Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Israels Offensive: Das Leid in Gaza

Foto: FINBARR O'REILLY/ REUTERS

Gazastreifen-Konflikt Der Krieg der unsichtbaren Kämpfer

Menschen rennen um ihr Leben, tote Zivilisten liegen in den Straßen: Die Fotos vom Angriff auf Schedschaija setzen Israel international unter Druck. Was sie nicht zeigen, sind die Hamas-Kämpfer, die sich zwischen den Flüchtlingen verstecken - zum Teil in Frauenkleidern.

Jerusalem - Die Straßenkämpfe haben Schedschaija erreicht, einen Stadtteil im Nordosten des Gazastreifens. Bilder zeigen Familien, die in Panik flüchten. Manche Menschen noch im Schlafanzug, andere verlieren beim Laufen ihre Schuhe. Viele überleben die Flucht unter dem anhaltenden Beschuss der Panzer nicht. Als Helfer und Journalisten während einer kurzen Waffenruhe in den Stadtteil kommen, finden sie Leichen in den Straßen.

Allein am Sonntag sind durch die israelische Militäroffensive gegen den Gazastreifen palästinensischen Angaben zufolge mehr als 70 Menschen getötet worden. Und Schedschaija entwickelt sich nun zu einem der Symbole dieses jüngsten Nahost-Krieges. Die Aufnahmen von den Toten und Flüchtenden werden es sein, die vom Gaza-Krieg 2014 im kollektiven Gedächtnis zurückbleiben. Am Kriegsverlauf werden sie vorerst wohl nichts ändern.

Das Schicksal der Menschen im Gazastreifen ist den Hamas-Kämpfern gleichgültig, das Leid der Zivilisten dient ihrem Zweck: Je mehr unschuldige Opfer es gibt, desto größer wird die internationale Kritik an Israel.

Kaum jemand nahm am Wochenende die Hamas-Kämpfer zwischen den flüchtenden Menschen in Schedschaija wahr. Die Milizen achteten genau darauf, dass Journalisten keine Fotos von ihnen machten, sprachen auch Drohungen aus. Manche der Kämpfer trugen Frauenkleidung und hatten sich Gesichtsschleier übergeworfen - aber unter ihren Gewändern ragten die Kalaschnikows hervor. Sie nutzten den humanitären Waffenstillstand aus, um in dem Wohnviertel neue Schusspositionen einzunehmen.

Dieser Krieg in Nahost ist ein Krieg der unsichtbaren Kämpfer. Die Menschen im Gazastreifen nehmen auch die israelische Armee meist nur als Sirren der Drohnen und Krachen der Bomben, Raketen und Artillerie wahr.

Der Schrecken, den beide Seiten verbreiten, hilft vor allem einer Seite: der Hamas. Die militanten Islamisten können sich gegenüber ihren Rivalen von der Fatah nun brüsten: Seht her, wie brutal Israel vorgeht - mit so jemandem will der palästinensische Präsident Mahmud Abbas Frieden schließen? Auch nach dem Kriegsende werden die Bilder von Gaza 2014 noch lange einen Fluch für die Moderaten unter den Palästinensern bedeuten, weil sie ihr Bemühen konterkarieren, den Konflikt zu entschärfen.

Auch Israels Opposition unterstützt den Krieg

International gerät Israel nachder Attacke von Schedschaija verstärkt unter Druck. US-Präsident Barack Obama forderte eine rasche Waffenruhe, der Uno-Sicherheitsrat einen sofortigen Waffenstillstand.

Doch Israels Regierung will weitermachen, bis sie die unterirdischen Lager der Hamas und ihre Tunnel nach Israel zerstört hat. In zwei, drei Tagen könnten die Kriegsziele vielleicht erreicht sein, sagte Verteidigungsminister Mosche Jaalon an diesem Montag.

Meinungsumfragen zufolge unterstützen zwei Drittel der Israelis den Kurs ihres Premierministers Benjamin Netanjahu. Sie fühlen sich von der Hamas bedroht und fordern ein hartes Vorgehen, zumal am Montag wieder palästinensische Kämpfer durch Tunnel auf israelisches Gebiet vordrangen. Auch die israelische Opposition steht hinter dem Krieg.

Ohne ersichtliches Mitgefühl sprach Premier Netanjahu am Sonntagabend im Interview von "telegenen toten Palästinensern", die den Zwecken der Radikalen nützten. Die Bilder aus Gaza erschüttern kaum jemanden im Land. Die meisten Israelis betrachten die toten palästinensischen Kinder zwar als beklagenswert - aber nicht als ihre Angelegenheit. Die Schuld sehen sie allein bei der Hamas, weil diese Zivilisten als Schutzschilde missbrauche. Doch es sind israelische Kugeln, Raketen und Bomben, die töten.

Es ist ein Krieg, in dem hauptsächlich Unbeteiligte zu Opfern werden. Über 500 Palästinenser sind inzwischen ums Leben gekommen, zwei Drittel von ihnen Zivilisten. Dreitausend Menschen wurden verletzt, darunter laut Uno rund eintausend Kinder. Auf israelischer Seite ist die Todeszahl bereits jetzt höher, als in den letzten beiden Gaza-Kriegen zusammen: 18 Soldaten und ein Zivilist wurden getötet. Stand diesen Montag.