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Manipulierte Kriegsfotos Bilder, die lügen

Massenhaft werden Bilder des Leids aus Israel, Gaza oder Syrien im Netz geteilt. Doch oft sind die grausigen Fotos von Kriegen falsch datiert oder verortet. Einige drastische Beispiele.
Angriff auf Zivilisten in Gaza: Dieses Bild kursiert im Netz - es stammt jedoch aus dem Jahr 2009

Angriff auf Zivilisten in Gaza: Dieses Bild kursiert im Netz - es stammt jedoch aus dem Jahr 2009

Foto: MOHAMMED ABED/ AFP

Hamburg - Fast 6,5 Millionen Mal haben Twitter-Nutzer in den vergangenen vier Wochen den Hashtag #GazaUnderAttack benutzt. Pro Stunde kamen teils rund 6500 Tweets hinzu. Der Gaza-Krieg tobt auch in den sozialen Netzwerken. Drastische Bilder machen bei Twitter und Facebook die Runde. Aber dieser Krieg im Netz wird von beiden Seiten mit oft unsauberen Mitteln geführt - es wird gefälscht und gemogelt.

"Je ungenauer die Bilder kontextualisiert sind und desto ungewisser deren Herkunft ist, umso eher eignen sie sich, für andere Zwecke verwendet zu werden", so der Historiker und Bildwissenschaftler Gerhard Paul von der Universität Flensburg. Er gilt als einer der führenden Experten für "Visual History", ein Forschungsfeld, das sich mit der Rolle von Bildern bei der Geschichtsschreibung beschäftigt.

Auch wenn der Konflikt abebbt, prägen die im Netz verbreiteten Bilder weiterhin die öffentliche Meinung. Dabei spielt es oft keine Rolle, ob die Fotos manipuliert oder aus dem Kontext gerissen sind. Je eindrücklicher das Motiv, desto länger bleibt es einem breiten Publikum in Erinnerung.

Von einem der herzzerreißendsten Fotos aus dem Gaza-Konflikt spricht zum Beispiel der Autor dieses Tweets. Versehen ist das Bild mit dem Hashtag ICC4Israel, eine Abkürzung für die Aufforderung: International Criminal Court for Israel. Mehr als hundert Menschen haben diesen Tweet geteilt.

Allerdings taugt das Bild nicht wirklich, um die Angriffe der Israelis anzuprangern. Es stammt aus einem ganz anderen Konflikt, aus Syrien. Aufgenommen ist es, wie offensichtlich im Bild zu erkennen, vom Hadath Media Center (h.m.c.), das in Aleppo arbeitet - und: Das gleiche Foto dient in den vielen Netzwerken auch als ein Beispiel für die Gräueltaten des Assad-Regimes .

Die Herkunft vieler angeblich aktueller Bilder aus dem Gaza-Konflikt, die mit Hashtags wie #HamasKillsKids, #IsraelUnderFire, #GazaUnderAttack und #FreePalestine im Netz kursieren, ist selten überprüfbar.

Zum Beispiel diese Aufnahme: Unter Beschuss stehen zwar tatsächlich palästinensische Zivilisten. Zu sehen ist der Angriff auf eine Uno-Schule in Beit Lahia im nördlichen Gaza-Streifen. Laut der Organisation Human Rights Watch handelt es sich um den Einsatz von Phosphorbomben . Allerdings stammt die Aufnahme vom 17. Januar 2009 . Im Internet taucht sie derzeit häufig auf - als wäre sie ein Beleg für aktuelle Gräuel.

Schon seit Bestehen der Fotografie gab es immer wieder Versuche, Bilder zu manipulieren, ihre Aussage zu verdrehen, sagt der Bildwissenschaftler Gerhard Paul. Selbst ein so berühmtes Bild wiedie Aufnahme des neun Jahre alten Mädchens Kim Phúc im Vietnamkrieg sei verändert worden, um die Wirkung zu erhöhen.

(Anmerkung: Einige Leser haben uns darauf hingewiesen, dass dieses Bild nicht als manipuliert gelten kann, da lediglich der Bildausschnitt verändert wurde, eine unter Fotojournalisten gemeinhin als zulässig geltende Bearbeitungsweise.)

Foto von neunjähriger Kim Phúc: Symbolbild des Vietnamkriegs

Foto von neunjähriger Kim Phúc: Symbolbild des Vietnamkriegs

Foto: Nick Ut / AP

Die Fotografie zeigt das Mädchen auf der Flucht vor südvietnamesischen Bombardements. Es ist zwar nicht gefälscht, geschraubt wurde jedoch nachträglich am Bildausschnitt: Der ist so eingeschränkt, dass die Napalm-Wolke im Hintergrund größer wirkt. Das Foto avancierte zum Symbolbild für die Untaten des Krieges. "Es sind sehr häufig Abbildungen von Kindern im Krieg, die die Zivilgesellschaften des Westens" besonders berühren, sagt Gerhard Paul.

Schon im Ersten Weltkrieg manipulierten die Kriegsparteien mit Fotografien. Das zeigt zum Beispiel diese Aufnahme aus dem Jahr 1917.

Foto von Frank Hurley aus dem Jahr 1917: Montierte Gewitterwolken

Foto von Frank Hurley aus dem Jahr 1917: Montierte Gewitterwolken

Foto: Frank Hurley/ National Library of Australia

In der Dunkelkammer fügte der Kriegsfotograf Frank Hurley nachträglich noch etwas Dramatik hinzu: Für die Aufnahme "Der Morgen nach der ersten Schlacht von Passchendaele" montierte der Australier Licht und Gewitterwolken ins Bild.

Als ein besonders spektakulärer Kriegsbilder-Fake gilt sein Bild "Der Angriff". Es zeigt ein Schlachtfeld: Soldaten stürmen aus dem Schützengraben, Doppeldecker kreisen über den Kämpfern - doch es ist ein reines Konstrukt, bestehend aus zwölf Teilbildern, die Hurley zuvor bei Übungen an der Westfront im Hinterland aufgenommen und dann zusammengeschnitten hatte.

Die Nazi-Propaganda im Zweiten Weltkrieg fälschte in großem Stil Fotos vom Kriege. Oft flog erst Jahre später auf, dass Bilder gestellt waren, oder gar nicht von den angegebenen Schauplätzen stammten.

Heute mache es die Digitalisierung zwar leicht, Fotos zu verbreiten. Doch trage sie gleichzeitig dazu bei, dass Fälschungen meist schnell entdeckt werden, sagt Gerhard Paul.

Dennoch führte die Masse an ungeprüften und aus dem Zusammenhang gerissenen digitalen Aufnahmen dazu, dass "die Glaubwürdigkeit der Bilder wie nie zuvor seit Beginn der Fotografie gelitten hat", sagt er.

Einen zumindest kreativen Umgang mit Bildern legt auch dieses Video  nahe. Produziert hat es der US-amerikanische Fernsehsender Christian Broadcasting Network (CBN). Titel: "Hamas will, dass Israel ihre Kinder tötet". Der Sprecher des Videozusammenschnitts erklärt, dass die Hamas nicht einmal davor zurückschrecke, ihre Kinder als menschliche Schutzschilde einzusetzen. Andere Quellen hingegen verorten das Video in Syrien .

Dieser Tweet löste ein Verwirrspiel auf, das vor Kurzem im Netz für Furore sorgte. Zunächst war die Rede von entlarvenden Fotos und einer angeblichen Propaganda-Schmink-Aktion  der Israelis. Sie zeigen angeblich, wie sich die Soldaten mit roter Theaterschminke Wunden aufmalen lassen. Die Botschaft der Bilder: Die Israelis gaukeln der Welt auf besonders perfide Weise das Leid auf ihrer Seite vor. In Wirklichkeit haben die Bilder nichts mit dem Konflikt in Nahost zu tun: Sie zeigen Make-up-Künstler aus England  bei der Arbeit.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, das vietnamesische Mädchen Kim Phúc sei vor amerikanischen Bombardements geflohen. Tatsächlich erfolgte der Napalm-Angriff durch die südvietnamesische Armee. Wir haben den Artikel korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.

(Mitarbeit: Philipp Löwe)