Schüler versuchen den israelisch-palästinensischen Konflikt zu verstehen

Der 16-jährige Vincent Hecker tut sich schwer in den Verhandlungen mit dem Vertreter der Palästinenser und der Vereinten Nationen. Eben waren sie noch alle Schüler aus verschiedenen Schulen, jetzt sitzen sie sich plötzlich als verfeindete Konfliktparteien gegenüber. Vincent vom Hildegard-Wegscheider-Gymnasiums aus Grunewald hat den Auftrag, die Position des Staates Israel zu vertreten. Es geht um Sicherheit, um den Zugang zu Trinkwasser, um die Stadt Jerusalem und um die umstritten Mauer um das Westjordanland. „Wie sollen wir denn hier in 20 Minuten eine Lösung finden für Probleme, die seit mehr als 20 Jahren keiner gelöst hat“, fragt Vincent etwas ratlos.

Gemeinsam mit 200 anderen Schülern aus Berlin und Brandenburg nimmt er an diesem Dienstag am Projekttag „Israel anders kennen lernen“ im FEZ teil, der jährlich in wechselnden Städten stattfindet. Ins Leben gerufen wurde der Tag von der israelischen Botschaft gemeinsam mit Partnern, um den Schülern ein Bild von der Vielfalt in Israel jenseits des Nahostkonfliktes zu vermitteln. In verschiedenen Workshops diskutieren israelische Journalisten, Künstler oder auch ein Major der israelischen Armee mit den Jugendlichen. Und schnell wird dabei klar, dass sich der Nahostkonflikt dabei nicht ausblenden lässt, sei es bei den Gesprächen über aktuelle Hip-Hop-Songs, über Youtube-Filme oder über verschiedene Religionen. Die Schüler sind informiert und die meisten haben eher ein kritisches Bild, was die aktuelle Politik Israels angeht. Um so interessanter ist es, einmal die Blickrichtung zu wechseln.

Vincent sitzt gemeinsam mit etwa 20 anderen Jugendlichen in dem Workshop „Nationale Sicherheit“ mit Manja Domack von der Bundeswehr und Major Ayre Sharuz Shalicar von den Israelischen Verteidigungsstreitkräften. Major Shalicar ist per Skype-Konferenz zugeschaltet. Er selbst ist in Berlin aufgewachsen, bevor er sich entschied als Soldat nach Israel zu gehen, erzählt er den Jugendlichen. Mit 13 Jahren sei er mit seinen Eltern damals von Spandau in den Wedding gezogen, wo er als einziger Jude zwischen arabischen Jugendlichen negative Erfahrungen gemacht habe. „Erst dadurch habe ich mir selbst die Frage gestellt, wer bin ich und wo komme ich eigentlich her“, sagt er. Im Jahr 2001 sei er dann nach Israel ausgewandert, wo ein Großteil der Verwandten lebe. Über den Pflichtdienst sei er dann zum Militär gekommen.

In Deutschland sei das schwer vorstellbar, aber in Israel befinde man sich praktisch permanent im Kriegszustand. Die Bedrohung sei allgegenwärtig. Major Shalicar erzählt von Messerattacken, durch die seit einem Monat fast täglich Menschen in Israel verletzt würden. Die Schüler fragen nach dem Alltag in den Städten und in der Armee und dann sollen sie selbst versuchen, in drei Gruppen den Blickwinkel der verschiedenen Parteien einzunehmen und Lösungsvorschläge machen.

Am schwersten fällt das offensichtlich den Schülern, die die Position Israels vertreten sollen. „Ich kann mich doch nicht für die Mauer positionieren“, sagt Pia Möller von der Evangelischen Schule im Zentrum. Mauern könnten nie eine politische Lösung sein, meint die 18-jährige Berlinerin. Pia war schon drei Mal in Israel, hat dort viele Freunde. Sie hat aber auch einen palästinensischen Freund. Pia findet Palästina habe ebenso das Anrecht auf einen eigenen Staat wie Israel.

Wenn die Jugendlichen am Ende des Projekttages mehr Fragen als vorgefertigte Antworten hätten, dann sei das ein Erfolg, sagt Samuel Schidem, der sonst für das Jüdische Museum in Schulen unterwegs ist und an diesem Tag mit Schülern über Religion spricht.