeitung wurde zu einem der drei<br />
größten privaten israelischen Unternehmen und Weltmarktführer<br />
für Metallverarbeitung.<br />
Die Börse Tel Aviv wurde von Siegfried Saalheimer aus Bamberg<br />
gegründet. In den ersten Jahren wurde dort auf Deutsch gehandelt.<br />
Das Hotelwesen wurde von den Jeckes bedeutend vorangebracht.<br />
In Tel Aviv gingen aus der Pension Käthe die Dan Hotels<br />
hervor. In Naharijah schufen die Jeckes eine Tourismusbranche.<br />
Den bedeutendsten Einfluss gewannen die Jeckes im Einzelhandel,<br />
den sie mit ihrer Erfahrung auf die Höhe der Zeit brachten.<br />
20 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
70 Jahre Israel<br />
Shlomo Lahat (1927 – 2014)<br />
kam als Salo Lindner in<br />
Berlin zur Welt. Seine<br />
Familie floh 1933 vor den<br />
Nazis nach Palästina. Er<br />
gehörte zu den Mitbegründern<br />
des Likud und<br />
war von 1974 bis 1993 Bürgermeister<br />
von Tel Aviv.<br />
Foto: Avi Deror,<br />
Wikimedia Commons<br />
Stef Wertheimer, geboren 1926 in Kippenheim bei Lahr, ist<br />
einer der bedeutendsten Industriellen Israels. Er war Mitglied<br />
der Knesset und betreibt mehrere Industrieparks. Einer davon<br />
befindet sich in Tefen, wo auch das Jeckes Museum untergebracht<br />
ist, das die Geschichte der deutschen Einwanderer nach<br />
Israel darstellt. Stef Wertheimer hat stets enge Beziehungen mit<br />
Deutschland unterhalten und wurde mit der Buber-Rosenzweig-<br />
Medaille und dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.<br />
Letzteres wurde ihm 2012 vom damaligen Bundespräsidenten<br />
Joachim Gauck verliehen.<br />
Foto: Wolfgang Kumm / dpa<br />
Salman Schocken<br />
(1877 – 1959) war erfolgreicher<br />
deutscher Kaufhausund<br />
Verlagsgründer, bevor<br />
er 1934 nach Palästina auswanderte.<br />
Durch den Kauf<br />
der Tageszeitung Ha’aretz<br />
begründete er die heutige<br />
Haaretz-Mediengruppe.<br />
Foto: Alfred Bernheim /<br />
Wikimedia Commons<br />
Die Einwanderer aus Mitteleuropa standen nicht nur als Unternehmer,<br />
Industrielle, Facharbeiter und Dienstleister hinter der<br />
ökonomischen Entwicklung des Yishuv, sondern auch als Konsumenten.<br />
Die von den Jeckes angeschobene Entwicklung des<br />
Geschäftslebens führt zu einer Erhöhung des Lebensstandards<br />
und zur Entstehung neuer Berufszweige wie Produktgestaltung<br />
und Werbung.<br />
Der Kaufmann, Zionist und Verleger Salman Schocken, der 1934<br />
aus Deutschland nach Palästina ausgewandert war, gründete<br />
ein Institut für die Erforschung der hebräischen Poesie und<br />
wurde zum ersten Verleger des bedeutenden Schriftstellers<br />
S.Y. Agnon. Er kaufte die Zeitung Haaretz, gründete die Haaretz<br />
Gruppe und 1939 ein Verlagshaus in Tel Aviv. Sein Sohn Gershon<br />
war von 1939 bis 1990 Chefredakteur von Haaretz. Der erste<br />
Chefredakteur der Tageszeitungen Yedioth und Ma’ariv war<br />
Ezriel Carlebach aus Leipzig.<br />
»Wenn wir doch nur 200 000 zusätzliche Jeckes<br />
ins Land bekämen!«<br />
Die vielen Beamte, Anwälte und Richter, die aus Deutschland ins<br />
Land kamen, wurden nach der Staatsgründung gebraucht, um<br />
den Staatsapparat und das Rechtswesen aufzubauen. Simon<br />
Moses aus Lautenberg wurde erster Staatskontrolleur, Moshe<br />
Smoira aus Königsberg Präsident des Oberstes Gerichts und<br />
Chaim Cohen aus Lübeck Generalstaatsanwalt.<br />
Ab 1933 kamen rund 100 Architekten nach Eretz Israel, die<br />
mit der Lehre des Bauhaus vertraut waren. Eine Gruppe von<br />
Ärzten unter der Leitung von Felix Theilhaber aus Berlin hat die<br />
liberale Maccabi Krankenkasse gegründet, in der freie Ärztewahl<br />
zugelassen war. Deutsche Professoren haben sich um die<br />
Forschung und Lehre verdient gemacht und Palästina zu einem<br />
akademischen Leuchtturm im Nahen Osten. Die Jeckes haben<br />
das Cameri Theater gegründet, benannt nach den Kammerfestspielen<br />
in Berlin. Das erste Stück »Diener zweier Herrn« war<br />
auch Premierenstück der Kammerfestspiele in Berlin. Die Jeckes<br />
stärkten die jüdische Gemeinde in der gemischten Stadt Haifa<br />
und beschleunigten den Urbanisierungsprozess in Tel Aviv. Der<br />
1927 in Berlin geborene Shlomo Lahat war fast zwanzig Jahre<br />
Bürgermeister von Tel Aviv.<br />
Der Beitrag der deutschen Einwanderer zum wirtschaftlichen,<br />
wissenschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Fortschritt<br />
Palästinas in den 30er und 40er Jahren bestimmte schließlich<br />
auch den westlichen Charakter des späteren Staates Israel.<br />
David Gross schrieb 1975 in einem Artikel »Oj Jerusalem« für die<br />
Jerusalem Post: »Wenn wir doch nur 200 000 zusätzliche Jeckes<br />
ins Land bekämen! Sie brauchen nicht gerade solch feierlich<br />
aussehende Juden aus Deutschland mit Jacketts zu sein, sondern<br />
Menschen, die ihre Aufgaben methodisch und verlässlich<br />
erfüllen.«<br />
Oliver Vrankovic<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 21
Aktuell<br />
Heiko Maas<br />
in Jerusalem<br />
»Ich bin wegen Auschwitz in die Politik<br />
gegangen«, sagte Heiko Maas in seiner<br />
Antrittsrede als Außenminister der neuen<br />
Bundesregierung. Ein sehr persönliches<br />
Bekenntis, das auch Bestätigung bei<br />
seinem ersten Israel-Besuch fand. Er fuhr<br />
sofort nach der Landung am Ben-Gurion-<br />
Flughafen nach Jerusalem und besuchte<br />
dort als erstes die Holocaust-Gedenkstätte<br />
Yad Vashem, begleitet von Charlotte<br />
Knobloch, der früheren Präsidentin des<br />
Zentralrats der Juden. Ziel seiner Reise<br />
war es vor allem, Deutschlands »Verbundenheit<br />
mit Israel für die Zukunft<br />
zu stärken,« was auch beim Treffen mit<br />
seinem Amtskollegen, Ministerpräsident<br />
Benjamin Netanjahu, deutlich wurde. Die<br />
Begegnung fand in betont freundschaftlicher<br />
Atmosphäre statt. »Die Freundschaft,<br />
die wir heute mit Israel genießen,<br />
ist großen Männern und Frauen zu danken,<br />
die sie haben wachsen lassen. Uns<br />
ist sie vor allem ein großes Geschenk,«<br />
so Heiko Maas. Ein hoffnungsvoller Start<br />
für die künftige Gestaltung der deutschisraelischen<br />
Beziehungen.<br />
Fotos: Picture Alliance<br />
Ilia Yefimovich/dpa,<br />
Kobi Gideon/Israel<br />
Government Press Office<br />
Bundesregierung soll Kuwait Airways Landerechte entziehen<br />
»Fluggesellschaften, die sich weigern,<br />
israelische Staatsangehörige zu befördern,<br />
müssen umgehend alle Landerechte<br />
in Deutschland entzogen werden,«<br />
fordert Christian Lange, Vizepräsident<br />
der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />
und Parlamentarischer Staatssekretär im<br />
Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz,<br />
in einem Brief an Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel.<br />
Christian Lange hatte nach dem Urteil<br />
des Frankfurter Landgerichts in Sachen<br />
Kuwait Airways umgehend an die Bundeskanzlerin<br />
geschrieben. Hintergrund<br />
war die Klage eines in Deutschland<br />
lebenden israelischen Studenten, der mit<br />
Kuwait Airways von Frankfurt am Main<br />
nach Bangkok fliegen wollte. Die kuwaitische<br />
Fluggesellschaft weigerte sich<br />
jedoch, ihn aufgrund seiner Nationalität<br />
mitzunehmen.<br />
Ein Jet der Kuwait Airways am Flughafen<br />
Frankfurt/Main. Der Entzug<br />
der Landerechte in Deutschland ist<br />
wahrscheinlich, sollte die Airline<br />
weiterhin Israelis diskriminieren.<br />
Foto: Leonid Faerberg / picture alliance<br />
Auszüge aus dem Brief vom 17. Januar<br />
<strong>2018</strong>: »Das aktuelle Urteil des Frankfurter<br />
Landgerichts in Sachen Kuwait Airways<br />
hat hohe Wellen geschlagen. Ich habe<br />
unzählige Anrufe aus den jüdischen<br />
Gemeinden, aber auch aus Israel erhalten,<br />
die mir ihre Fassungslosigkeit zum<br />
Ausdruck gebracht haben. Wir können<br />
nicht einerseits bei Gedenkveranstaltungen<br />
gemeinsam ›Nie wieder!‹ sagen,<br />
andererseits schweigen, wenn heute in<br />
Deutschland Aktivisten zum Boykott Israels<br />
aufrufen oder, wie in diesem Fall, eine<br />
Fluggesellschaft sich weigert, israelische<br />
Staatsangehörige zu befördern. Sehr<br />
geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie selbst<br />
haben betont, dass die Sicherheit Israels<br />
Teil der deutschen Staatsräson sei. Daher<br />
möchte ich Sie hiermit bitten, sich persönlich<br />
dafür einzusetzen, dass der Kuwait<br />
Airways umgehend alle Landerechte<br />
in Deutschland entzogen werden. Wir<br />
dürfen niemals schweigen, wenn Juden<br />
diskriminiert oder schikaniert werden.«<br />
Der Vizepräsident der <strong>DIG</strong> fordert: »Die<br />
Bundeskanzlerin muss hier klare Kante<br />
zeigen. Unsere Freundschaft zu Israel ist<br />
unverhandelbar. Eine derartige Diskriminierung<br />
ist nicht tolerierbar!« Inzwischen<br />
gibt es Gespräche mit der kuwaitschen<br />
Seite, die jedoch bisher zu keinem Ergebnis<br />
geführt haben. Andere Fluggesellschaften<br />
aus dem Nahen Osten dagegen<br />
befördern Israelis, so die Etihad Airways<br />
und Emirates aus den Vereinigten Arabischen<br />
Emiraten, Royals Jordanian und<br />
Gulf Air aus Bahrain.<br />
22 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Aktuell<br />
Duden nimmt das Adjektiv »israelfreundlich« auf<br />
»5 000 Wörter stärker – der neue Duden<br />
ist da,« wird die 27., völlig neu bearbeitete<br />
und erweiterte Auflage des Standardwerks<br />
der deutschen Rechtschreibung<br />
wortgewaltig beworben. Zu den<br />
Neuaufnahmen in das amtliche Regelwerk<br />
gehören aktuelle Wörter wie Fake<br />
News, Lügenpresse, Selfie, Mütterrente,<br />
Schmähgedicht, Darknet, verpeilen,<br />
tindern – und, man reibt sich die Augen,<br />
das eher mauerblümchenhafte Adjektiv<br />
israelfreundlich. Das ist in der Tat stark.<br />
Grund ist jedoch kaum ein neuerdings<br />
häufigeres Vorkommen des Wortes im<br />
täglichen Sprachgebrauch, sondern<br />
vielmehr die Kritik eines Bloggers daran,<br />
dass in die vorhergehende Auflage des<br />
Rechtschreibdudens bereits das Wort<br />
israelkritisch aufgenommen wurde. Das<br />
nennt man Ausgewogenheit. Definiert<br />
werden die beiden Wörter nun als »dem<br />
Staat Israel kritisch gegenüberstehend«<br />
beziehungsweise »dem Staat Israel<br />
wohlwollend gegenüberstehend«. Wohlwollend,<br />
wie gnädig! Dennoch bleibt ein<br />
merkwürdiger Beigeschmack. Hatte die<br />
Duden-Redaktion etwa ein schlechtes<br />
Gewissen? Denn außer Israel kommt<br />
im Duden kein anderer Staat in einem<br />
Kompositum mit dem Adjektiv kritisch<br />
vor. Syrien, Iran, Nordkorea, Venezuela,<br />
Russland – alles im grünen Bereich. Die<br />
deutsche Sprache verrät jedenfalls nicht,<br />
dass in diesen Ländern irgendetwas im<br />
Argen liegen könnte.<br />
Vielleicht sollte man das Ganze aber<br />
auch positiv betrachten. Immerhin sind<br />
viele Gegenstände der Kritik hochangesehen.<br />
Literaturkritik, Theaterkritik,<br />
Filmkritik, Musikkritik oder auch die<br />
stets beliebte Kapitalismuskritik sind<br />
edle Beschäftigungsfelder, wohingegen<br />
von Kommunismus- oder Sozialismuskritik<br />
eher selten die Rede ist. In dieser<br />
Gesellschaft bekommt das Sujet Israelkritik<br />
schon einen ganz anderen Klang.<br />
Israelkritik ist zudem ein Handwerk, von<br />
dem man recht ordentlich leben kann,<br />
wie nicht wenige Nahostkorrespondenten<br />
und NGO-Mitarbeiter mit Sitz am<br />
Hotspot Tel Aviv bestätigen werden. Als<br />
Syrienkritiker in Damaskus oder Palästinakritiker<br />
in Gaza müsste man wohl ein<br />
kärglicheres Dasein fristen.<br />
Also ist die Aufnahme des Wortes israelfreundlich<br />
in den Duden zu begrüßen.<br />
Denn es gibt tatsächlich eine Tendenz zur<br />
Insraelfreundlichkeit, wie eine Recherche<br />
bei Google zutage fördert. Gibt man in<br />
die Suchmaschine das Wort israelkritisch<br />
ein, so erhält man 167 000 Ergebnisse.<br />
Beim Wort israelfreundlich sind es zwar<br />
nur 17 700, doch ganz erstaunlich sind<br />
die Suchergebnisse, wenn man nach den<br />
Substantiven Israelkritiker und Israelfreunde<br />
forscht: Hier stehen 15 400 Israelkritikern<br />
völlig unerwartet 20 900 Israelfreunde<br />
gegenüber – die klare Mehrheit.<br />
Vielleicht sollte der Duden deshalb beim<br />
nächsten Mal noch das Wort Israelfreund<br />
aufnehmen. Und<br />
gendergerechterweise<br />
natürlich<br />
auch die Israelfreundin.<br />
Foto: Duden<br />
Vereinfachter Spendennachweis<br />
Die Übermittlung von Spendenbescheinigung für Mitgliedsbeiträge<br />
und Spenden war bisher mit erheblichem Aufwand für<br />
die Geschäftsstelle verbunden. Daher ein wichtiger Hinweis: Für<br />
Kleinspenden bis zu 200 Euro ist eine Verfahrensvereinfachung<br />
eingeführt worden ist. Der Passus lautet:<br />
»Für Zuwendungen bis 200,00 Euro reicht ein vereinfachter<br />
Spendennachweis nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 EStDV, zur steuerlichen<br />
Geltendmachung der Zuwendung in Form eines Kontoauszuges<br />
oder bestätigtem Bareinzahlungsbeleges.«<br />
Das heißt: Eine Spendenquittung seitens der <strong>DIG</strong> ist künftig<br />
nicht mehr notwendig. Sie wird ab diesem Jahr auch nur noch<br />
auf Anforderung verschickt. Bei Nachfragen eines Finanzamtes<br />
kann man diesem Folgendes mitteilen:<br />
»Die Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. ist durch Freistellungsbescheid<br />
des Finanzamtes für Körperschaften in Berlin,<br />
Steuernummer 27/663/50751, nach § 5 Abs.1 Nr.9 des KStG von<br />
der Körperschaftssteuer befreit, weil sie ausschließlich und<br />
unmittelbar steuerbegünstigten Zwecken im Sinne der §§ 51 ff<br />
AO dient. Sie fördert die gemeinnützigen Zwecke der internationalen<br />
Gesinnung, der Toleranz auf allen Gebieten der Kultur<br />
und des Völkerverständigungsgedankens. Die Satzungszwecke<br />
entsprechen § 52 Abs.2 Satz 1 Nr. 13 AO.«<br />
Zahl der <strong>DIG</strong>-Mitglieder wächst<br />
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V. (<strong>DIG</strong>) verzeichnete<br />
im Jahr 2017 steigende Mitgliederzahlen. Im Lauf des Jahres<br />
wuchs die Anzahl der eingetragenen Mitglieder von 5009 auf<br />
5271 Personen. Dabei standen 282 Abgängen 544 Neueintritte<br />
gegenüber, eine Steigerung von mehr als 5 Prozent. Präsident<br />
Hellmut Königshaus ist erfreut über das Wachstum: »Es ist<br />
uns gelungen, durch verstärkte Präsenz auf Veranstaltungen<br />
Menschen direkt anzusprechen und sie auf unsere vielfältigen<br />
Aktivitäten aufmerksam zu machen. Viele, die Israel gegenüber<br />
positiv eingestellt sind, uns bisher jedoch nicht kannten, waren<br />
erfreut, dass es eine Organsiation wie die <strong>DIG</strong> gibt.« Man darf<br />
gespannt sein, wie die Entwicklung im Jubiläumsjahr weitergeht.<br />
Durch die zahlreichen Veranstaltungen zum 70. Jahr der<br />
Staatsgründung in allen Teilen Deutschlands erhofft sich die<br />
<strong>DIG</strong> auch für <strong>2018</strong> einen deutlichen Mitgliederzuwachs.<br />
<strong>DIG</strong>-Infostand<br />
beim Bürgefest des<br />
Bundespräsidenten<br />
im Sommer 2017.<br />
Foto: <strong>DIG</strong><br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 23
Aktuell<br />
»Ich hatte ein gutes Leben,<br />
und jetzt habe ich nichts.«<br />
Wie der islamistische Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt<br />
an der Berliner Gedächtniskirche auch die Familie Elyakim aus Israel zerstörte.<br />
Berlin, 19. Dezember 2017. Es herrscht eine fast gespenstische<br />
Stille, obwohl der Breitscheidplatz voller Menschen<br />
ist. Dann, um 20:02 Uhr fangen die Glocken der Gedächtniskirche<br />
zu läuten an, zwölf Minuten lang. Eine Minute<br />
für jedes der Terroropfer: Anna Bagratuni, Georgiy Bagratuni,<br />
Sebastian Berlin, Nada Cizmar, Christoph Herrlich, Klaus Jacob,<br />
Angelika Klösters, Dorit Krebs, Fabrizia di Lorenzo, Łukasz Urban,<br />
Peter Völker und Dalia Elyakim. Auf dem Display seines Smartphones<br />
ist das Gesicht von Rami Elyakim zu sehen, als sein Sohn<br />
Or ihm die vielen Umstehenden zeigt, wie sie alle andächtig<br />
dem Klang der Glocken lauschen. Wenige Meter sind es bis zum<br />
Mahnmal, das am Morgen nach einer interreligiösen Andacht,<br />
die in den Wochen danach noch für viel Wirbel sorgen wird,<br />
der Öffentlichkeit übergeben wurde. Fast ein Jahr lang waren<br />
die meisten der Todesopfer namen- und gesichtslos. Jetzt<br />
haben die Hinterbliebenen sie der Anonymität entrissen, Fotos<br />
neben ihre Namen gestellt. Jetzt sind ihre in Beton gegossenen<br />
Namen untrennbar mit der Gedächtniskirche verbunden.<br />
Jeder Besucher, der vom Zoologischen Garten kommt, kann sie<br />
bei aufmerksamer Betrachtung an den Stufen lesen, die zur<br />
Gedächtniskirche führen.<br />
Chen Elyakim beugt sich herunter, hält das Smartphone nah<br />
an die Stufen und zeigt ihrem Vater in Israel den Namen und<br />
das Foto der Mutter Dalia, das flankiert von zwei kleinen<br />
israelischen Fahnen ist. Das Foto zeigt Dalia mit ernster Miene,<br />
um die Lippen eine winzige Spur von Ironie, vielleicht gar von<br />
Skepsis. Umrahmt ist ihr Gesicht von roten Locken, die bis auf<br />
die Schulter fallen. Ihre Augen blicken direkt in die Kamera. Ein<br />
Foto für das Familienalbum. Jetzt richten sich diese Augen auch<br />
auf alle Unbekannten, die hier stehen bleiben. Chen nimmt die<br />
anderen Anwesenden kaum wahr, so konzentriert ist sie, Rami<br />
an dem Augenblick teilhaben zu lassen. Ein inniger, intimer,<br />
hoch emotionaler Moment.<br />
Kritik an mangelnder Empathie<br />
Or auf seine Frage, wo Dalia sei, antworten mussten, dass seine<br />
Ehefrau, ihre Mutter, bei dem Anschlag ermordet wurde.<br />
In Berlin-Tempelhof, im Wenckebachkrankenhaus trat am<br />
22. Dezember 2016 Ofer Elyakim, Ramis jüngerer Bruder, als<br />
erster und lange Zeit einziger Angehöriger der zwölf Todesopfer<br />
vom Breitscheidplatz vor die Presse. Er sagte, dass es frustrierend<br />
sei, denn ihr ganzes Leben lang sei die Familie in Israel mit<br />
Anschlägen und Terror konfrontiert gewesen und es sei nichts<br />
passiert – aber als Rami zusammen mit seiner Ehefrau Dalia in<br />
Berlin auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz Glühwein<br />
tranken, habe das Schicksal zugeschlagen.<br />
Für uns als in Berlin wohnende Mitglieder der Deutsch-Israelischen<br />
Gesellschaft lag es nahe, Rami im Krankenhaus einen<br />
Besuch abzustatten und auch im Namen der <strong>DIG</strong> unsere Anteilnahme<br />
zu übermitteln. Rami lag zu dem Zeitpunkt noch auf der<br />
Intensivstation im Koma, aber wir konnten unseren Brief und<br />
Blumenstrauß seinem Schwager Yaron übergeben.<br />
Als wenige Tage nach dem Anschlag der Tatort für die Öffentlichkeit<br />
wieder frei gegeben wurde, strömten viele Berliner<br />
und Touristen zur Gedächtniskirche und verwandelten den<br />
Breitscheidplatz in ein Kerzen- und Blumenmeer. Aber das<br />
Auffallende, Verstörende war, dass kaum persönliche Gegenstände<br />
abgelegt wurden. Ein Foto von Fabrizia di Lorenzo, eins<br />
vom LKW-Fahrer Łukasz Urban, ein Foto, das Dalia und Rami<br />
Elyakim zeigt. Daneben lag ein auf Hebräisch und Englisch<br />
handgeschriebener Zettel: »Von Israel an Berlin. Wir kennen Eure<br />
Schmerzen«. Aus der Presse war zu erfahren, dass insgesamt<br />
zwölf Personen ermordet und mehr als 70 Personen verletzt<br />
wurden. Einige sind selbst am Jahrestag noch im Krankenhaus.<br />
Lebenslang werden sie alle, die Leicht- und Schwerstverletzten,<br />
die Angehörigen und Hinterbliebenen, die Polizisten und Ersthelfer<br />
unter einem Trauma zu leiden haben…<br />
Rami Elyakim wäre bereit gewesen, zum Jahrestag nochmals<br />
nach Berlin zu kommen, trotz der Schmerzen, die seit dem islamistischen<br />
Terroranschlag zu seinem Leben gehören, trotz der<br />
wegen des kaputten linken Knies großen Gehschwierigkeiten.<br />
Eine Operation, diesmal am Herzen, auch eine Folge des Terroranschlags,<br />
hat seine Teilnahme verhindert. In einem »Spiegel«-<br />
Interview, das kurz vor dem Jahrestag des Anschlags veröffentlicht<br />
wurde, zusammen mit dem wütenden offenen Brief der<br />
Hinterbliebenen an die Bundeskanzlerin, in dem sie sich auch<br />
über ihre mangelnde Empathie beschweren, wird Rami zitiert<br />
mit den Worten: »Ich hatte ein gutes Leben, und jetzt habe ich<br />
nichts.« Diesem Nichts trotzt er jeden Tag, seit er Ende Dezember<br />
2016 aus dem Koma erwachte und seine Kinder Chen und<br />
Dalia und Rami Elyakim.<br />
Foto: Chen Elyakim<br />
24 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Aktuell<br />
Tage nach dem Anschlag verwandelten Berliner und Touristen<br />
den Breitscheidplatz in ein Kerzen- und Blumenmeer.<br />
<br />
Foto: Jürgen Sterzenbach<br />
Am 19. Dezember<br />
2017, ein Jahr nach<br />
dem Anschlag, fotografiert<br />
Chen Elyakim<br />
das Denkmal mit dem<br />
Namen ihrer Mutter.<br />
Foto: Stefan Krikowski<br />
Opfer ohne Namen und Gesicht?<br />
Zwölf Tote, fünf Ausländer, sieben Deutsche, sechs Frauen,<br />
sechs Männer. Am Breitscheidplatz blieben die Toten fast ein<br />
Jahr lang ohne Namen und ohne Gesicht. Kurz nach dem Anschlag<br />
veröffentlichte die Deutsche Bank eine Todesanzeige für<br />
eine Kollegin, jedoch ohne ihren Namen zu nennen. Im Internet<br />
wurde gegen diese Anonymität protestiert. Nach und nach<br />
wurden die Namen bekannt. Jedoch blieben sie weitestgehend<br />
im virtuellen Raum. An der provisorischen Gedenkstätte, die<br />
nach Schließung des Weihnachtsmarktes blieb, sollten offenbar<br />
die Namen und Gesichter der Terroropfer nicht genannt und<br />
gezeigt werden. Aber wie wollen wir trauern und anteilnehmen,<br />
wenn wir die Namen und Gesichter nicht kennen? Oder wollen<br />
wir nicht wissen, welches Gesicht nicht mehr in die Kamera<br />
lächeln, welcher Opa sein Enkelkind nicht mehr vom Kindergarten<br />
abholen wird? Und so ist es gut, dass die Hinterbliebenen<br />
sich für dieses Mahnmal entschieden haben.<br />
Wie es zu dem Terroranschlag kommen konnte, war schon Thema<br />
in drei Ausschüssen, zweien in Berlin und einem in Nordrhein-Westfalen.<br />
Nun soll die Tat auch in einem Bundestagsausschuss<br />
erörtert werden. In den Wochen vor dem Jahrestag<br />
wurden immer mehr Pannen bekannt. Wann wird sich jemand<br />
hierfür bei den Opfern und Hinterbliebenen entschuldigen?<br />
Jerusalem, Tel Aviv, Paris, New York, London, Madrid, Brüssel,<br />
Stockholm, Manchester, Nizza und jetzt auch Berlin. Der Anschlag<br />
vom 19. Dezember 2016 ist nicht der erste islamistische<br />
Terroranschlag in Deutschland, frühere Anschläge fanden in<br />
Frankfurt, Ansbach, Würzburg, Hannover und in Essen statt,<br />
aber er ist der erste große Anschlag, der nicht sofort wieder<br />
aus den Schlagzeilen verschwindet. Dass es sich um einen<br />
islamistischen Terroranschlag handelt, wird in der Inschrift<br />
der Gedenkstätte nicht erwähnt. »Zur Erinnerung an die Opfer<br />
des Terroranschlags am 19. Dezember 2016. Für ein friedliches<br />
Miteinander aller Menschen. In dieser Nacht starben…«<br />
In Vorbereitung auf unseren Israel-Urlaub im Oktober 2017<br />
reifte in uns der Gedanke, vor Ort nachzufragen, wie es Rami in<br />
der Zwischenzeit ergangen war. Dank der Vermittlung der Israelischen<br />
Botschaft konnten wir ihn und weitere Familienangehörige<br />
in Herzliya besuchen. Er empfing uns im Stehen, etwas, das<br />
wir erst nach dem Treffen entsprechend einordnen konnten.<br />
Er verlor wenige Worte über das Geschehene. Über die ihn<br />
behandelnden Ärzte war er voll des Lobes. Erst als wir im Begriff<br />
waren zu gehen und zur Verabschiedung schon aufgestanden<br />
waren, kam das Thema »Entschädigungszahlungen« auf. Die<br />
Knesset hatte infolge des Berliner Terroranschlags ihr Gesetz<br />
zu Entschädigungszahlungen geändert. So haben nun auch<br />
Israelis, die im Ausland Opfer von Terroranschlägen werden,<br />
Anspruch auf Entschädigungszahlungen, wenn die Terrororganisation<br />
auch als israelfeindlich eingestuft wird.<br />
Aber wie sieht es mit Entschädigungszahlungen seitens der<br />
Bundesrepublik aus? Der Opferbeauftragte Kurt Beck klagte in<br />
seinem Abschlussbericht darüber, dass die finanziellen Hilfen<br />
der Bundesregierung nicht ausreichend seien. Der Bundestag<br />
stimmte am 13. Dezember 2017 für einen Antrag von CDU/CSU,<br />
SPD, FDP und Grünen, der die Bundesregierung dazu auffordert,<br />
die Opferentschädigung zu verbessern. Aber noch ist unklar,<br />
ob und wann mehr Entschädigungszahlungen an Opfer und<br />
Hinterbliebene fließen werden.<br />
Spendenaktion für Rami Elyakim<br />
Rami Elyakim erklärte, dass zwar seitens der Deutschen viele<br />
nette Worte gesprochen würden, aber keiner frage, wie es denn<br />
für ihn und seine Familie nun finanziell weitergehe. Vor dem<br />
19. Dezember 2016 führte er als selbständiger Kühlanlagenbauer<br />
ein gutes Leben. Einige seiner Kunden hoffen noch immer<br />
darauf, dass er eines Tages seine Arbeit wieder aufnimmt, aber<br />
daran ist nicht zu denken. Chen bemerkte, dass ihr Vater immer<br />
gerne gearbeitet und noch längst nicht ans Aufhören gedacht<br />
hatte. Der Anschlag hat eine Familie und deren Existenz zerstört.<br />
Man habe ihnen gesagt, dass sie keine regelmäßigen Zahlungen<br />
bekommen könnten, da sie keine deutschen Staatsangehörigen<br />
seien. Aber, so wendete Ramis Schwester ein, ihre Eltern hätten<br />
doch trotzdem Wiedergutmachungszahlungen als Shoa-Opfer<br />
erhalten. Dermaßen herausgefordert haben wir nach unserer<br />
Rückkehr aus Israel überlegt, was wir tun können. Und so ist eine<br />
Spendenaktion entstanden, deren Erlös von mehr als 12 000 Euro<br />
Rami Elyakim am Yom Haatzmaut überreicht wurde.<br />
Margreet und Stefan Krikowski<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 25
Meinung<br />
Soll Deutschland seine Botschaft<br />
nach Jerusalem verlegen?<br />
Nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die US-amerikanische Botschaft nach<br />
Jerusalem zu verlegen, und der nachfolgenden weltweiten Kontroverse und Aufregung haben<br />
mehrere Arbeitsgemeinschaften der <strong>DIG</strong> das Präsidium aufgefordert, einen solchen Schritt<br />
auch von der Bundesregierung zu verlangen. Das Präsidium hat dies ausführlich erörtert und<br />
sich entschlossen, dem zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht nachzukommen – auch weil die<br />
Meinungen darüber in der <strong>DIG</strong> noch weit auseinandergehen. Zwei Mitglieder des Präsidiums<br />
beschreiben hier ihre unterschiedlichen Standpunkte.<br />
PRO: Ja zu Jerusalem, Ja zu Israel.<br />
»Die Neurose verleugnet die Realität nicht, sie will nur nichts<br />
von ihr wissen«,so hat Freud es einmal beschrieben. Im politischen<br />
Deutschland gehört Realitätsverweigerung zu oft zum<br />
guten Ton –; und in Bezug auf Israel sogar seit mittlerweile fast<br />
70 Jahren zur »Staatsräson«. Solange nun verweigern Bonn<br />
und Berlin schon die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt<br />
Israels. Seit nunmehr 50 Jahren wiederum fahren dennoch die<br />
gepanzerten Mercedes-Limousinen der deutschen Botschafter<br />
ein jedes Mal über den Highway One von Tel Aviv nach Jerusalem<br />
zu Ministerien, Konferenzen und auch zur Knesset. Manchmal<br />
fahren deutsche Kanzler, Außenminister und Präsidenten<br />
mit. Sie alle halten dort Reden. Ermahnen, hoffen, beteuern.<br />
Sie schütteln dort Hände, schreiben sich deutsch-israelische<br />
Freundschaft auf die Fahnen. All das in einer verbotenen Stadt.<br />
Deutsche Janusköpfe.<br />
Dass auch in unserer Gesellschaft die Frage der Anerkennung<br />
Jerusalems auf Widerstand trifft, verwundert da nicht. Und doch<br />
ist diese Opposition bemerkenswert, weil ohne Fundament.<br />
Das völkerrechtliche Argument? Vorgeschoben. Unabhängig von<br />
dem durchaus umstrittenen und alles andere als klaren völkerrechtlichen<br />
Status des Jerusalemer Stadtgebietes – es geht hier<br />
nicht um den völkerrechtlichen Status der Stadt. Hauptstädte<br />
werden nicht durch das Recht bestimmt, sondern durch Völker<br />
in freier Selbstbestimmung ausgewiesen. Nur für Israel soll<br />
das nicht gelten – da ist er wieder! Der Jude unter den Staaten.<br />
Dabei ist gerade Selbstbestimmung das sinnstiftende Element,<br />
das Israel für Juden in aller Welt so besonders, so wertvoll und so<br />
unentbehrlich macht. Uns stünde es gut, das zu respektieren.<br />
Dann: Die Sorge um Israels Sicherheit? Überflüssiger Paternalismus.<br />
Israel braucht keinen Vormund. Und überhaupt: Wer würde<br />
umgekehrt behaupten wollen, dass Israelis sicherer seien,<br />
solange nur wir ihnen die Anerkennung ihrer Kapitale vorenthalten?<br />
So gefragt, wird die Absurdität der zugrunde gelegten<br />
Prämisse überdeutlich. Und für die, die immer noch zweifeln:<br />
Eine dritte »Intifada« – organisierten Raub und Mord – hat es<br />
nicht gegeben, als Washington die Weichen neu justierte. Es<br />
würde sie nicht geben, wenn Deutschland es täte. Und selbst<br />
wenn? Sollen wir uns und unsere Haltung dem Diktat der Gewalt<br />
ergeben und beugen? Ich sage entschieden: Nein!<br />
Schließlich: Das Recht der Palästinenser? Auch hier die Gegenfrage:<br />
Welches »Recht«? Genauso wenig wie Deutsche ein<br />
»Recht« auf Breslau haben, ebensowenig haben palästinensische<br />
Araber ein »Recht« auf Jerusalem. Alles andere ist Revisionismus<br />
und Revanchismus. Man will meinen und hoffen, Willy<br />
Brandt hätte damit in Deutschland aufgeräumt.<br />
Nicht Ansprüche, nur Verhandlungen könnten der Palästinensischen<br />
Autonomiebehörde einen Sitz in Jerusalem ebnen. Das<br />
aber ist nicht unser Bier und wird auch nicht morgen durch die<br />
Anerkennung Jerusalems heute verhindert. Die ganze Stadt<br />
bekommt Ramallah sowieso nicht. Worauf also warten?<br />
Seien wir pragmatisch. Seien wir solidarisch. Seien wir ohne<br />
Angst. Lasst uns die Forderung nach der Anerkennung Jerusalems<br />
laut in die deutsche Politik hineinrufen! Wer, wenn nicht<br />
wir. Wir tun niemandem einen Gefallen damit, die Jerusalemfrage<br />
auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf der<br />
Schabbes-Platte warm zu halten. Allein palästinensische Tyrannen<br />
und Terroristen profitieren davon. Dabei gilt es gerade diesen<br />
die Augen zu öffnen. Bis heute scheint Abu Mazen, Ismail<br />
Haniyya und ihren Fellows nicht klar zu sein, dass jede – wie<br />
auch immer konzipierte Lösung – immer<br />
auch ein jüdisches, ein israelisches Jerusalem<br />
wird garantieren müssen. Wer<br />
wollte das in Abrede stellen?<br />
Philipp J. Butler<br />
26 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Meinung<br />
KONTRA: Keine einseitigen Maßnahmen.<br />
Ich widerspreche der Aufforderung, Deutschland solle wie die<br />
USA seine Botschaft nach Jerusalem verlegen. Nicht weil ich<br />
befürchten würde, die palästinensische Führung könnte das<br />
als Anlass zu Hass und Gewalt nehmen – dazu ist leider auch<br />
kein Anlass nötig oder jeder beliebige. Israel und seine Freunde<br />
können da nichts »richtig« machen. Und auch nicht, weil die<br />
Bundesregierung dieser Forderung erkennbar nicht nachkommen<br />
würde; die <strong>DIG</strong> ist unabhängig und kann immer einen<br />
Schritt weitergehen. Die Frage ist nur: Ginge der Schritt zum<br />
jetzigen Zeitpunkt in die richtige Richtung?<br />
Als Argument für die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem<br />
wird zu Recht angeführt, dass Israel selbst schon 1950 Jerusalem<br />
zu seiner Hauptstadt erklärt hat und dass jeder souveräne<br />
Staat frei entscheiden kann, wo seine Hauptstadt mit den zentralen<br />
Institutionen Parlament, Regierung, Oberstes Gericht ist.<br />
Und jeder Staatsgast, der die Knesset besucht, erkennt das auch<br />
an. Warum also nicht auch die Botschaft dort haben?<br />
Das Problem liegt in der Antwort auf die Frage: Was ist gemeint<br />
mit Verlegung der Botschaft nach »Jerusalem«? Ist damit West-<br />
Jerusalem gemeint, so wie es bei der Entscheidung 1950 als Teil<br />
einer geteilten Stadt existierte? Oder ist damit die »ewige und<br />
unteilbare Hauptstadt Jerusalem« gemeint, nun eben das –<br />
vergrößerte – Ost-Jerusalem eingeschlossen, wie es die Knesset<br />
1980 durch das »Jerusalem-Gesetz« verkündete? Dieses einseitige<br />
Gesetz hatte ja 1980 zu der Aufforderung der UNO geführt,<br />
die damals bereits vorhandenen Botschaften aus Jerusalem<br />
abzuziehen, was dann auch geschah. Würde also ein Umzug der<br />
Botschaft nach Jerusalem eine Anerkennung dieses Gesetzes<br />
durch Deutschland bedeuten?<br />
Ich denke, genau das würde eine Verlegung der Botschaft<br />
faktisch bedeuten, egal wo sie dann gebaut würde; auch weil<br />
es eben das Verständnis des gastgebenden Landes ist. Und hier<br />
liegt das Problem, auch für die <strong>DIG</strong>: Halten wir jetzt das Gesetz<br />
von 1980 für legitim? Obwohl es u.a. der von Israel selbst eingebrachten<br />
UN-Resolution 242 widerspricht, in der festgehalten<br />
ist, dass die Grenzen und der Status von Jerusalem endgültig<br />
nur durch freie bilaterale Verhandlungen festgelegt werden<br />
können? Trump selbst hat in seiner Rede diesen Widerspruch<br />
benannt, indem er im zweiten Teil erklärte, er äußere sich<br />
damit nicht zum »endgültigen Status«. Aber stimmt das in der<br />
politischen Realität?<br />
In meinen Augen würde die völkerrechtlich verbindliche<br />
Anerkennung des Jerusalem-Gesetzes auch bedeuten: die <strong>DIG</strong><br />
trennt sich von ihrer programmatischen Überzeugung, dass der<br />
endgültige Status von zwei Staaten und von Jerusalem – wie<br />
1947 von der UNO proklamiert – nicht durch einseitige Maßnahmen,<br />
sondern nur durch Verhandlungen vereinbart werden<br />
kann. Es wäre der Abschied von der Zwei-Staaten-Lösung. Und<br />
von der sollte sich die <strong>DIG</strong> nicht verabschieden; denn wenn sie<br />
auch derzeit weit entfernt scheint, etwas Besseres sehe ich<br />
für Israel nicht.<br />
Deswegen bin ich nicht dafür, dass die<br />
<strong>DIG</strong> sich Trump anschließt.<br />
Dr. Hermann Kuhn<br />
Die USA wollen ihre Botschaft am 14. Mai <strong>2018</strong>, dem<br />
70. Jahrestag der Gründung Israels, nach Jerusalem verlegen.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 27
Politik<br />
Atomdeal mit Iran auf der Kippe<br />
In der Frühe des 10. Februar <strong>2018</strong> war es soweit: Erstmals starteten die iranischen Revolutionären<br />
Garden einen direkten militärischen Angriff auf Israel: Von ihrem syrischen Stützpunkt<br />
in der Provinz Homs lenkten sie eine bewaffnete Tarnkappendrohne in das benachbarte Israel.<br />
Dieser Vorfall, der im Februar glimpflich endete, macht deutlich, warum Israel eine dauerhafte<br />
iranische Präsenz im Nachbarland Syrien nicht akzeptieren kann.<br />
Das iranische Regime belässt es nicht dabei, die Zerstörung<br />
Israels als vordringliches außenpolitisches Ziel anzukündigen,<br />
sondern bereitet sich systematisch darauf<br />
vor. Eben deshalb führt Teheran an der Seite des Diktators Assad<br />
Krieg: Man will die »Achse des Widerstands« gegen Israels<br />
Existenz um jeden Preis verteidigen und stärken. Dafür nimmt<br />
Teheran Tausende Tote und eine wachsende Unzufriedenheit<br />
im eigenen Land in Kauf.<br />
Die eskalierende Kriegsgefahr an der Nordgrenze Israels rückt<br />
auch den innerwestlichen Streit über das 2015 abgeschlossene<br />
Atomabkommen zwischen dem Iran und den fünf ständigen<br />
Vertretern des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland in ein neues<br />
Licht. Während Israel und die USA unter Donald Trump das<br />
Abkommen ablehnen, verteidigen es Deutschland, Frankreich<br />
und Großbritannien vehement. Zwar stimmen beide Seiten<br />
darin überein, dass die Atomwaffenfähigkeit des Iran verhindert<br />
werden muss. Umstritten ist jedoch, ob sich mit dem Joint<br />
Comprehensive Plan of Action (JCPOA), so der offizielle Namen<br />
des Abkommens, dieses Ziel erreichen lässt. Schauen wir uns<br />
also die Vor- und Nachteile dieses Abkommens an.<br />
Zu den Vorzügen des JCPOA zählt, dass der Iran nach Maßgabe<br />
dieses Abkommens zwei Drittel seiner Uranzentrifugen eingemottet,<br />
den Kern seines Plutoniumreaktors zerstört und den<br />
Großteil seines angereicherten Urans ins Ausland verbracht hat.<br />
Im Gegenzug erhielt Teheran bislang eingefrorene Geldsummen<br />
in Milliardenhöhe und wurde von allen nuklearbedingten<br />
Sanktionen befreit. Solange alle Bestimmungen eingehalten<br />
werden, wird die breakout time, also die Zeit, die der Iran benötigt,<br />
um eine Bombe zu bauen, ein Jahr betragen. So wurde dem<br />
Regime auf dem Verhandlungsweg ein unmittelbarer Griff zur<br />
Bombe zumindest für eine Übergangszeit verbaut. Dass damit<br />
aber gleichzeitig der »iranische Weg zur Atomwaffe verlässlich<br />
und nachprüfbar verschlossen« ist, wie vom ehemaligen Außenminister<br />
Steinmeier behauptet, stimmt hingegen nicht. Das<br />
Abkommen zeichnet sich mit Blick auf das iranische Atomprogramm<br />
durch drei gewichtige Konstruktionsfehler aus.<br />
Gewichtige Konstruktionsfehler<br />
Obwohl eine Atomwaffe nicht nur aus einem Sprengkopf<br />
sondern auch aus der dazu gehörigen Trägerrakete besteht,<br />
klammert der JCPOA das Raketenprogramm Irans und damit die<br />
zweite Hälfte des Bombenprojekts aus. Unter Verletzung diverser<br />
Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats setzt Iran seine Anstrengung<br />
zur Entwicklung eigener nuklear bestückbarer Mittel- und<br />
Langstreckenraketen fieberhaft und in enger Kooperation mit<br />
Nordkorea fort.<br />
Zweitens ist das Kontrollregime lückenhaft. »Wir konnten und<br />
können nur eine Vereinbarung akzeptieren«, hatte der deutsche<br />
Außenminister 2015 noch erklärt, die sicherstellt, »dass es …<br />
unangekündigte Inspektionen aller Anlagen« gibt. Dieses Ziel<br />
wurde nicht erreicht. Bis heute lehnt das Regime Kontrollen in<br />
Anlagen, die es als militärisch deklariert, grundsätzlich ab. Was<br />
aber nützen Kontrollen, wenn es den Kontrollierten obliegt, darüber<br />
zu entscheiden, an welchen Orten sie stattfinden dürfen<br />
und an welchem nicht?<br />
Nach Unterzeichnung des Atomabkommens<br />
in Wien am 14. Juli 2015 (v.l.n.r.): Der chinesische<br />
Außenminister Wang Yi, der<br />
fran zösische Außenminister Laurent Fabius,<br />
der deutsche Außenminister Frank-Walter<br />
Steinmeier, die Hohe Vertreterin für Außenund<br />
Sicherheitspolitik Federica Mogherini,<br />
der iranische Außenminister Mohammad<br />
Javad Zarif, der Leiter der iranischen<br />
Atomenergiebehörde Ali Akbar Salehi, der<br />
russische Außenminister Sergej Lavrov,<br />
der britische Außenstaatssekretär Philip<br />
Hammond, der amerikanische Außenminister<br />
John Kerry und der amerikanische<br />
Staatssekretär für Energie Ernest Moniz.<br />
Foto: Ebrahimi Tasnim, picture alliance/Parspix<br />
28 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Politik<br />
Drittens kann das Abkommen die atomare Aufrüstung zwar<br />
verzögern, nicht aber verhindern, denn schon in sechs Jahren<br />
werden die ersten Beschränkungen und in spätestens dreizehn<br />
Jahren sämtliche nukleare Begrenzungen des Atomdeals wegfallen.<br />
Dann wird Teheran Plutoniumreaktoren und Waffenuran<br />
in beliebiger Menge produzieren können. Dann wird die Zeit,<br />
die Teheran zum Bau der Atombombe bräuchte, »auf nahezu<br />
Null schrumpfen«, wie auch Barak Obama, der ehemalige amerikanische<br />
Präsident, einräumt. Wir sehen: Auch dann, wenn das<br />
iranische Regime alle Bestimmungen des Abkommens einhält,<br />
ist ihm am Ende die Atomwaffenfähigkeit gewiss.<br />
Eine Wette auf die Zukunft<br />
Dass ein Abrüstungsabkommen nach wenigen Jahren ausläuft,<br />
ist höchst ungewöhnlich. Es kommt hinzu, dass dieser künftige<br />
Freifahrtschein für die iranische Bombe an keine Bedingung<br />
geknüpft ist: Er gilt auch dann, wenn Teheran den Nahen und<br />
Mittleren Osten weiterhin mit Kriegen überzieht. Das Atomabkommen<br />
war eine Wette auf die Zukunft. Man glaubte, dass<br />
sich Iran innerhalb der nächsten Jahre mit der internationalen<br />
Gemeinschaft versöhnen würde. Heute bestreitet niemand,<br />
dass dies eine Illusion war, dass diese Wette verloren wurde<br />
und sich die Realität entgegengesetzt entwickelt hat.<br />
Wird der Atomdeal trotz dieser Schwächen und Entwicklungen<br />
Bestand haben? Die Antwort ist offen. Am 12. Januar <strong>2018</strong><br />
forderten die USA ihre europäischen Verbündeten ultimativ<br />
dazu auf, sich zu engagieren, um die drei oben genannten<br />
Schwachstellen des Atomabkommens durch ergänzende Vereinbarungen<br />
und neue Sanktionen im Falle weiterer iranischer<br />
Raketentests auszubügeln. Andernfalls würden die USA dieses<br />
Abkommen spätestens Mitte Mai <strong>2018</strong> verlassen und es damit<br />
hinfällig machen. Dies aber wollen die Kernmächte der EU um<br />
beinahe jeden Preis verhindern. Seit Ende Januar <strong>2018</strong> verhandeln<br />
Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA über<br />
ergänzende Abkommen und neue Sanktionen – jedoch hinter<br />
verschlossenen Türen.<br />
Sicher ist: Der iranische Drohnenangriff vom 10. Februar hat<br />
die Notwendigkeit, die Machthaber in Teheran unter Druck<br />
zu setzen, noch erheblich verstärkt. Auch deshalb war das<br />
freundliche Glückwunschschreiben, das Bundespräsident<br />
Frank-Walter Steinmeier am 11. Februar anlässlich des Jahrestags<br />
der Islamischen Revolution an den iranischen Präsidenten<br />
Rohani schickte, um die »positiven« deutschiranischen<br />
Beziehungen zu loben und für<br />
»neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit«<br />
zu werben, kontraproduktiv.<br />
Matthias Küntzel<br />
Politikwissenschaftler und Historiker<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 29
Politik<br />
Israels Stellung<br />
bei den Vereinten Nationen<br />
Immer wieder stößt unangenehm auf, dass gegen Israel von den Vereinten Nationen (UN)<br />
mehr Resolutionen verabschiedet werden als gegen alle anderen Länder zusammen. Unter den<br />
Ländern, die nicht sanktioniert werden, sind Verbrecherregimes und Folterstaaten wie Syrien,<br />
Uganda, Südsudan, Eritrea und Nordkorea. Kein anderes Land ist in den UN so verhasst wie der<br />
Judenstaat. In einer Veranstaltung der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V. im Februar dieses Jahres<br />
stellte sich Patricia Flor, Leiterin der Abteilung Internationale Ordnung, Vereinte Nationen und<br />
Rüstungskontrolle im Auswärtigen Amt, den Fragen von rund 130 Gästen zu diesem Thema.<br />
Am 23. Dezember 2016 verabschiedete der Sicherheitsrat der UN die Resolution 2334, die Israel dazu auffordert, den Siedlungsbau<br />
zu stoppen. Die USA, die in der Regel ein Veto gegen Resolutionen einlegen, die Israel einseitig verurteilen, hatten diesmal auf ihr<br />
Recht verzichtet.<br />
Foto: Albin Lohr-Jones, picture alliance/Pacific Press Agency<br />
Der Vortrag handelte von Israels Stand in den Gremien<br />
der UN, der Friedensmission an Israels Grenzen, der<br />
Rüstungskontrolle im Nahen Osten, dem Iran-Deal und<br />
der UNRWA, dem Hilfswerk für die palästinensischen Flüchtlinge.<br />
Bezüglich Deutschlands Rolle in den UN bemerkte Patricia<br />
Flor, es sei unmöglich, sich an die Seite Israels zu stellen und<br />
gegenüber dem Zusammenschluss arabischer Länder und ihren<br />
Unterstützerstaaten, die stets die Mehrheit bilden, allein etwas<br />
durchzusetzen. Jochen Feilcke, Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Berlin und<br />
Brandenburg, stellte hier zu Recht die Frage, ob dies nicht ein<br />
Grund sei, die eigene Rolle in den UN in Frage zu stellen. Das<br />
ließ Patricia Flor nicht gelten. Das Gremium sei für andere politische<br />
Verhandlungen unverzichtbar. Aus dem Publikum wurde<br />
die Frage wiederholt und erweitert: Wird Deutschland seiner<br />
stets beteuerten besonderen Verantwortung für die Sicherheit<br />
Israels in den Gremien der Vereinten Nationen gerecht? Warum<br />
wollen Deutschland oder die EU die Zahlungen an die UNRWA,<br />
die US-Präsident Trump nicht mehr leisten will, übernehmen?<br />
Antwort: Humanitäre Gründe – das Los der Palästinenser in<br />
Gaza.<br />
Welche Rolle spielt die UNRWA im Nahostkonflikt?<br />
Die Palästinenser sind über die UNRWA, aber auch direkt einer<br />
der größten Hilfsempfänger der Welt. Daher frage man sich,<br />
wer diese Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde<br />
(PA) und an die UNRWA denn kontrolliere, da ein Fortschritt<br />
in den palästinensischen Gebieten weder im Hinblick auf Bildung<br />
noch auf Wirtschaft erkennbar sei. Patricia Flors Antwort<br />
war kaum überraschend: Es gäbe selbstverständlich Kontrollen,<br />
ob geförderte Projekte wirklich wie beantragt durchgeführt<br />
würden. Außerdem würden Mitarbeiter der UNRWA vor Ort<br />
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Politik<br />
»In den vergangenen zehn Jahren erklärte ich immer wieder, dass wir<br />
nicht gegen Israel eingestellt sein dürfen. Doch die Jahrzehnte des politischen<br />
Manövrierens haben eine ungleiche Anzahl an Resolutionen,<br />
Berichten und Komitees gegen Israel eingebracht.«<br />
Ban Ki-moon, von 2007 bis 2016 Generalsektretär der Vereinten Nationen<br />
die Verteilung kontrollieren. Das Ziel sei immer, dass deutsche<br />
Hilfsgelder auch bei den Bedürftigen ankommen. Aber wie<br />
können diejenigen, die von diesen Zahlungen leben, ihre eigene<br />
Arbeit kontrollieren? Hier muss daran erinnert werden, dass im<br />
Sommer 2017 Mitglieder des Haushaltsausschusses aus den<br />
Parteien CDU, SPD, Grüne und Linke die nicht ausreichend kontrollierte<br />
Mittelverwendung an die PA und die UNRWA in einer<br />
Pressekonferenz in Berlin kritisierten. Grund war die katastrophale<br />
Verschlechterung der Schulbücher der Palästinensischen<br />
Autonomiebehörde, die 2017 mit deutschen und europäischen<br />
Hilfsgeldern und Unterstützung deutscher Wissenschaftler in<br />
einer Neuauflage erschienen waren.<br />
Der vererbte Flüchtlingsstatuts der Palästinenser<br />
Ein weiteres Thema: Warum unternimmt die deutsche Regierung<br />
nichts gegen die Absurdität, dass nur bei den Palästinensern<br />
der Flüchtlingsstatus vererbt wird und deshalb die Anzahl<br />
palästinensischer »Flüchtlinge« stetig steigt? Die Zeitschrift<br />
Israel heute zitiert dazu in ihrer Ausgabe vom Februar <strong>2018</strong><br />
Israels ehemaligen UN-Botschafter Ron Prosor: »Ein Hindernis<br />
bei der Konfliktlösung zwischen uns und den Palästinensern<br />
ist die UNRWA. Das private Hilfswerk der Vereinten Nationen<br />
für Palästina-Flüchtlinge verewigt die Fantasie eines palästinensischen<br />
Rückkehrrechts. Die UNHCR – das Hochkommissariat<br />
der Vereinten Nationen für Flüchtlinge – hilft weltweit<br />
66 Millionen Flüchtlingen in Bürgerkriegen, Konflikten und<br />
Naturkatastrophen. Dem gegenüber kümmert sich die UNRWA<br />
ausschließlich um palästinensische Flüchtlinge, die einmal<br />
700 000 Menschen zählten, zu denen inzwischen aber 5,3<br />
Millionen Palästinenser gerechnet werden, weil sie sich als<br />
Flüchtlinge bezeichnen. Der Großteil der palästinensischen<br />
Botschafter a.D. Dr. Bernd Fischer, Botschafterin Dr. Patricia Flor,<br />
Jochen Feilcke MdB a.D. (Vorsitzender <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg<br />
e.V.) und Maya Zehden (<strong>DIG</strong>-Vizepräsidentin und Stellv.<br />
Vorsitzende <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.)<br />
<br />
Foto: <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />
Flüchtlinge existiert jedoch gar nicht. Die letzte Volkszählung<br />
im Libanon ergab, dass zwei Drittel der vom UNRWA gemeldeten<br />
Flüchtlingszahlen frei erfunden waren. 300 000 Menschen<br />
existieren nur in UNRWA-Berichten, nicht aber in der Realität.<br />
Es liegt natürlich im Interesse der UNRWA, die Zahlen aufzublähen.<br />
Somit konnte das Budget vier Mal gesteigert werden: Die<br />
UNRWA erhält por Palästinenserflüchtling 246 Dollar, hingegen<br />
die UNHCR nur 58 Dollar pro Kopf. Die UNRWA ist in Sünde<br />
geboren und lebt in Sünde.«<br />
Mit Unmutsäußerugen reagierte das Publikum, als Patricia Flor<br />
auf die Notwendigkeit der UNRWA verwies, um die humanitäre<br />
Hilfe für die Bevölkerung in Gaza sicherzustellen. Auf den<br />
Einwand der Verantwortung der Hamas für diese Situation ging<br />
sie nicht ein. Das Rückkehrrecht – von der palästinensischen<br />
Führung propagiert und als fundamentale Forderung schon<br />
den kleinsten Kindern eingeimpft – existiert weltweit nirgends<br />
in dieser Form. Wären alle Vertriebenen nach Kriegen weltweit<br />
wie die Palästinenser 70 Jahre lang in »Lagern« gehalten und<br />
bewusst nicht integriert worden, es hätte nirgendwo eine positive<br />
Entwicklung gegeben.<br />
Dabei könnte doch das bisherige politische Versagen der<br />
Weltgemeinschaft nur durch die Umwandlung der UNRWA in<br />
eine Institution geheilt werden, die Geld ausschließlich dafür<br />
bekommen dürfte, die Integration der Palästinenser in solchen<br />
Ländern zu organisieren, in denen sie bereits seit Generationen<br />
leben. Das sind der Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten. Es<br />
gibt sogar Flüchtlingslager in Betlehem und Ramallah.<br />
Der Atomdeal mit Iran<br />
Patricia Flor rechtfertigte den Atomdeal mit dem Iran damit,<br />
dass die deutsche Regierung der Ansicht sei, er diene Israels<br />
Sicherheit. Es sei atomwaffenfähiges Material vernichtet worden,<br />
sodass die kurz bevorstehende Vollendung der Atomwaffe<br />
aufgehalten worden sei. Dabei räumte sie ein, dass Israel<br />
selbstverständlich das Recht habe sich zu wehren, sollte der<br />
Iran angreifen. Dieses Zugeständnis quittierte das Publikum mit<br />
Raunen und Kopfschütteln – »Na vielen Dank für die Erlaubnis…«,<br />
so ein Zwischenruf. Die Referentin war zweifellos engagiert<br />
für Israel. Ihr Bericht konnte wohl aber nur die offizielle<br />
Position des Auswärtigen Amtes (AA) widerspiegeln, und diese<br />
ist, dass man wenig Einflussmöglichkeiten habe. Jochen Feilcke<br />
moderierte bestens vorbereitet und stellte die richtigen Fragen.<br />
Leider blieben zufriedenstellende Antworten der Referentin<br />
weitgehend aus. Ihre Aussagen wie »die Sicherheit Israels ist<br />
deutsche Staatsräson« klangen zwar gut und bekamen Applaus,<br />
sie müssen sich allerdings in der Realität bewähren.<br />
Maya Zehden<br />
<strong>DIG</strong>-Vizepräsidentin<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 31
Foto: Wissam Nassar, picture alliance/ZUMA Press<br />
Einig gegen Israel, uneinig untereinander: Trotz Versöhnungsabkommens zwischen der Fatah und Hamas wurde auf die<br />
Wagenkolonne des Palästinensischen Ministerpräsidenten Hamdallah bei einem Besuch des Gazastreifens am 13. März <strong>2018</strong><br />
ein Sprengstoffanschlag verübt. Mehrere Fahrzeuge des Konvois wurden beschädigt, Hamdallah blieb unverletzt.<br />
»Es kommt allein auf uns<br />
Israelis und Palästinenser an.<br />
Auf niemanden sonst!«<br />
Der bekannte palästinensische Menschenrechtsaktivist, Politikberater und TV-<br />
Moderator Bassem Eid sprach am 31. Januar 2017 auf Einladung der Hochschulgruppe<br />
der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg e.V. und des Mideast<br />
Freedom Forum Berlin an der Humboldt Universität zu Berlin über den palästinensischisraelischen<br />
Konflikt, BDS und warum die Hilfszahlungen an die UNWRA und die<br />
Palästinensische Autonomiebehörde den Konflikt nur zementieren statt ihn zu lösen.<br />
Bassem Eid wurde 1958 im palästinensischen Flüchtlingslager<br />
Shuafat im damals jordanisch besetzten Ost-<br />
Jerusalem geboren und engagiert sich seit Jahrzehnten<br />
als Menschenrechtsaktivist in Israel und den palästinensischen<br />
Autonomiegebieten. Er war unter anderem bei der bekannten<br />
NGO B’tselem tätig und gründete die Organisation Palestinian<br />
Human Rights Monitoring Group (PHRMG). Seit 2003 ist er für<br />
das israelische Fernsehen als unabhängiger Analyst und Kommentator<br />
für palästinensische Politik tätig.<br />
Interessen der unterschiedlichen Konfliktparteien<br />
Seinen Vortrag an der Humboldt Universität eröffnete Eid mit<br />
einem Überblick über die jeweiligen Interessen der unterschiedlichen<br />
Konfliktparteien im palästinensischen-israelischen<br />
Konflikt. Dabei wies er auf die entscheidende Rolle Ägyptens<br />
für die Situation in Gaza hin. Dem arabischen Nachbarland sei<br />
die islamistische Terrororganisation Hamas ein Dorn im Auge,<br />
unterstütze diese doch andere islamistische Milizen auf der<br />
32 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Politik<br />
Der palästinensische Menschenrechtsaktivist<br />
Bassem Eid (r.) und Michael<br />
Spaney, <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />
Foto: Mideast Freedom Forum Berlin<br />
ägyptischen Sinai-Halbinsel. Durch eine entsprechend strenge<br />
Kontrolle der Grenze zu Gaza wolle Ägypten die regierende<br />
Hamas unter Druck setzten und langfristig destabilisieren,<br />
damit die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter ihrem<br />
derzeitigen Präsidenten Mahmud Abbas wieder die volle Kontrolle<br />
über die Enklave am Mittelmeer übernehmen könne. Hilfe<br />
könnten die Bewohner Gazas deswegen auch nicht von der PA<br />
erwarten. Diese setze wie Ägypten auf ein Versagen der Hamas.<br />
Israel habe grundsätzlich Interesse an einem Wiederaufbau<br />
der durch die Militäroffensive von 2014 zerstörten Gebäude in<br />
Gaza, stünde aber vor dem Problem, dass die Hamas dringend<br />
benötigtes Baumaterial lieber zum Ausbau ihrer militärischen<br />
Infrastruktur nutze, als es der Bevölkerung Gazas zukommen zu<br />
lassen.<br />
Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung<br />
Anschließend wandte sich Eid den innerpalästinensischen<br />
Konflikten zu. Den zuletzt nach außen demonstrierten und<br />
durch ein neues Abkommen unterstrichenen Einigungswillen<br />
der größten palästinensischen Parteien Fatah und Hamas hält<br />
Eid für eine mediale Inszenierung. In den letzten Jahren habe<br />
die Welt sechs solcher Vereinbarungen gesehen und nichts<br />
habe sich an der gegenseitigen Feindschaft beider Gruppen<br />
geändert. Dadurch verlören beide Parteien immer weiter an<br />
Rückhalt in der Bevölkerung. Es herrsche insgesamt ein starkes<br />
Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung. Sie sei<br />
mehr am eigenen Vorteil interessiert als an einer Verbesserung<br />
der Situation ihrer Bevölkerung. Statt nach Fortführung des<br />
unnachgiebigen Dauerkonflikts mit Israel sehnten sich die<br />
meisten Palästinenser heute vor allem nach einem sicheren Job,<br />
einem festen Einkommen, einer guten medizinischen Versorgung<br />
und einer zukunftsreichen Ausbildung ihrer Kinder.<br />
Kritik an Einflussnahme von BDS-Hochschulgruppen<br />
Abschließend kritisierte Eid den Versuch europäischer und<br />
nordamerikanischer Campus-Gruppen als Teil der sogenannten<br />
BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) Einfluss<br />
auf den palästinensisch-israelischen Konflikt zu nehmen. Tatsächlich<br />
würde der Versuch israelische Waren zu boykottieren<br />
lediglich zur Zerstörung tausender palästinensischer Arbeitsplätze<br />
führen und damit geradezu dem Gegenteil entsprechen,<br />
was die palästinensische Bevölkerung heute verlange. Die BDS-<br />
Kampagne sei deswegen ein selbstgefälliges Unternehmen, das<br />
sich zwar als Teil einer Lösung des palästinensisch-israelischen<br />
Konfliktes verstehen möchte, in Wirklichkeit aber die Palästinenser<br />
zu Geiseln einer von Grund auf falschen politischen<br />
Strategie nehme. Ganz ähnlich verhielte es sich mit internationalen<br />
Organisationen wie der United Nations Relief and Works<br />
Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA). Die<br />
ursprünglich 1949 ins Leben gerufene UN-Institution zur Koordinierung<br />
von Hilfsleistungen ausschließlich für palästinensische<br />
Flüchtlinge zementiere nach Eid den Konflikt nicht nur ein,<br />
sondern hätte heute selbst ein Interesse an dessen Fortbestand,<br />
um weiterhin hunderte Millionen Dollar an internationalen<br />
Hilfsgeldern zu beziehen.<br />
Zahlungen an Palästinenser an Bedingungen knüpfen<br />
Ein zentrales Problem sieht Eid auch in der Einmischung anderer<br />
Staaten in den Konflikt. Der schädliche Einfluss des Irans<br />
und Katars sei offensichtlich. Aber auch die internationalen<br />
Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde seien<br />
höchst problematisch. Er macht dabei klar: Solange die Zuwendungen<br />
der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten<br />
unkonditioniert gewährt würden, könne sich am fatalen Status<br />
quo der palästinensischen Gebiete nichts ändern – im Gegenteil.<br />
Wolle man tatsächlich eine Lösung für den palästinensischisraelischen<br />
Konflikt voranbringen und die Lebensbedingungen<br />
der palästinensischen Bevölkerung grundlegend verbessern,<br />
dann müsse man die Hilfszahlungen an die Palästinensische<br />
Autonomiebehörde an demokratische rund friedlicher Grundbedingungen<br />
knüpfen. Die PA müsse sich endlich von Gewalt<br />
und Hass distanzieren und sich zu einer friedlichen Koexistenz<br />
mit Israel und einer demokratischen Öffnung nach Innen verpflichten.<br />
Eid ist sich sicher: Die Einmischung anderer Staaten in den<br />
Konflikt müsse genauso zurückgedrängt werden wie der<br />
destruktive Einfluss von BDS-Gruppen und internationalen<br />
Institutionen wie der UNWRA. Eine friedliche Lösung könne nur<br />
vor Ort gefunden werden. Schließlich komme »es allein auf uns<br />
Israelis und Palästinenser an. Auf niemanden sonst!«.<br />
Alexander Steder<br />
Historiker und Politikwissenschafter,<br />
Universität Marburg/Mideast Freedom Forum Berlin<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 33
Medien<br />
Das Israelbild in den deutschen Medien<br />
Dass das Israelbild in den deutschen Medien selten ausgewogen ist, erkennt jeder, der sich mit<br />
Israel und dem Nahostkonflikt auseinandergesetzt hat. Insbesondere im öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk besteht ein akuter Handlungsbedarf, wie zuletzt der Umgang mit der arte-Dokumentation<br />
über Antisemitismus in Europa zeigte, bei der – nachdem man sich zur Ausstrahlung<br />
gezwungen sah – der Versuch unternommen wurde, den Zuschauer mit einem fragwürdigen<br />
»Faktencheck« zu entmündigen.<br />
Wenn es um Israel geht, folgt die Berichterstattung<br />
dem beliebten Denkmuster: Israel ist ein Apartheidsstaat,<br />
der palästinensisches Land besetzt hält und die<br />
armen Einwohner von Gaza unter unwürdigen Bedingungen<br />
gefangen hält. Bebildert werden derartige Berichte mit steinewerfenden<br />
Kindern, die israelischen Soldaten und Panzern<br />
gegenüberstehen – ein beliebtes Motiv, das von palästinensischer<br />
Seite gerne immer wieder inszeniert wird. Viele Menschen<br />
hinterfragen diese Art der Berichterstattung nicht, da sie seit<br />
Jahrzehnten daran gewöhnt sind und die palästinensische Propaganda<br />
die komplexe Thematik scheinbar schlüssig darstellt.<br />
Der Deutsch-Israelischen Gesellschaft war es deshalb ein<br />
Anliegen, Journalisten zu einer Podiumsdiskussion einzuladen,<br />
um über das Israelbild in deutschen Medien zu reden. Das<br />
Podium im Kleinen Sendesaal im Haus des Rundfunks war<br />
hochkarätig besetzt. Nach einem Grußwort von Maya Zehden<br />
und einem Impulsreferat von Daniel Killy (auf den folgenden<br />
Seiten) diskutierte die Runde unter Leitung von rbb-Moderator<br />
Reinhard Borgmann darüber, wie deutsche Medien über Israel,<br />
über staatliches Handeln, Besetzung, Terror und Krieg in Nahost<br />
berichten und wo die Grenze zwischen zugespitzter Kritik und<br />
Antisemitismus verläuft.<br />
Am 27. September 2017 fand in Berlin eine Podiumsdiskussion der <strong>DIG</strong> in Kooperation mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) zum<br />
Thema »Das Israelbild in deutschen Medien« statt. Es diskutierten (v.l.n.r.): Prof. Dr. Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist, Julian<br />
Reichelt, Vorsitzender der BILD-Chefredaktionen, Reinhard Borgmann, Leiter politische Magazine des rbb und Moderator der Diskussionsrunde,<br />
Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks und Rainald Becker, ARD-Chefredakteur. Die Veranstaltung wurde<br />
vollständig mitgeschnitten und kann auf youtube nachverfolgt werden: www.youtube.com/watch?v=79QIXXZSQBE.<br />
<br />
Foto: Jürgen Sterzenbach<br />
34 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Medien<br />
Augenfällige Fehler, mangelnde Empathie<br />
Rainald Becker, ARD-Chefredakteur stellte fest, es ginge bei der<br />
Berichterstattung nicht darum Israel anzuklagen, es handele<br />
sich lediglich um Beschreibungen, die so empfunden würden<br />
und »das Leben in Gaza ist nicht schön« – das mag dem einen<br />
oder anderen nicht gefallen, aber das sei so. Immerhin gab er zu:<br />
»Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler«. Nun ist das sicher<br />
richtig, allerdings stellt sich die Frage, weshalb die Fehler in der<br />
Berichterstattung über Israel für Kenner der Materie so augenfällig<br />
sind und weshalb das in den Redaktionen nicht auffällt.<br />
Exemplarisch für eine weitgehend positive Berichterstattung,<br />
wenn es um Israel und den Nahostkonflikt geht, saß Julian<br />
Reichelt, Vorsitzender der Bild-Chefredaktionen, auf dem<br />
Podium, der darauf hinwies, dass Springer die Grundsätze<br />
der Israelberichterstattung in seinen hausinternen Statuten<br />
festgeschrieben habe. Zitieren könne er sie aus dem Kopf nicht,<br />
aber er versicherte glaubhaft, dass er nach diesen Grundsätzen<br />
leben würde. Kollegin Birgit Wentzien, Chefredakteurin beim<br />
Deutschlandfunk sprang ein, sie hatte die Statuten dabei und<br />
verlas sie. Reichelt bekräftigte, dass Antisemitismus für ihn<br />
Antimenschlichkeit sei, eine tatsächlich mangelnde Empathie<br />
für das Existenzrecht Israels, das ja so oft als Staatsräson zitiert<br />
wird. Wenn es um die Berichterstattung gehe, würden die<br />
israelischen Soldaten allerdings selten als Verteidiger gesehen,<br />
die sich einem Überlebenskampf stellen. Wenn über Bangladesch<br />
oder Gaza berichtet werde, geschehe dies mit Empathie,<br />
wenn es um Israel gehe sei die Berichterstattung kritisch und<br />
antimenschlich.<br />
Mediale Ungleichbehandlung gegenüber anderen Ländern<br />
Es ist tatsächlich ein Phänomen, das inzwischen sogar im<br />
neuen Duden Einzug gehalten hat: für kein anderes Land<br />
existiert ein Wort, das ausschließlich für Kritik an ihm steht –<br />
nur ›Israelkritik‹. Bei der Lust an Eskalation und Entgleisung,<br />
wie Wolffsohn es ausdrückte, zeige sich der doppelte Standard,<br />
der sich in der medialen Ungleichbehandlung Israels gegenüber<br />
anderen Ländern ausdrücke – eines der »drei D«, deren<br />
Definition die Journalisten von Wolffsohn erbaten: Delegimitierung<br />
des Existenzrechts, Dämonisierung als Besatzungsregime,<br />
doppelter Maßstab und Diskriminierung. Wolffsohn plädierte<br />
für eine Entideologisierung und empfahl, über den »israelischen<br />
Ein typisches Beispiel für die einseitige, Israel anklagende<br />
Berichterstattung öffentlich-rechtlicher Medien ist der Korrespondentenbeitrag<br />
über angeblichen Wassermangel im Westjordanland,<br />
den Tagesschau und Tagesthemen im August 2016<br />
ausgestrahlt hatten.<br />
Foto: ARD Screenshot<br />
Tellerrand« hinaus die gesamte Nahostregion in den Blick zu<br />
nehmen, denn oftmals entstünden verzerrte Bilder durch mangelndes<br />
Wissen. Auch Becker beklagte die schlechte schulische<br />
Bildung und damit fehlende Allgemeinbildung bei angehenden<br />
Journalisten, es gebe erschreckende und wachsende Defizite.<br />
In der Diskussion wurde auch die Frage der sogenannten »Nahostexperten«<br />
erläutert, die immer wieder zu Wort kommen und<br />
die gleiche einseitige Sichtweise gegen Israel präsentieren. Es<br />
handele sich stets um Regierungskritiker, die zu Rate gezogen<br />
würden. Becker erwiderte darauf, das Problem mit Experten sei:<br />
»Erstens gibt es zu viele und zweitens sind die meisten keine.«<br />
Aufgeworfen wurde auch die Problematik der freien Journalisten,<br />
die Berichte aus Gaza liefern. Im Gegensatz zu Israel ist<br />
die Berichterstattung in Gaza strikt reglementiert; wenn ein<br />
Journalist nicht im Sinne der Regierung berichtet, darf er nicht<br />
mehr einreisen und ist damit seinen Job los – ein Problem, das<br />
bei der Übernahme der Berichterstattung gerne außer Acht<br />
gelassen wird. Besonders eklatant war dies in einem Bericht<br />
von Tagesschau und Tagesthemen über Wassermangel im<br />
Westjordanland, wo schlichtweg auf die Faktenprüfung oder<br />
Anhörung der anderen Seite verzichtet wurde.<br />
Trotz aller Probleme plädierte Reichelt gegen eine Reglementierung<br />
in der Berichterstattung über Israel, er bezog sich auf<br />
das Grundgesetz und stellte fest, dass ein gesellschaftlicher<br />
Prozess stattfinden müsse, der durch vielfältige Medien in einer<br />
funktionierenden Demokratie in Gang kommen könne. So war<br />
die Diskussion ein guter Anfang, um eine Sensibilisierung für<br />
das Thema zu erreichen. Und es wird die Aufgabe der Deutsch-<br />
Israelischen Gesellschaft bleiben, pauschaler »Israelkritik« in<br />
den deutschen Medien weiter entschieden kritisch entgegenzutreten.<br />
Dr. Nikoline Hansen<br />
Vorstandsmitglied der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 35
Medien<br />
Das Israelbild in den deutschen Medien / Grußwort von Maya Zehden<br />
Friedliche Palästiner, böse Israelis?<br />
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft bemüht sich seit Jahren, falsche, tendenziöse, schädliche Medienberichte<br />
gegen Israel zu kritisieren. Es geht dabei nicht darum zu unterstellen, dass hier eine Verschwörung<br />
im Gange sei. Aber in der Präsentation der Meldungen zu diesem Thema gibt es oft einen gesellschaftlichen<br />
Konsens, der sich aus alten Ressentiments speist.<br />
Maya Zehden ist Vizepräsidentin<br />
der <strong>DIG</strong> und Geschäftsführerin der<br />
Freunde der Hebräischen Universität<br />
Jerusalem in Deutschland e.V.<br />
Es gibt eine Studie von Robert Beyer mit dem Titel: »Mit<br />
deutschem Blick – israelkritische Berichterstattung<br />
über den Nahostkonflikt in der bundesrepublikanischen<br />
Qualitätspresse«, veröffentlicht 2016, darin heißt es zusammenfassend:<br />
»Deutlich wird, dass die Journalisten auch in<br />
Deeskalationsphasen unverändert an ihrer Gewaltorientierung,<br />
an den etablierten Berichterstattungsmustern und an der gängigen<br />
Interpretation des Nahostkonflikts festhalten. Die Israelis<br />
erscheinen als lösungsunwillige Aggressoren, die Palästinenser<br />
hingegen als zerstritten und weitgehend machtlose Opfer.<br />
Wie die emotionale Distanz zur israelischen Politik und deren<br />
Zurückweisung verbal ausgedrückt und vielfach mit einer strikten<br />
Monoperspektive gekoppelt wird, verdeutlichen zahlreiche<br />
detailliert analysierte Textstellen. Dabei wird auch kritisch<br />
erörtert, in welchem Ausmaß antisemitische Stereotype in die<br />
Berichterstattung einfließen.«<br />
Über journalistische Arbeit in Israel hat der amerikanische<br />
Journalist Matti Friedman einen erhellenden Artikel geschrieben,<br />
der in der WELT am 14. Dezember 2014 unter dem Titel »Die<br />
Israel-Story« veröffentlicht wurde. »Im Nahost-Konflikt sind<br />
die Rollen klar verteilt: Hier die friedlichen Palästinenser, dort<br />
die bösen Israelis. Die Hamas hat es geschafft, uns Reporter<br />
zu manipulieren. Ein Weckruf.« Matti Friedman beschreibt die<br />
Kräfte, die auf die Berichterstattung der Kolleginnen und Kollegen<br />
vor Ort wirken. »Abgestumpft nach Jahren der Israel-Story,<br />
gewöhnt an die routinemäßigen Auslassungen, unklar über<br />
die eigene Rolle und kooptiert von der Hamas, beschrieben die<br />
Reporter den Gaza Krieg als israelischen Überfall auf unschuldige<br />
Menschen. So hörten intelligente und in der Regel wohlmeinende<br />
Profis auf, verlässliche Beobachter zu sein, und verstärkten<br />
stattdessen die Propaganda einer der intolerantesten und<br />
aggressivsten Kräfte dieser Erde. Das ist die eigentliche Story.«<br />
Tendenziöse Auswahl und Bewertung von Fakten<br />
Nicht immer geht es darum, ob Fakten falsch oder richtig sind.<br />
Angenommen, sie sind richtig, aber die Hälfte fehlt, dann kann<br />
auch mit richtigen Fakten ein falsches Bild entstehen. Es geht<br />
also um die Auswahl, um die Bewertung dieser Fakten. Welche<br />
Auswirkungen hat das? Diese Frage ist höchst politisch. Denn<br />
machen wir uns nichts vor: Die Politiker, die über Unterstützung<br />
von israelischem Militär, über Zuschüsse, über Entwicklungshilfen<br />
für palästinensische Einrichtungen entscheiden müssen,<br />
lesen genau dieselben Artikel wie wir alle, sehen dieselben<br />
Sendungen im Fernsehen und hören dieselben Beiträge im<br />
Radio. Und wenn die Wortwahl – bewusst oder unbewusst – immer<br />
wieder in eine bestimmte Richtung emotionalisiert, dann<br />
bleiben unsere Entscheider davon nicht unberührt.<br />
Auf einer Pressekonferenz im Juni 2017 haben vier Bundestagsabgeordnete<br />
des Haushaltsausschusses parteiübergreifend<br />
um die Unterstützung der Medien gebeten. Ihnen ginge es um<br />
ein Überdenken der bisherigen Förderpraxis in den palästinensischen<br />
Gebieten und dafür bräuchten sie Unterstützung der<br />
Öffentlichkeit. Anlass war die Veröffentlichung einer Studie zu<br />
neuen, von Deutschland und Europa geförderten palästinensischen<br />
Schulbüchern. Diese Bücher bilden eine Grundlage für die<br />
gegen Israel und gegen Juden gerichtete hasserfüllte Erziehung<br />
von Kindern. In der Pressekonferenz wurde auch festgestellt,<br />
dass Fördergelder abgezweigt und missbraucht werden für<br />
Terroreinrichtungen und zur Unterstützung der Familien von<br />
Terroristen. Insgesamt wurde die mangelnde Kontrolle von<br />
Hilfsgeldern aus Deutschland und der EU kritisiert. Dieses<br />
Thema sollte bei den Haushaltberatungen der neuen Regierung<br />
unbedingt eine Rolle spielen. Dazu braucht es kontinuierliche<br />
Berichterstattung über die genannten Missstände, die ich<br />
persönlich in der Intensität, wie sie beispielsweise über das<br />
Siedlungsthema stattfindet, vermisse.<br />
Auch die weltweit einmalige Anordnung, dass sich nicht nur<br />
außerhalb, sondern auch in den von der palästinensischen Autonomiebehörde<br />
verwalteten Gebieten wie beispielsweise Ramallah<br />
und Betlehem sogenannte Flüchtlingslager für Palästinenser<br />
befinden. Ich war da und habe gesehen, dass es sich um<br />
Straßenzüge handelt, in denen zusammengepfercht Menschen<br />
nur von der Unterstützung der UNRWA leben können. Warum<br />
wird das seit 70 Jahren hingenommen und nicht immer wieder<br />
in den Medien skandalisiert? Wir diskutieren hier in Deutschland<br />
seit zwei Jahren über Integration von Flüchtlingen und<br />
lassen das Thema dort, wo es als politisches Druckmittel gegen<br />
Israel benutzt wird, einfach auf sich beruhen?<br />
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Medien<br />
Das Israelbild in den deutschen Medien / Impulsreferat von Daniel Killy<br />
Es geht auch um sprachliche Feinheiten<br />
Guten Abend, sehr verehrte katholische, evangelische und freikirchliche Mitbürger… Irritiert Sie etwas<br />
an der Anrede? Uns Juden schon lange. Denn Mitbürger, das sind stets die, die in Wahrheit nicht dazugehören.<br />
Jüdische, türkische – wie auch immer Mitbürger: Die Silbe »mit« vorm Bürger zeigt jedem, der so<br />
angeredet wird, dass es ohne ihn auf jeden Fall homogener zuginge. Eine Sprachfeinheit, natürlich – aber<br />
um genau diese Sprachfeinheiten geht es. Denn wie sehr einzelne Begriffe ausgrenzen<br />
und werten können, dafür möchte ich Sie sensibilisieren – es lohnt der zweite Blick<br />
auf scheinbar harmlose Formulierungen.<br />
Daniel Killy ist Journalist<br />
und Vizepräsident der <strong>DIG</strong>.<br />
Ein Beispiel vom 21. August 2017. Die Tagesschau um 20<br />
Uhr macht auf mit der Nachricht, dass der Attentäter von<br />
Barcelona getötet worden sei. Jan Hofer moderiert einen<br />
Beitrag des Korrespondenten Jan-Peter Bartels an, der von den<br />
Ereignissen des Tages berichtet: »Gegen 18 Uhr bei Subirats. Sie<br />
haben ihn gestellt, den gesuchten Attentäter von Barcelona.<br />
Kurz widersprechen sich die Informationen, dann die erlösende<br />
Meldung: Wir bestätigen, dass es sich bei der in Subirats niedergeschossenen<br />
Person um Younes Abouyaaqoub, den Attentäter<br />
von Barcelona handelt.« Bartels ist, völlig zu Recht, der Ansicht,<br />
es sei eine erlösende Nachricht, dass Abouyaaquob neutralisiert<br />
wurde. Als am 8. Januar der seinerzeitige ARD-Korrespondent<br />
Markus Rosch den Anschlag in Jerusalem, bei dem vier israelische<br />
Soldaten durch einen von einem IS-Anhänger gesteuerten<br />
Lkw umgebracht wurden, für die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau<br />
einordnet, ist derlei Empathie nicht zu spüren. Rosch<br />
konstatiert, es sei der schwerste Anschlag seit dem Herbst 2015<br />
und fügt hinzu, »nun befürchten viele eine Eskalation«.<br />
Kausalität von Angriff und Verteidigung auf den Kopf gestellt<br />
Eskalation – das ist so einer dieser Begriffe. Er wird immer dann<br />
verwendet, wenn eine Reaktion Israels auf eine Terrortat zu<br />
vermuten ist. Angriffe aus Gaza sind Ereignisse, Verteidigung<br />
aus Israel ist Eskalation. Dieses Sprachmuster zieht sich seit<br />
Jahren durch die öffentlich-rechtliche Berichterstattung, durch<br />
Zeitungsartikel, ja sogar durch Kommentare zum Thema. Durch<br />
das Wort »Eskalation« wird die klassische Kausalität von Angriff<br />
und Verteidigung auf den Kopf gestellt. Der sich Verteidigende<br />
wird zum Aggressor, aus der Reaktion wird Aktion – mit einem<br />
Wort also wird die Wahrheit ad absurdum geführt. Und wenn<br />
etwas eskaliert, so ist es stets die Abwehr der Israelis.<br />
Oder nehmen wir die Tagesschau vom 17. September. Da wird<br />
über das angebliche Angebot der Hamas berichtet, die Macht<br />
im Gaza-Streifen abzugeben. Die Hamas, eine Terrororganisation<br />
laut EU, wird dort als – auch so ein bis zur Abnutzung<br />
1000-fach benutzter Begriff – als »radikalislamisch« bezeichnet.<br />
Radikalislamisch? Was für ein Unfug. Wenn schon, dann<br />
radikalislamistisch. Ansonsten nähme ja den gesamten Islam in<br />
Haftung und derlei ist doch schließlich streng tabu …<br />
Warum also nicht schlicht Terrororganisation?<br />
Der anklagender Kameraschwenk über die »Mauer«<br />
In ungezählten Berichten über Jerusalem, und ich bleibe<br />
deshalb so vage, weil es sich tatsächlich um Hunderte kurzer<br />
Einspieler in Nachrichtensendungen von ARD und ZDF, Magazinbeiträgen<br />
oder Features handelt, gibt es diesen anklagenden<br />
Kameraschwenk über die »Mauer«. Jene Mauer, die teils<br />
jüdische von arabischen Vierteln und Jerusalem vom sogenannten<br />
Westjordanland trennt. Dass diese Sperranlagen für das<br />
beinahe komplette Verschwinden von Bombenattentaten aus<br />
dem Jerusalemer Alltag geführt haben – geschenkt. Gern wird<br />
dann auch noch der Terminus »annektiert« oder »besetzt« für<br />
Ostjerusalem benutzt. Obwohl es doch die Jordanier waren, die<br />
Jerusalem besetzt und dann einen Krieg gegen Israel angezettelt<br />
und verloren hatten.<br />
All denen, die seit Jahren im Zusammenhang mit Israel jenen<br />
unpräzise und unbedacht gesetzten Begriffen ausgesetzt sind,<br />
will dies nicht als Zufall erscheinen. Ich allerdings bin, trotz<br />
der häufigen Wiederkehr der eben genannten Termini und<br />
Phänomene und trotz der stets erneut auftretenden Feindseligkeiten<br />
gegenüber Israel und somit in zweiter Konsequenz auch<br />
dem hiesigen Judentum, fest davon überzeugt, dass es sich hier<br />
nicht um systemische Probleme handelt. Nein, unsere Medien,<br />
unsere öffentlich-rechtlichen Einrichtungen sind frei. Es gibt<br />
keine institutionelle Juden- und Israelfeindschaft. Aber es gibt<br />
durchaus eine mangelnde Sensibilität gegenüber denen, die<br />
sich durch Schlampig- und Lieblosigkeiten, durch mangelnde<br />
Qualität oder einseitige Korrespondenten verletzt fühlen.<br />
Deshalb mein Vorschlag: Lassen Sie uns, inspiriert vom großen<br />
Viktor Klemperer, ein LTI im Umgang mit israelischen und jüdischen<br />
Themen schaffen – eine Liste mit Begriffen, die Redaktionen<br />
in diesem Kontext künftig meiden oder zumindest wohl<br />
dosiert einsetzen sollten. Es wäre meines Erachtens ein kleiner<br />
Schritt mit großer Wirkung.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 37
Sport<br />
Klare Kante gegen Antisemitismus<br />
Bei Olympischen Spielen – und nicht nur dort – sind israelische Sportler immer wieder<br />
mit Antisemitismus konfrontiert. Einschneidende Konsequenzen daraus ziehen<br />
die Verbände jedoch nur selten. Umso bemerkenswerter ist eine Entscheidung des<br />
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).<br />
Die olympische Eröffnungsfeier in Rio de Janeiro im<br />
Sommer 2016 hatte noch nicht einmal begonnen, da<br />
hatten die Spiele bereits ihren ersten Skandal: Eigentlich<br />
hätten das libanesische und das israelische Olympiateam<br />
gemeinsam zur Eröffnungszeremonie ins Maracanã-Stadion<br />
gefahren werden sollen. Doch als die Israelis den Bus besteigen<br />
wollten, in dem die Libanesen bereits saßen, wies der libanesische<br />
Teamchef Salim al-Haj Nakoula den Busfahrer kurzerhand<br />
an, die Tür zu schließen. Was sich daraufhin ereignete, schilderte<br />
Udi Gal, Trainer der israelischen Segelmannschaft, so: »Ich<br />
bestand darauf, dass wir den Bus betreten können, und sagte,<br />
wenn die Libanesen nicht mit uns fahren möchten, könnten sie<br />
selbstverständlich aussteigen. Als der Busfahrer daraufhin die<br />
Tür öffnete, um uns hineinzulassen, versperrte uns der Leiter<br />
des libanesischen Teams den Zutritt.«<br />
Die Israelis mussten schließlich auf Geheiß des Internationalen<br />
Olympischen Komitees (IOC) einen anderen Bus benutzen und<br />
waren begreiflicherweise empört. Nakoulas Verhalten sei »ein<br />
Schlag ins Gesicht für Olympia«, sagte der israelische Delegationschef<br />
Gili Lustig, der auch das IOC kritisierte, weil dieses,<br />
statt gegen die Libanesen vorzugehen, die Israelis angewiesen<br />
hatte, den Bus zu wechseln. Der libanesische Teamchef wurde<br />
später vom IOC offiziell verwarnt und zog sich gegenüber den<br />
Nachrichtenagenturen auf ein »Missverständnis« zurück. Zu<br />
einer libanesischen Tageszeitung dagegen sagte er, er habe »das<br />
Recht gehabt«, den Israelis den Zutritt zum Bus zu verweigern,<br />
und prahlte: »Ich habe den Eingang des Busses mit meinem Körper<br />
blockiert, obwohl ich wusste, dass manche der israelischen<br />
Sportler sich vorbeidrängen wollten und auf Ärger aus waren.«<br />
Demonstrativ den Handschlag verweigert<br />
Der Sport ist in Bezug auf den Umgang mit dem jüdischen<br />
Staat ein getreues Spiegelbild der Politik, und deshalb lehnen<br />
diejenigen Staaten, die Israel nicht anerkennen, auch jeglichen<br />
sportlichen Wettstreit mit Israelis rundweg ab. Und wenn doch<br />
mal ein arabischer Athlet gegen einen israelischen antritt,<br />
unterlässt er im Zweifelsfall die sonst üblichen Gesten des Fairplay.<br />
So wie der ägyptische Judoka Islam El-Shehaby, der in Rio<br />
gegen den Israeli Or Sasson zu kämpfen hatte und diesem nach<br />
seiner Niederlage demonstrativ den obligatorischen Handschlag<br />
verweigerte. Michaela Engelmeier, Vizepräsidentin des<br />
Deutschen Judo-Bundes und seit dem Herbst des vergangenen<br />
Jahres Präsidiumsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft,<br />
sagte seinerzeit: »Ich bin entsetzt über die Meldungen<br />
antisemitischer Vorfälle, die uns aus Rio erreichen. Was hier<br />
passiert, ist gegen alles, wofür der Sport und die olympische<br />
Idee stehen, und darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.«<br />
»Dass das Projekt zum Teil in<br />
Sportstätten stattfindet, die nach<br />
Terroristen benannt sind, ist für uns<br />
nicht akzeptabel. Deshalb wollen<br />
wir hier weder in irgendeiner Form<br />
beteiligt oder gar federführend sein.«<br />
Alfons Hörmann,<br />
Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes<br />
Bereits in der Vergangenheit war es bei Olympia mehrmals<br />
dazu gekommen, dass Sportler aus Ländern, die den jüdischen<br />
Staat als Todfeind betrachten, nicht zu ihren Wettkämpfen<br />
gegen Israelis erschienen. Bei den Olympischen Spielen 2004 in<br />
Athen etwa weigerte sich der iranische Judo-Weltmeister Arash<br />
Miresmaeili, gegen den Israeli Ehud Vaks anzutreten. Vaks kam<br />
dadurch kampflos weiter, während Miresmaeili von der politischen<br />
Führung seines Landes gefeiert wurde: »Das großartige<br />
Handeln und die Selbstaufopferung unseres Champions, der<br />
auf eine sichere Olympiamedaille aus Protest gegen Massaker,<br />
Terror und Besetzung verzichtet hat, ist eine nationale Ruhmestat«,<br />
lobte ihn der damalige Staatspräsident Mohammad<br />
Khatami. Der Judoka erhielt vom Nationalen Olympischen<br />
Komitee des Iran schließlich eine Prämie von 125 000 Dollar<br />
– die vorgesehene Summe für einen Olympiasieg. Der Judo-<br />
Weltverband IJF verhängte jedoch keine Strafe gegen ihn oder<br />
seinen Verband.<br />
38 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Sport<br />
Kooperation mit Palästinensern abgesagt<br />
Außergewöhnlich ist demgegenüber eine Entscheidung, die<br />
der Deutsche Olympische Sportbund im Frühjahr 2017 traf.<br />
Ursprünglich sollte der Verband einen Experten stellen, der den<br />
Palästinensern zwei Jahre lang bei der Professionalisierung<br />
ihrer Strukturen im Fußball hilft, vor allem im Jugend- und im<br />
Frauenfußball sowie im Schiedsrichterwesen. Doch aus dieser<br />
Kooperation, für die das Auswärtige Amt 400 000 Euro aus den<br />
Mitteln für die internationale Sportförderung bewilligt hatte,<br />
wurde nichts. Als die Vereinbarung bekannt wurde, gab es<br />
deutliche Kritik an ihr, unter anderem vom Simon Wiesenthal<br />
Center (SWC). Denn unter der Federführung von Jibril Rajoub,<br />
der dem Palästinensischen Fußballverband und dem Nationalen<br />
Olympischen Komitee vorsteht, werden immer wieder<br />
Klubs, Mannschaften, Wettbewerbe und Stadien nach Terroristen<br />
benannt, die Juden und Israelis getötet haben. Rajoub, der<br />
wegen terroristischer Aktivitäten 17 Jahre lang in israelischen<br />
Gefängnissen gesessen hat, lehnt zudem nicht nur im Sport,<br />
sondern ganz grundsätzlich jegliche Kooperation mit Israelis ab;<br />
diese sind für ihn allesamt »Rassisten, Faschisten, Expansionisten,<br />
Imperialisten«.<br />
Der DOSB ließ sein Vorhaben schließlich fallen. Sein Präsident<br />
Alfons Hörmann sagte: »Gerade der Missbrauch der Olympischen<br />
Spiele 1936 durch die Nationalsozialisten und das<br />
schreckliche Attentat seitens palästinensischer Terroristen<br />
auf israelische Sportler anlässlich der Olympischen Spiele<br />
in München 1972 sind leider auch ein wichtiger Bestandteil<br />
Fairplay Fehlanzeige: Der israelische Judoka Or Sasson reicht<br />
nach gewonnenem Kampf dem Ägypter Islam El-Shehaby die<br />
Hand, doch dieser verweigert die übliche Geste.<br />
<br />
Foto: Markus Schreiber, picture alliance / AP Photo<br />
unserer olympischen Geschichte in Deutschland.« Daraus folge,<br />
»dass wir die Rahmenbedingungen für jedes nationale und<br />
interna tionale Projekt kritisch prüfen müssen. Beim vorliegenden<br />
wurde uns nun leider erst jetzt bewusst, dass sich nicht<br />
alle Partner zu den hohen Werten des Sports bekennen.« Doch<br />
nun ziehe man die Konsequenz: »Dass das Projekt eventuell<br />
sogar zum Teil in Sportstätten stattfindet, die nach Terroristen<br />
benannt sind, ist für uns im DOSB und für mich als Präsident<br />
schlichtweg nicht akzeptabel. Deshalb wollen wir hier weder in<br />
irgendeiner Form beteiligt oder gar federführend sein.«<br />
Das war ein beachtlicher Schritt, der im internationalen Sport<br />
Seltenheitswert hat. Allzu oft scheuen die Verbände einschneidende<br />
Maßnahmen, wenn es zu antisemitisch motivierten<br />
Aktivitäten gegen israelische Sportler kommt, und gehen lieber<br />
den Weg des vermeintlich geringsten Widerstandes. So aber<br />
wird der Antisemitismus zur Normalität, die er nicht sein darf.<br />
Umso bemerkenswerter ist der Entschluss des DOSB.<br />
Alex Feuerherdt<br />
Der Autor ist freier Publizist mit den Themenschwerpunkten<br />
Israel, Antisemitismus und Naher Osten sowie Betreiber der<br />
Website »Lizas Welt«. Er wird seit vielen Jahren zu Vorträgen<br />
eingeladen, auch von Arbeitsgemeinschaften der <strong>DIG</strong>.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 39
Porträt<br />
Tamar Morali:<br />
Miss Deutsch-Israelische Freundschaft<br />
Der 24. Februar war vielleicht der aufregendste Tag in ihrem Leben. Tamar Morali, geboren vor<br />
21 Jahren in Karlsruhe, frisch zur Miss Internet <strong>2018</strong> gekürt, war eine der 22 Kandidatinnen, die<br />
sich für das Finale der Wahlen zur »Miss Germany <strong>2018</strong>« im Europa-Park Rust qualifiziert hatten.<br />
Doch schon vorher hatte sie einen Medien-Rummel erlebt wie wohl keine Anwärterin zuvor. Als<br />
deutsche Jüdin hatte sie sich stolz geoutet, und so lautete die spannende Frage: Würde Tamar<br />
Morali die erste jüdische »Miss Germany« werden?<br />
Inzwischen hat sich herausgestellt, dass sie auch im Falle<br />
eines Sieges nicht die erste deutsche und jüdische Schönheitskönigin<br />
gewesen wäre. Denn schon die Miss Germany<br />
Universe von 2011 war eine deutsche Jüdin: Valeria Bystritskaia,<br />
in Moskau geborene Tochter einer nach Deutschland eingewanderten<br />
jüdischen Ukrainerin. Da die Organisatoren der Miss-<br />
Wahlen jedoch nicht nach der Religionszugehörigkeit fragen<br />
und Valeria Bystritskaia aus Furcht vor Antisemitismus, den sie<br />
als Kind erlebt hatte, nichts davon sagte, war dies bisher nicht<br />
bekannt.<br />
Tamar Morali hingegen hat keine solchen negativen Erfahrungen<br />
gemacht. In einer religiösen Familie aufgewachsen, ist ihr<br />
ihre jüdische Identität wichtig, und so hat sie sie ganz bewusst<br />
öffentlich gemacht. Ebenso offensiv spricht sie von ihrer Liebe<br />
zu Israel, das sie schon seit ihrer Kindheit auf regelmäßigen<br />
Urlausbreisen kennengelernt hatte und in dem sie nach dem<br />
Abitur als 17-jährige ein freiwilliges soziales Jahr verbrachte. Es<br />
hat ihr in Israel so gut gefallen, dass sie inzwischen dort lebt<br />
und in Herzliya an der IDC International School für Kommunikation,<br />
Marketing und Business studiert. »An meiner Uni kommen<br />
die Studenten aus über 86 verschiedenen Ländern, was mich<br />
inspiriert hat, dort zu bleiben. Es ist, als ob man jeden Tag eine<br />
Weltreise machen würde,« berichtet sie über das Leben an der<br />
Hochschule. Sie fungiert dort auch als Vertreterin des deutschen<br />
Studententeams und ist stolz darauf, ihre Heimat mit<br />
Israel zu verbinden.<br />
Tamar Morali, stolze Miss Internet <strong>2018</strong>.<br />
Foto: Filipe Ribeiro<br />
Neben dem Studium widmet sich Tamar Morali ihrem eigenen<br />
Mode- und Lifestyle-Blog »moralifashion«, durch den sie Zugang<br />
in die Mode- und Werbebranche bekam. Nachdem sie im<br />
November 2017 als Model bei einer Modewoche in Wien auftrat<br />
und überraschend auf dem ersten Platz bei den »Vienna Look<br />
& Style Awards« landete, beschäftigte sie sich intensiv mit dem<br />
Thema Miss-Wahlen. »Ich hatte nie zuvor von einer Miss-Wahl<br />
gehört, also versuchte ich herauszufinden, was das überhaupt<br />
bedeutet,« so Tamar Morali. Schnell fand sie einen Bezug: »Die<br />
Wahl zur Miss Germany bedeutet mir, präsent zu sein und<br />
meine Meinung, meine Geschichte, Inspirationen und Gedan-<br />
40 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Porträt<br />
ken mit Menschen zu teilen. Es war mir schon immer wichtig,<br />
ein Vorbild zu sein und zu zeigen, dass weniger auch mehr sein<br />
kann – gerade auch beim Thema Schönheit.«<br />
Schlagzeilen in der ganzen Welt<br />
Für die Teilnahme an der Wahl zur Miss Germany qualifizierte<br />
sie sich unter 5000 Bewerberinnen durch eine Online-Abstimmung,<br />
bei der sie zur »Miss Internet <strong>2018</strong>« gekürt wurde. Nach<br />
ihrem Sieg gab sie der Jerusalem Post ein Interview, worauf<br />
sich innerhalb von 48 Stunden ihre Geschichte in Amerika,<br />
Mexiko, Spanien, Italien, Russland, China und vielen anderen<br />
Ländern verbreitete. In Deutschland sorgte die Bild-Zeitung für<br />
Schlagzeilen. »Ich bekam nur gutes Feedback, Unterstützung<br />
von Menschen vieler Länder und Religionen, die meinten, ich<br />
könnte ein Zeichen setzen für Frieden und den Mut, sich nicht<br />
vor seiner Religion verstecken zu müssen.«<br />
Sehr selbstbewusst trat sie schließlich beim Finale auf. Auch<br />
wenn sie den Titel Miss Germany nicht gewonnen hat, empfindet<br />
sie allein die Teilnahme als großen Sieg. In ihrem Vorstellungsvideo<br />
begrüßte sie das Publikum auf Deutsch und Hebräisch:<br />
»Guten Abend und Erev Tov Israel« – ein Moment, den sie<br />
nie vergessen wird. »Der Applaus von tausenden Zuschauern<br />
war für mich ein Zeichen, dass ich mich mit meiner Geschichte,<br />
Genießer-Frühstück<br />
am Strand von Tel Aviv.<br />
Foto: Aaron Morali<br />
mit dem wer ich bin und woher ich komme, in Deutschland<br />
wohlfühlen kann.« Ob sie später einmal wieder in Deutschland<br />
leben wird? Zuerst will sie ihr Studium beenden und genießt<br />
derweil das Leben in Tel Aviv. Mazel tov, Miss Deutschland und<br />
Israel der Herzen!<br />
Jürgen Sterzenbach<br />
WIR FEIERN 70 JAHRE STAAT ISRAEL<br />
ISRAELTAG <strong>2018</strong><br />
Seit 2003 wird jedes Jahr in vielen Orten Deutschlands der Israeltag gefeiert – ein<br />
kraftvolles Zeichen der Solidarität und Freundschaft mit Israel! Ob als Veranstalter,<br />
Mitwirkende oder Besucher – seien Sie dabei und feiern Sie mit uns!<br />
Eine aktuelle Übersicht der Orte und Termine zum Israeltag <strong>2018</strong> finden Sie unter<br />
www.israeltag.de.<br />
Social-Media-Aktion: Teilen Sie gerne Fotos, Videos und Berichte vom Israeltag <strong>2018</strong><br />
bei Facebook, Twitter, Instagram etc. mit dem Hashtag #Israeltag<strong>2018</strong> – gemeinsam<br />
können wir so ein zusätzliches öffentliches Signal für die deutsch-israelische Freundschaft<br />
setzen, auch über die einzelnen regionalen Israeltage hinaus!<br />
Der bundesweite Israeltag <strong>2018</strong> steht unter der Schirmherrschaft von<br />
S.E. Jeremy Issacharoff, Botschafter des Staates Israel in Deutschland und<br />
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.<br />
Kontakt:<br />
ILI – I Like Israel e.V.<br />
Friedrichstraße 37 · 60323 Frankfurt/Main<br />
E-Mail: Israeltag@il-israel.org<br />
www.israeltag.de<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 41
Porträt<br />
Der Förster aus der Wüste<br />
Im Sommer 2017 stand für Familie Guagnin aus Israel ein großer<br />
Umzug an. Johannes, seine Frau Shira und die fünf Kinder<br />
haben ihre Sachen gepackt und sind nach Berlin gezogen. Die<br />
Zentrale des Jüdischen Nationalfonds – Keren Kayemeth LeIsrael<br />
(JNF-KKL) in Jerusalem hat den Familienvater als Hauptdelegierten<br />
nach Deutschland entsendet. Als<br />
Nachfolger von Dr. Schaul Chorev ist er seit<br />
September in Deutschland unterwegs und<br />
informiert über die Arbeit des JNF-KKL.<br />
Johannes Guagnin ist seit<br />
Sommer 2017 neuer Hauptdelegierter<br />
des Jüdischen Nationalfonds<br />
JNF-KKL in Deutschland.<br />
Foto: JNF-KKL<br />
Begeistert von der Begrünung Israels<br />
Bevor er sein Amt in Deutschland antrat, arbeitete Johannes<br />
Guagnin von 2012 bis 2017 in der Forstabteilung des JNF-KKL in<br />
Israel. Damit kennt er die Wälder und Projekte des JNF-KKL aus<br />
nächster Nähe. Sein Interesse an der Organisation reicht jedoch<br />
schon viel länger zurück: »Als ich noch Schüler in Süddeutschland<br />
war, bekam ich von einer Bekannten den JNF-KKL Kalender<br />
in die Hand gedrückt. Beim Durchblättern erfuhr ich zum ersten<br />
Mal etwas über die Begrünung Israels. Ich schrieb sofort einen<br />
Brief, um mehr über die Bewaldung Israels zu erfahren – einem<br />
Land, das vor 120 Jahren noch kahl und trostlos war. Ich war begeistert.«<br />
Das Thema hat ihn nicht mehr losgelassen. Johannes<br />
Guagnin, der heute die israelische Staatsangehörigkeit besitzt,<br />
ist am Rande der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Er studierte<br />
Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar und ging dann<br />
für sein Masterstudium in Wüstenstudien an die Ben Gurion<br />
Universität in Be’er Sheva. Dort machte er 2011 seinen Abschluss<br />
und bekam eine Stelle in der Forstabteilung des JNF-KKL. Über<br />
seine Zeit dort sagt er: »Das war für mich natürlich eine große<br />
Bereicherung. Ich konnte das Land erkunden, arbeitete auch in<br />
den abgelegen Wäldern Israels und konnte so meinen kleinen<br />
Beitrag an der großen Aufgabe des JNF-KKL leisten. Besonders<br />
wichtig war mir dabei der Austausch mit jungen Forststudenten,<br />
die aus dem Ausland nach Israel kommen. Sie lernen dort<br />
anhand der Erfahrung des JNF-KKL Israel, wie in trockenen<br />
Regionen Aufforstung und auch Landwirtschaft möglich sind.<br />
Mit diesem Wissen im Gepäck können sie in ihren Heimatländern<br />
einen wichtigen Beitrag leisten, um mit den Herausforderungen<br />
besonders in Wüstenregionen besser umgehen zu<br />
können.«<br />
Die Tradition des JNF-KKL fortschreiben<br />
Als Hauptdelegierter hat sich Johannes Guagnin viel vorgenommen.<br />
Er möchte die lange Tradition des JNF-KKL fortschreiben.<br />
Dafür will er insbesondere auch junge Leute in den Jüdischen<br />
Gemeinden und Organisationen ansprechen und für die Arbeit<br />
des KKL begeistern. »Als Förster liegen mir besonders die Wälder<br />
in Israel am Herzen. Über viele Jahrzehnte lag der Schwerpunkt<br />
auf Aufforstung. Jetzt müssen wir uns verstärkt um deren Pflege<br />
und den Erhalt der Baumbestände kümmern. Das ist sehr<br />
aufwendig. Hierfür brauchen wir jede Unterstützung.«<br />
Der JNF-KKL ist in Deutschland eine gemeinnützige Organisation.<br />
Sein Ziel ist es, Spenden für Umwelt- und Entwicklungsprojekte<br />
in Israel zu sammeln, die der JNF-KKL Jerusalem vor<br />
Ort umsetzt. Das können Aufforstungsprojekte sein oder der<br />
Bau von Wasserreservoiren, Parks und therapeutischen Gärten.<br />
Außerdem engagiert sich der JNF-KKL in der Umwelterziehung<br />
und in der Forschung- und Entwicklung etwa zu Landwirtschaft<br />
und Aufforstung in Wüstenregionen und zu anderen Umweltfragen.<br />
Für einen engen Austausch zwischen Jerusalem und<br />
den vier Büros des JNF-KKL in Deutschland ist der Hautdelegierte<br />
im Einsatz. Er ist damit eine wichtige Schnittstelle zwischen<br />
den Organisationen in beiden Ländern.<br />
Maike Diehl<br />
Die Aufforstungsarbeiten des Jüdischen Nationalfonds JNF-KKL begannen im Jahr 1908. Seither überziehen immer mehr<br />
grüne Flächen die vormals kahlen Hügel – vom Norden bis in die Wüste Negev. In den zurückliegenden 110 Jahren konnten<br />
durch Spenden von Freunden aus der ganzen Welt etwa 240 Millionen Bäume gepflanzt werden. <br />
Foto: JNF-KKL<br />
42 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 43
Genuss<br />
Geburtstagsdinner<br />
für Israel<br />
Man nehme … einen israelischen Koch, falls nicht vorhanden:<br />
einen israel-affinen Koch. Man bitte ihn, vegan-nahe israelische<br />
Cross-Over Cuisine zu kreieren, falls nicht möglich, mische<br />
man orientalische mit vegetarischer Küche. Man wähle: ein<br />
spektakuläres Ambiente. Falls nicht vorhanden: den Lieblings-<br />
Veranstaltungsort. Man lade zum Geburtstagsdinner.<br />
Das Geburtstagskind heißt Israel und wird 70. So geschehen in Frankfurt am<br />
Main. Was noch geschah: aus einem Dinner wurden drei – mit insgesamt 220<br />
Gästen. Dieser 70. sollte gefeiert werden: Genuss first. Das ist das Motto der<br />
Dinner, das ist aber auch Motto und Inhalt der Reise, zu der die <strong>DIG</strong> Frankfurt und<br />
Slow Food im Mai nach Israel laden.<br />
Hubertus Marquardt ist ein junger Mann, der bereits alles konnte, was man in seinem<br />
Beruf können muss: elterliche Fleischerei, Lehre in großen Hotels, Chef im Catering…<br />
und dann kam er nach Frankfurt in dieses Hotel, dessen Besitzer intensive Verbindungen<br />
nach Israel haben. Sie erzählten Küchenchef Hubertus das von der vegan-nahen,<br />
israelischen Cross-Over Cuisine und schickten ihn los. Zwei, dreimal Sich-Umsehen<br />
in Israel., mit israelischen Chefs kochen, auf israelischen Märkten überwältigt sein<br />
von Gemüse, Obst und Gewürzen – Hubertus war begeistert. Seitdem sind die Gäste<br />
begeistert, wenn sie in seinem Restaurant essen. Und er machte mehr daraus: rief<br />
die <strong>DIG</strong> an. Ob das für uns interessant sei? Ja, möglicherweise … So entstanden die<br />
Geburtstagsdinner.<br />
Eine Zutat könnte sein, im Off die Stimme von David Ben-Gurion ertönen zu lassen<br />
»We herewith declare …,« auf derselben CD, überall in Israel zu haben, ist auch der<br />
Teilungsbeschluss: »United States? Yes.« Und dann der Jubel… Ansonsten hat Hubertus<br />
geplaudert, wenn er nicht in der Küche war während der Essen – über »Chefs for<br />
Peace« oder über Petersilie. Petersilie? Ja. Man fällt durch jede deutsche Kochprüfung,<br />
wenn man die Stängel der Petersilie nicht von den Blättern trennt. In Israel: Alles wird<br />
zusammen gehackt und schmeckt so viel intensiver …<br />
Tel Aviv auf dem Teller, und das im Frankfurter<br />
Gutleutviertel. Hubertus Marquardt<br />
hat die Kochmütze im Restaurant des Designhotels<br />
Roomers auf. Nach Israel reist er<br />
regelmäßig, um sich inspirieren zu lassen.<br />
Es gibt keinen israel-affinen Koch im<br />
Bereich Ihrer <strong>DIG</strong>? Hubertus gibt auch<br />
Kochkurse oder verdingt sich als Leihkoch:<br />
vegan-nah, israelisch, Cross-Over.<br />
Auf 70 Jahre Israel!<br />
PS: Alle drei Dinner waren ausgebucht.<br />
PPS: Hubertus Marquardt ist zu erreichen<br />
über hubertusmarquardt@web.de<br />
PPPS: Mit Slow Food nach Israel findet vom<br />
6. bis 13. Mai statt; kontaktieren Sie die<br />
<strong>DIG</strong> Frankfurt.<br />
Claudia Korenke<br />
Es ist angerichtet: 220 Gäste an drei Abenden ließen sich das<br />
israelische Geburtstagsdinner schmecken.<br />
Gemüse – aber wie!<br />
Fotos: <strong>DIG</strong> Frankfurt<br />
44 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Genuss<br />
In sechs Gängen zum Glück.<br />
In Berlin kann man die Künste<br />
Gal Ben Moshes in dessen<br />
eigenem Restaurant genießen:<br />
www.glassberlin.de<br />
Haute Cuisine auf israelisch<br />
Liebe geht durch den Magen. Um sich in Israel zu verlieben, genügen normalerweise<br />
schon Hummus, Falafel, Schakschuka und ein typischer Salat aus feingehackten Gurken,<br />
Tomaten, Zwiebeln und Minzblättern. Doch was der israelische Koch Gal Ben Moshe<br />
auf die Teller zaubert, hebt das Liebesglück in paradiesische Gefilde.<br />
Im März war er schon zum zweiten Mal zum internationalen<br />
Rheingau-Gourmet-Festival eingeladen und servierte den<br />
Gästen ein Gala-Dinner, dessen Geschmackskosmos selbst<br />
den ärgsten Israelskeptiker in den größten Israelfan verwandelt<br />
hätte. Gleichzeitig bewies die erlesene Weinbegleitung, wie<br />
harmonisch die deutsch-israelischen Beziehungen sein können.<br />
Und im Wein ist bekanntlich Wahrheit.<br />
Schauplatz des kulinarischen Highlights war das romantische<br />
Kronenschlösschen in Eltville-Hattenheim, schon seit über zwei<br />
Jahrzehnten alljährlicher Treffpunkt von Feinschmeckern und<br />
Spitzenköchen aus aller Welt. Zu ihnen darf man zweifellos auch<br />
Gal Ben Moshe zählen, 1985 in Israel geboren, dessen Karriere<br />
ihn über Gourmettempel in Tel Aviv und London bis nach Chicago<br />
führte, wo er bei Grant Achatz, einem der weltbesten Köche<br />
arbeitete. 2012 eröffnete Gal Ben Moshe schließlich in Berlin sein<br />
eigenes Restaurant »Glass« – oh glückliche Hauptstädter!<br />
Das Gala-Dinner beim Rheingau-Gourmet-Festival las sich schon<br />
auf der Menükarte wie ein Gedicht: Texturen von Blumenkohl<br />
mit geräuchertem Couscous, gerösteten Weintrauben, Mandeln<br />
und Koriander, Zander auf Ackerbohnen, Calamaretti, Schaum<br />
aus Sesam, Ente mit geräucherten Feigen, würzige Schokoladen-<br />
Kaffee-Sauce, Baklavan mit Entenconfit, mariniertes Lamm<br />
in Joghurt und Sumac mit kandierter Zitrone, Short Ribs vom<br />
Rind mit Kirschen, Rote Beete, Tabak und gebrannten Zwiebeln.<br />
Das Beste gab es zum Schluss: Orangenblütenwasser, Joghurtmousse,<br />
Pistazien, Sumar-Meringue und Yuzu Pudding – ein<br />
Dessertraum, der die Gäste in den siebten Himmel katapultierte.<br />
Die sechs Gänge wurden begleitet von insgesamt zwölf<br />
israelischen und deutschen Weinen, vorgestellt von der israelbegeisterten<br />
Weinfachfrau Romana Echensperger, die den<br />
Abend kenntnisreich und charmant moderierte. Die Weißweine<br />
stammten vornehmlich aus den deutschen Weinanbaugebieten<br />
Mosel, Nahe, Pfalz, Rheingau und Rheinhessen, während Israel<br />
die Rotweine beisteuerte: kräftig bis opulent und ungemein<br />
verführerisch. Sämtliche Weine stammten von Weingütern, die<br />
in der deutsch-israelischen Twin Wineries Initiative zusammengeschlossen<br />
sind. Deren Gründerin Renée Salzman und<br />
der Winzer Eran Pick von den Tzora Vineyards waren extra aus<br />
Israel angereist, um den außergewöhnlichen Abend mit ihren<br />
deutschen Partnern und Freunden zu genießen. Zu den Gästen<br />
gehörte auch die israelische Generalkonsulin Sandra Simovich,<br />
für die Gala Ben Moshe eigens ein fleischloses Menü kreierte –<br />
sie ist Vegetarierin.<br />
Jürgen Sterzenbach<br />
www.facebook.com/TwinWineries<br />
Die Gastgeber (v.l.n.r.): Johanna Bächstädt vom Kronenschlösschen,<br />
Renée Salzman, Gründerin der Twin Wineries, die Weinexpertin<br />
Romana Echensperger, Master of Wine, und der israelische<br />
Herdzauberer Gal Ben Moshe.<br />
Barbara Selbach vom Mosel-Weingut Selbach-Oster und Eran Pick<br />
von den Tzora Yineyards gehören zu den 20 Partnerweingütern<br />
der Twin Wineries. Die Freundschaftsinitiative der Winzer wurde<br />
2017 mit dem »Preis der deutschen Weinkritik« ausgezeichnet.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 45
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Augsburg-Schwaben e.V.<br />
Das Israel-Wunder von Mering<br />
Mering? Wo liegt denn das? Oder anders herum: Wie kommt Israel ins Herz eines<br />
kleinen schwäbischen Ortes mit 14 000 Einwohnern an der Bahnstrecke zwischen<br />
Augsburg und München? Es ist nicht nur ein Beispiel dafür, was die Initiative Einzelner<br />
bewirken kann, sondern auch dafür, wie wunderbar weit wir inzwischen in den<br />
deutsch-israelischen Beziehungen gekommen sind.<br />
Es begann alles im Jahr 2002, als Günter<br />
Wurm, der Jugendbeauftragte im<br />
Gemeinderat von Schmiechen, einem<br />
Ortsteil von Mering, und Jugendtrainer<br />
der Mädchenfußball-Mannschaft von<br />
einer Jugendgruppe auf Israel angesprochen<br />
wurde. In einer latent rechtslastigen<br />
Stimmung unter den Jugendlichen<br />
ging es vordergründig um die politische<br />
Auseinandersetzung mit dem Nahostkonflikt.<br />
Auch für Günter Wurm war dieses Thema<br />
ungewohnt, aber er wollte sich nicht<br />
mit internen Diskussionen unter Deutschen<br />
zufrieden geben, sondern suchte<br />
auch über die <strong>DIG</strong> Kontakt mit Israelis:<br />
es kam zu ersten kleineren Israelfesten<br />
mit israelischem Essen und Liedern. 2009<br />
gab es schließlich einen Sportaustausch<br />
mit Karmiel, das zwar viel größer als<br />
Mering, aber ähnlich ländlich strukturiert<br />
ist. Die Meringer Fußballmädchen fuhren<br />
erstmals nach Israel.<br />
Wie so oft: die Begeisterung auf beiden<br />
Seiten war groß. Es folgten weitere Israelfahrten<br />
und Gegeneinladungen unter<br />
Ausweitung auf musikalische Gruppen.<br />
Die jugendlichen Gäste aus Israel waren<br />
ähnlich begeistert, weil sie nicht in<br />
Hotels wohnten, sondern in Familien zu<br />
Gast waren und gleichzeitig München,<br />
Augsburg, Schloß Neuschwanstein und<br />
das ländliche Bayern kennenlernen konnten.<br />
Daraus entstand nicht nur ein stabiles,<br />
kleines Netzwerk unter den Organisatoren,<br />
sondern auch so etwas wie ein<br />
Israel-Bazillus unter den Jugendlichen,<br />
der sich längst auf die Gesamtgemeinde<br />
von Mering ausgedehnt hat.<br />
Das jährliche Israel-Fest wurde immer<br />
größer und der Kreis der bekennenden<br />
Israelfreunde ist schon auf über 150 Mitglieder<br />
gewachsen. Inzwischen gehören<br />
Vorträge über Israel und das Judentum<br />
zum Standardrepertoire im kulturellen<br />
Leben dieser kleinen Gemeinde. Längst<br />
mußte auch der Gemeinderat auf diesen<br />
Israel-Bazillus reagieren; der Bürgermeister<br />
und mehrere Gemeinderatsmitglieder<br />
machten sich auch auf den Weg nach<br />
Karmiel und in diesem Jahr kommt der<br />
Bürgermeister von Karmiel zum Gegenbesuch.<br />
Man darf gespannt sein, wie<br />
sich diese Verbindung der Herzen weiter<br />
entwickelt.<br />
Dieter Münker<br />
Die Jugendgruppe aus Mering<br />
zu Besuch in Israel.<br />
Fotos: Peter Holthaus<br />
46 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />
Pioniere der Städtepartnerschaft<br />
Die <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg hatte im Oktober 2017 ins Rathaus Charlottenburg eingeladen,<br />
um am Beispiel des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf über Berliner Partnerschaften<br />
mit israelischen Städten zu informieren und den Ausbau bestehender sowie den Aufbau neuer<br />
deutsch-israelischer Städtepartnerschaften in Berlin und Brandenburg anzuregen. Bezirksbürgermeister<br />
Reinhard Naumann berichtete anschaulich über die Entwicklung der Partnerschaften<br />
mit den beiden israelischen Gemeinden Karmiel und Or Yehuda.<br />
Bereits kurz nach der Aufnahme diplomatischer<br />
Beziehungen zwischen der<br />
Bundesrepublik Deutschland und dem<br />
Staat Israel 1965 wurde die Partnerschaft<br />
zwischen Charlottenburg und Or Yehuda<br />
(zwischen Tel Aviv und dem Ben-Gurion-<br />
Flughafen gelegen) begonnen. Sie zählt<br />
somit zu den frühesten deutsch-israelischen<br />
Städtepartnerschaften und konnte<br />
bereits das 50-jährige Jubiläum feiern.<br />
Immerhin bereits auch schon mehr<br />
als 30 Jahre besteht die Partnerschaft<br />
zwischen Wilmersdorf und Karmiel (auf<br />
halbem Wege zwischen Akko und Safed).<br />
Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann<br />
berichtete von den regelmäßigen<br />
Besuchen und Begegnungen, vom Schüler-<br />
und Jungerwachsenen-Austausch<br />
und vom Fachaustausch zu kommunalen<br />
Aufgaben. So sei beispielsweise ein<br />
wechselseitiger Besuch von Sozialarbeiterinnen<br />
ein großer Erfolg gewesen.<br />
Weitere mögliche Bereiche sind zum<br />
Beispiel Musikschulen sowie Kinder- und<br />
Jugendräte – allerdings sind die Kosten<br />
dabei eine Hürde, es wird Unterstützung<br />
im Rahmen projektbezogener Förderung<br />
benötigt. Naumann erwähnte<br />
zudem auch den breiteren Austausch<br />
bei Städtepartnerschafts-Konferenzen<br />
in Leipzig und Jerusalem und seine Unterstützung<br />
bei Plänen des Ortes Mering<br />
bei Augsburg, ebenfalls mit Karmiel eine<br />
Partnerschaft zu beginnen.<br />
»Davon kann es nicht genug geben«<br />
Das Fazit von Reinhard Naumann zu den<br />
deutsch-israelischen Städtepartnerschaften<br />
lautete: »Davon kann es aufgrund<br />
der positiven Erfahrungen nicht genug<br />
geben.« Die Zielsetzung solle sein,<br />
dass alle 12 Berliner Bezirke Städtepartnerschaften<br />
mit Israel haben. Dies<br />
wurde von Moderator Michael Spaney,<br />
vom Vorsitzenden der <strong>DIG</strong> Berlin und<br />
Brandenburg, Jochen Feilcke, und vom<br />
Organisator der Veranstaltung, Andrew<br />
Walde, gerne aufgegriffen. Seitens der<br />
<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg betonten<br />
sie die Bereitschaft, zu einem Treffen von<br />
Vertretern der Bezirke zu diesem Thema<br />
einzuladen. Jochen Feilcke betonte<br />
zudem die Pflege der Städtepartnerschaften<br />
in der jungen Generation als<br />
besonderes Anliegen.<br />
Zum Ende der Veranstaltung dankte<br />
Rogel Rachman, Gesandter-Botschaftsrat<br />
der israelischen Botschaft, Bezirksbürgermeister<br />
Reinhard Naumann für sein besonderes<br />
Engagement und meinte, dass<br />
Charlottenburg-Wilmersdorf unter den<br />
»TOP 5« der insgesamt aktuell rund 100<br />
deutsch-israelischen Städtepartnerschaften<br />
sei. Das positive Beispiel des Bezirks<br />
Charlottenburg-Wilmersdorf konnte<br />
mit dieser Veranstaltung einmal mehr<br />
verdeutlicht werden und kann, so das<br />
Anliegen der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg,<br />
eine Anregung für andere Bezirke<br />
und Städte sein.<br />
Jörg Gehrke<br />
V.l.n.r.: Michael Spaney (<strong>DIG</strong> Berlin<br />
und Brandenburg), Reinhard Naumann<br />
(Bezirksbürgermeister Charlottenburg-<br />
Wilmersdorf), Rogel Rachman (Gesandter-<br />
Botschaftsrat der Botschaft des Staates<br />
Israel), Jochen Feilcke MdB a.D. (Vorsitzender<br />
<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg), Andrew<br />
Walde (<strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg).<br />
Foto: Wilfried Winzer<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 47
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Bielefeld<br />
Versöhnungsgeste nach über 60 Jahren<br />
Klaus Kreppel und Edith Meyer gehörten im Jahre 2010 dem lokalen Vorstand der Bielefelder<br />
<strong>DIG</strong> an. Klaus Kreppel ist Historiker, der die Geschichte der Bielefelder Partnerstadt Nahariya<br />
wissenschaftlich erforscht hat. Edith Meyer ist die Ehefrau des inzwischen verstorbenen Justus<br />
Meyer, der 1937 nach Palästina emigrierte und 1948 am Unabhängigkeitskrieg Israels teilnahm.<br />
Er lebte seit 1981 mit seiner Familie wieder<br />
in seiner ostwestfälischen Heimat,<br />
während sein Bruder Andreas Meyer<br />
als selbstständiger Unternehmer von<br />
»Nahariya Glas« in Israel blieb. Andreas<br />
verstarb 95-jährig im Jahr 2016. Kurz vor<br />
Justus Meyers Tod im Jahr 2011 gab sein<br />
Bruder Andreas einen Kelch an eine seit<br />
1948 entwurzelte christlich-arabische<br />
Gemeinde zurück.<br />
Am Samstag vor dem zweiten Advent<br />
2010 um halb zwölf Uhr läuten die Glocken<br />
des christlich-maronitischen Kirchleins<br />
im verwaisten galiläischen Dorf<br />
Bar’am besonders lang, um möglichst<br />
allen über das ganze Land und bis hinein<br />
in den Libanon verstreuten Gemeindegliedern<br />
die frohe Kunde zu übermitteln,<br />
dass ein ehemaliger israelischer Soldat<br />
des Krieges von 1948 eine ungewöhnliche<br />
Trophäe zurückbringt. Fast alle, die<br />
hier jetzt zusammenstehen, sind nach<br />
dem Jahr 1948 geboren. Nur die Gemeindeältesten<br />
erinnern sich noch an den<br />
Tag im Oktober 1948, als die israelische<br />
Armee den gesamten Norden Galiläas<br />
einnahm, der von arabischen Truppen<br />
aus dem Libanon, Syrien, Transjordanien<br />
und dem Irak besetzt war. Die Lage im<br />
Unabhängigkeitskrieg hatte sich gewandelt.<br />
Nun war die israelische Armee auf<br />
dem Vormarsch bis zur Grenze zum Libanon<br />
und darüber hinaus in den Süden<br />
des Libanon.<br />
Edith Meyer, die Frau von Justus Meyer,<br />
berichtet: »Justus war zum Militär eingezogen<br />
und auf dem Weg von Nahariya<br />
nach Norden in den Libanon, im äußersten<br />
Zipfel von Israel. Eine Nacht verbrachte<br />
die kleine Einheit in Bar’am, einem<br />
wohlhabenden Araberdorf mit christlichen<br />
Bewohnern. Wegen der Kampfhandlungen<br />
war das Dorf evakuiert<br />
worden. Man versprach, dass alle bald<br />
zurückkehren dürften. Nachtquartier<br />
machten die Soldaten im Pfarrhaus. Die<br />
Umgebung wurde abgesucht: Auf dem<br />
Andreas Meyer überreicht den Kelch.<br />
Müllhaufen lag der Kelch, den die Juden<br />
für einen Kidduschbecher hielten. Justus<br />
wusste, was das wirklich war. Er nahm<br />
den Abendmahlskelch mit nach Nahariya<br />
und legte ihn zu Hause in seinen Tresor.«<br />
Hier lag er 62 Jahre lang, und wartete<br />
darauf, eines Tages zurückgegeben zu<br />
werden. Zwei Versuche waren schon gescheitert.<br />
Dann kam der Tag, an dem das<br />
Haus verkauft wurde. Bruder Andreas<br />
übernahm die Haushaltsauflösung.<br />
Mit der Frage »Wohin mit dem Kelch?«<br />
wurde das Schicksal der christlichen Gemeinde<br />
von Bar’am wieder lebendig. Die<br />
Meyers wussten ja, dass das Versprechen<br />
an die christlich-arabische Gemeinde,<br />
nach den Kampfhandlungen von 1948<br />
wieder zurückkehren zu dürfen, bis zum<br />
Jahr 2010 noch immer nicht eingelöst<br />
worden war. Selbst die Entscheidungen<br />
israelischer Gerichte zugunsten der<br />
früheren Bewohner von Bar’am wurden<br />
von den politisch Verantwortlichen in<br />
Galiläa nicht umgesetzt. Das Dorf ist<br />
längst zerfallen, nur der Friedhof ist<br />
frisch angelegt, und in der Kirche darf<br />
die christliche Gemeinde gelegentlich<br />
ihren Gottesdienst feiern, wie an diesem<br />
Adventssonntag des Jahres 2010.<br />
Foto: Andreas Meyer, Kfar Vradim/ Nahariya<br />
Andreas Meyer war mit seiner Familie<br />
gekommen. Er überreichte der Gemeinde<br />
in einer kleinen Zeremonie im Beisein des<br />
Priesters den Abendmahlskelch. Dieser<br />
begutachtete ihn und stellte fest, dass er<br />
zu seinen rechtmäßigen Besitzern zurückgekehrt<br />
war. Er reichte ihn weiter, und der<br />
Kelch wanderte von Hand zu Hand.<br />
Der Gemeindeälteste, Thomi Magsal,<br />
der als Kind noch die Vertreibung aus<br />
dem Dorf miterlebt hatte, hielt eine<br />
kurze Ansprache in Hebräisch, die Dinah<br />
Meyer, Edith und Justus Meyers Tochter,<br />
übersetzt hat: »Bei der Gelegenheit der<br />
Rückgabe an die Kirche in Bar’am möchte<br />
ich in meinem Namen und im Namen<br />
der Bürger des Dorfes meine ungeheure<br />
Anerkennung und meinen großen Dank<br />
für diese Tat aussprechen. Diese ritterliche<br />
Tat zeugt von der Gerechtigkeit, von<br />
Rücksichtnahme und Gewissen ohne<br />
Hintergedanken. Wir, die Bürger von<br />
Bar’am, werden niemals diese ritterliche<br />
Tat vergessen, die die Rückgabe des heiligen<br />
Opferkelches an die Kirche, aus der<br />
er genommen wurde, darstellt.«<br />
Klaus Kreppel / Edith Meyer<br />
48 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Braunschweig<br />
50 Jahre <strong>DIG</strong> Braunschweig<br />
Am 24. Oktober 2017 feierte die Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in<br />
Braunschweig ihr 50jähri ges Bestehen. Zu Festakt in der Dornse des Altstadtrathauses kamen<br />
150 geladene Gäste aus Politik, Kir che, der Jüdischen Gemeinde, Mitglieder und Freunde. Besonders<br />
gefreut haben wir uns über den Besuch aus unserer israelisc hen Part nerstadt Kiryat Tivon.<br />
abwechselnd in Braunschweig und<br />
Kiryat Tivon lebte, be gannen sich recht<br />
früh die Beziehungen zwischen Braunschweig<br />
und der Stadt im Norden Israels<br />
zu entwickeln, welche dann am 18. Juni<br />
1981 in eine offizielle Städtepartnerschaft<br />
mündeten. Wir, der damali ge Vorstand<br />
der <strong>DIG</strong> Braunschweig, haben nicht ganz<br />
unwe sentlich zu dem Aufbau dieser Beziehungen<br />
beigetragen,« so Rabbiner Dr.<br />
Gábor Lengyel, Gründungsmitglied der<br />
<strong>DIG</strong> Braunschweig, in sei nem Gruß wort.<br />
V.l.n.r.: Rabbiner Uri Themal (Kiryat Tivon), Anke Kaphammel (Bür germeisterin in<br />
Braunschweig), Hellmut Königshaus (Präsident der Deutsch-Israelischen Gesell schaft),<br />
Esther Geva (Kiryat Tivon), Prof. Dr. Johannes-Henrich Kirchner (Vorsitzender der <strong>DIG</strong><br />
Braunschweig), Rabbi ner Dr. Gábor Lengyel (Gründungsmitglied der <strong>DIG</strong> Braun schweig).<br />
Foto: Gerd Druwe<br />
Den Festvortrag hielt der Präsident der<br />
Deutsch-Israelischen Gesell schaft, Hellmut<br />
Königshaus, über die Bedeutung der<br />
<strong>DIG</strong> für die Beziehungen beider Länder.<br />
Die Kantorin Svetlana Kundish erfreute<br />
die Festgemeinschaft mit israelischen<br />
Lie dern gesungen zur eigenen Gitarrenbegleitung.<br />
»Ein Jahr nach der Aufnahme<br />
diplomatischer Beziehungen zwischen<br />
Deutschland und Israel, 1966, wurde in<br />
Bonn die Deutsch-Israelische Gesellschaft<br />
gegründet. Schon ein Jahr später,<br />
1967, gab es bereits eine eigene Arbeitsgemeinschaft<br />
der <strong>DIG</strong> in Braunschweig<br />
mit dem Ziel, eine engere Freundschaft<br />
zu Israel in der Stadt Braunschweig und<br />
in der Region aufzubauen.<br />
Wir haben in fünf Jahrzehnten dieses Ziel<br />
umgesetzt mit Vorträgen, Diskussionen,<br />
Filmen, Theater, Kochen, Reisen nach Israel<br />
und dem Betreuen israelischer Gäste.<br />
Noch intensiver wurde der Kontakt zu Israel,<br />
als die Städtepartnerschaft zwischen<br />
Braunschweig und Kiryat Tivon begründet<br />
wurde«, so Prof. Dr. Johannes-Henrich<br />
Kirch ner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft<br />
Braunschweig, in seinem Vorwort<br />
zur Broschüre »50 Jahre Deutsch-Israelische<br />
Gesellschaft AG Braunschweig«.<br />
»Zwei wesentliche Elemente, auf denen<br />
die Entwicklung der bilateralen Beziehung<br />
zwischen Deutschland und Israel<br />
aufbaut, sind Jugend austausch und<br />
Städtefreundschaften. In Braunschweig<br />
führte der schon länger bestehende Jugendaustausch<br />
zu einer solchen Freundschaft<br />
mit Kiryat Tivon, aus der 1986 eine<br />
Städtepartnerschaft wurde. Eines ihrer<br />
Herzstücke ist nach wie vor der Jugendaustausch.<br />
Seit eini gen Jahren gehört<br />
auch ein regelmäßiger Künstleraustausch<br />
dazu. An dem Entstehen dieser Partnerschaft<br />
und daran, dass die Austauschprogramme<br />
immer aufs Neue mit Leben<br />
erfüllt werden, hat die Deutsch-Israelische<br />
Gesellschaft in Braunschweig einen<br />
hoch zu schätzenden, sehr wesentlichen<br />
Anteil. Ohne das Engagement der<br />
Deutsch-Israelischen Gesellschaft hätte<br />
unsere Partnerschaft nicht auf diese Weise<br />
wachsen können. Persönliche Kontakte<br />
sind das Funda ment der Freundschaft,«<br />
so Oberbürgermeister Ulrich Markurth, in<br />
seinem Grußwort.<br />
Städtepartnerschaft mit Kiryat Tivon<br />
»Aufgrund der Initiative des Leipziger Juden<br />
Peter Vogel-Dror, der nach der Schoa<br />
»Wir in Kiryat Tivon wollen deshalb der<br />
<strong>DIG</strong> Braunschweig unsere be sondere<br />
Anerkennung für die Hingabe ihrer Mitglieder<br />
aussprechen. Ihre Aktivitäten sind<br />
einer der Pfeiler, auf denen die engen<br />
Bezie hungen zwischen den Partnerstädten<br />
Braunschweig und Tivon beru hen.<br />
Wir sind für diese enge Freundschaft<br />
mit den <strong>DIG</strong>-Mitgliedern dankbar und<br />
gratulieren von ganzem Herzen zum<br />
fünfzigsten Jubilä um,« so Rabbiner Uri<br />
Themal, Städtepartnerschaftskomitee<br />
Kiryat Tivon, in seinem Grußwort.<br />
Besonders wichtig ist uns die gute<br />
Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde.<br />
Das lange und schwierige Projekt<br />
zur Sanierung und Wie dereinweihung<br />
des Jüdischen Gemeindehauses am<br />
31. Oktober 1983 hätte ohne das große<br />
Engagement des damaligen Vorsitzenden<br />
der <strong>DIG</strong> AG Braunschweig, Friedrich<br />
Theodor Kohl, nicht realisiert werden<br />
können. Für die Zukunft möchten wir<br />
die Kontakte zu den Menschen in der<br />
Partnerstadt Kiryat Tivon lebendig<br />
halten, vor allem den Jugend- und den<br />
Künstleraustausch un terstützen und<br />
intensiv begleiten. Mögen die guten<br />
Beziehungen zwischen Deutschland und<br />
Israel, zwi schen Braunschweig und Kiryat<br />
Tivon auch in der nächsten Generati on<br />
so lebendig bleiben. Daran werden wir<br />
weiter arbeiten.<br />
Rita Weiler<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 49
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Bremen/Unterweser e.V.<br />
Dani Goren –<br />
Kämpfer für ein starkes Israel<br />
Wenn wir heute dem Staat Israel zum 70. gratulieren, dann würdigen wir vor allem die Menschen,<br />
die dieses Gemeinwesen aufgebaut, geschützt und zur Blüte gebracht haben. Wenn<br />
wir am besseren Verständnis der Deutschen für Israel arbeiten, dann denken wir auch an<br />
frühere Regierungschefs, klar – aber vor allem sind wir dankbar gegenüber den Frauen und<br />
Männern, die uns in Israel freundlich aufnehmen und uns Land und Menschen erklären.<br />
Aus beiden Gründen möchten wir hier<br />
von Dan (Dani) Goren berichten, der als<br />
Reiseleiter die Gruppen unserer Bremer<br />
Bürgerreise in die Partnerstadt Haifa in<br />
vielen Jahren begleitet, in gutem Sinne<br />
geführt hat. Wir wissen, dass viele Gruppen<br />
auf ihren Reisen ganz ähnliche Erfahrungen<br />
gemacht haben. Dani ist nicht<br />
nur freundlich, pünktlich und allwissend,<br />
ein »Jecke« eben – er ist vor allem liberal<br />
und offen, aber klar in der grundsätzlichen<br />
Haltung gegenüber Israel. Denn er<br />
weiß, wovon er spricht; er hat seit der<br />
Gründung des Landes dafür gelebt und<br />
gearbeitet, er kann die ganze Geschichte<br />
persönlich bezeugen. Und er hat in seiner<br />
Jugend die Verfolgung in Deutschland<br />
selbst erlebt; seine Führungen durch<br />
Yad Vashem sind sehr berührend und<br />
persönlich.<br />
Dani Goren ist 1925 in Aachen geboren,<br />
die Familie ging dann 1935 nach Köln,<br />
wo Dani in die zionistische Jugendbewegung<br />
kam. Seine Eltern beschlossen<br />
gleich nach der Pogromnacht 1938 – die<br />
brennende Synagoge stand in ihrer direkten<br />
Nachbarschaft –, ihn nach Palästina<br />
zu schicken. Nach einem Vorbereitungskurs<br />
kam Dani mit der »Jugend-Alija« im<br />
März 1939 in Jaffa an – Gottseidank mit<br />
dem Wissen, dass seine Eltern nachkommen<br />
konnten.<br />
er nach dem Unabhängigkeitsbeschluss<br />
gegen irreguläre und reguläre arabische<br />
Truppen verteidigen musste. In Danis<br />
Erzählungen seiner Kibbuz-Zeit mit Frau<br />
und Kind, von einfachstem und hartem<br />
Leben glüht immer noch das Glück des<br />
historischen Pioniergeistes.<br />
1952 zog Dani zu seinen Eltern in den<br />
Moschaw Beit-Jitzak, wo er heute noch<br />
wohnt, umgeben von seinen Kindern,<br />
Enkeln und Urenkeln. In den folgenden<br />
Jahren arbeitete er als Landmaschinenmechaniker,<br />
als Ausbilder und Verkäufer,<br />
als Unternehmer für Hühnerzucht und<br />
danach für Blumen, bis er Anfang der<br />
90er Jahren die umfangreiche Ausbildung<br />
zum »Guide« absolvierte. Den<br />
Ausschlag dafür gab, wie er sagt, seine<br />
Neugier und seine Liebe zu Land, Natur<br />
und Menschen – und seine ersten Begegnungen<br />
mit deutschen Gruppen. Unsere<br />
letzte Gruppe hat Dani im Alter von 92<br />
geführt, hellwach wie immer.<br />
Auf Vermittlung der <strong>DIG</strong> hat der Landtag<br />
Bremens, die »Bremische Bürgerschaft«,<br />
im November 2017 Dani Goren als Ehrengast<br />
zur Gedenkstunde an die Bremer<br />
Opfer der Reichspogromnacht eingeladen.<br />
Am Mahnmal hat er über sein Leben<br />
gesprochen, in Deutschland und Israel,<br />
hat über den inneren Zusammenhang<br />
beider Lebensabschnitte gesprochen und<br />
gemahnt, dem alten und neuen Antisemitismus<br />
keinen Raum zu geben. Und<br />
uns noch einmal erklärt, warum es ein<br />
demokratisches, vielfältiges, aber eben<br />
auch starkes Israel geben muss. Dafür<br />
hat er lange Jahre gearbeitet, gekämpft<br />
und gelitten. Wir sind Dani sehr dankbar.<br />
Dr. Hermann Kuhn<br />
Die beiden ersten Jahre verbrachte<br />
Dani in einem Lager der »Jugend-Alija«,<br />
wurde dort schon mit 15 für die illegale<br />
»Haganah« rekrutiert. Dann wurde er<br />
Fachschüler für Schlosserei und Agromechanik,<br />
ging anschließend in die kämpfende<br />
Einheit »Palmach«, verbunden mit<br />
der Arbeit in einem Kibbuz. Getarnt als<br />
»Wehrposten« gründete Dani mit anderen<br />
einen neuen Kibbuz »Hakuk«, den<br />
1925 geboren, 1939 nach Israel ausgewandert. Dani Goren ist ein Reise leiter, der<br />
die Geschichte Israels selbst miterlebt und mitgestaltet hat.<br />
Foto: <strong>DIG</strong> Bremen<br />
50 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Chemnitz<br />
Musikalischer Jugendaustausch<br />
Premiere bei den 27. Tagen der Jüdischen Kultur in Chemnitz: Jugendliche aus Kiryat Bialik<br />
und Chemnitz musizierten zur Eröffnung der Veranstaltung am 24. Februar <strong>2018</strong>. Diese Reihe<br />
bündelt binnen zwei Wochen rund 60 Angebote von zwei Dutzend regionalen Veranstaltern:<br />
Konzerte, Vorträge, Filmvorführungen, Ausstellungen und vieles mehr.<br />
Israelische Jugendliche gestalteten das Eröffnungskonzert zu den Jüdischen Kulturtagen. Zu den Besuchern gehörten auch der<br />
sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (vorne links) und neben ihm die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig.<br />
<br />
Foto: Sven Gleisberg<br />
Erstmals waren in diesem Rahmen acht<br />
Jugendliche aus der israelischen Stadt<br />
Kiryat Bialik bei gleichaltrigen Chemnitzern<br />
zu Gast. Für eine Woche wohnten<br />
die Israelis in den Familien der Chemnitzer<br />
Jugendlichen und besuchten deren<br />
Schulen. Alle beteiligten Jugendlichen<br />
spielen zudem ein Streichinstrument.<br />
Als die Tage der jüdischen Kultur am<br />
24. Februar im Beisein des sächsischen<br />
Ministerpräsidenten Michael Kretschmer,<br />
des Bürgermeisters von Kiryat<br />
Bialik, Eli Dukorski, sowie der Chemnitzer<br />
Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig<br />
eröffnet wurden, musizierten Israelis und<br />
Deutsche noch getrennt. Doch bereits<br />
am nächsten Tag absolvierten sie einen<br />
gemeinsamen Workshop und gaben am<br />
1. März ein gemeinsames Konzert.<br />
Zudem erkundeten die Jugendlichen mit<br />
Renate Aris, Holocaustüberlebende und<br />
Mitglied der <strong>DIG</strong>-AG Chemnitz, für einen<br />
Erster gemeinsamer Workshop von Jugendlichen aus Kiryat Bialik und Chemnitz<br />
am 25. Februar <strong>2018</strong>. <br />
Foto: Dorothee Lücke<br />
Tag deren Heimatstadt Dresden und besuchten<br />
zum Abschluss die Hauptstadt<br />
Berlin. Für Oktober dieses Jahres ist ein<br />
Gegenbesuch der Chemnitzer Jugendlichen<br />
in Kiryat Bialik geplant. Daraus<br />
soll ein regelmäßiger Jugendaustausch<br />
entstehen. Bürger der von Deutschen<br />
gegründeten Stadt Kiryat Bialik pflegen<br />
seit langem Kontakte zur Jüdischen<br />
Gemeinde Chemnitz. Die <strong>DIG</strong>-AG<br />
Chemnitz unterstützt dieses Vorhaben<br />
aus der Überzeugung, dass persönliche<br />
Begegnungen mit Menschen anderer<br />
Religion und Herkunft die Jugendlichen<br />
für ihr ganzes Leben prägen. Gerade für<br />
die sächsischen Jugendlichen halten wir<br />
es für wichtig, sie für Toleranz und gegen<br />
Antisemitismus zu wappnen.<br />
Dorothee Morgenstern<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 51
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Duisburg-Mülheim-Oberhausen<br />
Wasser – Israels Beitrag<br />
zur Nachhaltigkeit<br />
Auf Einladung der Alten Synagoge Essen und der Arbeitsgemeinschaft Duisburg/Mülheim/<br />
Oberhausen besuchte der israelische Botschafter a.D., Ram Aviram die Ruhrregion.<br />
Das Tagesprogramm zum Thema Wasser<br />
begann mit dem Besuch des Rheinisch<br />
Westfälischen Wasserwerks (RWW) und<br />
einem informativen Austausch über das<br />
Mülheimer Verfahren (siehe Kasten unten)<br />
für gesundes Trinkwasser. Durch den<br />
Vormittag begleitet wurde die Gruppe<br />
von RWW Geschäftsführer Dr. Franz-Josef<br />
Schulte.<br />
Israel ist ein Land mit wenig Niederschlägen.<br />
Die Bevölkerungszahl aber ist in den<br />
siebzig Jahren seit der Staatsgründung<br />
stark angewachsen. Rund 12 Millionen<br />
Menschen wohnen im Staat Israel und<br />
den palästinensischen Gebieten. Durch<br />
seine erfolgreiche wissenschaftliche<br />
Forschung ist Israel führend im nachhaltigen<br />
Wasserverbrauch: Süßwasser-<br />
gewinnung, aber auch Bewässerung<br />
mit Brauchwasser, computergesteuerte<br />
Bewässerung von Nutzpflanzen sind nur<br />
einige Stichworte.<br />
Botschafter a.D. Ram Aviram war Leiter<br />
der Wasser- und Umweltabteilung und<br />
später Büroleiter des damaligen Außenministers<br />
Shimon Peres. Im damaligen<br />
Friedensprozess mit den Palästinensern<br />
leitete Ram Aviram die Verhandlungen<br />
in Wasserfragen. Derzeit betreut er das<br />
Renaturierungsprojekt für den unteren<br />
Von links nach rechts: Markus Püll (<strong>DIG</strong><br />
Duisburg-Mülheim-Oberhausen),<br />
Dr. Uri Kaufmann (Alte Synagoge),<br />
Botschafter a.D. Ram Aviram und<br />
Dr. Franz-Josef Schulte (RWW).<br />
Lauf des Jordanflusses. Nach dem Besuch<br />
beim RWW Mülheim stand ein Besuch<br />
beim Wasserverband Ruhr in Essen auf<br />
dem Programm. Der Tag endete mit<br />
einem Vortrag in der »Alten Synagoge«.<br />
Markus Püll, Ramon Steggink<br />
»Mülheimer Verfahren«<br />
für bestes Trinkwasser<br />
In Mülheim an der Ruhr dient die<br />
»Ruhr« als Wasserlieferant. Damit die<br />
Menschen das Wasser auch trinken<br />
können, entwickelte die Rheinisch-<br />
Westfälische Wasserwerksgesellschaft<br />
einen weltweit beachteten Aufbereitungsprozess:<br />
das »Mülheimer<br />
Verfahren«, ein sehr effektives Multi-<br />
Barrieren-System, das kleinste Verunreinigungen<br />
aus Oberflächengewässern<br />
zurückzuhält. Um diese zu entfernen,<br />
sind Ozonung, permanent betriebene<br />
Aktivkohlefiltration und eine Untergrundpassage<br />
besonders wirkungsvoll.<br />
Nachdem das Wasser aus der Ruhr<br />
entnommen wurde, gelangt es auf 15<br />
Sandfilterbecken. Über mehrere Tage<br />
sickert es langsam durch eine Sandund<br />
Sedimentschicht, bevor es in die<br />
Ozonanlage gepumpt wird. Dort wird<br />
ein Ozon-Luftgemisch in das Wasser<br />
gegeben. Es eliminiert Bakterien und<br />
sorgt dafür, dass andere chemische<br />
Substanzen später besser gefiltert wer-<br />
den können. Im nächsten Schritt gelangt<br />
das Wasser in 13 Meter hohe Doppelstockfilter,<br />
wo es durch Mehrschicht- und<br />
Aktivkohlefilter sickert und gereinigt wird.<br />
Schwer abbaubare gelöste organische<br />
Verfahrensschema der Trinkwasseraufbereitung<br />
Stoffe werden gebunden und von der<br />
Kohle zurückgehalten. Die Desinfektion<br />
mittels UV-Licht sorgt schließlich dafür,<br />
dass die Wasserqualität bis in die Haushalte<br />
stabil bleibt.<br />
52 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Düsseldorf<br />
Halb so alt wie Israel<br />
»Es hat der Bemühungen etlicher <strong>DIG</strong>-Freunde über einen Zeitraum von mehreren Jahren<br />
bedurft, um auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf eine örtliche<br />
Arbeitsgemeinschaft der <strong>DIG</strong> ins Leben zu rufen. Seit dem 14. März gibt es sie. In Anwesenheit<br />
des Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Erik Blumenfeld, des Düsseldorfer Oberbürgermeisters<br />
Josef Kürten, des Gesandten des Staates Israel, Ephraim Eylon, und des Landesrabbiners<br />
Abraham Hochwald konstituierte sich unter der Leitung von <strong>DIG</strong>-Präsidiumsmitglied<br />
Alfred Rohmeis die Düsseldorfer AG.«<br />
So begann im Jahr 1983 eine Meldung im<br />
<strong>DIG</strong>-Mitgliederinfo über die Gründung<br />
der damals 20. Arbeitsgemeinschaft<br />
der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.<br />
In Deutschland hatte wenige Tage<br />
zuvor Helmut Kohl, der 1982 durch ein<br />
konstruktives Misstrauensvotum zum<br />
Bundeskanzler gewählt worden war, bei<br />
vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag<br />
einen großen Sieg errungen. Keiner<br />
ahnte, dass er das Land 16 Jahre regieren<br />
und einmal als Kanzler der Einheit in die<br />
Geschichte eingehen würde, geschweige<br />
denn, dass er sich auch als Glücksfall für<br />
die Entwicklung der deutsch-israelischen<br />
Beziehungen erweisen sollte.<br />
Israel feierte 1983 seinen 35. Geburtstag,<br />
doch die Lage des Staates war trotz des<br />
1979 erzielten Friedensvertrages mit<br />
Ägypten nicht hoffnungsvoll. Durch den<br />
ersten Libanonkrieg im Jahr 1982 hatte<br />
sein internationales Ansehen gelitten.<br />
Auch das deutsch-israelische Verhältnis<br />
war angespannt – wozu die ausgeprägte<br />
Abneigung des damaligen Ministerpräsidenten<br />
Menachem Begin gegen alles<br />
Deutsche ebenso beigetragen hatte wie<br />
die harsche Kritik von Kohls Amtsvorgänger<br />
Helmut Schmidt an der israelischen<br />
Siedlungspolitik. Wie schwierig die Lage<br />
war, lässt sich auch im Protokoll der<br />
Vorbereitungskonferenz zur Gründung<br />
der <strong>DIG</strong> Düsseldorf nachlesen. So wurde<br />
sogar die Besorgnis laut, »die Arbeitsgemeinschaft<br />
könne zu einem Jubelchor<br />
denaturieren, wenn sie nicht zulasse,<br />
dass die offizielle israelische Politik auch<br />
Gegenstand kritischer Äußerungen der<br />
örtlichen Organisationen der <strong>DIG</strong> werde.«<br />
Große Israel-Sympathie bei der<br />
Gründungsversammlung<br />
Wie groß die Sympathie für Israel damals<br />
in Düsseldorf war, zeigte sich bei der<br />
gutbesuchten Gründungsversammlung<br />
am 14. März 1983. »Von den insgesamt<br />
69 Anwesenden erklärten spontan 15<br />
Isralfreunde ihre Bereitschaft, der <strong>DIG</strong><br />
beizutreten. Damit erhöhte sich die<br />
Zahl der Düsseldorfer <strong>DIG</strong>-Mitglieder<br />
Die <strong>DIG</strong> Düsseldorf lädt gemeinsam mit örtlichen Partnern regelmäßig hochkarätige<br />
Referenten ein. Im April 2017 war der Historiker Prof. Dr. Michael Brenner zu Gast und<br />
sprach über das Thema »Israel – Traum und Wirklichkeit des jüdischen Staates«.<br />
V.l.n.r.: Egon Schawe (Stellvertretender Vorsitzender), Wolfgang Wende (†), Michael<br />
Brenner, André von Schúeck (Vorsitzender), Jürgen Sterzenbach (Öffentlichkeitsarbeit).<br />
<br />
Foto: <strong>DIG</strong> Düsseldorf<br />
auf insgesamt 80«, so die Meldung im<br />
Mitgliederinfo. Ganz unverhofft zum<br />
Vorsitzenden gewählt wurde der damals<br />
46-jährige Wolfgang Wende, was sich<br />
auch als ein Glücksfall für die deutschisraelischen<br />
Beziehungen erwies. Bis zu<br />
seinem Tod im vergangenen Jahr hatte<br />
er ununterbrochen den Vorsitz inne und<br />
– stets unauffällig hinter den Kulissen<br />
agierend – unzählige Veranstaltungen<br />
und Begegnungen ermöglicht. In seiner<br />
Ära engierte sich die <strong>DIG</strong> Düsseldorf<br />
insbesondere für den Jugendaustausch,<br />
aber auch für die Unterstützung von<br />
Projekten in Israel wie die jüdischarabischen<br />
Hand-in-Hand-Schulen, in<br />
denen jüdische und arabische Kinder<br />
gemeinsam in zweisprachigen Klassen<br />
unterrichtet werden.<br />
Eine enge Zusammenarbeit verbindet die<br />
<strong>DIG</strong> Düsseldorf von Anfang an mit der<br />
Jüdischen Gemeinde, der Gesellschaft<br />
für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit<br />
in Düsseldorf und mit dem Landtag<br />
Nordrhein-Westfalen. In jüngerer Zeit<br />
unterstützt sie auch die Twin Wineries,<br />
ein Partnerschaftsprojekt zwischen<br />
deutschen und israelischen Weingütern,<br />
das in Düsseldorf gegründet wurde. Zu<br />
den Höhepunkten der 35-jährigen Geschichte<br />
der <strong>DIG</strong> Düsseldorf gehörte die<br />
Hauptversammlung der <strong>DIG</strong> im Jahr 2016<br />
in Düsseldorf, bei der wichtige Weichen<br />
für die Zukunft der Deutsch-Israelischen<br />
Gesllschaft gestellt wurden. Am 19. März<br />
<strong>2018</strong> wählte die <strong>DIG</strong> Düsseldorf einen<br />
neuen Vorstand mit André von Schúeck<br />
als neuem Vorsitzenden. Gefeiert wird<br />
in diesem Jahr gleich doppelt: am 17. Mai<br />
beim Israeltag die Staatsgründung vor 70<br />
Jahren und am 24. Juni der 35. Geburtstag<br />
der <strong>DIG</strong> Düsseldorf.<br />
Jürgen Sterzenbach<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 53
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Fankfurt<br />
<strong>DIG</strong> Frankfurt goes: weltweit<br />
Georgien ist nicht Israel. Aber 50 000 israelische Bürger haben georgische Wurzeln. Mexiko ist<br />
auch nicht Israel. Aber wenn die mexikanische Erde bebt, sind die Helfer von Zaka zur Stelle<br />
und suchen nach Verschütteten. Und die Republik Korea? Und Griechenland? Griechenland<br />
ist fast schon Israel, zumindest geografisch und: Madre de Israel? Das Jerusalem des Balkan?<br />
Die tragische Geschichte der sephardischen Juden von Thessaloniki: Die <strong>DIG</strong>-Arbeitsgemeinschaft<br />
Frankfurt hat begonnen, Israel nicht nur bilateral zu betrachten.<br />
Im Garten der Residenz des Generalkonsuls der Republik Korea, Generalkonsul<br />
Prof. Dr. Bumhym Bek (Mitte) und Vertreter des Jungen Forums und der <strong>DIG</strong> Frankfurt.<br />
Herzliche Begrüßung im »Israel House«<br />
in Tiflis: Itzik Moshe, Präsident der<br />
Israelisch-georgischen Handelskammer,<br />
und Claudia Korenke.<br />
<br />
Fotos: <strong>DIG</strong> Frankfurt<br />
Angefangen hat es mit der European<br />
Alliance for Israel. 19 europäische Länder<br />
entsenden Vertreter ihrer nationalen,<br />
pro-israelischen Organisationen. Und so<br />
kam sie zustande, die Begegnung mit Itsik<br />
Moshe, dem Präsidenten der Israelisch-Georgischen<br />
Handelskammer in<br />
Tiflis. Das war im Deutsch-Georgischen<br />
Jahr 2017 Anlass für die hessische Karl<br />
Hermann-Flach-Stiftung, den epischen<br />
Roman von Nino Haratischwili »Das achte<br />
Leben für Brilka« vorzustellen. Damit<br />
waren es der Zufälle genug und die <strong>DIG</strong><br />
Frankfurt bot mit Unterstützung der Karl<br />
Hermann Flach Stiftung eine Reise ins<br />
aufregende Georgien an: Wir nahmen<br />
teil an der Zeremonie für die Gerechten<br />
unter den Völkern, besuchten Synagogen<br />
und die noch verbliebene, kleine jüdische<br />
Gemeinde, wir sprachen im Außenministerium<br />
mit den Nahost-Verantwortlichen<br />
– und hatten Geschmack gefunden an<br />
Themen, die über die bilaterale Arbeit<br />
hinausgingen.<br />
Nicht nur bilateral: neue Themen und<br />
Zielgruppen am Main<br />
Die Veranstaltungsreihe »Diplomatie am<br />
Abend« war geboren. Frankfurt am Main,<br />
Sitz zahlreicher Diplomaten und Honorarkonsuln,<br />
ist Lebensmittelpunkt für 180<br />
Nationen. Warum nicht jene vorstellen,<br />
die diplomatische Beziehungen zu<br />
Israel unterhalten? Den Auftakt machte<br />
Botschafterin Cecilia Villanueva, die am<br />
Main als Konsulin Mexikos fungiert. Sie<br />
stellte ihr Land vor und die elf großen<br />
Reformpakete der Regierung – aber sie<br />
sprach auch über das wohlfunktionierende<br />
Handelsabkommen mit Israel und<br />
über ihr Land als Exil für europäische Juden.<br />
Vielen blieb Mexiko damals fremd –<br />
zum Beispiel Anna Seghers und doch: es<br />
war das Land, das Weiterleben möglich<br />
machte. Eine gut besuchte Veranstaltung<br />
im »Instituto Cervantes«, neue Gesichter<br />
und Themen, eine mexikanisch-israelische<br />
Weinprobe und neue Impuls für<br />
und aus unserer AG: das war und ist Ziel<br />
und Zweck der »Diplomatie«.<br />
Korea, Griechenland, Guatemala<br />
Die Republik Korea? Griechenland? Das<br />
war so: Das Außenministerium in Seoul<br />
war der Meinung, dass der Konsul in<br />
Frankfurt für deutsch-koreanische Beziehungen<br />
zuständig sei. So kam es nicht<br />
zu einer Veranstaltung, aber zu einer<br />
Einladung an den <strong>DIG</strong>-Vorstand in die<br />
Residenz des Konsuls. Die Tischgespräche<br />
streiften vieles – so auch die intensiven<br />
Beziehungen zwischen Israel und Südkorea<br />
im Hightech-Bereich. Der Nationalfeiertag<br />
des Landes wurde in Anwesenheit<br />
von <strong>DIG</strong>-Vorstandsmitgliedern gefeiert –<br />
und der Generalkonsul besucht seitdem<br />
unsere Veranstaltungen.<br />
Das trifft auch auf die griechische Konsu<br />
lin zu. Sie war zu Gast bei unserer<br />
Veranstaltung mit den Archäologen, die<br />
54 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
Sobibor ausgegraben haben und wir sind<br />
im Gespräch über die Gerechten unter<br />
den Völkern und: Angesichts des 70. Geburtstages<br />
des Staates Israel verfolgen<br />
wir die Spuren einer jüdischen Bevölkerungsgruppe,<br />
über die wir noch wenig<br />
wissen: die Sepharden. Einst, bevor die<br />
Deutschen kamen, war Thessaloniki das<br />
Weltzentrum der sephardischen Juden –<br />
unsere Arbeitsgemeinschaft in Ostfriesland<br />
hat dieses Thema schon vor Jahren<br />
aufgegriffen. Ostfriesische Schüler haben<br />
eine griechische TV-Sendung über die<br />
Geschichte der sephardischen Juden ins<br />
Deutsche übertragen.<br />
Die internationalen Themen bleiben<br />
spannend. Jimmy Morales, der Präsident<br />
von Guatemala, hat angekündigt,<br />
dass die Botschaft seines Landes nach<br />
Jerusalem verlegt wird. Dieser Beschluss<br />
sei verbindlich. Die <strong>DIG</strong> Frankfurt hat der<br />
Botschaft von Guatemala in Berlin einen<br />
Brief geschrieben, da es in Frankfurt<br />
keinen diplomatischen Vertreter Guatemalas<br />
gibt. Aber vielleicht kommt der<br />
Botschafter ja nach Frankfurt.<br />
Claudia Korenke<br />
<strong>DIG</strong> Erfurt<br />
Caravan Orchestra –<br />
Brücke der Musikkulturen<br />
In Kooperation mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Erfurt organisiert das Festival<br />
Yiddish Summer Weimar (YSW) im Sommer <strong>2018</strong> ein großes Musik-Austauschprojekt mit Israel.<br />
Es beginnt mit einer Probenphase in Israel und endet mit Konzerten in Erfurt und Weimar.<br />
Jüdische, arabische und europäische Musik<br />
sind Teil einer häufig übersehenen,<br />
historisch-transnationalen kulturellen<br />
Matrix, die mit diesem Projekt wieder<br />
sichtbar wird. Junge Musiker dieser Traditionen<br />
werden gemeinsame Wurzeln<br />
wiederentdecken und die eigene kulturelle<br />
Identität im Vergleich mit anderen,<br />
verwandten Kulturen besser verstehen.<br />
Zum einen besteht das Caravan Orchestra<br />
aus Musikern des Arab-Jewish Orchestra<br />
der Universität Haifa und zum anderen<br />
aus Absolventinnen des YSW und aus<br />
Studentinnen der Hochschule für Musik<br />
Franz List in Weimar. Beide Gruppen<br />
bringen bereits fundiertes Wissen über<br />
europäische, jüdische und arabische Musik<br />
mit in das Orchester ein und werden<br />
nun gemeinsam die Geschichte dieses<br />
Kultur-Netzwerkes entdecken und so in<br />
der Lage sein, mit diesem neuen Wissen<br />
neue musikalische Wege zu gehen, die<br />
innovativ und zugleich historisch informiert<br />
sind. Die Arbeit an einem abendfüllenden<br />
Konzertprogramm als einem<br />
sofort sichtbaren Ergebnis des Projekts,<br />
das gemeinsame Reisen und der Aufenthalt<br />
im Kulturraum der jeweils anderen<br />
wird zu Vertrauen und Zusammenarbeit<br />
führen. Das Projekt beginnt mit einem<br />
zehntägigen Aufenthalt der deutschen<br />
Gruppe in Haifa, dem eine weitere<br />
Probenphase und mehrere Konzerte in<br />
Erfurt und Weimar folgen.<br />
Preisgekrönte pädagogische Arbeit<br />
Zentrales Element des pädagogischen<br />
Prozesses ist, dass die Teilnehmenden direkt<br />
voneinander lernen und gemeinsam<br />
auf ein Ziel hinarbeiten. Die Methoden<br />
entsprechen dabei den Erfahrungen<br />
aus 17 Jahren preisgekrönter pädagogischer<br />
Arbeit des YSW: das Formen einer<br />
Lerngemeinschaft und die Rücksicht<br />
auf verschiedene Lernformen – intuitiv,<br />
kinetisch, emotional, intellektuell, praktisch<br />
und theoretisch. Alle Teilnehmer<br />
werden in diesen individuellen Gebieten<br />
gefördert und gefordert. Darüber<br />
hinaus werden sie sowohl in Israel als<br />
auch in Deutschland an Programmen<br />
zu Kultur, Politik und Geschichte Israels<br />
und Deutschlands teilnehmen, mit dem<br />
Ziel, die jeweils andere Gesellschaft<br />
durch eine Kombination aus persönlicher<br />
Begegnung und gemeinsamer Arbeit<br />
besser kennenzulernen.<br />
Andreas Schmitges<br />
Musikbeispiele des Caravan Orchestra sind<br />
unter www.caravanorchestra.eu zu finden.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 55
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Freiburg<br />
Von Boykotteuren und Islamisten bis<br />
hin zu muslimischen Israelfreunden<br />
Namhafte Referenten prägten das Veranstaltungsprogramm der <strong>DIG</strong> Freiburg im Jahr 2017.<br />
In ihren Vorträgen informierten sie über die BDS-Bewegung, die Finanzierung radikal-islamischer<br />
Gruppen in Deutschland sowie völkerrechtliche Fragen und Entwicklungen im Verhältnis<br />
zwischen Juden und Arabern im Nahen Osten.<br />
Ist die Boykott-Bewegung antisemitisch?<br />
Mit dem Thema BDS befasste sich Dr. Eva<br />
Ghazari-Arndt. Wir wurden auf sie durch<br />
ihre Beiträge in der <strong>DIG</strong>-Broschüre »Boykottbewegungen<br />
gegen Israel« aufmerksam.<br />
Ihre christlich-armenische Familie<br />
musste nach der islamischen Revolution<br />
1979 aus dem Iran fliehen. Hauptberuflich<br />
ist sie als Juristin tätig. Aus diesem<br />
Blickwinkel analysierte sie das zweifelhafte<br />
Vorgehen der Europäischen Union<br />
im Jahr 2015, die Verbraucherschutzhinweise<br />
zur Herkunftsbestimmung zum<br />
politischen Instrument umfunktionierte,<br />
um einen völkerrechtlichen Status<br />
vorwegzunehmen. Angetrieben durch<br />
BDS-Aktivisten sprachen 16 EU-Minister<br />
eine Empfehlung aus die vortäuscht, es<br />
handele sich um eine völkerrechtspolitische<br />
Entscheidung. Diese Empfehlung<br />
der EU-Kommission zur Anwendung der<br />
EU-Verbraucherschutzrichtlinie dient zur<br />
Abstrafung Israels und ist ein einseitiges<br />
Bekenntnis der EU zu einem Palästinenserstaat<br />
in den Waffenstillstandslinien<br />
vor dem Sechstagekrieg einschließlich<br />
Jerusalem, ohne die Friedensverhandlungen<br />
zwischen den Hauptbeteiligten und<br />
die daraus entstehenden Kompromisse<br />
und Ergebnisse abzuwarten.<br />
Radikalislamische Gruppen in<br />
Deutschland<br />
Sigrid Hermann-Marschall hat sich tief<br />
in Struktur und Finanzierung radikalislamischer<br />
Gruppen in Deutschland<br />
eingearbeitet. Ihr ist wie die der Muslim-<br />
Bruderschaft, die Hamas, die im Gaza-<br />
Streifen die Kontrolle ausübt, zuzurechnen.<br />
Die Muslim-Bruderschaft ist eine<br />
panislamische Organisation, die in mehr<br />
als 70 Ländern aktiv ist. In Deutschland<br />
Oliver Vrankovic und Sarah Zoabi.<br />
rechnet man etwa 50 Gemeinden der<br />
Muslim-Bruderschaft zu, deren Strategie<br />
es ist, die Mitgliedschaft nicht<br />
offenzulegen. Auch bei Aiman Mazyek,<br />
dem Vorsitzenden des Zentralrats der<br />
Muslime, besteht ein gewisser Verdacht,<br />
dass er der Muslim-Bruderschaft zuzurechnen<br />
ist. Zu den Mitgliedern seines<br />
Zentralrats gehört auch die Islamische<br />
Gemeinschaft Deutschlands (IGD), ein<br />
Ableger der Muslim-Bruderschaft, die<br />
vom Verfassungsschutz beobachtet<br />
wird. In Deutschland vertritt sie einen<br />
legalistischen Islamismus, mit dem Ziel,<br />
ihre radikalislamischen Ideen umzusetzen.<br />
Die Finanzierung der Muslim-Bruderschaft<br />
in Deutschland entzieht sich<br />
durch widersprüchliche Selbstauskünfte<br />
und Intransparenz einer eingehenden<br />
Kontrolle.<br />
Foto: <strong>DIG</strong> Freiburg<br />
Stimmen der Versöhnung aus der<br />
islamischen Welt<br />
Zum Verhältnis zwischen Juden und<br />
Arabern im Nahen Osten hatten wir<br />
zwei interessante Vorträge: Eine Lesung<br />
von Carmen Matussek aus ihrem Buch<br />
»Israel, mein Freund. Stimmen der<br />
Versöhnung aus der islamischen Welt.«<br />
Im Mittleren Osten ist Antisemitismus<br />
bei 74 Prozent der Menschen verbreitet.<br />
Bei Palästinensern liegt er sogar bei 90<br />
Prozent. Auf dem Global Forum for Combating<br />
Antisemitism begegnete Carmen<br />
Matussek, die Islamwissenschaft und<br />
Geschichte studiert hat, jedoch muslimischen<br />
Teilnehmern, die sie in herzlicher<br />
Verbundenheit mit ihren jüdischen<br />
Mitstreitern erlebte. Sie waren im Judenhass<br />
aufgewachsen und erzogen worden<br />
56 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
und vollzogen dann einen Sinneswandel.<br />
Meist unter dem hohen Preis der<br />
Entfremdung von Familie und Freunden.<br />
Carmen Matussek beschloss, diesen<br />
Menschen eine Stimme zu geben.<br />
Anschaulich war der Vortrag des<br />
Referenten-Duos Oliver Vrankovic und<br />
Sarah Zoabi »Israel – neue Ansätze in<br />
der Verständigung zwischen Juden und<br />
Arabern auf prozionistischer Grundlage«.<br />
Oliver Vrankovic, ein Deutscher, arbeitet<br />
seit einigen Jahren in einem Altersheim<br />
in Israel. In Deutschland veröffentlicht<br />
er regelmäßig Berichte über Israel. Sarah<br />
Zoabi ist eine israelische Araberin, Muslimin,<br />
die sich öffentlich zum Staat Israel<br />
bekennt. Nachdem Sarahs Sohn Mohammed<br />
mit dem Tod bedroht wurde, weil er<br />
sich 2014 öffentlich gegen die Entführer<br />
der drei israelischen Jugendlichen Naftali,<br />
Gilad und Ejal geäußert hatte, beschloss<br />
Sarah Zoabi in die Öffentlichkeit zu<br />
gehen. Viele muslimische und christliche<br />
Araber bekennen sich privat durchaus zu<br />
Israel, doch zögern sie, dies öffentlich zu<br />
tun, weil sie dann massiv von arabischer<br />
Seite unter Druck gesetzt werden.<br />
50. Jahrestag des Sechstagekriegs<br />
Anlässlich des 50. Jahrestags des<br />
Sechstagekriegs hielt David Labude bei<br />
der <strong>DIG</strong> Freiburg einen Vortrag. Er hat<br />
die Zuhörer sehr kenntnisreich über die<br />
Fakten und Hintergründe informiert. Der<br />
Politikwissenschaftler, der nach einem<br />
längeren Aufenthalt an der Universität<br />
Beer Sheva nun in Berlin promoviert, ist<br />
auch im Mideast Freedom Forum Berlin<br />
aktiv und betreut das Bildungsseminar<br />
»Die israelische Demokratie und der<br />
Nahostkonflikt«. Er ist außerdem Autor<br />
der MFFB-Broschüre »Bildung für die<br />
nächste Generation« zu Inhalten palästinensischer<br />
Schulbücher und empfiehlt<br />
sich daher auch für diese Themen.<br />
Elisabeth Burkard<br />
<strong>DIG</strong> Halle<br />
Solidarität mit dem israelischen Volk<br />
auch in Halle an der Saale<br />
Auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft Halle-Umland wird am 4. Mai <strong>2018</strong> im Hallenser Rathaus<br />
die Ausstellung »Die Geschichte Israels« eröffnet. Auf über 30 großen Tafeln thematisiert die<br />
modulare Ausstellung neben der Geschichte von Erez Israel (Land Israel) auch die Problematik<br />
der jüdischen und arabischen Flüchtlinge, den gegen israelische und jüdische Ziele gerichteten<br />
Terror sowie das Streben der Menschen in Israel nach Frieden mit seinen Nachbarn.<br />
Zur Eröffnung dieser sehr wichtigen<br />
und sachlichen Ausstellung hat<br />
Dr. Bernd Wiegand, der Oberbürgermeister<br />
der Stadt Halle, den Botschafter<br />
des Staates Israel in der Bundesrepublik,<br />
Jeremy Issacharoff, sowie Mitglieder der<br />
Landesregierung Sachsen-Anhalts und<br />
herausragende Persönlichkeiten des<br />
öffentlichen Lebens in Halle herzlich<br />
eingeladen. Die Ausstellung im Hallenser<br />
Rathaus wird bis zum 15. Juni gezeigt<br />
und von vielen Gesprächsangeboten<br />
und anderen Veranstaltungen begleitet.<br />
Die Ausstellungstafeln werden danach<br />
Hallenser Schulen für weitere Seminare<br />
und Projekte zur Verfügung gestellt.<br />
Am 8. Mai, also unmittelbar nach der<br />
Ausstellungseröffnung, fliegt eine große<br />
Gruppe aus Halle und Umgebung nach<br />
Tel Aviv und beginnt dort die 25. Studienreise,<br />
die von der kleinen Arbeitsgemeinschaft<br />
Halle-Umland organisiert und vom<br />
Vorsitzenden Detlev Haupt geleitet wird.<br />
Durch diese Ausstellung und vor allem<br />
die neue Studienreise werden sich auch<br />
neue Initiativen und Denkanstöße zu<br />
der dringend nötigen Diskussion über<br />
die Situation Israels und der Menschen<br />
im Nahen Osten ergeben. Denn auch in<br />
Halle ist deutlich geworden, dass in den<br />
letzten Jahren alte Vorurteile gegen »die<br />
Juden« und »die Israelis« wieder in den<br />
Vordergrund getreten sind. Konnte vor 10<br />
Jahren anlässlich des 60. Jahrestages der<br />
Gründung des Staates Israel gemeinsam<br />
mit vielen anderen Vereinen, den Kirchen<br />
und anderen Einrichtungen die Verbundenheit<br />
mit dem Staat Israel und den<br />
Menschen dort mit einem Fest auf dem<br />
Hallenser Marktplatz bezeugt werden, ist<br />
das heute leider so nicht mehr möglich,<br />
seine Solidarität öffentlich zu zeigen.<br />
Umso mehr freuen wir uns auf die<br />
Eröffnung der Ausstellung im Hallenser<br />
Rathaus.<br />
Dr. Detlev Haupt<br />
Gedenktafel im »Tal der untergegangenen<br />
Gemeinden« in Yad Vashem mit den Namen<br />
aus Sachsen-Anhalt, darunter auch<br />
Halle an der Saale. Foto: Detlev Haupt<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 57
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Hamburg<br />
Jeremy Issacharoff zu Gast in Hamburg<br />
Nach dem durchschlagenden Erfolg der Kick-Off-Veranstaltung »Moin Hamburg, Shalom<br />
Israel – let’s talk about Business Opportunities« im November 2016, initiiert und organisiert<br />
vom Vorstand der <strong>DIG</strong> Hamburg, fand die Eventreihe der Initiative »Israel in Northern Germany«<br />
(www.moinshalom.com) in Kooperation mit der <strong>DIG</strong> Hamburg am 24. November 2017<br />
ihren Höhepunkt – mit einer Talkrunde und hohem Besuch.<br />
Der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff<br />
und Hamburgs zweite Bürgermeisterin<br />
und Senatorin für Wissenschaft, Forschung<br />
und Gleichstellung, Katharina Fegebank,<br />
diskutierten vor Hamburger Unternehmern,<br />
Startups, Studenten und Schülern sowie<br />
Vertretern der jüdischen Gemeinde über die<br />
Chancen einer vertieften Zusammenarbeit<br />
zwischen Hamburg und Israel. Katharina<br />
Fegebank, die zwei Monate zuvor mit einer<br />
Delegation aus Wirtschafts- und Wissenschaftsvertretern<br />
sowie mit Stefan Hensel<br />
und Andrea Frahm von der <strong>DIG</strong> Hamburg<br />
nach Israel gereist war, zeigte sich beeindruckt<br />
vom Gründerspirit der High-Tech-Metropole<br />
und berichtete vom außergewöhnlich<br />
bunten Mix der Delegation.<br />
Jeremy Issacharoff nutzte die Gelegenheit,<br />
sich nach der Diskussionsrunde persönlich<br />
mit den Hamburger Gästen auszutauschen.<br />
Er freute sich besonders über die zahlreich<br />
erschienenen Studenten sowie Schüler des<br />
Gymnasiums Klosterschule Hamburg, die<br />
sich zum Austausch im Mindspace eingefunden<br />
hatten.<br />
Israels Botschafter Jeremy Issacharoff im Gespräch mit Hamburgs zweiter Bürgermeisterin<br />
Katharina Fegebank. Andrea Frahm (Mitte) moderierte die Diskussion.<br />
<br />
Foto: Simcha Studios / Armin Stroiakovski<br />
Im Rahmen seines offiziellen Antrittsbesuchs<br />
bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz im<br />
Januar <strong>2018</strong> räumte der israelische Botschafter<br />
daher in seinem überfüllten Kalender extra<br />
Zeit ein, um das Gymnasium Klosterschule<br />
zu besuchen. Über eine Stunde sprach er mit<br />
den Schülerinnen und Schülern über ihre geplante<br />
Israelreise im Herbst und stand ihren<br />
Fragen charmant Rede und Antwort, bevor er<br />
ins Hamburger Rathaus weiterfuhr.<br />
Für das Jahr <strong>2018</strong> stehen viele Delegationsreisen<br />
nach Israel auf der Agenda der Hansestadt.<br />
Außerdem plant der Senat gemeinsam<br />
mit der <strong>DIG</strong> Hamburg einen Empfang anlässlich<br />
der 70-jährigen Unabhängigkeit Israels.<br />
Andrea Frahm<br />
Jeremy Issacharoff beim Besuch des Gymnasiums Klosterschule.<br />
<br />
Foto: Gymnasium Klosterschule<br />
58 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Köln<br />
Aktionswochen<br />
gegen Antisemitismus<br />
Mit einer Reihe gut besuchter Vortragsveranstaltungen an der<br />
Universität zu Köln widmete sich die <strong>DIG</strong> Köln gemeinsam mit dem<br />
Bündnis gegen Antisemitismus – BgA Köln mittlerweile zum vierten<br />
Mal Geschichte und Gegenwart des Antisemitismus. Annähernd 360<br />
Besucherinnen und Besucher kamen zu den acht Vorträgen.<br />
Die <strong>DIG</strong> Köln präsentierte gemeinsam<br />
mit dem Bündnis gegen Antisemitismus<br />
– BgA Köln, dem AStA der Universität zu<br />
Köln und dem Studierenden-Ausschuss<br />
der Vollversammlung der Humanwissenschaftlichen<br />
Fakultät einen Querschnitt<br />
aktueller Antisemitismusforschung. Unterstützt<br />
wurde die Veranstaltungsreihe<br />
vom Anne Frank Zentrum Berlin und der<br />
Amadeu Antonio Stiftung. Damit griff<br />
die im Februar neugegründete Kölner AG<br />
eine mittlerweile beinahe schon institutionalisierte<br />
Zusammenarbeit auf, die<br />
die <strong>DIG</strong> AG Bonn 2014 in Köln begonnen<br />
hatte, als sich angesichts der militärischen<br />
Intervention der IDF im Gazastreifen<br />
im Sommer 2014 Antisemitismus von<br />
links und von muslimischer Seite offen<br />
auf Straßen und Plätzen Deutschlands<br />
manifestierte.<br />
Junge Wissenschaftler, Gesellschaftstheoretiker<br />
und politische Aktivisten<br />
präsentierten in der Reihe ihre neuesten<br />
Forschungen. Den gesellschaftstheoretischen<br />
Auftakt lieferte JustIn Monday,<br />
der Erscheinungsformen gegenwärtigen<br />
Antisemitismus im Zuge der krisenhaften<br />
Entwicklung seit 2008 erklärte. Der<br />
Tradierungsgeschichte des Antisemitismus<br />
durch transgenerationale Weitergabe<br />
antisemitischer Ressentiments in<br />
deutschen Familien widmete sich Tom<br />
Uhlig. Sina Arnold präsentierte ihre Untersuchung<br />
von Antisemitismusdiskursen<br />
in der gegenwärtigen US-Linken, die<br />
sie anhand von qualitativen Interviews<br />
mit mehreren Dutzend linker AktivistInnen<br />
dingfest machte. Gerade hier<br />
kam besonders auch der antisemitische<br />
Antizionismus zur Sprache.<br />
Die Befunde Olaf Kistenmachers, der bereits<br />
im Vorjahr über Antisemitismusforscher<br />
vor 1944 berichtet hatte, vertiefte<br />
in diesem Jahr Franziska Krah, die aus<br />
ihrer Dissertation Fallstudien zu Pionieren<br />
der Antisemitismusforschung zur<br />
Diskussion stellte. Einen Schwerpunkt<br />
auf Feindschaft gegen Israel legten die<br />
beiden Vorträge von David Hirsh, der den<br />
Antisemitismus der britischen Linken,<br />
gerade auch in der von Jeremy Corbyn<br />
geführten Labour Party, analysierte und<br />
Heiko Beyer, der antisemitische und<br />
antiamerikanische Weltbilder miteinander<br />
verglich und den theoretischen<br />
wie empirischen Zusammenhang dieser<br />
Weltbilder aufwies.<br />
Von Luther zum Nationalsozialismus<br />
Eine historische Untersuchung der<br />
antisemitischen Gegensätze, die in der<br />
deutschen Ideengeschichte zwischen der<br />
idealisierten deutschen Arbeit und der<br />
abgewerteten jüdischen Arbeit gezeichnet<br />
wurden, bot der Vortrag des Historikers<br />
Klaus Thörner, Vorsitzender der <strong>DIG</strong><br />
Oldenburg. Er zog eine lange Linie von<br />
Luther, über antiaufklärerische Tendenzen<br />
innerhalb der deutschen Aufklärung,<br />
den Nationalismus des 19. Jahrhunderts<br />
bis zum »Arbeitswahn« der Nationalsozialisten.<br />
Schließlich bot Lars Rensmann<br />
eine abschließende gesellschaftstheoretische<br />
Rahmung, die am Beispiel der<br />
gesellschaftstheoretischen Erörterungen<br />
und der ersten systematischen sozialwissenschaftlichen<br />
Untersuchungen des<br />
Antisemitismus im Zusammenhang des<br />
antidemokratischen Denkens durch die<br />
Frankfurter Schule an die Ausführungen<br />
Dr. Sina Arnold stellte ihr Buch über<br />
Antisemitismusdiskurse in der amerikanischen<br />
Linken zur Diskussion.<br />
<br />
Foto: <strong>DIG</strong> Köln<br />
der Gegenwartsanalysen JustIn Mondays<br />
anknüpfte. Die Theorie und Empirie der<br />
Kritischen Theorie setzte den Anfangspunkt<br />
der modernen empirischen<br />
Sozialforschung zum Thema Antisemitismus.<br />
Markiert wird dieser Anfang mit der<br />
»Dialektik der Aufklärung« 1944 und der<br />
»Authoritarian Personality« im Rahmen<br />
der »Studies in Prejudice« 1950.<br />
Die Aktionswochen sollen dieses Jahr erneut<br />
aufgegriffen werden. Ein Vorschlag<br />
der <strong>DIG</strong> Köln ist, neben den politisch<br />
bildenden Vorträgen, die im übrigen<br />
auch ein jüngeres Publikum erfolgreich<br />
ansprechen, eine Podiumsdiskussion<br />
auszurichten. Sie soll ein lebendiges Bild<br />
gegenwärtiger Erfahrungen mit Antisemitismus<br />
vermitteln und sich mit deren<br />
Dokumentation durch Institutionen<br />
wie IIBSA und RIAS in Berlin bzw. SABRA<br />
auseinandersetzen.<br />
Dr. Johannes Platz<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 59
Haifa, Bahai-Gärten<br />
Foto: Dietmar Schulz<br />
<strong>DIG</strong> Mainz<br />
Erst Tränen, dann Jubel<br />
Haifa ist seit drei Jahrzehnten Partnerstadt von Mainz. Beim »Israel-Tag«, den die <strong>DIG</strong>-Arbeitsgemeinschaft<br />
Mainz alljährlich organisiert, ist die Hafenstadt stets ein Thema, in diesem Jubiläumsjahr<br />
sogar ein Programmschwerpunkt. Haifas Stadtgeschichte ist nämlich eng verknüpft<br />
mit den Ereignissen vor und nach der Gründung des Staates Israel vor 70 Jahren.<br />
Damals war die Hafenstadt im Norden<br />
Israels ein Ort der Sehnsucht und der<br />
Hoffnung von zehntausenden deutscher<br />
Juden, aber auch Schauplatz von Flüchtlingsdramen<br />
und weltpolitischen Veränderungen.<br />
In der Partnerstadt Mainz wird<br />
in diesem Jahr unter dem Motto »Mainz<br />
gratuliert: 70 Jahre Israel« daran erinnert.<br />
Blick zurück: Der Hafen von Haifa ist in<br />
den dreißiger und vierziger Jahren für Einwanderer<br />
das Tor Israels. Mehr als 60000<br />
deutsche Juden verlassen auf der Flucht<br />
vor dem Nazi-Terror ihr Geburtsland, um<br />
nach dramatischen Tagen auf See im<br />
damaligen Palästina eine neue Heimat zu<br />
finden und einen eigenen Staat aufzubauen.<br />
Shulamit Schwarz, eine aus Mainz<br />
stammende Zeitzeugin, erinnert sich an<br />
ihre Ankunft in Haifa: »Als wir die Carmel-<br />
Berge gesehen haben, hat das ganze<br />
Schiff gejubelt und getanzt.«<br />
Anders ergeht es mehreren tausend<br />
Flüchtlingen, die auf Befehl der britischen<br />
Mandatsbehörden nicht in Haifa bleiben<br />
dürfen. Britische Kriegsschiffe bringen<br />
sie nach Zypern und Mauritius. Monatelang<br />
müssen sie in Internierungslagern<br />
ausharren, bevor sie nach der Staatsgründung<br />
in Haifa einreisen können.<br />
Das Exodus-Drama<br />
Am Nachmittag des 18. Juli 1947 bahnt<br />
sich im Hafen von Haifa ein Drama an:<br />
Die 4554 Holocaust-Überlebenden an<br />
Bord des Flüchtlingsschiffs »Exodus«<br />
müssen unter Androhung von Waffengewalt<br />
wenige Stunden nach ihrer<br />
Ankunft Haifa wieder verlassen. Auf drei<br />
britischen Gefangenenschiffen werden<br />
die Flüchtlinge, unter ihnen 655 Kinder,<br />
zurück nach Europa deportiert, zurück<br />
in das von ihnen gehasste Deutschland,<br />
zurück in Lager hinter Stacheldraht. Der<br />
Kai, an dem die »Exodus« festgemacht<br />
hat, wird zum »Kai der Tränen«. Die Militäraktion<br />
»Operation Oasis« macht in der<br />
Weltpresse Schlagzeilen und löst allseits<br />
Empörung über das brutale Vorgehen<br />
der Londoner Regierung aus. »Es ist so<br />
unmenschlich, Menschen, die in letzter<br />
Minute der Hölle des Holocaust entkommen<br />
sind, zurück nach Deutschland zu<br />
schicken. Das ist einfach unmenschlich«,<br />
so Eva Wilinski, eine in Haifa lebende<br />
Zeitzeugin. Erst nach der Staatsgründung<br />
können die »Exodus«-Passagiere<br />
nach Israel gelangen.<br />
Letzter Akt im Hafen<br />
Am 14. Mai 1948, dem Tag der Staatsgründung,<br />
kommt Haifa erneut weltweit<br />
in die Schlagzeilen. Im Hafen geht der<br />
letzte Akt der britischen Oberhoheit in<br />
Palästina über die Bühne. Von seinem<br />
Amtssitz in Jerusalem kommend landet<br />
der britischen Hochkommissar Sir Alan<br />
Cunningham mit einer Militärmaschine<br />
in Haifa. Im Hafen schreitet er die<br />
Front einer Ehrenformation ab, bevor<br />
er eine Barkasse besteigt, um zum<br />
Kreuzer »Euryalus« zu fahren, der in der<br />
Hafeneinfahrt vor Anker liegt. Am Kai<br />
wird der »Union Jack« eingeholt. Gegen<br />
Mitternacht verlässt das Kriegsschiff<br />
die Bucht von Haifa in Richtung Westen.<br />
Großbritanniens Herrschaft in Palästina<br />
geht nach 28 Jahren zu Ende. In Tel Aviv<br />
ruft Ben Gurion den Staat aus. Jubel im<br />
ganzen Land. »State of Israel is born«,<br />
titelt die »Palestine Post«.<br />
60 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Vor Ort<br />
Vielfältige Kontakte der Partnerstädte<br />
Siebzig Jahre später ist Haifa die größte<br />
Hafenstadt in Nord-Israel sowie Wirtschafts-<br />
und Kulturzentrum. Mit der<br />
Partnerstadt Mainz bestehen vielfältige<br />
Beziehungen. Vorträge israelischer Autoren,<br />
Dokumentarfilme (u.a. »Schalom<br />
Haifa«), Fotoausstellungen und Konzerte<br />
israelischer Künstler gehören zum<br />
Programm der »Israel-Tage«, die jeweils<br />
im Mai von der <strong>DIG</strong>-Arbeitsgemeinschaft<br />
Mainz veranstaltet werden. Mainzer<br />
Gymnasien organisieren seit Jahren Austauschprogramme<br />
mit Schulen in Haifa.<br />
Firmen in beiden Städten pflegen enge<br />
Geschäftsbeziehungen. Bei internationalen<br />
Symposien an der Mainzer Johannes-<br />
Gutenberg-Universität haben Wissenschaftler<br />
und Politiker das schwierige<br />
deutsch-israelische Verhältnis analysiert.<br />
Die Kontakte im künstlerischen Bereich<br />
sollen intensiviert werden. Gleich drei<br />
städtische Einrichtungen in Haifa weisen<br />
in ihren Namen auf die Partnerstadt<br />
Mainz hin: Ein Jugendzentrum (»Beit<br />
Magenza«), eine Bibliothek (»Mainz-<br />
Library«) und eine Senioren-Tagesstätte<br />
(»Jockel-Fuchs-Heim«) als Treffpunkt von<br />
»Jeckes« in Haifa. Etliche von ihnen stammen<br />
aus Mainz und anderen Städten im<br />
Rheinland. Sie alle sind älter als ihr Staat,<br />
der in diesem Jahr 70 wird.<br />
Dietmar Schulz<br />
<strong>DIG</strong> Ostfriesland<br />
Flaschenpost nach 26 Jahren angespült<br />
Kürzlich erhielt ich einen<br />
Anruf aus BatYam, Israel. Dort<br />
hat jemand ein paar Tage<br />
zuvor eine Flaschenpost am<br />
Strand gefunden: Die haben<br />
Jugendliche aus einem Jugendaustausch<br />
im Oktober<br />
1991 dort tief im Strand eingebuddelt.<br />
Die bewegte See<br />
in Israel im Frühjahr hat sie<br />
dann wohl zutage gefördert.<br />
Der Finder hat diese Flasche zum Glück<br />
nicht zum Plastikmüll geworfen, sondern<br />
ins Rathaus BatYam gebracht. Das<br />
Rathaus hat dann sofort die damalige<br />
israelische Kollegin Judith Gindi informiert,<br />
die mich wiederum sofort anrief.<br />
Am letzten Freitag war diese Story dann<br />
der große Aufmacher in der BatYamer<br />
Wochenendzeitung. Noch am selben<br />
Freitag und am Shabbat liefen die<br />
Facebook-Seiten der ehemaligen Teilnehmer<br />
auf israelischer Seite heiß. Und<br />
auch auf unserer Seite sind die damals<br />
Jugendlichen bereits dabei, sich und ihre<br />
israelischen Partner von vor 26 und 27<br />
Jahren wiederzufinden. Der damalige<br />
Austausch war innerhalb meiner 25-jährigen<br />
Serie unter mehrfachen Gesichtspunkten<br />
besonders: Im Oktober 1990<br />
waren wir mit den jungen Leuten wenige<br />
Tage nach der deutschen Wiedervereinigung<br />
in Berlin. Für mich war damals<br />
bemerkenswert, wie unbefangen die<br />
Israelis unsere Freude über die Vereinigung<br />
teilen konnten. Da waren keine<br />
Ängste vor einem größeren Deutschland<br />
wahrnehmbar. Der Gegenbesuch konnte<br />
nicht im folgenden Frühjahr stattfinden,<br />
weil der Golfkrieg tobte und Israel unter<br />
Raketenbeschuss stand. Deshalb fand<br />
der Gegenbesuch ungewöhnlicherweise<br />
im Herbst 1991 statt. Und jetzt warte ich<br />
mal ganz gespannt ab, was sich aus dem<br />
Wiederaufleben der alten Begeisterung<br />
entwickeln wird.<br />
Wolfgang Freitag<br />
Wunder gibt es immer wieder! In der Zeitung von BatYam war<br />
die Nachricht von der flaschenpost das aufmaher-Thema.<br />
Fotos: <strong>DIG</strong> Ostfriesland<br />
Der Text der Flaschenpost wurde auf Englisch abgefasst, die Übersetzung<br />
lautet: »Wir, die unten Unterzeichnenden schwören, dass diese<br />
unsere Zusammenkunft nicht die letzte sein wird. Wir werden alle unser<br />
Bestes geben, um zu versuchen uns wiederzusehen. Wir versprechen,<br />
dass wir uns einander Briefe schreiben werden, bis es so weit sein wird.<br />
Dieses Papier wird im Strand von BatYam vergraben, um uns alle für<br />
immer an unser Versprechen zu erinnern.«<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 61
Vor Ort<br />
<strong>DIG</strong> Wiesbaden<br />
Erste Arbeitsgemeinschaft der <strong>DIG</strong><br />
Im September 1967 wurde die <strong>DIG</strong>-Wiesbaden als erste offizielle Arbeitsgemeinschaft bundesweit<br />
gegründet. Aus diesem Anlass traf man sich am 21. November 2017 im großen Festsaal des<br />
Wiesbadener Rathauses, dieses 50. Jubiläum gebührend zu feiern.<br />
Sven Gerich, der Oberbürgermeister der<br />
Landeshauptstadt Wiesbaden, überreichte<br />
dem Vorsitzenden der <strong>DIG</strong>-Wiesbaden,<br />
Christian Hill, zum 50. Bestehen der örtlichen<br />
Vereinigung die Stadtplakette in<br />
Bronze. Generalkonsulin Sandra Simovic<br />
überbrachte die Grüße des Staates Israel.<br />
Kultus-Staatssekretär Manuel Lösel<br />
vertrat die Hessische Landesregierung.<br />
Dr. Jakob Gutmark hielt als Vorstand<br />
der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden<br />
und Landesvorsitzender der Jüdischen<br />
Gemeinden in Hessen ein Grußwort.<br />
<strong>DIG</strong>-Präsident Hellmut Königshaus<br />
sprach mit einer vielbeachteten Festrede<br />
den Anwesenden aus dem Herzen.<br />
Für die jahrzehntelange Mitgliedschaft<br />
in der <strong>DIG</strong> ehrten Hellmut Königshaus<br />
und Christian Hill den ehemaligen<br />
ehrenamtlichen Beigeordneten Manfred<br />
Laubmeyer, Dr. Jakob Gutmark, Evelyn<br />
Mandelbaum und Samuel Mandelbaum<br />
mit der Überreichung entsprechender<br />
Urkunden. Samuel Mandelbaum war<br />
Mitbegründer der <strong>DIG</strong>-AG-Wiesbaden<br />
am 21. September 1967. Das musikalische<br />
Rahmenprogramm wurde von Anastasiya<br />
Mishurisman (Geige) und Polina<br />
Grishaeva (Klavier) gekonnt bestritten,<br />
was die Anwesenden mit viel Applaus<br />
quittierten.<br />
Christian Hill<br />
Festakt in Wiesbaden zum Jubiläum der vor 50 Jahren als erste <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
gegründeten <strong>DIG</strong> Wiesbaden. Es zeigt von links nach rechts: Hellmut Königshaus (Präsident<br />
der <strong>DIG</strong>), Sven Gerich (Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden), Sandra<br />
Simovic (Generalkonsulin des Staates Israel), Manuel Lösel (Staatssekretär beim Hessischen<br />
Kultusminister) und Christian Hill (Vorsitzender <strong>DIG</strong> Wiesbaden). Foto: Joachim Sobeck<br />
Der Arbeisgemeinschaft Wiesbaden wurde<br />
für ihre Verdienste die Stadtplakette in<br />
Bronze verliehen. Foto: Christian Hill<br />
FESTIVAL<br />
70 JAHRE ISRAEL<br />
AUSSTELLUNGEN, VORTRÄGE,<br />
KINDERPROGRAMM<br />
UND VIELES MEHR<br />
SCHIRMHERRSCHAFT:<br />
DR. WOLFGANG SCHÄUBLE<br />
STATION BERLIN<br />
U-BAHNHOF<br />
GLEISDREIECK<br />
25.-27.<br />
MAI<br />
<strong>2018</strong><br />
AB 12 UHR<br />
MEDITERRANE<br />
KÜCHE<br />
BEACHPARTY MIT<br />
UND DJ NICK TVK<br />
FREITAG AB 18 UHR<br />
GEFÖRDERT DURCH:<br />
KOSTENLOSER EINTRITT<br />
MEHR INFORMATIONEN UNTER<br />
WWW.70-JAHRE-ISRAEL.<strong>DIG</strong>EV.DE
Junges Forum<br />
Israelpedia<br />
Das Jahresseminar des Jungen Forums<br />
Am Pfingstwochenende lädt das Junge Forum zu seinem Jahresseminar<br />
nach München ein. Ganz im Zeichen des 70. Jubiläums<br />
der israelischen Unabhängigkeit werden neben den Ereignissen<br />
von 1948 Gegenwart und Geschichte des jüdischen Staates aus<br />
verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Vom 18. bis 21. Mai <strong>2018</strong><br />
soll mit einem vielfältigen Programm die Bildungs arbeit der vergangenen<br />
Jahre fortgesetzt werden.<br />
ISRAELPEDIA <strong>2018</strong><br />
»Israel – 70 Jahre nach<br />
Wiedererlangung der<br />
Unabhängigkeit«<br />
18.–22. Mai, München<br />
Interessierte in der Altersgruppe<br />
bis 35 sind herzlich willkommen!<br />
Anmeldung und weitere Informationen:<br />
jufo@digev.de<br />
Das Seminarprogramm des Jungen Forums (JuFo) möchte<br />
jungen Menschen, die sich im Feld der deutsch-israelischen<br />
Beziehungen engagieren, Hintergrundwissen<br />
zu aktuellen Themen vermitteln. Durch die Erarbeitung von<br />
historischen und theoretischen Grundlagenkenntnissen soll<br />
eine selbständige Bewertung und kritische Beteiligung an gegenwärtigen<br />
Debatten unterstützt werden. Beispielhaft dafür<br />
hier ein Bericht vom Jahresseminar 2017. Damals trafen sich 30<br />
Mitglieder des Jungen Forums in Kassel, um sich im Rahmen eines<br />
langen Wochenendes mit zwei Schwerpunkten zu befassen:<br />
der sozialpsychologischen Analyse faschistischer Agitation und<br />
dem Sechstagekrieg von 1967.<br />
Warum Menschen faschistische Haltungen entwickeln<br />
Angesichts zunehmender »gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit«<br />
(Wilhelm Heitmeyer) sogenannter Populisten der Neuen<br />
Rechten einerseits und des politischen Islams andererseits<br />
drängt sich die Frage auf, warum Menschen autoritäre, nationalistische<br />
und faschistische Haltungen entwickeln. Eine Analyse<br />
solcher Tendenzen jenseits oberflächlicher Empörung erachtet<br />
der JuFo-Bundesvorstand als notwendige Voraussetzung, um<br />
ihnen effektiv entgegentreten zu können. Hierfür hatte er Dr.<br />
Ingo Elbe von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg eingeladen.<br />
In einem Tagesseminar entfaltete der Referent unter<br />
Rückgriff auf die aus den 1930er Jahren stammende Theorie des<br />
autoritären Charakters den Zusammenhang der »emotionalen<br />
Matrix« (Erich Fromm) der Individuen und der Wirkungsmacht<br />
der »Falschen Propheten« (Leo Löwenthal) faschistischer<br />
und rechtspopulistischer Agitation. In der Diskussion konnte<br />
mithilfe des sozialpsychologischen Instrumentariums auch das<br />
Verständnis des historischen Nationalsozialismus und der Dimensionen<br />
der Judenvernichtung in der Schoa vertieft werden.<br />
Judenhass von der Antike bis zur Gegenwart<br />
Mit einem breiteren Publikum teilten die Teilnehmer ihre<br />
Debatte im Rahmen eines öffentlichen Abendvortrags im<br />
Stadteilzentrum Vorderer Westen, mit welchem Elbe das vorangegangene<br />
Seminar ergänzte. »Antisemitismus. Formen des<br />
Judenhasses von der Antike bis zur Gegenwart« behandelte mit<br />
dem vormodernen religiösen Antijudaismus, dem modernen<br />
Antisemitismus und dem Antizionismus nationalsozialistischer,<br />
linker und islamistischer Provenienz verschiedene Formen des<br />
»Gerüchts über die Juden« (Theodor W. Adorno). Deutlich wurde<br />
hierbei: Der Hass auf die Juden hat eine lange Tradition und<br />
ist auch im 21. Jahrhundert weltweit verbreitet. Heute nimmt<br />
er – zumindest im Westen – meist die Form des Zu-verstehen-<br />
Gebens, der Andeutung und vor allem der vermeintlich um den<br />
Weltfrieden besorgten »ehrbaren Israelkritik« an.<br />
Auswirkungen des Sechstagekriegs<br />
Komplementär zur weitgehend theoretischen Befassung des<br />
Vortages war der Schwerpunkt des Programmes am Sonntag<br />
ein historisch-politischer. Im Juni 2017 jährte sich der Sechstagkrieg<br />
zwischen Israel und drei arabischen Staaten zum 50.<br />
Mal. Eines der Ergebnisse dieses Waffenganges ist die bis heute<br />
anhaltende israelische Kontrolle des Westjordanlandes, welche<br />
im Zentrum internationaler Kontroversen steht. Aber auch<br />
die Wiedervereinigung Jerusalems und die damit ermöglichte<br />
Wiederbelebung religiösen jüdischen Lebens an den heiligen<br />
Stätten sowie die Demonstration militärischer Leistungsfähigkeit<br />
auf israelischer Seite prägen den heutigen Blick auf<br />
den Nahen Osten. Leider sind viele Äußerungen in Alltag und<br />
Presse hierzulande bestimmt von Halbwissen, Gerüchten und<br />
Dämonisierungen Israels. Um dem zu begegnen, sollte in einem<br />
sechsstündigen Seminar durch eine detaillierte Untersuchung<br />
der Geschehnisse von 1967 sowie ein intensives Quellenstudium<br />
eine fundierte Wissensbasis erarbeitet werden. Die<br />
Engagierten des Jungen Forums sollten in den Stand versetzt<br />
werden, sich mündig an den Kontroversen des Jubiläumsjahres<br />
zu beteiligen.<br />
Für diese Aufgabe hatten die Organisatoren David Labude,<br />
Mitarbeiter des Mideast Freedom Forum Berlin sowie Autor<br />
der <strong>DIG</strong>-Broschüre zum Sechstagekrieg, gewinnen können.<br />
Sein Workshop widmete sich den Ursachen des Krieges sowie<br />
dessen Verlauf und führte hinein in die andauernde Auseinandersetzung<br />
über Möglichkeiten der Beilegung des arabisch-israelischen<br />
Konflikts. Hierzu untersuchten die Teilnehmer unter<br />
anderem Einlassungen arabischer und israelischer Politiker und<br />
deren jeweilige Haltung vor Kriegsausbruch anhand von Primärquellen.<br />
Nach einer Darstellung des Kriegsverlaufs wurden<br />
die veränderte regionale Situation danach und die politischen<br />
Initiativen der Folgezeit analysiert.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 63
Junges Forum<br />
Am letzten Tag wollten die Teilnehmer das jüdische Leben<br />
vor Ort in Vergangenheit und Gegenwart erkunden. Jürgen<br />
Menzel, zu der Zeit Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
Kassel, hatte für sie eine Exkursion vorbereitet, die er sachkundig<br />
begleitete. Die Gruppe wurde von Elena Padva durch<br />
die historische Ausstellung des Sara-Nussbaum-Zentrums für<br />
Jüdisches Leben geführt und bekam in der Neuen Synagoge<br />
durch Alexander Katz einen Einblick in das heutige Gemeindeleben<br />
vermittelt.<br />
Als die Teilnehmer beim Verlassen der Synagoge von einer<br />
Passantin antisemitisch beschimpft wurden, verdeutlichte sich<br />
ihnen auf hässliche Weise die Brisanz der Themen des Seminars<br />
sowie die Dringlichkeit des Engagements im Jungen Forum.<br />
Tibor Luckenbach<br />
Neue Ideen, angeregter Austausch<br />
Während Benjamin Netanjahu auf der Sicherheitskonferenz in München sprach und an die<br />
internationale Gemeinschaft appellierte, entschlossen und nicht beschwichtigend auf die iranische<br />
Außenpolitik zu reagieren, saß der Leitungskreis des Jungen Forums (JuFo) in Berlin zusammen.<br />
Das Junge Forum besteht mittlerweile aus 23 Regional- und Hochschulgruppen, deren<br />
Sprecherinnen und Sprecher sich zu einem Wochenende mit gefülltem Programm trafen.<br />
Nach einem ersten Austausch über die Arbeit in den<br />
einzelnen Gruppen und die individuellen Erfolge und<br />
Herausforderungen, stand die Öffentlichkeitsarbeit<br />
des Jungen Forums im Fokus des Treffens. Einleitend dazu war<br />
Rogel Rachman, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Botschaft<br />
des Staates Israels in Berlin, eingeladen und stand Rede und<br />
Antwort, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeiten zur<br />
Kommunikation des diesjährigen Jubiläums. Anlässlich des<br />
70. Jahrestags der Gründung des Staates Israel konzipierte die<br />
Botschaft eine Ausstellung zu den Meilensteinen in der israelischen<br />
Geschichte, die das Junge Forum in Frankfurt und an<br />
weiteren Orten zeigen wird.<br />
Eintreten gegen »Israelkritik« und Appeasement<br />
gegenüber Iran<br />
Doch auch die Konzeption eigener Ziele und Strategien für die<br />
Kommunikation, insbesondere über soziale Netzwerke, war ein<br />
zentraler Punkt der gemeinsamen Arbeit an diesem Wochenende.<br />
Während eine Gruppe an entsprechenden Plänen feilte,<br />
widmeten sich andere den Strategien und Best-Practice Beispielen<br />
zur Mitgliedergewinnung, den Plänen für einen Austausch<br />
des Jungen Forums mit Israel sowie der finanziellen Lage. Das<br />
Junge Forum ist aufgrund eines sehr geringen Budgets auf<br />
alternative Finanzierungsmöglichkeiten angewiesen. Ein Input<br />
zur Kontaktaufnahme mit diversen Stiftungen und Erfahrungen<br />
der einzelnen JuFos waren hilfreiche Impulse, um in diesem<br />
Jahr trotzdem Veranstaltungen ausrichten zu können. Denn,<br />
und darüber waren sich an diesem Wochenende alle einig,<br />
die wichtigste Aufgabe des Jungen Forums ist es, entschieden<br />
Rogel Rachman (Mitte), Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der<br />
Botschaft des Staates Israels, zu Gast beim Leitungstreffen des<br />
Jungen Forums. <br />
Foto: Junges Forum<br />
gegen die »Israelkritik« und das Appeasement gegenüber dem<br />
Iran in Politik und Gesellschaft einzutreten.<br />
Schließlich durfte neben der inhaltlichen Diskussion auch der<br />
persönliche Austausch nicht fehlen. Für den Samstagabend lud<br />
das Junge Forum Berlin zu einem israelischen Weinabend ein,<br />
für den jeder Gast eine Flasche mitbrachte. Die Stimmung war<br />
so gut, dass eine abschließende Bewertung des besten Weins<br />
ausblieb. Eine Wiederholung ist deshalb in jedem Fall notwendig.<br />
Annika Zecher<br />
64 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Austausch<br />
»So eine Reise hätten wir alleine nicht<br />
machen können«<br />
Die meisten Deutschen kennen Israel nur aus den Medien. 18 junge Frauen und Männer, die das<br />
Mülheimer Berufskolleg Stadtmitte und das Gymnasium in Essen-Werden besuchen, konnten<br />
sich jetzt ein eigenes Bild machen. Der Sparstrumpf der <strong>DIG</strong> und eine Finanzspritze der Mülheimer<br />
Sparkasse machten es möglich. Jerusalem und Tel Aviv standen ebenso auf dem einwöchigen<br />
Reiseprogramm wie die Golanhöhen, der See Genezareth, das Tote Meer und Mülheims 15<br />
Kilometer nordöstlich von Tel Aviv gelegene Partnerstadt Kfar Saba.<br />
So eine Reise hätten wir für 450 Euro pro Person niemals<br />
machen können«, sagt die Gymnasiastin Franziska Halle,<br />
während sie beim Nachtreffen der Israel-Fahrer auf einer<br />
Leinwand die Fotos ihrer Reiseeindrücke vorbeiziehen lässt und<br />
dabei in ein Stück Pizza beißt. Was ist den Schülern nach sieben<br />
vollen Tagen in Israel besonders im Gedächtnis geblieben?<br />
»Man lernt den Frieden zu schätzen«<br />
Die Berufsschülerin Bianca Deuse fand den Besuch auf den seit<br />
dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 größtenteils von Israel kontrollierten,<br />
aber bis heute von Syrien beanspruchten Golanhöhen<br />
und das dortige Gespräch mit zwei UN-Blauhelm-Soldaten<br />
besonders beeindruckend. »Ein österreichischer Soldat berichtete<br />
von den jüngsten Granateinschlägen im Drei-Länder-Eck<br />
Israel-Syrien-Jordanien. Mir war vorher gar nicht bewusst, dass<br />
die seit 1974 auf den Golanhöhen stationierten UN-Blauhelme<br />
nur als neutrale Beobachter agieren und militärisch von der<br />
israelischen Armee geschützt werden müssen«, berichtet sie.<br />
Deuse ist durch den Besuch auf den Golanhöhen deutlich geworden,<br />
»wie wertvoll die Zusammenarbeit in der Europäischen<br />
Union und die damit verbundene Tatsache ist, dass wir von befreundeten<br />
Nachbarländern umgeben sind, in die wir jederzeit<br />
problemlos reisen können.«<br />
»Ich fühlte mich absolut sicher!«<br />
Vor dem Hintergrund ihrer medialen Israel-Eindrücke, die vom<br />
Nahost-Konflikt und Terroranschlägen geprägt sind, war die Berufsschülerin<br />
Paulina Woldetzky positiv überrascht, »wie sicher<br />
ich mich auch abends als Frau in Tel Aviv gefühlt habe.« Auch<br />
die mit Maschinen-Pistolen patrollierenden Soldaten, denen<br />
sie am Damaskus-Tor in der Jerusalemer Altstadt begegnete,<br />
erlebte sie als freundliche und auskunftsbereite Gesprächspartner,<br />
so dass ihr der zunächst ungewohnte Anblick von Soldaten<br />
im Straßenbild bald vertraut war.<br />
»Eigentlich sollte jeder mal so eine Reise machen!«<br />
Können die jungen Israel-Fahrer aus dem westlichen Ruhrgebiet<br />
ihre Reise Altersgenossen empfehlen? »Auf jeden Fall,<br />
weil man in Israel eine sehr facettenreiche und multikulturelle<br />
Gesellschaft kennen lernen kann, in der Menschen unterschied-<br />
Die jungen Israel-Fahrer aus dem Ruhrgebiet<br />
vor dem Panorama Jerusalems.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 65
Austausch<br />
Die Teilnehmer der<br />
Israel-Fahrt bei ihrem<br />
Nachtreffen im Mülheimer<br />
Petrikirchenhaus.<br />
licher Religionen friedlich zusammenleben«, sagt die Gymnasiastin<br />
Franziska Halle. Sie hat deshalb besonders der Besuch<br />
in einer Grundschule in Tel Aviv begeistert. »Dort lernten und<br />
spielten Kinder aus Israel und Flüchtlinge aus unterschiedlichsten<br />
Ländern ganz selbstverständlich und fast familiär miteinander.<br />
Und obwohl viele der Flüchtlingskinder noch nicht lange<br />
an der Schule waren, bewegten sie sich dort selbstverständlich<br />
und sahen in ihren Lehrern so etwas, wie ihre Freunde.«,<br />
schildert sie ihre vor Ort gesammelten Eindrücke. Geht man in<br />
der von Einwanderern geprägten Acht-Millionen-Gesellschaft<br />
Israels unverkrampfter mit dem multikulturellen Zusammenleben<br />
um. Franziska Halle meint: »Ja!«<br />
»Sie waren sehr aufgeschlossen und interessiert!«<br />
Die Berufsschülerin und angehende Erzieherin Meike Linscheidt<br />
erlebte das Gespräch mit etwa gleichaltrigen Wehrpflichtigen<br />
als besonders spannend. Vor dem Hintergrund ihres Wissens<br />
um die deutsche Tradition friedensbewegter Wehrdienstverweigerer<br />
und Zivildienstleistenden, als die Bundeswehr bis 2011<br />
noch keine Freiwilligen, sondern eine Wehrpflicht-Armee war,<br />
fand sie es interessant wie selbstverständlich und klaglos die<br />
gleichaltrigen Israelis ihrem zwei- bis dreijährigen Militärdienst<br />
ableisteten. Besonders beeindruckend fand sie aber das Interesse<br />
und die Aufgeschlossenheit, »die wir in unseren Gesprächen<br />
mit den jungen Israelis erlebten, die ihrerseits davon beeindruckt<br />
waren, dass wir uns als junge Deutsche für das Land<br />
Israel, seine Menschen und seine Kultur interessierten, obwohl<br />
wir keine Juden sind.«<br />
Mit den unmittelbaren Auswirkungen des Nahost-Konfliktes<br />
waren die Berufsschüler und Gymnasiasten aus dem Ruhrgebiet<br />
nicht nur im Gespräch mit den jungen israelischen<br />
Soldaten, sondern auch bei ihrem Besuch in der Mülheimer<br />
Partnerstadt Kfar Saba konfrontiert. Im Angesicht der acht<br />
Meter hohen Mauer, die die israelische Stadt Kfar Saba von<br />
ihrer palästinensischen Nachbar-Gemeinde Qalqilija trennt,<br />
lernten sie das Kontrastprogramm zu den offenen Grenzen des<br />
europäischen Schengen-Raumes kennen. »Wenn ich in Kfar<br />
Saba auf den dortigen Aussichtsturm steige und auf der einen<br />
Seite die Mauer von Qalqilija und auf der anderen Seite die<br />
israelische Mittelmeer-Küste sehe, wird mir immer wieder die<br />
ganze Tragweite des Nahost-Konfliktes bewusst«, sagt Markus<br />
Püll, der Vorsitzende der <strong>DIG</strong> Duisburg-Mülheim-Oberhausen,<br />
der die junge Reisegruppe zusammen mit seinem Vorstandskollegen<br />
Günter Reichwein durch Israel führte. Für Reichwein, der<br />
in den 60er Jahren zu den ersten deutschen Studenten gehörte,<br />
die Israel besuchten, ist es eine große Genugtuung, »zu sehen,<br />
wie frei und unbefangen sich heute junge Israelis und junge<br />
Deutsche begegnen.«<br />
»Wir dürfen das nicht vergessen!«<br />
Aber auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus dem<br />
Ruhrgebiet sparten das traumatische Thema Holocaust nicht<br />
aus. »Es ist schon etwas anderes, ob man in einem Buch über<br />
den Holocaust und seine sechs Millionen Opfer liest oder ob<br />
man in der Gedenkstätte Yad Vashem unter anderem durch Video-Interviews<br />
mit Holocaust-Überlebenden deren Leidensweg<br />
in Yad Vashem sehr anschaulich und persönlich nachvollziehen<br />
kann«, sagt die 18-jährige Gymnasiastin Hannah Bündert. Fühlt<br />
man sich als Urenkelin der deutschen Täter-Generation schuldig?<br />
»Nein. Denn es war nicht unsere Generation, von der diese<br />
Verbrechen begangen wurden. Aber unsere Generation darf die<br />
Verbrechen des Holcaust nicht vergessen und muss die Erinnerung<br />
an sie auch in die Zukunft tragen, damit niemand den<br />
Holocaust leugnen und die Geschichte sich nicht wiederholen<br />
kann«, bringt Bündert die wichtigste Erkenntnis ihres Besuches<br />
in Yad Vashem auf den Punkt.<br />
Thomas Emons<br />
66 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Beduinische Mädchengruppe<br />
aus Israel zu Besuch in Frankfurt<br />
Austausch<br />
Die Kinder- und Jugend-Aliyah, gegründet 1933, um jüdische Kinder dem NS-Regime zu retten,<br />
betreut heute in 172 Jugenddörfern und Einrichtungen in Israel 19 000 Heranwachsende.<br />
In diesen Jugenddörfern leben viele Zuwanderungskinder sowie Kinder aus benachteiligten<br />
Familien. Sie stammen aus den unterschiedlichsten kulturellen und religiösen Hintergründen.<br />
Da insbesondere im südlichen Bereich der Negev-Wüste<br />
viele Beduinen in untereinander sehr zerstrittenen<br />
Stammeskulturen leben und viele der Jugendlichen wenig<br />
Zugang zu Bildung haben, hat das israelische Erziehungsministerium<br />
in den letzten Jahren Jugenddörfer speziell für beduinische<br />
Jugendliche in dieser Region eröffnet. Bisher wurden<br />
jedoch ausschließlich Jungen aufgenommen, da die Beduinen<br />
nicht gern ihre Mädchen außerhäusig betreut wissen. Seit drei<br />
Jahren werden in dem neuen Jugenddorf Kochve Ha’Midbar<br />
Jungen und Mädchen gleichermaßen betreut. Sie alle haben<br />
besondere Führungsqualitäten und starke Charaktere. Die Idee:<br />
Wenn solche Vertreter der einzelnen Stämme miteinander<br />
erzogen werden, können diese schlichtend zwischen den Stämmen<br />
wirken und vor allem Selbstbewusstsein, Emanzipation<br />
und Bildung in ihre Gemeinschaft tragen.<br />
Das Deutsche Komitee der Kinder und Jugend-Aliyah ist ein<br />
gemeinnütziger Verein, der sich bereits seit vielen Jahren mit<br />
bilateralen Projekten engagiert, um israelischen Jugendlichen in<br />
meist einwöchigen Besuchen in Deutschland Ausbildungsinput<br />
zu geben sowie eine Horizonterweiterung und interkulturellen<br />
Austausch zu ermöglichen. Das Projekt mit einer Delegation beduinischer<br />
Mädchen war eine ganz neue Erfahrung. Erstmalig<br />
kam vom 5. und 12. März <strong>2018</strong> eine Gruppe von zwölf Mädchen<br />
im Alter zwischen 15 und 17 Jahren in Begleitung von drei Pädagoginnen<br />
und Betreuerinnen nach Frankfurt.<br />
Beeindruckendes Besuchsprogramm<br />
Auf dem Programm standen ein Besuch auf dem alten jüdischen<br />
Friedhof, eine Führung hinter die Kulissen des Eintracht-Stadions<br />
und ein gemeinsames Training mit der Mädchenmannschaft.<br />
Die Vereinstrikots durften sie mitnehmen. Hierfür, aber auch<br />
für den eindruckreichen Besuch in der Produktion von Opel, auf<br />
dem Flughafengelände und im Müllheizkraftwerk wurden die<br />
Mädchen bei ihrer Rückkehr von den Jungen bestimmt glühend<br />
beneidet. Sie absolvierten außerdem einen Selbstverteidigungskurs,<br />
einen Steinmetzworkshop bei einer Steinmetz-Meisterin,<br />
lernten Schlittschuhfahren und Klettern in der DAV-Kletterhalle,<br />
spielten Bowling gemeinsam mit einer Gruppe eines Mädchenclubs,<br />
verbrachten das Wochenende mit einer Pfadfinderinnengruppe<br />
in der Natur und besuchten am Weltfrauentag auch<br />
das Frauenreferat der Stadt Frankfurt. Ein außergewöhnliches<br />
Ereignis war der Besuch des internationalen Varietés »Tigerpalast«.<br />
Mit großer Begeisterung nahmen die jungen Mädchen das<br />
Programm und alle diese neuen Eindrücke auf.<br />
Für die beduinischen Mädchen in ihrer Entwicklung zu Emanzipation<br />
und dem eigenen Selbstverständnis war der Besuch in<br />
Deutschland eine horizonterweiternde Erfahrung. Sowohl die<br />
Erlebnisse mit der fremden Kultur als auch die Begegnungen<br />
mit Mädchen und Frauen, die in einer an starken Frauenpersönlichkeiten<br />
reichen Kultur aufgewachsen und davon geprägt<br />
sind, haben nachaltigen Eindruck gemacht. Bei der Programmplanung<br />
wurde die Kinder- und Jugend-Aliyah von der Stadt<br />
Frankfurt, insbesondere dem Frauenreferat unterstützt.<br />
Pava Raibstein<br />
Training mit der U16-Mädchen mannschaft von Eintracht<br />
Frankfurt.<br />
Fotos: Pava Raibstein<br />
Alter jüdischer Friedhof Frankfurt: Die Mädchen erfuhren von<br />
der deutsch-jüdischen Geschichte und waren beeindruckt von der<br />
Ähnlichkeit moslemischer und jüdischer religiöser Rituale.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 67
Kunst<br />
Orna Ben-Ami macht<br />
aus Eisen Emotionen<br />
»Entire Life in a Package« ist der Titel einer bemerkenswerten Austellung der<br />
israelischen Bildhauerin Orna Ben-Ami zum Thema Flüchtlinge. Die Kunstwerke<br />
waren im vergangenen Jahr im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New<br />
York und im »Palais des Nations«, Sitz des Hohen Kommissars der Vereinten<br />
Nationen für Menschenrechte (UNHCHR), in Genf zu sehen – und anschließend<br />
in Bergisch Gladbach.<br />
Die Vereinten Nationen sind in der Kreisstadt östlich von Köln<br />
nicht vertreten, wohl aber ist Bergisch Gladbach eine Partnerstadt<br />
von Ganey Tikva bei Tel Aviv und pflegt mit dieser<br />
intensive und freundschaftliche Beziehungen. Ganey Tikva ist<br />
auch die Heimatstadt von Orna Ben-Ami, eine in Israel bekannte<br />
Künstlerin, von der dort landesweit 39 Skulpturen im<br />
öffentlichen Raum zu sehen sind. Eins ihrer tonnenschweren<br />
Kunstwerke ist seit 2016 auch in Bergisch Gladbach dauerhaft<br />
präsent – im Zuge eines Skulpturenaustauschs haben sich die<br />
beiden Partnerstädte jeweils ein Werk eines ansässigen Künstlers<br />
zum gegenseitigen Geschenk gemacht. Orna Ben-Ami hat<br />
dazu einen überdimensionalen stählernen Schlüssel mit den<br />
Silhouetten der beiden Städte beigesteuert.<br />
Vor diesem Hintergrund erklärt sich, dass Orna Ben-Ami in<br />
Bergisch Gladbach ein willkommener Gast ist. Mit dem Thema<br />
ihrer Ausstellung berührt sie zudem ein Thema, das auch dort<br />
hochaktuell ist. So kamen zur Ausstellungsseröffnung in der Villa<br />
Zanders nicht nur Kunstinteressierte und Israelfreunde, sondern<br />
auch eine Gruppe von Flüchtlingen aus Syrien und anderen, vorwiegend<br />
muslimischen Ländern, die jetzt in Bergisch Gladbach<br />
leben und die eine Begegnung mit der Künstlerin aus dem Lande<br />
des vermeintlichen Erzfeindes nicht gescheut haben. Interessiert<br />
schlossen sie sich während der Vernissage einer Führung an, bei<br />
der die Künstlerin ihre Werke persönlich erläuterte.<br />
Orna Ben-Ami erlernte die Gold- und Silberschmiedekunst, studierte<br />
Bildhauerei und arbeitet seit 1994 bevorzugt mit dem Material<br />
Eisen, dem sie eine ungahnte Emotionalität und Weichheit verleiht.<br />
»Was nehmen Menschen mit, wenn sie ihr Heimat verlassen?«<br />
ist die Frage, mit der sich Orna Ben-Ami in ihren Werken<br />
beschäftigt. Dazu rückt sie die wenigen Habseligkeiten von<br />
Flüchtlingen in den Vordergrund, die diese oft in aller Eile<br />
zusammensuchen, bevor die Reise ins Ungewisse beginnt.<br />
Sie kombiniert Aufnahmen von Flüchtlingen mit aus Eisen<br />
68 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Kunst<br />
Orna Ben-Ami lenkt den Blick auf die Habseligkeiten der Flüchtlinge: Was nimmt man mit, wenn man die Heimat zurücklässt?<br />
Fotos: Jürgen Sterzenbach<br />
geschmiedeten Plastiken dieser Habseligkeiten und Gepäckstücke.<br />
Für die Bilder hat sie aus dem Archiv der Presseagentur<br />
Reuters rund 73 000 Fotos zum Thema Flüchtlinge gesichtet<br />
und schließlich einige Dutzend Motive ausgesucht. Die Aufnahmen<br />
konzentrieren sich zeitlich auf die letzen drei Jahrzehnte<br />
und zeigen Vertriebene aus dem Bosnienkrieg bis hin zu<br />
Bootsflüchtlingen aus dem Mittelmeer. Es kommen aber auch<br />
erschreckende Erinnerungen an Auschwitz und die Zeit des<br />
Nationalsozialismus hoch, wenn etwa ein Flüchtling zwischen<br />
Bahngleisen auf einem Koffer sitzend zu sehen ist.<br />
von posierenden europäischen Regierungschefs und -chefinnen<br />
mit eisernen Aktenkoffern und Handtaschen ausstattet. Auch<br />
Politiker haben kein leichtes Gepäck zu tragen.<br />
Jürgen Sterzenbach<br />
www.ornabenami.com<br />
Symbole für den Wunsch, zu überleben<br />
65 Millionen Flüchtlinge, so die offiiziellen Zahlen der Vereinten<br />
Nationen, gibt es derzeit weltweit. Für die Künstlerin sind das<br />
auch Millionen von Bündeln, Taschen, Koffern und anderen<br />
Gepäckstücken, die den Wunsch zu Überleben symbolisieren.<br />
Persönliche Fotos und andere Gegenstände repräsentieren die<br />
Sehnsucht nach der eigenen Heimat und Identität. Besonders<br />
emotional sind ihre Werke, wenn Puppen und Teddybären das<br />
Schicksal von Flüchtlingskindern thematisieren. Die Empathie<br />
der Künstlerin erklärt sich auch aus ihrer eigenen Familiengeschichte.<br />
1953 geboren, wuchs sie unter Einwanderern in Aschdod<br />
auf; ihre Eltern und Großeltern kamen aus Georgien, Polen<br />
und der Ukraine nach Israel. Orna Ben-Ami gelingt aber auch<br />
ein ironischer Blick auf das Flüchtlingsthema, indem sie ein Foto<br />
Die Künstlerin bei der Ausstellungseröffnung mit Bergisch Gladbachs<br />
Bürgermeister Lutz Urbach (Mitte), rechts der israelische<br />
Kulturattachée Tsach Saar, Ehemann Oded Ben-Ami und die Vorsitzende<br />
des Städtepartnerschaftsvereins Petra Hemming.<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 69
Kunst als Brücke zur<br />
Verständigung<br />
Der deutsche Freundeskreis des Tel Aviv Museums of Art e.V.<br />
(TAMAD) wurde 2002 in München als gemeinnütziger Verein<br />
gegründet. Heute engagieren sich bundesweit über 140<br />
Mitglieder für das Friedensprojekt »The Art Road to Peace«<br />
und unterstützen die vielfältigen Projekte und Aktivitäten<br />
des Tel Aviv Museums of Art.<br />
Kinderfriedensprojekt »The Art Road to Peace«<br />
Über die Kunst auf dem Weg zum Frieden – so lässt sich die Vision von »The<br />
Art Road to Peace« beschreiben. Seit vielen Jahren bringt TAMAD in Israel<br />
jüdische, muslimische und christliche Kinder und Jugendliche aller sozialen<br />
Schichten zusammen, damit sie sich in der inspirierenden Atmosphäre des Tel<br />
Aviv Museum of Art begegnen. Sei es bei einem Tag im Museum, bei spielerischen<br />
Workshops für Kindergartenkinder oder bei Seminaren für künstlerisch<br />
begabte Jugendliche. Mehr als 2000 Kinder und Jugendliche profitieren inzwischen<br />
jährlich von den verschiedenen kunstpädagogischen Workshops und<br />
Seminaren. Ziel des Friedensprojektes ist es, über das Medium Kunst Brücken<br />
zwischen den verschiedenen Kulturen zu bauen. In den vielseitigen Workshops<br />
schaffen wir für die Kinder ein kreatives Umfeld, in dem sie sich freundschaftlich<br />
begegnen, Vorurteile abbauen und Toleranz üben. Aktuell unterstützt der<br />
Freundeskreis fünf Workshops mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die<br />
genaue Projektbeschreibung der einzelnen Gruppen ist auf der Homepage des<br />
Vereins unter www.tamad.org zu finden. Ziel ist es, gerade in Zeiten großer<br />
Spannungen die Anzahl der Workshops konstant zu erhöhen und weiterzuentwickeln.<br />
Hierzu ist der Verein auf Spenden angewiesen, die zu 100 Prozent dem<br />
Kinderfriedensprojekt zugutekommen.<br />
Die Deutsche Galerie<br />
Seit 2011 ist die Galerie der Deutschen Freunde zentraler Bestandteil des Tel<br />
Aviv Museum of Art. Die Namensgebung »Deutsche Galerie« erhielt der Verein<br />
zum Dank für die zahlreichen Mitgliederspenden. Auf einer Fläche von 244<br />
Quadratmtern werden wechselnde internationale Ausstellungen gezeigt, darunter<br />
Graphiken und Drucke deutscher Expressionisten wie George Grosz, Otto<br />
Dix, Max Beckmann sowie zeitgenössische Kunst aus aller Welt. Auch einer<br />
der weltweit größten Druckgraphik-Sammlungen des norwegischen Künstlers<br />
Edvard Munch wird regelmäßig in den Galerieräumen präsentiert. TAMAD<br />
versteht die Deutsche Galerie als Bindeglied zwischen Israel und Deutschland<br />
auf musealer Ebene. Der Verein initiiert Kooperationen mit deutschen Museen<br />
und Sammlungen und fördert den kulturellen Austausch. Damit wird der deutschen<br />
und internationalen Kunst in Israel eine besondere Plattform geboten.<br />
Dr. Kerstin Holme<br />
Im Projekt »The Art Road to Peace« begegnen sich<br />
jüdische, muslimische und christliche Kinder und<br />
Jugendliche in der inspirierenden Atmosphäre des<br />
Tel Aviv Museum of Art. <br />
Fotos: TAMAD<br />
Freunde des Tel Aviv Museum of Art<br />
Deutschland e.V. (TAMAD)<br />
Dr. Kerstin Holme<br />
(Leiterin der Geschäftsstelle)<br />
Pienzenauerstraße 88, 81925 München<br />
Telefon +49 (0)89 99884633<br />
Fax +49 (0)89 9828712<br />
info@tamad.org, www.tamad.org<br />
Spendenkonto<br />
Freunde des Tel Aviv Museum of Art<br />
Deutschland e.V.<br />
HypoVereinsbank<br />
IBAN: DE13 7002 0270 0041 1598 20<br />
BIC: HYVEDEMMXXX<br />
70 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Das Ensemble Villa Musica unter der Leitung von<br />
Prof. Alexander Hülshoff in Schloss Dachau.<br />
»Violinen der Hoffnung« in Schloss Dachau<br />
Ein außergewöhnliches Konzert fand Mitte Februar im Renaissancesaal des Dachauer Schlosses<br />
statt. Im Mittelpunkt stand das Projekt »Violinen der Hoffnung« des israelischen Geigenbaumeisters<br />
Amnon Weinstein, der 2016 von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft mit der Ernst-<br />
Cramer-Medaille ausgezeichnet wurde.<br />
Rund 70 Violinen von ehemaligen KZ-Häftlingen hat er gesammelt<br />
und restauriert. Vier dieser Instrumente erklangen nun bei<br />
dem Konzert des Ensembles »Villa Musica«, zu dem der Landkreis<br />
Dachau eingeladen hatte. Auch Amnon Weinstein wäre<br />
gerne gekommen, doch hinderten ihn gesundheitliche Gründe<br />
darann. Aus Israel angereist waren Weinsteins Ehefrau Assaela<br />
und Sohn Avshalom, der ebenfalls das Geigenbauhandwerk<br />
erlernt hat und das Werk seines Vaters fortsetzt. Die beiden<br />
nahmen von der US-Amerikanerin Sonja Becker eine weitere<br />
Geige entgegen – die ihres Vaters.<br />
Auch das musikalische Programm erinnerte an die Geschichte<br />
der Violinen und ihrer jüdischen Besitzer. Professor Alexander<br />
Hülshoff, Leiter des Ensembles »Villa Musica«, wies einleitend<br />
darauf hin, dass Musik in den Konzentrationslagern nicht nur<br />
zwangsweise erklang, sondern dass es auch »private Momente<br />
mit Kammermusikcharakter« gab. In dem Konzert zu hören waren<br />
unter anderem das bekannte »Dachau Lied« des Zwangsarbeiters<br />
Herbert Zipper aus dem Jahr 1938 und der erste Satz von<br />
Anton Dvoraks Quartett Opus 23, das am 1. Juli 1944 im Block<br />
30/1 im KZ Dachau aufgeführt worden war. Auch eine Uraufführung<br />
wurde geboten: ein Streichtrio des von Dachau nach Theresienstadt<br />
deportierten jüdischen Musikers Hans Neumeyer.<br />
Anlässlich des Dachauer Konzerts erschien ein ausführliches<br />
Programmheft mit einer umfangreichen Dokumentation über<br />
die Hintergründe des Projekts Violinen der Hoffnung. In einem<br />
Grußwort schrieb darin Dr. h.c. Charlotte Knobloch: »Mit der<br />
Schönheit der Musik und des Klangs dieser Instrumente sind<br />
untrennbar die grausame Geschichte ihrer einstigen Besitzer<br />
und der kaltblütige Zynismus der Nationalsozialisten verbunden,<br />
die jene als jüdische Menschen vertrieben, gequält, ermordet<br />
haben – eine Ambivalenz, die Musiker wie Publikum unmittelbar<br />
und im tiefsten Herzen berührt. Heute sind die »Violinen<br />
der Hoffnung« klingende Zeitzeugen, Botschafter gegen Hass,<br />
Ausgrenzung und Antisemitismus und für ein menschliches<br />
Miteinander, in dem Raum für Zwischentöne und auch Dissonanzen<br />
ist, die im Zusammenspiel aufgehoben sind.«<br />
Jochen Miersch<br />
Sonia Beker überreicht die Geige ihres Vaters an Assaela und<br />
Avsahlom Weinstein.<br />
Die Geigenbaumeister Amnon (l.) und Avshalom Weinstein in<br />
ihrer Werkstatt in Tel Aviv.<br />
Foto: Birgitta Unger-Richter<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 71
Bücher<br />
Ein anderer Blick auf Israel<br />
Denken wir an Israel, so denken wir sofort an den Konflikt. Unser Blick auf das Land, das in diesem<br />
Jahr sein 70. Gründungsjubiläum begeht, ist eingeschränkt und verengt. Doch die 8,7 Millionen<br />
Menschen unterschiedlicher religiöser Traditionen und ethnischer Herkunft, die in Israel leben,<br />
verdienen einen neuen Blickwinkel. Sie und das Land sind weit mehr als Kampf und Widerstand.<br />
Nun ist im September 2017 bei dem Stuttgarter Verlagshaus Arnold’sche Art Publishers ein Buch<br />
herausgekommen, das unseren Blickwinkel auf eindrucksvolle Weise erweitert.<br />
Artisans of Israel – Transcending<br />
Tradition« (Kunsthandwerker in<br />
Israel – Über die Tradition hinaus)<br />
von Lynn Holstein ist eine Liebeserklärung<br />
an das Land und seine Menschen.<br />
Baruch Rafics brilliante Photos machen<br />
es zu einem visuellen Abendteuer. Das<br />
Buch wird eröffnet mit einem doppelseitigen<br />
Photo des Hügels Hurbat Gaaton<br />
(Ruinen von Gaaton). Der Name Gaaton,<br />
heute ein Kibbutz, geht zurück auf biblische<br />
Zeiten. Das Foto zeigt ein zerfallenes<br />
altes Gebäude, durch das ein Tor den<br />
Blick auf ein zweites verlassenes Gebäude<br />
lenkt wie auf die dahinter liegende<br />
Landschaft, bevölkert von Olivenbäumen,<br />
über denen der blaue Himmel das Spiel<br />
von Licht und Schatten aufgreift. Das Tor<br />
zu einem Land, das unsere Gewissheiten<br />
ins Wanken bringt, seine Wurzeln in biblischen<br />
Zeiten hat, Fragen aufwirft und<br />
nicht nur eine Antwort bereit hält.<br />
Eintreten in eine unbekannte Welt<br />
Lynn Holstein stellt 40 Künstler vor,<br />
erzählt deren Geschichte, erlaubt uns<br />
einen Blick in die Arbeitsprozesse, Gedanken<br />
und Gefühle, die hinter oder in den<br />
Arbeiten aufleuchten, und entwirft somit<br />
ganz nebenbei eine kleine Geschichte<br />
Israels. Gegliedert ist das Buch in fünf<br />
Arbeitsbereiche – Schmuck und Metallarbeiten,<br />
Keramik und Glass, Stoffe und Leder,<br />
Papier, und schließlich Holz und Seife.<br />
Die Künstler – es sind Juden, Christen,<br />
Muslime und Drusen, ein Querschnitt der<br />
Bevölkerung Israels – werden in großformatigen<br />
Portraits bei der Arbeit im<br />
Atelier vorgestellt, jeweils begleitet von<br />
klaren, aussagekräftigen Fotos ihrer Arbeiten.<br />
Der Leser und Betrachter hat den<br />
Eindruck, einen kleinen Besuch in den<br />
Ateliers zu machen, mit den Künstlern<br />
zu reden. Geredet mit ihnen hat Lynn<br />
Holstein. Sie hat sie besucht, sie nach<br />
ihrem Arbeitsethos, den Arbeitsschritten,<br />
ihrer persönlichen und beruflichen<br />
Geschichte gefragt, und teilt uns dies in<br />
einfühlsamen, ja poetischen Begleittexten<br />
mit. Holsteins Sprache ist Englisch;<br />
die hebräische und arabische Textfassung<br />
im Anhang, spiegelt respektvoll die<br />
sprachliche Wirklichkeit Israels wider. Für<br />
deutsche Leser und Leserinnen dürfte die<br />
Sprache kein ernstes Hindernis sein. Die<br />
Bilder sprechen ihre eigene Sprache, und<br />
allein das Buch, das ein kleines Kunstwerk<br />
in sich ist, in Händen zu halten, in<br />
ihm zu blättern, lohnt sich auf jeden Fall.<br />
Aber vielleicht wird es ja auch ins Deutsche<br />
übersetzt werden.<br />
Schmuck, Webkunst, Keramik<br />
und vieles mehr<br />
Shirley Bar-Amotz, Enkelin osteuropäischer<br />
Juden, lebt in einem Kibbutz in der<br />
dritten Generation. Ihr Schmuck ist nicht<br />
nur Dekoration, nein ihre Arbeiten erzählen<br />
Geschichten. Da ist die Brosche in<br />
Form eines Dreiecks aus weißer Baumwolle,<br />
in der Mitte eine blaue Form, die<br />
an ein Flugzeug erinnert, die Basis,<br />
geformt aus Alufolie, aus der Serie »A<br />
Bump on the Wing« (Ein kleiner Ruck am<br />
Flügel). Die Serie geht zurück auf die<br />
Antwort eines Luftwaffenkommandeurs<br />
auf die Frage, wie es sich anfühle, wenn<br />
man eine Bombe auf eine Stadt werfe.<br />
»Ein kleiner Ruck am Flügel«, war die<br />
Antwort. Oder die Brosche, die einen<br />
schwarzen Schwan darstellt, dessen<br />
Bewegung in einem blauen Gebilde aus<br />
Zirkon und Epoxidharz eingefroren ist;<br />
das ganze auf einem Silber-Teflon-Messing<br />
Hintergrund. Eine ganze Serie der<br />
Broschen erzählen von nicht in Israel<br />
einheimischen Tieren, die dort Fremde<br />
sind, und deren Bewegungen durch<br />
Perlen, Edelsteine, oder Kristalle gefangen<br />
sind.<br />
Shirley Bar<br />
Amotz Brosche,<br />
Der schwarze<br />
Schwan<br />
Vered Kaminski, Schmuckdesignerin in ihrem Atelier.<br />
Bar-Amotzs Arbeiten, wie die vieler der<br />
hier dargestellten Künstler, weisen eine<br />
überraschende Mischung aus Materialien<br />
auf, eine Freude am Experimentieren<br />
mit der Mischung aus traditionellen<br />
und fremden Materialien. So drückt sie<br />
im Schmuck Fragen der Identität, des<br />
bewaffneten Konflikts, oder der Nostalgie<br />
der Immigranten nach der eigenen<br />
72 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Bücher<br />
Meir Moheban, Keramiker, bei der Arbeit.<br />
verlorenen Welt aus. Schmuck als Spiegel<br />
einer Gesellschaft.<br />
Da ist Rami Tareef, ein Druse, der auf dem<br />
Buchumschlag in seiner ganzen Dynamik<br />
bei der Arbeit zu sehen ist und dessen<br />
Familie seit 500 Jahren in Galiläa lebt. Tareef<br />
verbindet modernes Industrie Design<br />
mit der alten Webkunst, indem er Stahl-<br />
Tische und Stühle entwirft, sie massenproduzieren<br />
lässt und die Flächen dann<br />
mit handgewebtem Material bespannt.<br />
Auch Initiativen wie die Idimaj Jewelry<br />
School im Nazarth Industrie Park werden<br />
vorgestellt. Diese Schule ist eine Gründung<br />
von Stef Wertheimer. Er arbeitet in<br />
seinen sieben Industrieparks unermüdlich<br />
für ein friedliches Zusammenleben<br />
und die Idee verfolgt, dass eine gute<br />
Ausbildung das Selbstwertgefühl stärkt<br />
und vor Gewaltbereitschaft schützt. In<br />
dieser Schule erhalten Juden, Christen<br />
und Muslime eine kostenlose Ausbildung<br />
in Schmuckdesign und Theorie mit dem<br />
Ziel, später selbständig oder in existierenden<br />
Unternehmen zu arbeiten. Ihre<br />
Arbeiten weisen den gegenseitigen Einfluss<br />
der unterschiedlichen Traditionen<br />
auf. Selbstdisziplin und die Bereitschaft,<br />
miteinander zu kooperieren, sind ideale<br />
Voraussetzungen für jedes Handwerk.<br />
Keramik als Gang durch die Geschichte<br />
eines Landes, ob die Keramik der armenischen<br />
Familie Balian, die seit hundert<br />
Jahren in Jerusalem lebt und arbeitet,<br />
oder die äthiopischen schwarzen<br />
Keramik-Skulpturen von Tenat Auka, der<br />
katholischen Nonnen, oder die gestickte<br />
Keramik Zenab Garbas, einer Beduinen<br />
Frau – alle erzählen von einer anderen<br />
Identität, einer anderen Tradition und<br />
haben ihre eigene Geschichte mit und<br />
in dem Land Israel. Handgewebte Stoffe,<br />
die die Landschaft Israels in sich tragen,<br />
handgewebte Teppiche, des Lakiya Negev<br />
Web-Projektes 1 , Arbeiten in Papier und<br />
Holz – dieses Buch stellt uns Arbeiten in<br />
allen nur denkbaren Materialien vor.<br />
Es ist nicht so, dass diese Künstler unbekannt<br />
wären, sie haben angesehen<br />
Preise erhalten und auf internationalen<br />
Ausstellungen waren ihre Werke einzeln<br />
und in Gruppen zu sehen, aber es gab<br />
bisher noch keine gedruckte Darstellung<br />
ihrer Werke. Dieses Buch leistet dieses. Es<br />
führt uns ein in Israels Suche nach einer<br />
visuellen Identität, wie Land und Leute<br />
sich gegenseitig inspirieren und an dieser<br />
visuellen Identität weben.<br />
1 Lakiya Negev Bedouin Weaving wurde 1991<br />
als ein Einkommenserzeugungsprojekt für<br />
palästinensische Beduinenfrauen gegründet,<br />
die in Dörfern und Lagern in der Wüste Negev<br />
im Süden Israels leben. Durch das Netzwerk<br />
von sechs Frauenzentren in der Region erhalten<br />
rund 150 beduinische Frauen die Möglichkeit,<br />
die traditionellen Fähigkeiten des Spinnens und<br />
Webens der Wolle zu entwickeln, neue Rollen<br />
und Fähigkeiten in Färben, Produktion und<br />
Geschäftsführung zu erwerben und Einkommen<br />
zu verdienen durch die Arbeit. Mariam, die<br />
Produktionsleiterin von Lakiya, sagt, dass das<br />
Projekt ihr eine unschätzbare Gelegenheit bot,<br />
ihr Potenzial zu erforschen. Sie hat ein Gefühl<br />
der Befähigung erlangt, weil sie in der Lage<br />
ist, das Familieneinkommen zu liefern, und ist<br />
stolz, dass all ihre Kinder eine gute Ausbildung<br />
erhalten haben. Mariam sagt: »Das Projekt war<br />
für uns eine lebensverändernde Erfahrung. Jetzt<br />
fahre ich ein Auto, benutze das Internet. Ich<br />
fühle, dass ich frei bin.«<br />
Neues Interesse an Kunsthandwerk<br />
im digitalen Zeitalter<br />
In unserem digitalen Zeitalter entsteht<br />
ein neues Interesse an handgefertigten<br />
Produkten. Das Kunsthandwerk erlebt<br />
eine Renaissance. Dieses Buch ist jedem<br />
zu empfehlen, der sich für Kunsthandwerk,<br />
Israel und experimentelle Prozesse<br />
interessiert. Ja, es ist ein Buch auch für<br />
diejenigen, die sich für Geschichten<br />
von Immigration und persönlichen<br />
Schicksalen interessieren, die andere<br />
Kulturen faszinieren, offen für Neues<br />
sind, schließlich für all jene, die sich über<br />
ein kunstvoll gestaltetes Buch freuen. In<br />
einem Anhang findet man die Adressen<br />
und Kontaktdaten der vorgestellten<br />
Künstler – eine interessante Information<br />
für Israelreisende, um einen der Künstler<br />
zu besuchen. Eine beigefügte Landkarte<br />
zeigt, dass die Künstler sich über das<br />
ganze Land verteilen, vom Norden, nahe<br />
der libanesischen Grenze, bis weit hinunter<br />
in den Süden im Negev.<br />
Eva Schulz-Jander<br />
Lynn Holstein schloss ihr Studium mit<br />
einem MA in Middle Eastern Studies mit<br />
Auszeichnung an der Harvard University<br />
ab. Sie spezialisierte sich auf islamische<br />
Kunst und Architektur. Im vergangenen<br />
Jahr brachte Sie die Biografie des israelischen<br />
Industriellen Stef Wertheimer einer<br />
englischen Leserschaft nahe. Zur Zeit ist<br />
sie Partnerin im Modehaus Maskit, das die<br />
legendäre Ruth Dayan 1954 gründete und<br />
Sharon und Nir Tal wiedereröffneten.<br />
Lynn Holstein<br />
Artisans of Israel<br />
Transcending Tradition<br />
Arnoldsche Art Publishers, Stuttgart<br />
296 Seiten, € 38,–<br />
ISBN 978-3-89790-501-6<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 73
Bücher<br />
Mod Helmy: Wie ein arabischer Arzt in<br />
Berlin Juden vor der Gestapo rettete<br />
Der junge Ägypter Mohamed Helmy kommt als Student in das Berlin der Zwanziger Jahre, um<br />
Medizin zu studieren. Eine ungewohnte Perspektive auf die Zwanziger Jahre Berlins zeigt sich durch<br />
die anschaulich berichteten Lebensumstände der unterschiedlichen Mitglieder einer kleinen ägyptischen<br />
Kolonie. Der gute Ruf, dessen sich deutsche Universitäten zu dieser Zeit im arabischen Raum<br />
erfreuten, stand im Zusammenhang mit der prodeutschen Stimmung in der arabischen Welt, eine<br />
Folge der antibritischen Aktivitäten im Ersten Weltkrieg.<br />
Etwa 400 ägyptische Studenten gab<br />
es zu Beginn der Zwanzigerjahre in<br />
Deutschland, 150 davon in Berlin.<br />
Viele erhielten ein Stipendium von der<br />
Botschaft ihres Heimatlandes. Helmys<br />
Familie war jedoch in der Lage, ihm den<br />
Aufenthalt und das Studium zu finanzieren.<br />
Auch er geriet als ägyptischer<br />
Student ins Visier des Rassismus der<br />
deutschen Gesellschaft. Diese echauffierte<br />
sich in der Ruhrauseinandersetzung<br />
über afrikanische und arabische Besatzungssoldaten<br />
in französischer Uniform.<br />
Helmy besteht 1929 sein medizinisches<br />
Staatsexamen und arbeitet im Städtischen<br />
Krankenhaus in Moabit, wo 1933<br />
alle jüdischen Mitarbeiter entlassen<br />
werden. Auch seine Stellung als »Nichtarier«<br />
wird immer prekärer, er muss sich<br />
aktiv um die neuen Herren bemühen, um<br />
weiter dort arbeiten zu dürfen. 1937 kann<br />
er dort noch promovieren, bevor er 1938<br />
eine private Praxis eröffnet. Als 1939, nur<br />
wenige Tage vor Kriegsbeginn, das ägyptische<br />
Generalkonsulat alle Ägypter zur<br />
Ausreise auffordert, bleibt Helmy jedoch<br />
bei seiner deutschen Verlobten in Berlin.<br />
Die Nazis verschleppen und ermorden<br />
einen großen Teil der jüdischen Ärzte<br />
Berlins, ohne Rücksicht auf die Berliner<br />
Bevölkerung, die auf diese Ärzte für ihre<br />
Versorgung angewiesen war. Helmy<br />
wird einerseits für die Ärzteversorgung<br />
der Berliner benötigt und ab 1942 zur<br />
Vertretung eines Arztes, der zur Wehrmacht<br />
einberufen worden war, zwangsverpflichtet,<br />
andererseits stellt ihm die<br />
Gestapo nach. Im Oktober 1939 wird er<br />
aus seiner Praxistätigkeit heraus verhaftet<br />
und bleibt annähernd zwei Monate in<br />
Haft. Mit ihm werden weitere 124 Araber,<br />
verhaftet. Die Situation ist einigermaßen<br />
absurd: Die meisten dieser Personen<br />
haben Sympathien für Nazideutschland,<br />
V.l.n.r.: Dr. Kay Schweigmann-Greve, Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Hannover, der Autor Igal<br />
Avidan und Dr. Gábor Lengyel, Rabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover.<br />
Foto: Yuri Petrovic<br />
sie lehnen die britische Politik in ihren<br />
Heimatländern, für die sie in Haftung<br />
genommen werden, ab. Helmy kommt<br />
mit Hilfe eines Ägypters frei, der für die<br />
Nazis Propaganda in der arabischen Welt<br />
betreibt und eng mit der NS-Führung<br />
vertraut ist. Im Januar 1940 wird Helmy<br />
erneut verhaftet und bleibt gesundheitlich<br />
schwer angeschlagen bis zum<br />
Juni 1940 in Krankenhaft. Danach darf<br />
er seine – dringend benötigte – ärztliche<br />
Tätigkeit wieder aufnehmen und einen<br />
»deutschblütigen« Kollegen vertreten,<br />
der zur Wehrmacht eingezogen wurde.<br />
Zu seinen Patienten zählt bereits seit<br />
1936 die jüdische Familie Rudnik, zu<br />
der er auch eine persönliche Beziehung<br />
unterhält. Helmy geht durch seine<br />
Unterstützung der Familie ein hohes<br />
persönliches Risiko ein. Auch diese<br />
Familiengeschichte recherchiert Avidan<br />
gründlich und referiert anschaulich den<br />
Werdegang der jüdischen Emigranten<br />
aus Rumänien in Berlin, ihre erfolgreiche<br />
wirtschaftliche Tätigkeit bis 1933 und die<br />
sich dann ständig verschlechternde Situation.<br />
Zunächst kommt ihnen zugute,<br />
dass Rumänien seine Juden schützt und<br />
das Dritte Reich sie nicht zwingt, den<br />
gelben Stern zu tragen und sie zunächst<br />
vor physischer Gewalt oder Deportation<br />
sicher zu sein scheinen. 1942, der<br />
rumänische Staat hat seine jüdischen<br />
Staatsbürger fallen lassen, wird jedoch<br />
die Situation unhaltbar, sie gehen einzeln<br />
in den Untergrund. Anna Boros, die Enkelin<br />
der erfolgreichen Familienpatriarchin<br />
Cecilie Rudnik, wird von Helmy ab 1942<br />
versteckt, zunächst in seiner eigenen<br />
Wohnung, später in einem Gartenhaus<br />
am Stadtrand, und letzlich rettet er sie<br />
unter Gefährdung des eigenen Lebens.<br />
Besonders an dieser Rettungsgeschichte<br />
ist der Einfluss der muslimischen<br />
Community: Helmy organisiert Annas<br />
Konversion zum Islam, die von einem engen<br />
Mitarbeiter des berüchtigten Mufti<br />
von Jerusalem – Hitlers erstem Mann in<br />
der arabischen Welt – durchgeführt wird.<br />
Anschließend heiratet sie einen Ägypter,<br />
den Betreiber eines der raren Jazz-Lokale<br />
im Berlin der Kriegsjahre, um hierdurch<br />
die ägyptische Staatsbürgerschaft zu<br />
erhalten und, nicht als Jüdin erkennbar,<br />
eingetragen in den Reisepass ihres Man-<br />
74 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Bücher<br />
nes, nach Ägypten ausreisen zu können.<br />
Die meisten der beteiligten Ägypter<br />
wissen worum es geht – die Rettung<br />
einer Jüdin. Der Plan scheitert, da ihr<br />
Ehemann in den Kriegswirren kein Ehefähigkeitszeugnis<br />
aus Ägypten beibringen<br />
kann. Anna kann Nazideutschland nicht<br />
verlassen.<br />
Helmy steht weiterhin zu seinem Schützling,<br />
für den nun eine Lösung in Deutschland<br />
gefunden werden muss. Diese<br />
findet sich am Stadtrand in Berlin-Buch<br />
in einer Gartenlaube, Helmy arbeitet nun<br />
auch im dortigen Krankenhaus. Auch hier<br />
ergibt die intensive Recherche des Umfeldes<br />
ein eindrucksvolles Bild nicht nur<br />
der Lebensumstände von Mod Helmy,<br />
seiner Verlobten und Anna Boros, sondern<br />
auch von den sozialen Beziehungen<br />
der in der Nachbarschaft lebenden Menschen<br />
und ihrer Haltung zum Regime<br />
während der letzten Kriegsjahre. Helmy<br />
steht sogar weiter zu der Familie, als sich<br />
die Mutter an ihrer Zwangsarbeitsstelle<br />
verplappert und von ihrer Tochter berichtet,<br />
welche die Gestapo überliste, indem<br />
sie sich als Muslima ausgebe.<br />
Auch die übrigen Familienmitglieder erleben<br />
in ihren Verstecken den Einmarsch<br />
der Roten Armee, Helmy kann seine<br />
Verlobte endlich heiraten und richtet<br />
sich erneut in Berlin ein. Ein besonders<br />
deprimierendes Licht wirft das Ende der<br />
Geschichte auf die deutschen Behörden,<br />
die sich lange weigern, Helmy als Opfer<br />
der NS-Diktatur anzuerkennen und ihm<br />
den lächerlichen Betrag von 3500 DM<br />
für »Schäden an seinem beruflichen<br />
Fortkommen« und 750 DM Haftentschädigung<br />
zubilligten.<br />
Das Buch eignet sich aufgrund seines<br />
muslimischen Hauptprotagonisten gut<br />
für die Arbeit mit Jugendgruppen oder<br />
Schulklassen, seine besondere Identifikationsfigur<br />
bietet migrantischen<br />
Jugendlichen einen spezifischen positiven<br />
Zugang zu diesem Thema. Darüber<br />
hinaus zeichnen die einfühlsam dargestellten<br />
– und sorgfältig recherchierten<br />
– Einzelschicksale der unterschiedlichen<br />
Personen, denen der Leser in diesem<br />
Buch begegnet, ein differenziertes Bild<br />
der zwischenmenschlichen Beziehungen<br />
unter der NS-Diktatur. Darüber hinaus<br />
bietet es eine anrührende und fesselnde<br />
Lektüre, die, so ist es jedenfalls mir<br />
ergangen, die eigenen Gedanken noch<br />
lange beschäftigt, nachdem das Buch<br />
bereits beendet ist.<br />
Dr. Kay Schwegmann-Greve<br />
Igal Avidan<br />
Mod Helmy<br />
Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden<br />
vor der Gestapo rettete<br />
dtv, München 2017, 248 Seiten, € 20,–<br />
ISBN 978-3-423-28146-1<br />
Bewegende Begegnung mit Barbaras Buch<br />
Eines Tages rief sie mich an und<br />
sagte, sie habe ein Buch geschrieben.<br />
Barbara und ich hatten schon<br />
einmal ein Projekt miteinander gestaltet<br />
und uns gut verstanden. Und so versprach<br />
ich, mich um das Buch zu »kümmern«.<br />
Große Erwartungen hatte ich<br />
nicht. Viele jener Bücher, die Überlebende<br />
des Holocaust oder ihre Nachfahren in<br />
zweiter, dritter, ja, mittlerweile vierter<br />
Generation schreiben, sind bitter notwendig.<br />
Sie dienen der Verarbeitung, oft<br />
nur der Autoren – und deshalb darf man<br />
auf keines verzichten wollen. Nur: mit<br />
Literatur haben sie eher selten zu tun. Mit<br />
diesen Überlegungen und Vorurteilen bin<br />
ich an Barbara Bišický-Ehrlich‘s Erstling<br />
»Sag, dass es dir gut geht« gegangen.<br />
Mein Fehler. Schnell merkte ich, mit welcher<br />
mühelosen Eleganz Barbara hin- und<br />
herspringt zwischen den Biographien<br />
ihrer Vorfahren. Schnell merkte ich, dass<br />
es hier nicht nur um private Schicksale<br />
geht, sondern um Menschen, die immer<br />
wieder dem Weltgeschehen ausgesetzt<br />
sind, ihm zum Opfer fallen oder überleben,<br />
Verletzungen und Ängste davonund<br />
auf nachkommende Generationen<br />
übertragen. Was das heißt? Die Urgroßeltern:<br />
Bergen-Belsen, Theresienstadt.<br />
Die Großeltern: das Grauen überlebt und<br />
ausgeliefert dem Kommunismus in der<br />
ehemaligen Tschechoslowakei. Dann: der<br />
Prager Frühling – eine Familie, die sich<br />
wiederfindet, wurzellos, heimatlos in<br />
Westdeutschland. Orientierungslos! Erst<br />
hier nähert sie sich, zögernd, mit Rückschlägen,<br />
einem Lebensthema: Barbaras<br />
Familie ist eine jüdische Familie. Barbaras<br />
Kinder sind seit Generationen die ersten,<br />
die ihr Judentum bewusst leben.<br />
Ein Sprung zurück zu Barbaras Vater:<br />
ein tschechischer Emigrant in Frankfurt<br />
am Main, Angestellter seiner Eltern. Sie<br />
wurden zu »Textilern«. Sie kauften Restkollektionen<br />
auf und verkauften sie für<br />
kleines Geld mit großem Erfolg in kleinen,<br />
vollgestopften Läden im Frankfurter<br />
Stadtteil Bockenheim.<br />
Und da wusste ich es: Dieses Buch<br />
handelt von mir. Von meiner böhmischen<br />
Mutter. Von meinem Großvater, der<br />
Textiler war und in Ausschwitz ermordet<br />
wurde. Von mir: als Kundin in den kleinen<br />
wühligen Geschäften, damals, Ende der<br />
70er, als Barbara noch ein Kind war.<br />
Claudia Korenke<br />
Barbara Bišický-Ehrlich<br />
Sag’, dass es dir gut geht<br />
Eine jüdische Familienchronik<br />
Größenwahn Verlag, Frankfurt<br />
200 Seiten, € 21,90,<br />
ISBN 978-3-95771-204-2<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 75
ISBN 978-3-8487-0555-9<br />
BUC_Ionescu_0555-9.indd 1 09.05.14 11:19<br />
Bücher<br />
Der Antisemitismus der Anderen<br />
Inhalt: Thema des Sammelbandes ist die Frage nach dem Vorkommen von Antisemitismus in deutschen<br />
Parteien nach 1945. Über die bisher in der Forschung zu Antisemitismus und Parteien verbreitete<br />
Fokussierung auf politische Ränder hinaus stehen auch CDU, CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen<br />
und FDP im Blickpunkt. Denn antisemitische Äußerungen sind quer durch alle politischen Lager zu<br />
Die Herausgeber: Dana Ionescu, M.A., geb. 1985, hat Politikwissenschaft, Soziologie und Öffentliches<br />
Recht studiert. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Politikwissenschaft der<br />
Prof. Dr. Samuel Salzborn, geb. 1977, hat Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie und Rechtswissenschaft<br />
studiert und in Politikwissenschaft promoviert und habilitiert. Seit 2012 ist er Professor für<br />
Grundlagen der Sozialwissenschaften am Institut für Politikwissenschaft der Georg-August-Univer-<br />
Wenn Antisemitismus thematisiert wird, dann wird er zumeist an den Rändern<br />
des politischen Systems der Bundesrepublik verortet. Jedenfalls Georg-August-Universität Göttingen. ist der<br />
finden.<br />
sität Göttingen.<br />
klassische Antisemitismus bei politischen Rechten und der sekundäre Antisemitismus,<br />
der sich vom Bedürfnis nach Schuldabwehr und Revision der<br />
Folgen des Zweiten Weltkriegs speist, verortet.<br />
Seit weit über zwanzig Jahren wird<br />
wissenschaftlich und publizistisch<br />
der Antisemitismus von links thematisiert,<br />
der ebenfalls dem sekundären<br />
Antisemitismus aus Schuldabwehr-<br />
Motiven entspringt, die sich in diesem<br />
Feld mit ausgesprochener Israelfeindschaft<br />
verbinden. Wenig wurde in den<br />
vergangenen Jahrzehnten vom Antisemitismus<br />
der Mitte gesprochen, obwohl<br />
seit geraumer Zeit die Mitte-Studien<br />
der Friedrich-Ebert-Stiftung vorliegen<br />
und antisemitische Einstellungen in der<br />
Meinungsforschung gut mit parteipolitischen<br />
Milieus korreliert werden können.<br />
Wie also verhält es sich mit dem Antisemitismus<br />
der Christdemokraten, der<br />
Christsozialen, der Freien Demokraten,<br />
der Sozialdemokraten und wie verhalten<br />
sich die Parteien zum Antisemitismus<br />
in ihren Reihen bzw. in den Reihen der<br />
konkurrierenden Parteien?<br />
Der von Dana Ionescu und Samuel<br />
Salzborn herausgegebene Sammelband<br />
nähert sich diesen Fragen in neun Fallstudien.<br />
. Sie nehmen sich aus der Sicht<br />
der Parteienforschung und der jüngeren<br />
und jüngsten Zeitgeschichte der Genese<br />
des Antisemitismus im politischen Feld<br />
der BRD an, wobei Sebastian Voigt die<br />
Fragestellung im Falle der Sozialdemokratie<br />
auf die vergangenen 150 Jahre<br />
Parteigeschichte ausdehnt. In diesem<br />
Beitrag ist die inhaltliche Bandbreite<br />
besonders bemerkenswert, gehörte die<br />
Sozialdemokratie doch zu den ersten<br />
politischen Gegnern des Antisemitismus,<br />
die ihn aufrichtig bekämpfte. Voigt kann<br />
allerdings auch aufzeigen, dass es in<br />
der Parteigeschichte der SPD auch eine<br />
ganze Reihe problematischer Positionierungen<br />
gibt, insofern sich eine regressive<br />
Kapitalismuskritik gegen Exponenten<br />
des als solches apostrophierten »Finanzkapitals«<br />
richteten. Spannend sind die<br />
Befunde der anderen Studien allemal.<br />
Julia Kopp & Tobias Neef widmen sich<br />
der Christdemokratie, Bodo Kahlmann<br />
den Christsozialen. Wenn auch zum<br />
Beispiel der israelbezogene Antisemitismus<br />
in diesem Feld in der Regel weniger<br />
ausgeprägt ist, so fällt doch auf, dass die<br />
Christdemokraten und -sozialen in einer<br />
ganzen Reihe vergangenheitspolitisch<br />
brisanter Debatten wie der Debatte um<br />
das »Denkmal für die ermordeten Juden«<br />
in Berlin, in der Goldhagen-Debatte, in<br />
den Debatten um die Entschädigung<br />
der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter,<br />
in der Debatte um die Wehrmachtsausstellung<br />
oder im Umfeld<br />
der Walser-Bubis-Debatte eine hohe<br />
Frequenz an antisemitischen Aussagen<br />
in den Parlamentsdebatten und in den<br />
Parteiorganen zeitigten, die häufig dem<br />
sekundären Schuldabwehrantisemitismus<br />
zuzurechnen sind. Im Falle der<br />
Freidemokraten werden personelle Konstellationen<br />
der Nachkriegszeit mikronanalytisch<br />
rekonstruiert und als einer der<br />
schärfsten antisemitischen Kampagnen<br />
der Nachkriegszeit die Möllemann-Affäre<br />
2002/03 dargestellt. Man muss sich<br />
diese Kampagne noch einmal vor Augen<br />
führen, um zu ermessen, wie sich die<br />
Grenzen des Sagbaren in den 2000er-<br />
Jahren verschoben haben.<br />
Von großer Bedeutung, auch zur Einordnung<br />
und zum Vergleich, sind die Fallstudien<br />
zu den kleineren Parteien. Im Falle<br />
von Saskia Richters Studie zu Bündnis<br />
90/Die Grünen bleibt der Eindruck, dass<br />
hier noch mehr zu Tage zu fördern gewesen<br />
wäre, ohne dass man Richter die<br />
Intention der Beschönigung unterstellen<br />
wollte. Die Parteien am linken Rand mit<br />
der Linkspartei und der Piratenpartei<br />
sowie rechts mit der NPD liefern insgesamt<br />
die materialreichsten Beiträge und<br />
belegen, dass der linke Antisemitismus<br />
ein reales Problem ist. Obwohl es in der<br />
Linkspartei mit dem Bundesarbeitskreis<br />
Schalom der Linksjugend solid ein Forum<br />
innerparteilicher Kritik und prominente<br />
Gegner einer antisemitischen Positionierung<br />
sowie programmatische Stellungnahmen<br />
gegen Antisemitismus und<br />
Israelhass gibt, hat die Linkspartei auf<br />
Ionescu | Salzborn [Hrsg.]<br />
Antisemitismus in deutschen Parteien<br />
1<br />
2<br />
Interdisziplinäre Antisemitismusforschung<br />
Interdisciplinary Studies on Antisemitism l 2<br />
Dana Ionescu | Samuel Salzborn [Hrsg.]<br />
Antisemitismus<br />
in deutschen Parteien<br />
Nomos<br />
Dana Ionescu, Samuel Salzborn [Hrsg.]<br />
Antisemitismus in deutschen Parteien<br />
Nomos Verlag 2014 (Interdisziplinäre<br />
Antisemitismusforschung; 2)<br />
323 Seiten, € 59,–<br />
ISBN 978-3-8487-0555-9<br />
beinahe allen Ebenen von der Basis bis<br />
zu Bundestagsmitgliedern ein massives<br />
Antisemitismusproblem. Ein ähnliches<br />
Bild zeigt sich bei den Newcomern der<br />
Piratenpartei, wobei hier bemerkenswert<br />
ist, dass durch die offenen digitalen Kommunikationsformen<br />
sich antisemitische<br />
Äußerungen am besten – auch in der<br />
Auseinandersetzung mit parteiinternen<br />
Gegnerinnen und Gegnern des Antisemitismus<br />
beobachten lassen.<br />
Meist ist wenig Anerkennung damit<br />
verbunden, wenn man einen Sammelband<br />
als materialreich bezeichnet. In<br />
diesem Fall ist das anders: Der Band<br />
zeichnet sich durch eine beinahe akribische<br />
Rekonstruktion der antisemitischen<br />
Positionierungen im bundesdeutschen<br />
politischen Feld aus und legt durch die<br />
dichte Belegführung viele Fährten für<br />
vertiefte Untersuchungen, von denen<br />
man sich noch viele wünschen mag. Wie<br />
aber gehen die Parteien mit dem parteiinternen<br />
Antisemitismus um: Auffallend<br />
ist, dass beinahe alle Parteien, wenn es<br />
sich um parteiinterne kritikwürdige Aussagen<br />
handelt, im Beschwichtigen und<br />
der Apologie gefallen, wohingegen sie zu<br />
den lautstarken Kritikern gehören, wenn<br />
es darum geht, den Antisemitismus der<br />
anderen zu kritisieren. Insofern wünscht<br />
man sich, dass die hier vorgelegten<br />
Ergebnisse der Parteienforschung breit in<br />
den Parteien rezipiert werden.<br />
Dr. Johannes Platz<br />
76 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Die Vermessung eines kleinen Landes<br />
Über kaum ein anderes Land haben so viele Menschen eine Meinung wie zu Israel – nur mit den<br />
Fakten hapert es leider allzu oft. Gerade deshalb sind Bücher über den jüdischen Staat, die mehr<br />
als eine reine Momentaufnahme darstellen, ganz besonders wichtig. Der »Länder bericht Israel«,<br />
herausgegeben von Gisela Dachs, ist genau so eines.<br />
Bücher<br />
Von den Anfängen des Zionismus,<br />
der aktuellen Einwanderungswelle<br />
aus Frankreich oder Aspekten<br />
sozialer Sicherung – wohl kaum eine<br />
Facette der Geschichte, der Wirtschaft<br />
oder des täglichen Lebens wird ausgelassen.<br />
Selten hat man in einem Buch über<br />
Israel derart viele intime Kenner der Verhältnisse<br />
als Autoren zusammenbringen<br />
können, wie in diesem opulent gestalteten<br />
Länderbericht der Bundeszentrale<br />
für politische Bildung. »In ihrer Vielfalt<br />
sollen die Beiträge einem wissenschaftlichen<br />
Anspruch gerecht<br />
werden, aber zugleich auch<br />
ein greifbares Gesamtbild<br />
der Gesellschaft malen«,<br />
bringt Dachs das Konzept<br />
dahinter auf den Punkt.<br />
Selbstverständlich nehmen<br />
auch die deutschisraelischen<br />
Beziehungen<br />
Gisela Dachs<br />
Foto: Leo Baeck Institut<br />
Jerusalem<br />
einen prominenten Platz ein. So berichtet<br />
der Historiker Moshe Zimmerman von<br />
den ersten Kontakten nach der Schoah<br />
und beschäftigt sich intensiv mit den<br />
Asymmetrien in den gegenseitigen Wahrnehmungen<br />
und ihren Ursachen. Selbst<br />
Kenner der Materie dürften angesichts<br />
der Faktenfülle Neues entdecken. Der<br />
»Länderbericht Israel« ist deshalb auch<br />
kein Buch, das man von Anfang bis zum<br />
Ende einfach nur liest und anschließend<br />
ins Regal stellt. Man sollte es stets griffbereit<br />
halten, um die oft genug überraschenden<br />
und ebenso häufig<br />
verwirrenden Entwicklungen<br />
sowie vor allem das Handeln<br />
der Protagonisten in der<br />
Region und die Reaktionen<br />
der internationalen Politik<br />
interpretieren und nachvollziehen<br />
zu können.<br />
Ralf Balke<br />
Gisela Dachs [Hrsg.]<br />
Länderbericht Israel<br />
Bundeszentrale für politische Bildung,<br />
Bonn 2016, brosch., 768 Seiten, € 4,50<br />
25 Jahre Jüdischer Almanach<br />
Wie kommt es, dass die Lebenserwartung der Israelis mit<br />
zur höchsten der Welt zählt? Wie vererbt sich jüdische<br />
Identität? Und wie verändert sich ein Land im »Renten<br />
Siebzig Jahre nach seiner Gründung ist der Staat Israel trotz seiner exponierten<br />
Position ein selbstverständlicher Teil des Nahen Ostens. Was sich<br />
der österreichische Visionär Theodor Herzl einst erdachte, ist heute ein<br />
Land westlicher Prägung bevölkert von Einwanderern aus aller alter«? Welt.<br />
Das Leo Baeck Institut in Jerusalem<br />
feiert diesees Ereignis mit der 25.<br />
Ausgabe des von ihm in Auftrag<br />
gegebenen Jüdischen Almanachs, der<br />
im April <strong>2018</strong> zu den Feierlichkeiten des<br />
70. Geburtstages des Staates Israels mit<br />
dem Titel »Mein Israel« erschienen ist.<br />
Die Herausgeberin des Jüdischen Almanach<br />
<strong>2018</strong>, Dr. Gisela Dachs, hat mehr<br />
als 20 Jahre als Auslandskorrespondentin<br />
für die Wochenzeitung »Die Zeit«<br />
in Israel gearbeitet. Inzwischen ist sie<br />
als freie Journalistin, Buchautorin und<br />
Hochschuldozentin tätig. Sie lebt mit<br />
ihrer Familie in Tel Aviv. Heute schlägt<br />
der Jüdische Almanach gewissermaßen<br />
eine Brücke von Israel nach Deutschland.<br />
Er wird in Israel in deutscher Sprache<br />
produziert,. Seine Leserschaft aber ist ein<br />
weitgehend nicht-jüdisches Publikum<br />
in Deutschland. Im Jüdischen Almanach<br />
<strong>2018</strong> kommen 17 namenhafte Autoren<br />
zu Wort. Darunter Insider, säkulare und<br />
ultraorthodoxe Betrachter, ebenso wie<br />
Outsider aus Ägypten, China und Indien.<br />
Alle richten jeweils ihren ganz eigenen<br />
Blick auf Israel. Die Beiträgen stammen<br />
von Etgar Keret, Sayed Kashua, Ofri Ilany,<br />
Sarah Stricker, Amir Eshel, Johannes<br />
Becke, Anja Siegemund, Stefan Litt und<br />
vielen anderen.<br />
Heike Anna Grunewald<br />
Der diesjährige Jüdische Almanach beschäftigt sich mit<br />
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JÜDISCHER ALMANACH Mein ISRAEL<br />
Mein ISRAEL<br />
Alter<br />
Jüdischer Verlag Verlag<br />
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im Suhrkamp Verlag<br />
Gisela Dachs [Hrsg.]<br />
Mein Israel, Szenen eines Landes<br />
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main <strong>2018</strong><br />
184 Seiten, € 20,–<br />
ISBN 978-3-633-54287-1<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 77
Brief aus Paris<br />
Schon wieder. Schon wieder ist es passiert. Schon wieder ist<br />
das Leben eines jüdischen Menschen gewaltsam beendet<br />
worden. Schon wieder Wut, Schock, Trauer, Kondolenzbekundungen,<br />
vollmundige Versprechen. Schon wieder<br />
»Never again«. Schon wieder wächst die Angst. Die Angst<br />
der Juden in Frankreich.<br />
Schon allein in diesem Jahr <strong>2018</strong> gab es zahlreiche gewalttätige<br />
Angriffe auf Juden – weil sie als Juden erkennbar oder<br />
bekannt waren, gleich im Januar drei:<br />
Ein 15-jähriges Mädchen wird für den Rest seines Lebens<br />
entstellt sein, weil es von einem Unbekannten mit einem<br />
Messer ins Gesicht geschnitten worden ist. Ihr Vergehen?<br />
Sie trug einen Davidstern an der Halskette und die Schuluniform<br />
einer jüdischen Schule.<br />
Wenige Tage später wird der Vorsitzende einer jüdischen<br />
Gemeinde im Pariser Vorort Montreuil die ganze Nacht<br />
gefoltert.<br />
Ein achtjähriger Junge wird in Sarcelles von zwei Jugendlichen<br />
getreten und geschlagen. Was hat er verbrochen?<br />
Er trug eine Kippah, die traditionelle jüdische Kopfbedeckung.<br />
Dies geschah alles am Anfang dieses Jahres. Fast genau ein Jahr zuvor, am 4. April 2017, wurde Sarah Halimi ermordet.<br />
Erst kürzlich hat sich die Regierung Frankreichs durchgerungen, diese Tat als antisemitisch einzustufen.<br />
Mireille Knoll wurde am 23. März mit elf Messerstichen ermordet und anschließend verbrannt. Zuvor hat sie sich mehrmals<br />
an die Polizei gewandt, weil sie von einem jungen Mann mit dem Tod bedroht wurde. Diese unternahm – nichts.<br />
Am 28. März <strong>2018</strong>, am selben Tag, an dem tausende Menschen, gemeinsam mit dem Staatspräsidenten Emmanuel Macron<br />
und der Bürgermeisterin Anne Hidalgo in Paris einen »Marche Blanche«, einen Schweigemarsch, abhielten, wurden<br />
die Räumlichkeiten der UEJF, der Jüdischen Studierendenunion Frankreichs, an der Pariser Sorbonne verwüstet und mit<br />
antijüdischen und anti-israelischen Schmierereien verunstaltet.<br />
Doch wo könnte all jenes seinen Ursprung haben? Unter anderem in den Schulen. »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans<br />
nimmermehr« ist das wahre deutsche Sprichwort – schauen wir nach Deutschland: Todesdrohungen und Mobbing in der<br />
Grundschule aufgrund des Jüdisch Seins – das ist heute. Zuvor jedoch war das Wort »Jude« ein (ganz normales) Schimpfwort<br />
an deutschen Schulen. Der Schritt zum wörtlichen Angriff auf Juden war nicht weit. Nur ein paar Jahre.<br />
Den nächsten Schritt mag man sich in Deutschland gar nicht ausdenken – die Schritte danach haben wir vor unser aller<br />
Augen, der Autor mittlerweile vor der Haustür.<br />
Der Talmud beschreibt diese unheilvolle Kausalkette treffend: »Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte<br />
auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf<br />
Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal«.<br />
Oder – konkret auf diesen Fall gemünzt – die Politik und die Gesellschaft in Deutschland sollten ihr »Never again« in<br />
konkrete Handlungen umformen. Möge das Andenken an Mireille Knoll uns allen ein Segen sein.<br />
Illustration: Moshik Gulst / TICP – The Israeli Cartoon Project / ticp.org.il<br />
Gabriel Goldberg<br />
Der gebürtige Wuppertaler lebt in Paris, ist<br />
Mitglied des Jewish Diplomatic Corps des<br />
World Jewish Congress und der <strong>DIG</strong> Düsseldorf.
Nachruf<br />
Trauer um Wolfgang Wende<br />
»Herr es ist Zeit. Der Sommer war sehr stark.<br />
Leg’ Deinen Schatten auf die Sonnenuhren.« Man<br />
muss an diese Worte Rilkes denken, wenn man um<br />
Wolfgang Wende trauert. Vor wenigen Monaten<br />
erst haben wir seinen 80. Geburtstag gefeiert und<br />
glaubten mit ihm, dass nun der goldene Herbst seines<br />
Lebens beginnen werde. Das war ihm nicht vergönnt.<br />
Er verstarb unerwartet am Abend des 9. Oktober 2017.<br />
Wolfgang Wende (1937 – 2017)<br />
Foto: Jürgen Sterzenbach<br />
Wolfgang Wende hat ein an Erfüllung reiches Leben<br />
gehabt. Als Jugenddekan der Fliedner-Diakonie in Saarbrücken<br />
und in Bonn, als Vorsitzender des Landjugendringes,<br />
im Bundesjugendring, als Leiter der Evangelischen<br />
Jugendkammer des Rheinlandes und Westfalen und im<br />
Rundfunkrat des WDR, ausgezeichnet von Johannes Rau<br />
mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen,<br />
wovon er in der ihm eigenen Zurückhaltung nie Aufhebens<br />
machte.<br />
Wenn wir an Wolfgang Wende denken, dann sehen wir<br />
ihn bei uns, lebendig und geduldig, freundlich und optimistisch,<br />
mit seinem schneeweißen Haar, wir hören ihn<br />
sprechen, immer selbstbeherrscht, und wenn man mit ihm<br />
sprach, dann wusste man, dass er sich seinem Gesprächspartner<br />
wirklich zuwendete, dass er ihm aufmerksam<br />
zuhörte, dass er aber gleichzeitig erwartete, etwas von ihm<br />
zu hören, was seine Aufmerksamkeit auch verdiente. Er<br />
hatte in seiner zurückhaltenden Art die Gabe, Gespräche<br />
geduldig auf den Punkt hinzuführen, den er sich vorgenommen<br />
hatte, auf den man sich verständigen konnte<br />
und der gleichzeitig eine Perspektive eröffnete, was man<br />
nun gemeinsam machen und unternehmen wollte.<br />
Die Jugend und Israel waren seine Themen, die ihn erfüllten.<br />
Er fuhr 1968 auf Einladung der Evangelischen Kirche<br />
des Rheinlandes zum ersten Mal nach Israel und es ging<br />
ihm dabei wie jedem von uns: man kann sich von dem,<br />
was man dort sieht und erlebt, von den Gesprächen die<br />
man dort führt, nicht mehr lösen und fährt immer wieder<br />
dorthin. Man begreift, welche bleibende Verantwortung<br />
wir Älteren dafür haben, dass auch die nachkommenden<br />
Generationen verinnerlichen, dass sich die unsäglichen<br />
Verbrechen des Holocaust nicht wiederholen können und<br />
dürfen, und dass wir trotz aller Zivilisation, auf die wir so<br />
stolz sind, auf einer nur sehr dünnen Decke über Brutalität,<br />
Unterdrückung, Egoismen und Grausamkeiten leben.<br />
Auf diese Decke werden wir uns noch weniger verlassen<br />
können, wenn wir uns von der Erfahrung unserer Vergangenheit<br />
lösen würden.<br />
Diese Aufgabe bleibt. Und sie ist sowohl in Deutschland<br />
als auch in Israel und in den Staaten des Nahen Ostens<br />
nicht leichter geworden: in Deutschland durch diejenigen,<br />
die sich von unserer Vergangenheit lossagen wollen, als<br />
handele es sich um einen nun gottlob erledigten Betriebsunfall<br />
vergangener Generationen, und im Nahen Osten<br />
durch politische Repräsentanten, die nicht begreifen<br />
können oder ihren Bürgern nicht erklären wollen, dass<br />
ihre Völker eine gute Zukunft nur in einer gemeinsamen<br />
Zusammenarbeit ihrer Jugend haben werden.<br />
Sorgen haben wir uns auch um die Zukunft der Deutsch-<br />
Israelischen-Gesellschaft gemacht, die ihre politische<br />
Aufgabe mit ihren divergierenden Arbeitsgemeinschaften<br />
nur gemeinsam bewältigen und erfüllen kann. Die Hauptversammlung<br />
in Baden-Baden, auf die er sich als Delegierter<br />
zuletzt intensiv vorbereitet hatte, konnte er nun nicht<br />
mehr miterleben.<br />
Wolfgang Wende führte zahllose Gespräche mit namhaften<br />
Vertretern Israels und seiner Gesellschaft, er organisierte<br />
unermüdlich Veranstaltungen, Begegnungen und<br />
Besuche. Wie werden wir in unserer Arbeitsgemeinschaft<br />
Düsseldorf, zu deren Gründern 1982 Wolfgang Wende<br />
gehörte und deren Vorsitz er seit damals ununterbrochen<br />
innehatte, ohne ihn zurechtkommen? Es wird lange dauern,<br />
bis die Tauer allmählich ersetzt werden wird durch<br />
die Erinnerung daran, wie gut es war, ihn gekannt und mit<br />
ihm zusammengearbeitet zu haben. Er hat sich um uns<br />
alle verdient gemacht.<br />
Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch<br />
Vizepräsident der <strong>DIG</strong> von 1989 bis 2000<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 79
Nachruf<br />
Waltraut Rubien, ein Fixstern<br />
Am Abend des 26. Dezember 2017 ist Waltraut Rubien, die langjährige Vorsitzende der<br />
Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg und Präsidentin der David Ben-Gurion Stiftung<br />
in Deutschland, im Alter von 90 Jahren verstorben. Ihr unermüdlicher Einsatz für<br />
den Aufbau intensiver deutsch-israelischer Beziehungen prägte fast ihr gesamtes Leben.<br />
Waltraut Rubin (1927 – 2017) <br />
Gemeinsam mit ihrem Mann Werner Rubien besuchte<br />
Waltraut Rubien seit 1977 regelmäßig Israel und pflegte<br />
Freundschaften mit Asher Ben-Nathan, dem ersten<br />
Botschafter des Staates Israel in Deutschland, und Teddy<br />
Kollek, dem früherer Bürgermeister der Stadt Jerusalem.<br />
Über 16 Jahre leitete sie als Vorsitzende die Geschicke der<br />
Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg und wurde<br />
Ehrenvorsitzende auf Lebenszeit. Parallel wirkte Waltraut<br />
Rubien acht Jahre als Vizepräsidentin der Deutsch-<br />
Israelischen Gesellschaft neben Persönlichkeiten wie<br />
Manfred Lahnstein. Sie war bereits eine lebende Legende,<br />
als sie 2008 die David Ben-Gurion Stiftung in Deutschland<br />
gründete. Ihrem leidenschaftlich-unnachgiebigen Einsatz<br />
verdanken viele Initiativen ihre Realisierung:<br />
1992 initiierte Waltraut Rubien einen interfraktionellen<br />
Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft für den Bau<br />
eines Tagungshauses auf dem Gelände der David Ben-<br />
Gurion Stiftung im Negev – immerhin fehlte der Stadt<br />
eine Partnerstadt in Israel. Seit den 1990er Jahren ist das<br />
»Hamburg Haus« eine sehr gefragte Begegnungsstätte<br />
in Israel und gleichzeitig eine höchst vitale Verbindung<br />
der Stadt Hamburg nach Israel. Bereits als Lehrerin für<br />
Deutsch, Biologie und Psychologie am Gymnasium reiste<br />
sie als eine der ersten Pädagogen mit Schülern nach Israel.<br />
Große Verdienste erwarb sich Waltraut Rubien anschließend<br />
durch die kontinuierliche Förderung von Schulpartnerschaften<br />
und dem bilateralen Austausch junger<br />
Menschen. Hier wie bei anderen Initiativen beteiligte<br />
sich die Familie Rubien stets geräuschlos mit erheblichen<br />
finanziellen Zuwendungen.<br />
Foto: Stephan Wallocha<br />
Für ihr herausragendes Engagement wurde Waltraut<br />
Rubien 1997 von Bundespräsident Roman Herzog mit dem<br />
Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. 2010 verlieh<br />
ihr der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg die<br />
Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes in Silber.<br />
Seit 1999 ist Waltraut Rubien Ehrenbürgerin des Negev in<br />
Israel. »Gegensteuern, der Öffentlichkeit die Faszination<br />
des Landes Israel zeigen, Vertrauen in den Staat Israel<br />
aufbauen«, skizzierte Waltraut Rubien ihren »Full-Time-<br />
Job«, der ohne ihren Mann Werner Rubien »nie möglich«<br />
gewesen wäre. »Wir beide sind geleitet vom Wunsch nach<br />
Gewaltlosigkeit und Frieden für jüdische Menschen und<br />
möchten zugleich Ängste gegenüber Deutschland abbauen.<br />
Für uns ist Israel zu einer zweiten Heimat geworden,«<br />
schrieb sie 1997.<br />
»Ich habe während meiner Amtszeit nur wenige Menschen<br />
getroffenen, die sich für Israel ohne Wenn und<br />
Aber einsetzten wie Frau Rubien. Nie hat sie Nein als<br />
eine Antwort genommen. Ich hoffe, dass die jüngeren<br />
Generationen Frau Rubien als ein Vorbild für die andauernden<br />
und schwierigen Aufgaben der Weiterwicklung<br />
deutsch-israelischer Beziehungen im Auge behalten«,<br />
erklärte S.E. Shimon Stein, Botschafter des Staates Israel<br />
von 2001 bis 2007. Mit Waltraut Rubien haben wir eine<br />
große Gestalterin der deutsch- israelischen Beziehungen<br />
weit über die Stadtgrenzen Hamburgs hinaus verloren.<br />
Schweren Herzens nehmen wir Abschied von einer sehr<br />
guten Freundin und behalten einen Fixstern für unsere<br />
Arbeit ein Leben lang.<br />
Felix Husmann<br />
Vorsitzender der David Ben-Gurion Stiftung, Hamburg<br />
80 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Nachruf<br />
Israel war für Manfred Oelsen<br />
Chefsache<br />
Am 1. März <strong>2018</strong> ist Manfred Oelsen, Ehrenvorsitzender der <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
Kassel, nach kurzer, schwerer Krankheit verstorben. Mehr als 13 Jahre stand er als<br />
Vorsitzender an der Spitze des Kasseler Ablegers der <strong>DIG</strong>. 2015 zog er sich aus Altersgründen<br />
zurück und übergab diese Funktion an seinen Wunschnachfolger Jürgen<br />
Menzel-Machemehl. Er wurde damals mit Ovationen verabschiedet.<br />
Manfred Oelsen (1937 – <strong>2018</strong>) hat<br />
nach einem langen Berufsleben,<br />
das ihn eng mit Israel verband, als<br />
Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft<br />
Kassel seine Erfahrung, seine<br />
Professionalität und seine ganze<br />
Kraft 20 Jahre lang den deutsch-israelischen<br />
Beziehungen gewidmet.<br />
Foto: <strong>DIG</strong> Kassel<br />
Davor aber hatte er, der erst 1995 mit seiner Frau Petra<br />
der Deutsch-Israelischen Gesellschaft beigetreten war,<br />
sehr engagiert sein Amt ausgefüllt. So erwies es sich als<br />
günstige Fügung, dass er im Ruhestand diese Führungsfunktion<br />
innehatte. Manfred Oelsen machte daraus einen<br />
weiteren »Beruf«, indem er sich unermüdlich für die Sache<br />
der <strong>DIG</strong> engagierte. Schwerpunkte seines Tuns waren die<br />
Shalom-Treffs, zu denen er hochkarätige Gäste einzuladen<br />
vermochte. Auch für den Ausbau von Kontakten mit ehemeligen<br />
Kasseler Juden und deren Nachfahren hat er sich<br />
eingesetzt. Bis zuletzt pflegte er enge Beziehungen zur<br />
israelischen Botschaft in Berlin. In der Erinnerung seiner<br />
Weggefährten werden auch die jährlichen Städtereisen<br />
und die wiederholten Reisen nach Israel bleiben.<br />
Denn in dem Land im Nahen Osten kannte sich Manfred<br />
Oelsen auch lange vor seinem Engagement für die<br />
<strong>DIG</strong> aus. Seit 1979 war er Generalvertreter der ehemals<br />
größten Strickwarenfabrik Israels für die Bundesrepublik<br />
Deutschland, Österreich und die Schweiz gewesen. Viele<br />
Male reiste er geschäftlich nach Israel – zusammen mit<br />
seiner Frau als seiner Sekretärin. Diess ermöglichte ihm,<br />
im Laufe der Zeit Land und Leute näher kennen zu lernen.<br />
Hautnah hat er auch die Auswirkungen der ersten Intifada<br />
ab der Jahreswende 1987/88 miterlebt. Als deren Folge<br />
waren Arbeiter einer Textilfabrik ferngeblieben, so dass<br />
diese Konkurs anmelden musste.<br />
Von der Existenz der <strong>DIG</strong> und der Arbeitsgemeinschaft<br />
in seiner Heimatstasdt hatte er erst 1995 erfahren. Seine<br />
Frau hatte ihn gedrängt, mit ihr zusammen dem Verein<br />
beizutreten, was sich als Glücksfall erwies. Einer Zeitung<br />
gegenüber sagte er einmal, er habe »jede Minute<br />
genossen« und nicht gewusst, wie sich seine Leben im<br />
Ruhestand ohne die <strong>DIG</strong> entwickelt hätte. Er hat sein Amt<br />
als Vorsitzender geradezu professionell ausgefüllt, wobei<br />
sich die im Berufsleben erworbenen Landeskenntnisse<br />
und Kontakte als wertvoll erweisen. Er knüpfte zudem<br />
viele neue Kontakte zu den verschiedensten Akteuren<br />
in der Stadt und erwarb durch sein Engagement sowie<br />
seine Freundlichkeit und Verlässlicheit weithin großes<br />
Vertrauen. Der Erfolg blieb nicht aus: In seiner Ägide ist<br />
die Mitgliederzahl der Arbeitgemeinschaft Kassel von 140<br />
auf über 160 angestiegen. Der im März <strong>2018</strong> neu gewählte<br />
Vorstand und alle Mitglieder der <strong>DIG</strong> Kassel werden sein<br />
Andenken in Ehren bewahren.<br />
Jochen Miersch<br />
Stellvertetender Vorsitzender der <strong>DIG</strong> Kassel<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 81
Mitgliederwerbung<br />
Ich bin Mitglied<br />
Mitglied<br />
werden!<br />
in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, weil…<br />
… ich vor fünf Jahren eine Brieffreundschaft<br />
mit einem Israeli begonnen<br />
habe. Da habe ich gemerkt, wie unterschiedlich<br />
Realität und Darstellung in<br />
den deutschen Medien zum Thema<br />
Israel sind. Ich habe ihn inzwischen<br />
fünf Mal besucht, zuletzt im März dieses Jahres. Mit jedem<br />
Mal wurde mein Bedürfnis stärker, die Öffentlichkeit über<br />
das wahre Israel aufzuklären.<br />
Melanie Linge <strong>DIG</strong> Kassel<br />
… sie so vielfältig aktiv ist und dabei<br />
zugleich klare Grundpositionen vertritt.<br />
Ich schätze es, dass sich die <strong>DIG</strong><br />
bundesweit in Städten und Regionen<br />
engagiert und Mitglieder in allen<br />
Generationen hat. Besonders freue<br />
ich mich schon auf den jährlichen Israeltag!<br />
Jörg Gehrke<br />
Geschäftsstellenleiter der <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />
… es bedeutet, für Freiheit und Demokratie<br />
einzustehen und jederzeit dafür<br />
aufzustehen, Israel als Idee und Wirklichkeit<br />
gegen Hass und Ausgrenzung<br />
zu verteidigen.«<br />
Phillip J. Butler<br />
<strong>DIG</strong> Düsseldorf, Mitglied des <strong>DIG</strong> Präsidiums<br />
… weil ich dem Antisemitismus entgegen<br />
treten will. Heute geht das nur<br />
mit Kenntnissen über Israel und über<br />
den arabisch-israelischen Konflikt.<br />
Bei Infoständen brüllen manche im<br />
Vorbeilaufen »Kindermörder Israel«.<br />
Bedrohlicher sind jedoch Herren im Anzug, die »ja, aber die<br />
Siedlungen« sagen. Die Arbeit in der <strong>DIG</strong> macht mich fit,<br />
mit Argumenten dagegen halten zu können. Der Frieden<br />
scheitert nicht am Streit um Land, sondern an Terror und<br />
dem Verlangen Israel auszulöschen. Allein diese schlichte<br />
Wahrheit regt lebhafte Gespräche an. Die führen wir gerne,<br />
mit Ausdauer und auch Spaß.<br />
Bärbel Illi<br />
Vorsitzende der <strong>DIG</strong> Region Stuttgart e.V.<br />
Sie haben auch ein Herz für Israel? Machen Sie bei uns mit!<br />
Wenden Sie sich an eine <strong>DIG</strong> Arbeitsgemeinschaft in Ihrer<br />
Nähe oder schreiben Sie an die Bundesgeschäftsstelle.<br />
Ein Beitrittsformular finden Sie im Internet unter<br />
www.deutsch-israelische-gesellschaft.de/mitglied-werden<br />
… uns bei der <strong>DIG</strong> das gemeinsame<br />
Interesse vereint, durch einen bunten<br />
Strauß an Veranstaltungen und Aktionen<br />
dazu beizutragen, die deutsch-israelische<br />
Freundschaft kontinuierlich<br />
zu fördern. Denn diese Freundschaft<br />
ist vor dem Hintergrund der Geschichte alles andere als<br />
normal – sie ist ein Wunder. Deutschland und Israel sind<br />
heute Partner, die gleiche Werte teilen und in Wirtschaft<br />
und Wissenschaft eng zusammenarbeiten. Mir ist wichtig,<br />
besonders jüngere Menschen dazu zu bewegen, sich auf<br />
positive Weise mit Israel zu beschäftigen, im besten Fall<br />
das Land zu bereisen, um sich dann zwangsläufig in Land<br />
und Leute zu verlieben. Und um sich unserer Verantwortung<br />
bewusst zu sein: dass wir immer an der Seite Israels<br />
stehen und unsere Stimme erheben, wenn wir Antisemitismus<br />
erleben und das Lebensrecht Israels infrage gestellt<br />
wird.<br />
Andrea Frahm<br />
Vorstandsmitglied der <strong>DIG</strong> Hamburg<br />
… weil ich hier die Gelegenheit finde,<br />
der Vergangenheit zu gedenken, mich<br />
in der Gegenwart einzubringen und<br />
die Zukunft zu gestalten.<br />
Dr. Erhard Michel <strong>DIG</strong> Osnabrück<br />
82 | <strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong>
Adressen<br />
Die <strong>DIG</strong> vor Ort<br />
Osnabrück<br />
Münster Bielefeld<br />
West-münsterland<br />
Duisburg-<br />
Mühlheim-<br />
Oberhausen<br />
Hagen-Märkischer Kreis<br />
Düsseldorf<br />
Witten<br />
Kassel<br />
Köln<br />
Bonn<br />
Augsburg-Schwaben e.V.<br />
augsburg-schwaben@digev.de<br />
Baden-Baden<br />
baden-baden@digev.de<br />
Bamberg<br />
bamberg@digev.de<br />
Bayreuth-Oberfranken<br />
bayreuth-oberfranken@digev.de<br />
Berlin und Brandenburg e.V.<br />
schalom@digberlin.de<br />
Bielefeld<br />
bielefeld@digev.de<br />
Bodensee-Region<br />
bodensee-region@digev.de<br />
Bonn<br />
bonn@digev.de<br />
Braunschweig<br />
braunschweig@digev.de<br />
Bremen/Unterweser e.V.<br />
schalom@dig-bremen.de<br />
Chemnitz<br />
chemnitz@digev.de<br />
Cottbus<br />
cottbus@digev.de<br />
Schleswig-Holstein<br />
Ostfriesland<br />
Schwerin<br />
Oldenburg<br />
Hamburg<br />
Bremen/Unterweser<br />
Hannover<br />
Potsdam<br />
Braunschweig<br />
Magdeburg<br />
Berlin und<br />
Brandenburg<br />
Dresden<br />
dresden@digev.de<br />
Duisburg-Mülheim-Oberhausen<br />
duisburg@digev.de<br />
Düsseldorf<br />
duesseldorf@digev.de<br />
Erfurt<br />
erfurt@digev.de<br />
Frankfurt am Main<br />
frankfurt@digev.de<br />
Freiburg<br />
freiburg@digev.de<br />
Hagen-Märkischer Kreis<br />
hagen@digev.de<br />
Halle-Umland<br />
halle@digev.de<br />
Hamburg<br />
hamburg@digev.de<br />
Hannover<br />
hannover@digev.de<br />
Heidenheim<br />
heidenheim@digev.de<br />
Heilbronn-Unterland<br />
heilbronn-unterland@digev.de<br />
Cottbus<br />
Halle-Umland<br />
Nordhausen<br />
Leipzig<br />
Erfurt<br />
Dresden<br />
Weimar Chemnitz<br />
Mainz Frankfurt<br />
Trier Wiesbaden<br />
Bayreuth-Oberfranken<br />
Würzburg Bamberg<br />
Saar<br />
Speyer-Pfalz<br />
Mannheim/Rhein-Neckar<br />
Heilbronn-Unterland<br />
Nürnberg-Mittelfranken<br />
Baden-Baden<br />
Heidenheim<br />
Region Stuttgart<br />
Ulm/Neu-Ulm<br />
Augsburg-Schwaben<br />
Freiburg<br />
Memmingen<br />
München Rosenheim<br />
Bodensee-Region<br />
Kempten-Allgäu<br />
Kassel<br />
kassel@digev.de<br />
Köln<br />
koeln@digev.de<br />
Leipzig<br />
leipzig@digev.de<br />
Magdeburg<br />
magdeburg@digev.de<br />
Mainz<br />
mainz@digev.de<br />
Mannheim/Rhein-Neckar<br />
rhein-neckar@digev.de<br />
Memmingen<br />
memmingen@digev.de<br />
München<br />
muenchen@digev.de<br />
Münster<br />
muenster@digev.de<br />
Nordhausen<br />
nordhausen@digev.de<br />
Nürnberg-Mittelfranken<br />
nuernberg@digev.de<br />
Oldenburg<br />
oldenburg@digev.de<br />
Osnabrück<br />
osnabrueck@digev.de<br />
Ostfriesland<br />
ostfriesland@digev.de<br />
Potsdam<br />
potsdam@digev.de<br />
Rosenheim<br />
rosenheim@digev.de<br />
Saar<br />
saar@digev.de<br />
Schleswig-Holstein<br />
schleswig-holstein@digev.de<br />
Schwerin<br />
schwerin@digev.de<br />
Speyer-Pfalz<br />
speyer-pfalz@digev.de<br />
Region Stuttgart e.V.<br />
stuttgart@digev.de<br />
Trier<br />
trier@digev.de<br />
Ulm / Neu-Ulm<br />
ulm@digev.de<br />
Weimar<br />
weimar@digev.de<br />
Westmünsterland<br />
westmuensterland@digev.de<br />
Wiesbaden<br />
wiesbaden@digev.de<br />
Witten<br />
witten@digev.de<br />
Würzburg<br />
wuerzburg@digev.de<br />
Junges Forum<br />
jufo@digev.de<br />
<strong>DIG</strong>-Bundesgeschäftsstelle<br />
Bärbel Metz<br />
Leiterin der Bundesgeschäftsstelle<br />
Littenstraße 105, 10179 Berlin<br />
Tel. 030 / 80907028, Fax: 030 / 80907031<br />
info@digev.de, www.digev.de<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 83
Die Leitsätze der Deutsch-Israelischen Gesellschaft<br />
Unsere Ziele sind klar definiert: Die Deutsch-Israelische Gesellschaft will<br />
die menschlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen<br />
Deutschen und Israelis festigen und weiterentwickeln. Dabei agieren<br />
wir überparteilich und in steter Solidarität mit dem Staat Israel und<br />
seiner Bevölkerung. Grundlage der Arbeit der <strong>DIG</strong> sind unsere Leitsätze.<br />
Sie weisen uns bei unseren Bestrebungen den Weg, dem Staat Israel und<br />
seinen Bürgern Frieden, ein Leben in anerkannten und sicheren Grenzen<br />
sowie in wirtschaftlicher und sozialer Sicherheit zu gewährleisten.<br />
1. Die <strong>DIG</strong> ist die zentrale Organisation in der Bundesrepublik Deutschland,<br />
in der sich Freunde Israels in überparteilicher Zusammenarbeit<br />
zusammenfinden, um in Solidarität mit dem Staat Israel und seiner<br />
Bevölkerung zu wirken.<br />
2. Es genügt nicht, die Entwicklung und Pflege der deutsch-israelischen<br />
Beziehungen staatlichen Stellen zu überlassen. Die <strong>DIG</strong> will deshalb<br />
als überparteiliche Organisation dazu beitragen, die menschlichen,<br />
kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen dem deutschen<br />
Volk und den Israelis zu festigen und weiterzuentwickeln.<br />
3. Die <strong>DIG</strong> unterstützt und fördert alle Bestrebungen, die darauf gerichtet<br />
sind, dem Staat Israel und seinen Bürgern Frieden, ein Leben in<br />
anerkannten und sicheren Grenzen, in wirtschaftlicher und sozialer<br />
Sicherheit zu gewährleisten.<br />
4. Die <strong>DIG</strong> engagiert sich für einen Frieden im Nahen Osten, der die<br />
Lebensfähigkeit Israels dauerhaft sichert. Sie tritt für eine Verständigung<br />
zwischen allen Völkern der Region ein und wendet sich<br />
entschieden gegen all diejenigen Kräfte innerhalb und außerhalb der<br />
Bundesrepublik Deutschland, die Israels Lebensrecht als jüdischer<br />
Staat bestreiten.<br />
5. Auch in Zukunft wird die Arbeit der <strong>DIG</strong> von dem Wissen um die von<br />
Deutschen zu verantwortenden Verbrechen an den Juden während<br />
der Jahre 1933 bis 1945 ausgehen. Die <strong>DIG</strong> wird deshalb der Aussöhnung<br />
zwischen unseren beiden Völkern verpflichtet bleiben.<br />
Diesen Auftrag gilt es, an die nachwachsende Generation in der Bundesrepublik<br />
Deutschland zu vermitteln. Als konkreter Beitrag ergibt<br />
sich für die <strong>DIG</strong> daraus, Vorurteilen gegenüber Juden in der deutschen<br />
Bevölkerung entgegenzuwirken sowie Antisemitismus und Antizionismus<br />
entschieden zu bekämpfen.<br />
6. Die <strong>DIG</strong> bemüht sich, in der Bundesrepublik die Kenntnis über Israel,<br />
seine Geschichte und seine Gegenwart zu vertiefen. Hierzu gehört<br />
eine kontinuierliche Unterrichtung der <strong>DIG</strong>-Mitglieder und der<br />
Öffentlichkeit über Entwicklungen und Probleme in Israel sowie über<br />
das Ringen um seine gesicherte Existenz.<br />
7. Mit den in ihrer Mitgliedschaft erarbeiteten und überparteilich<br />
getragenen Positionen äußert sich die <strong>DIG</strong> auch öffentlich, und zwar<br />
vornehmlich gegenüber der Regierung und den politischen Parteien<br />
in der Bundesrepublik Deutschland.<br />
8. Die <strong>DIG</strong> bemüht sich in Israel um die Vermittlung eines realistischen<br />
Bildes über Entwicklungen und Probleme in der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Sie arbeitet dabei eng mit ihrer Schwestergesellschaft,<br />
der Israelisch Deutschen Gesellschaft (IDG), zusammen, die sich auf<br />
israelischer Seite parallelen Aufgaben und Zielen widmet.<br />
9. Die <strong>DIG</strong> unterstützt den Austausch von Besuchergruppen zwischen<br />
beiden Ländern, vor allem im Rahmen des deutsch-israelischen<br />
Jugendaustausches. Dieser Austausch fördert die Bereitschaft,<br />
politische Verantwortung im Leben der menschlichen Gemeinschaft<br />
zu entwickeln, eine bessere und vertiefte Kenntnis vom anderen<br />
Volk, von seiner politischen und sozialen Lage, seinem Land, seiner<br />
Geschichte und seiner Kultur zu erwerben.<br />
10. Wichtige Aufgaben erfüllen die regionalen Arbeitsgemeinschaften<br />
der <strong>DIG</strong>. Sie führen Veranstaltungen durch, deren vorrangiges Ziel<br />
es ist, politische, soziale und kulturelle Entwicklungen in Israel durch<br />
deren Repräsentanten authentisch zu vermitteln und den Dialog zu<br />
fördern.<br />
11. Die <strong>DIG</strong> beteiligt sich an einer überregionalen Kooperation mit<br />
solchen Institutionen in europäischen Ländern, deren Ziel ebenfalls<br />
in der Entwicklung und Pflege enger freundschaftlichen Beziehungen<br />
zu Israel und seinen Bürgern liegt.<br />
Deutsch-Israelische Gesellschaft e.V.<br />
Littenstraße 105, 10179 Berlin<br />
Telefon 030 / 80 90 70 28<br />
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www.digev.de