Der Platz vor dem S-Bahnhof Grunewald wird nach der israelischen Partnerstadt Karmiel benannt. Der Festakt ist am Sonntag (11.30 Uhr).

Anlässlich der 30-jährigen Städtepartnerschaft zwischen der Stadt Karmiel in Israel und Charlottenburg-Wilmersdorf wird am heutigen Sonntag, 18. Oktober, der Platz vor dem S-Bahnhof Grunewald in Karmielplatz benannt. Der Platz befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Gedenkort „Gleis 17“ und hat schon deswegen eine besondere Bedeutung. Dort wird der mehr als 50.000 Juden Berlins gedacht, die zwischen Oktober 1941 und Februar 1945 vorwiegend vom Güterbahnhof Grunewald aus durch den nationalsozialistischen Staat in seine Vernichtungslager deportiert und ermordet wurden. An dem Festakt zur Benennung des Platzes ab 11.30 Uhr, bei dem das neue Straßenschild enthüllt wird, nimmt auch eine Delegation aus Karmiel mit dem Bürgermeister Adi Eldar teil. Die Berliner Morgenpost hat Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) vorab zur Partnerschaft befragt.

Berliner Morgenpost: Partnerschaften zwischen Städten sind oft geprägt von wenig Austausch. Das ist bei der Verbindung zwischen Charlottenburg-Wilmersdorf und der israelischen Stadt Karmiel wohl anders?

Reinhard Naumann: Bei 13 internationalen Partnerschaften und einer freundschaftlichen Verbindung können natürlich nicht alle gleich intensiv gepflegt werden. Ich bin ja kein Außenminister, sondern Bürgermeister. Mit unseren beiden Städtepartnerschaften Karmiel und Or Yehuda ist das anders. Denn vor dem Hintergrund der Shoa nehmen wir unsere besondere Verantwortung gegenüber Israel gerade auch auf der kommunalpolitischen ganz bewusst wahr. Deshalb gibt es seit Jahren kontinuierlich gegenseitige Besuche.

Eine große Delegation ist gekommen, um die Platzbenennung feierlich mitzuerleben. Was bedeutet Ihnen der Tag persönlich?

Im letzten Jahr war Charlottenburg-Wilmersdorf mit einer politischen Delegation bei unseren Freunden. Ein Besuch, der individuell ganz unterschiedlich als spannungsreich empfunden wurde: Siedlungspolitik dort, Antisemitismus hier, um nur zur Stichworte zu nennen. Wichtig ist mir, dass im gegenseitigen Kennenlernen und Dialog über die Jahre hinweg Verständnis füreinander und damit Vertrauen gewachsen ist‎. Ich durfte Israel 1999 im Rahmen eines Partnerschaftsbesuches mit Bürgermeisterin Monika Wissel kennenlernen und habe mich sofort in Land und Leute verliebt. Seitdem habe ich stetig am Brückenbau zwischen unseren Ländern mitgewirkt. Die persönliche Begegnung ist entscheidend, insbesondere um beidseitig bestehende Vorurteile zu überwinden. Die Freude ist groß über den Besuch der achtköpfigen Delegation. Und das empfinden beide Seiten so.

In welchen Bereichen tauschen Sie sich mit Karmiel besonders intensiv aus?

Der rote Faden ist der jährliche Jugendaustausch. Gerade war im August unsere Gruppe für zehn Tage in Karmiel. Ein Highlight war der gegenseitige Erfahrungsaustausch von jeweils vier Sozialarbeiterinnen des Jugendamtes, denn Kinderschutz ist weltweit eine kommunale Aufgabe. Und genau das war mir von Anbeginn an wichtig: Dass die politische Ebene Begegnungen der Menschen ermöglicht, die ehrenamtliche Arbeit unserer beiden Partnerschaftsvereine eingeschlossen.

Sie sind ein bekennender Freund des Landes Israel, wie oft waren Sie schon dort, und was gefällt Ihnen besonders?

Israel liegt vor unserer Haustür! Vier Stunden und Du bist im Hot Spot Tel Aviv. Aber in unseren Köpfen ist es so weit weg, Polen geht es übrigens ähnlich damit. Das hat mit falschen Bildern und reichlich Vorurteilen zu tun. Natürlich kritisiere ich als Sozialdemokrat die aktuelle rechte Regierungspolitik. Mein Credo ist: Hingehen, miteinander reden, die Kräfte im Land stärken, die die so wichtige Friedensarbeit vor Ort leisten und gegen die Extremisten auf beiden Seiten ‎wirken, und demokratische Prozesse unterstützen. Denn ein Blick nur auf die Landkarte verdeutlicht: Die einzige Demokratie im Nahen Osten mit Meinungs - und Pressefreiheit, unabhängiger Justiz und der Wahrung von Minderheitenrechten braucht und verdient unsere Solidarität. Und was mir persönlich besonders gefällt? Die tollen Menschen in ihrer Vielfalt und das leckere Essen – Liebe geht bekanntlich durch den Magen und erweist sich im Miteinander menschlicher Begegnung in gegenseitiger Achtung und Respekt.