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Deutschland-Israel Model United Nations

Am Ende geht es immer um den Nahostkonflikt

Diese Kommilitonen der FU Berlin vertraten Israel beim Rollenspiel „Model United Nations“ im Hauptquartier der UN Diese Kommilitonen der FU Berlin vertraten Israel beim Rollenspiel „Model United Nations“ im Hauptquartier der UN
Diese Kommilitonen der FU Berlin vertraten Israel beim Rollenspiel „Model United Nations“ im Hauptquartier der UN
Quelle: Peggy Wittke/FU Berlin
Bei „Model United Nations“ simulieren Studenten aus aller Welt die Arbeit der Vereinten Nationen. Die Berliner Delegation vertrat diesmal Israel. Schnell lernte sie, was es heißt, isoliert zu sein.

Als Isa Adriane Günther bei einer Demonstration gegen Antisemitismus in Berlin eine Israelfahne in die Luft hielt, ahnte sie noch nicht, wie wegweisend diese Geste sein sollte. Viel habe sie sich damals nicht dabei gedacht, die 19 Jahre alte Studentin wollte einfach ein Zeichen gegen Diskriminierung setzen.

Heute findet sie diesen Zufall lustig. Denn damals ahnte sie nicht, dass sie ein halbes Jahr später wieder die Fahne Israels hochhalten würde. Diesmal aber als Diplomatin der Vereinten Nationen in New York.

Isa Adriane Günther und 14 Kommilitonen der Freien Universität Berlin (FU) haben kürzlich bei dem Rollenspiel „Model United Nations“ im Hauptquartier der UN vier Tage lang Israel vertreten. 5000 Studenten aus der ganzen Welt kommen jedes Jahr in New York zusammen, um die Arbeit der UN zu simulieren. Dabei repräsentiert jede Universitätsdelegation eine Organisation oder ein Land, das nicht das eigene ist.

FU Berlin seit 1995 dabei

Genau wie echte Diplomaten arbeiten die Studierenden in Gremien Resolutionen und Berichte aus, halten Reden und stimmen über Anträge ab. Seit 1995 nimmt die FU Berlin an der internationalen Konferenz teil, sie war vor 20 Jahren die erste deutsche Uni, die zur Simulation ins Hauptquartier eingeladen wurde. Seit 1999 sind auch andere deutsche Hochschulen dabei.

Die FU hat bereits Südafrika, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Greenpeace vertreten. Bewusst habe sich die Delegation in diesem Jahr beworben, für Israel einstehen zu dürfen. „Nach den antisemitistischen Ausschreitungen im vergangenen Jahr und der großen Demonstration am Brandenburger Tor schien es mir an der Zeit, dass wir uns in ‚Model UN‘ intensiv mit Israel auseinandersetzen“, sagt Peggy Wittke, die Betreuerin der Studenten-Gruppe.

Verständnis für die Politik fremder Staaten

Was bedeutet es, für vier Tage den Ernstfall zu proben und zu tun, als könnte man die Weltpolitik beeinflussen? Und wie versetzt man sich in die Ziele und Positionen eines fremden Landes hinein? An der UN-Simulation teilzunehmen bedeutet nicht nur, die eigenen Vorstellungen, Vorurteile und Meinungen hinter sich zu lassen, sondern auch, sich die Befindlichkeiten und Standpunkte eines fremden Landes zu eigen zu machen.

Gerade zur Politik Israels, des Landes, das Deutschland seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden und seit vielen Jahrzehnten historisch verpflichtet ist, haben viele eine konkrete Meinung. Seine Politik prägt die Nachrichten in Deutschland. Das Programm will nicht nur das Verständnis für die Arbeit der Vereinten Nationen erweitern, sondern auch für die Politik fremder Staaten sensibilisieren.

Keine einfache Aufgabe, schließlich war keiner aus der studentischen Delegation jemals in Israel, nur wenige hatten sich bereits in ihrem Studium näher mit Israels Politik auseinandergesetzt. „Ich kannte Israel nur aus den Nachrichten“, sagt Maria Fernanda Bravo Rubio, die 20-jährige BWL-Studentin. „Für mich stand das Land also immer vor allem für den Nahostkonflikt.“

In der halbjährigen Vorbereitungsphase für die Konferenz sei ihr bewusst geworden, dass Israel mehr ist. „Israel auf den Konflikt zu reduzieren, wäre ein fataler Fehler“, sagt sie. „Gerade auf internationalem Parkett hat das Land eine starke Stellung, was die Förderung von Frauen, moderne Technologien und Umweltschutz betrifft.“

Angriffe im Umweltausschuss

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Tatsächlich ging es in den Ausschüssen, in denen die Studentinnen in der nachgestellten UN saßen, offiziell kaum um die großen außenpolitischen Themen Israels. Der Nahostkonflikt stand in diesem Jahr nicht auf der Agenda. Stattdessen diskutierten die internationalen Studentengruppen über ein Verbot für tödliche autonome Waffensysteme, nachhaltige Entwicklungen in der Arktis und die syrische Flüchtlingskrise.

Doch verschont blieb die israelische Delegation deshalb noch lange nicht. Denn sie musste lernen, was jeder weiß, der sich ausführlicher mit Israel beschäftigt: Jedes Thema, egal wie politikfern es zu sein scheint, endet meist in einer Diskussion um den Nahostkonflikt.

Am härtesten zu spüren bekam das die Politikstudentin Aylin Mengi. Im Umweltausschuss war sie sich sicher, einer politischen Diskussion zu entgehen. „Ich habe mich mit Israels innovativen Ideen auseinandergesetzt, wie das Land mit ausgeklügelter Technologie trotz Trockenheit aus einem Wüstenstaat ein blühendes Land macht“, sagt sie.

Doch heute weiß sie, dass es blauäugig war, den Umweltausschuss auf die leichte Schulter zu nehmen. „Am Ende war es für uns am härtesten“, erzählt die 23-Jährige. „Wir hatten extreme Schwierigkeiten, mit der Arabischen Liga zu kommunizieren. Albanien hat uns den Handschlag verwehrt, und die muslimischen Länder haben sich zu einer Lobby vereinigt.“ Nur mit Jordanien und Ägypten sei eine nüchterne Kommunikation überhaupt möglich gewesen. Klingt wie im echten Leben.

Frustration über missglückte Verhandlungen

Letztendlich hätten die studentischen Vertreter der arabischen Länder jedes Thema, das Israel hervorgebracht habe, boykottiert und mit Verweis auf den Nahostkonflikt politisiert. Einen Vorschlag Israels zur Geschlechtergleichberechtigung wollten Pakistan und Sudan nicht unterstützen. „Wie könnt ihr über Gleichberechtigung reden, wenn in eurem Land nicht mal Menschenrechte geachtet werden?“, provozierten die Diplomaten. Letztendlich hätten die anderen Länder bewirkt, dass Israels Beitrag aus der Resolution gestrichen wurde.

Aylin Mengi ist die Frustration über die missglückten Verhandlungen noch immer anzumerken. „Wir waren während der ganzen Konferenz isoliert und konnten nur etwas erreichen, wenn wir Verbündete fanden. Russland und die arabischen Länder haben uns permanent angegriffen. Wir konnten kaum agieren, weil wir ständig damit beschäftigt waren, uns zu verteidigen.“ Seit ihrem Ausflug in die Welt der internationalen Diplomatie könne sie nachvollziehen, warum sich Israel innerhalb der Staatengemeinschaft oftmals als Opfer sehe.

Geholfen, sich gegen die Vorwürfe zu wehren, hätte allein die intensive Vorbereitung. Und die Tipps von den Profis. Im Vorfeld hat sich die Studentengruppe mit den echten Diplomaten der israelischen Botschaft in Berlin, aber auch mit israelischen und palästinensischen UN-Vertretern in New York getroffen. Ihr Rat: Orientiert euch an Ideen, nicht an Ländergrenzen. Und: Wenn ein eigentlich politikfernes Thema mit dem Nahostkonflikt in Verbindung gebracht wird, verweist darauf, dass der Nahostkonflikt Thema des Sicherheitsrates ist.

Drei Auszeichnungen für FU-Delegation

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Und schließlich reisten doch nicht alle erfolglos nach Hause: „Mein persönliches Erfolgserlebnis war, dass ich vor 300 Leuten eine Rede in der Generalversammlung halten durfte“, erzählt Maria Fernanda Bravo Rubio. Ihr Bild sei per Video auf die riesigen Leinwände übertragen worden, die sie sonst nur aus dem Fernsehen kennt.

Die Aufmerksamkeit habe sie mit einem Zitat von Schimon Peres gewonnen: „I think that peace should be done not only among governments but among people“ (Frieden ist nicht nur eine Sache zwischen Regierungen, sondern sollte auch ein Anliegen der Menschen sein). Das sei allen in Erinnerung geblieben, bestätigen die Kommilitonen. Und: Am Ende trug die israelische Delegation der FU sogar noch drei Auszeichnungen des Simulationsprogramms von New York mit nach Hause nach Berlin.

Auch Lehramtsstudentin Isa Adriane Günther, die vor einem halben Jahr in Berlin gegen Rassismus demonstriert hatte, konnte bei einem schon verloren geglaubten Kampf nach heftiger, stundenlanger Diskussion einen Sieg vermelden. Im Komitee gegen Diskriminierung setzte sie sich gegen die anderen Studenten durch und brachte das Wort „Antisemitismus“ in einer europäischen Resolution mit unter.

Wie wichtig der Einsatz dagegen ist, weiß sie spätestens seit den Ausschreitungen in Deutschland. Und auch in Zukunft wolle sie Israel nicht von der Landkarte streichen. Schon bald will sie hinfahren und das Land, über das sie nun so viel gelernt hat, selbst kennenlernen.

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