Kuriose Ausgrabungen in Israel :
One for the road

Von Jochen Stahnke, Jerusalem
Lesezeit: 2 Min.
Alle leer: Adrienne Ganor von der Israelischen Antikenbehörde präsentiert die historischen Flaschen der Briten.

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Sie haben getrunken – und das nicht zu wenig. Israelische Forscher haben 100 Jahre alte Flaschen britischer Truppen ausgegraben. Sie zeigen, womit sich die Soldaten im Heiligen Land die Zeit vertrieben haben.

In Israel laufen stets ungefähr 300 Ausgrabungen zur gleichen Zeit. Zehntausende Artefakte aus vielen Epochen werden Jahr um Jahr gehoben. Doch was die Antikenbehörde nun im Zug von Straßenbauarbeiten gefunden hat, besitzt höchsten Seltenheitswert, wenn auch die daraus gewonnene Erkenntnis – Stand Mittwochnachmittag – wenig überrascht: Die Soldaten des britischen Empire tranken viel. Sehr viel, um historisch genau zu sein.

In einer Grube neben den Ruinen eines Bauernhauses bei Ramla haben israelische Archäologen Hunderte leere Alkoholflaschen gefunden, die den Truppen von General Edmund Allenby vor genau einem Jahrhundert geholfen hatten, die Zeit und das Gesehene im Krieg zu vertreiben. Die Pullen sind vielfach intakt geblieben. Beispielsweise drei Gin-Flaschen der Marke Gordon’s und ein Scotch aus dem Hause Dewar’s. Alle leer. Der Ausgrabungsleiter Ron Toueg sagte, dass 70 Prozent der gefundenen Flaschen Alkohol enthalten hätten, wie Gravur und Aufschriften belegen. Bier und Wein dominierten offensichtlich den Getränkebestand der Truppe. Fast ausnahmslos eingeführt aus Europa, bis auf eine einzige erhalten gebliebene Mineralwasserflasche aus Südafrika.

Ramla lag in der Etappe des im Zerfall begriffenen ottomanischen Palästinas. Hier hatte General Allenby einige seiner Soldaten nach der Eroberung des Städtchens im November 1917 untergebracht. Während die britischen Soldaten in Ramla tranken, war Historisches geschehen. Ihr Außenminister Arthur James Balfour hatte eine Deklaration unterzeichnet, in der er „mit Wohlwollen die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina“ betrachtete, „wobei, wohlverstanden, nichts geschehen soll, was die bürgerlichen und religiösen Rechte der bestehenden nichtjüdischen Gemeinschaft in Palästina ... in Frage stellen könnte“. Und während die Soldaten von Ramla weitertranken, marschierte ihr General im Dezember mit anderen Truppenteilen in Jerusalem ein. Erst im September 1918 ließ Allenby seine Leute aus Ramla weiter nordwärts in Richtung Damaskus marschieren. Das in Beschlag genommene Bauernhaus brannte nach Angaben der Antikenbehörde später aus.

Zwischen den Alkoholflaschen fanden die Archäologen Gürtelschnallen, Uniformknöpfe, einen Offiziersstock mit dem Emblem des „Royal Flying Corps“ und ein Medaillon mit dem Konterfei des damaligen ägyptischen Königs Fuad des Ersten. Die „Ägyptischen Expeditionsstreitkräfte“ Allenbys hatten einen langen Weg hinter sich – in eine Glasflasche ist die Aufschrift eines britischen Kantinenservices aus Kairo geschmolzen. Ob sich auch darin einst Alkohol befand, bleibt Gegenstand der weiteren Erforschung.