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Stammzellen Gezüchtetes Knochengewebe heilt Schienbeinbruch

Mit seinen eigenen Stammzellen haben israelische Forscher einem Mann geholfen, dessen Schienbeinbruch nicht verheilte. Das Verfahren wurde auch bei drei weiteren Patienten getestet.

Israelische Forscher haben einem Patienten im Labor gezüchtetes Knochengewebe aus körpereigenen Zellen implantiert. Damit sei eine Lücke von vier Zentimetern in seinem Schienbein geschlossen worden, sagte der behandelnde Arzt, Nimrod Rozen vom Haemek Krankenhaus im Norden Israels. Der Patient sei einer von insgesamt drei Menschen, bei denen das Verfahren als Teil einer klinischen Studie im vergangenen halben Jahr angewendet wurde.

Der 44-jährige Patient hatte sich bei einem Fahrradunfall das Schienbein gebrochen. Trotz einer Operation, bei der ihm ein Nagel eingesetzt worden war, wuchs der Knochen nicht wieder zusammen, sagte Rozen, der die Abteilung für Orthopädie und Rehabilitation der Klinik leitet.

Der neue Knochen wächst mit

Das grundsätzliche Verfahren der Gewebezüchtung aus körpereigenen Zellen ist bekannt: In der Zahnheilkunde etwa werden Stammzellen aus dem Beckenkamm bereits eingesetzt, um den Kieferknochen wieder aufzubauen.

Bei dem israelischen Verfahren wurde dem Patienten zunächst Fettgewebe abgesaugt, aus dem bestimmte Stammzellen entnommen und in eine Nährflüssigkeit gegeben wurden. Diese kam in einen Bioreaktor, in dem Temperatur und pH-Wert wie im menschlichen Körper herrschten. Innerhalb von zwei Wochen wurde so im Labor Knochengewebe gezüchtet.

Mit einer Spritze injizierten Ärzte dieses an die Bruchstelle am Schienbein. Dann legten sie die umliegenden Muskeln um das neue Knochengewebe, um dieses zu stabilisieren. Innerhalb von zwei Monaten entwickelte sich das Gewebe zu einem Knochen und verband sich mit den angrenzenden Knochenstücken, sagte Schai Meretzki, Chef des israelischen Herstellers Bonus Biogroup aus der Küstenstadt Haifa. Nach insgesamt vier bis sechs Monaten habe das neue Knochenstück auch Mark gehabt. Der neue Knochen verhalte sich wie natürliches Gewebe, bei Jugendlichen etwa wachse er mit.

"Weil jeder Patient einen Knochen bekommt, der aus seinen eigenen Zellen geschaffen wurde, besteht nicht die Gefahr einer Immunabwehr", erklärte Meretzki.

Das Problem mit dem Beckenkamm

Mehr als zehn Zentimeter ist das von den Wissenschaftlern größte gezüchtete Knochenstück lang - allerdings nur zu Forschungszwecken. Mediziner Rozen sagt, dass Knochenlücken von maximal fünf Zentimetern geschlossen werden könnten, mehr würden Muskeln und Nerven nicht erlauben.

Joachim Nickel, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Gewebezüchtung am Universitätsklinikum Würzburg, ist eine solche Knochenimplantation wie die in Israel bisher nicht bekannt. "Die Alternative bei einer solchen Knochenfraktur ist, dass man einem Patienten an einer gesunden Stelle des Körpers Knochen entnimmt, meistens vom Beckenkamm, und an die defekte Stelle transplantiert", so Nickel. "Doch der Beckenkamm liefert nicht x-beliebig Material." Zudem würde bei diesem Verfahren eine zweite Stelle am Körper verletzt, was wiederum Komplikationen nach sich ziehen könnte.

Noch nicht marktreif

Nickel verweist auf Zahlen, wonach in der westlichen Welt bis zu jeder zehnte Bruch nicht selbständig verheilt. Für solche Fälle käme das Verfahren ihm zufolge infrage. Die israelischen Wissenschaftler betonen, dass Menschen vor allem durch den Alterungsprozess, Infektionen oder Tumore Knochen verlören. So könnten mit dem Verfahren auch etwa durch Osteoporose brüchige Knochen wieder gefestigt werden, sagt Rozen.

Die Gewebeforscherin Alicia El Hadsch lobt das israelische Projekt wegen der Marktnähe. Der neue und aufregende Aspekt der Arbeit sei, "dass eine kommerzielle Firma diese Zellen in Kombination mit einem neuen Biomaterial benutzt, um eine individuelle Behandlung für einen Patienten anzubieten", sagt die Professorin für Zellentwicklung an der britischen Keele Universität.

Marktreif ist das Verfahren allerdings noch lange nicht. Meretzki hofft, in drei bis vier Jahren mit dem Knochenprodukt auf dem Markt gehen zu können.

hei/dpa

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